Sittenwidrigkeit des Radarwarngerätekaufs

Gericht

LG Bonn


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

25. 06. 1998


Aktenzeichen

8 S 52/98


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. erwarb von der Bekl. ein Radarwarngerät zum Preise von 1980,70 DM. Da das Gerät defekt war, erhielt er eine Ersatzlieferung. Auch das neue Gerät war defekt. Der Kl. erklärte daraufhin die Wandelung des Kaufvertrags, sandte das Gerät zurück und verlangte die Rückerstattung des Kaufpreises. Die Bekl. bestritt die Fehlerhaftigkeit des Gerätes und berief sich hilfsweise auf einen Ausschluß des Rückforderungsanspruchs gem. § 817 S. 2 BGB.

Das AG gab der Wandelungsklage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Bekl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises stehen die Sittenwidrigkeit des Vertrags und der Einwand aus § 817 S. 2 BGB entgegen.

1. Dem Kl. steht kein Rückzahlungsanspruch aus Wandlung gem. §§ 346 , 459 , 462 , 465 BGB zu, da der Kaufvertrag über das Radarwarngerät nach § 138 I BGB gegen die guten Sitten verstößt und damit nichtig ist. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist sittenwidrig, weil er der Förderung ordnungswidrigen, u. U. auch strafbaren Verhaltens dient. Nach § 138 I BGB können Rechtsgeschäfte, die gegen wichtige rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen, unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der Vertragsparteien im Einzelfall sittenwidrig und damit nichtig sein (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Soergel-Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 138 Rdnr. 194). Insoweit führt der bloße Verstoß gegen eine Rechtsnorm noch nicht zur Sittenwidrigkeit. Hinzu kommen muß vielmehr, daß beide Parteien bewußt ein Gesetz mißachten, das lebenswichtige Belange der Gemeinschaft gegen Angriffe des einzelnen zu wahren bestimmt ist, um sich eigennützig Vorteile zu verschaffen (Soergel-Hefermehl, § 138 Rdnr. 194 m. w. Nachw.). Insoweit entspricht es aber ständiger Rechtsprechung, Verträgen, die der Vorbereitung, Förderung und Ausnutzung strafbaren - oder ordnungswidrigen - Verhaltens dienen, gem. § 138 BGB die rechtliche Anerkennung zu versagen (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1520 f.; w. Nachw. bei Palandt-Heinrichs, § 138 Rdnr. 42).

Zur Begründung der Sittenwidrigkeit kann insoweit zwar nicht mehr auf die Förderung eines Verstoßes des Käufers gegen § 15 FAG zurückgegriffen werden. Diese Vorschrift, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHSt 30, 15 ff. = NJW 1981, 831) auch den Betrieb von Radarwarngeräten als Einrichtung, die den Empfang von Nachrichten ermöglicht, erfaßte, ist durch das Postneuordnungsgesetz vom 14. 9. 1994 (BGBl I, 2325) bereits zu einem konkreten Gefährdungsdelikt umgestaltet und durch das Telekommunikationsgesetz vom 25. 7. 1996 (BGBl I, 1120) endgültig aufgehoben worden. Die nunmehr enger gefaßte Strafvorschrift des § 95 TKG, die nur noch das „Abhören“ von Nachrichten unter Strafe stellt, erfaßt nicht mehr den reinen Empfangsbetrieb eines Radarwarngeräts, da der Begriff des „Abhörens“ nach dem Wortsinn die inhaltliche Wahrnehmung gesendeter Nachrichten verlangt. Die reine Feststellung, ob in der Nähe ein Radargerät in Betrieb ist, reicht insoweit nicht aus (vgl. LG Berlin, DAR 1997, 501). Dieser veränderten strafrechtlichen Beurteilung des Betriebs des Radarwarngeräts kommt jedoch für die Einordnung des Kaufvertrags als „sittenwidrig“ kein erhebliches Gewicht zu, da die Strafbarkeit nach dem Fernmeldeanlagengesetz auch unter der Geltung des alten § 15 FAG nur Nebeneffekt einer Vorschrift war, die anderen, nämlich fernmeldetechnischen Zielsetzungen diente. Die Aufhebung der Stafbarkeit kann somit nicht als Ausdruck einer grundsätzlichen Billigung des Gesetzgebers gegenüber Geräten dieser Art angesehen werden.

Entscheidend für die Bewertung dieses Vertrags ist vielmehr der Umstand, daß das Radarwarngerät einzig und allein dem Zweck dient, vor Einrichtungen der Geschwindigkeitsüberwachung zu warnen und damit ein zumindest nach der StVO ordnungswidriges Verhalten fördert. Der Betrieb eines derartigen Warngeräts ist nämlich nur sinnvoll, wenn der Käufer davon ausgeht, er werde sein Fahrzeug - zumindest gelegentlich - unter Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit führen und sich damit ordnungswidrig verhalten. Das Gerät soll ihm insoweit die Sicherheit geben, rechtzeitig vor einer Geschwindigkeitskontrolle die Geschwindigkeit auf das erlaubte Maß reduzieren zu können und nicht auf frischer Tat ertappt zu werden. Damit wird jedoch die Bereitschaft zu ordnungswidrigem Verhalten gefördert und die Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen der StVO, die Erreichung einer größeren Sicherheit für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer durch je nach Verkehrslage reduzierte Geschwindigkeiten, gefährdet. Der Gesetzgeber hat die Überschreitung der angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht nur wegen der Bedeutung der geschützten Rechtsgüter mit Bußgeld bedroht, sondern auch in der Erkenntnis, daß allein die Aufstellung eines Verbotes zur Erreichung der verkehrspolitischen Zielsetzung einer größeren Sicherheit nicht ausreichend wäre. Es entsprach vielmehr seiner Einschätzung, daß die Befolgung der Geschwindigkeitsregeln effektiv nur durch eine Sanktionsnorm gesichert werden kann. Insoweit entspricht es weiterhin kriminologischer Erkenntnis, daß die Aufstellung einer Sanktionsnorm allein zur Erreichung ihres generalpräventiven Effektes nicht ausreichend ist. Gleichzeitig bedarf es auch der Kontrolle der Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeitsbeschränkungen durch die zuständigen Ordnungsbehörden. Diese sollen - gerade wenn sie in verdeckter Form durchgeführt werden - der Feststellung und künftigen Abschreckung derjenigen Kraftfahrer dienen, die Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht hinreichend beachten, wenn sie sich unkontrolliert glauben, und auf diese Weise über den örtlichen und zeitlichen Bereich der Kontrolle hinauswirken (vgl. BayObLG, NJW 1963, 1884 f.; OVG Münster, NJW 1997, 1596).Gerade bei den im Vergleich zum Strafrecht relativ milden Folgen der Gesetzesübertretung bei Ordnungswidrigkeiten kommt der erwarteten Sanktionswahrscheinlichkeit eine erhöhte Bedeutung für die Motivation des Verkehrsteilnehmers zur Einhaltung der Normen zu. Dieser generelle Zusammenhang von Sanktionswahrscheinlichkeit und Rechtstreue läßt daher auch den Schluß zu, daß mit dem Einsatz des Radarwarngeräts aufgrund der subjektiven Sicherheit des Fahrens vor dem „Erwischtwerden“ auch die Bereitschaft steigt, die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu überschreiten, um das Fahrziel schneller zu erreichen. Soweit der Kl. seine Zielsetzung dahingehend beschreibt, nur bei versehentlicher Geschwindigkeitsüberschreitung vor verdeckten Kontrollen gewarnt zu werden, bestätigt dies ebenfalls, daß das Radarwarngerät geeignet und gedacht ist, eine unaufmerksame Fahrweise zu fördern. Auch verdeckte und unerwartete Radarkontrollen befinden sich immer an Straßenabschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkung, so daß die grundsätzliche Feststellung der Bereitschaft des Käufers zu Geschwindigkeitsüberschreitungen, wenn er sich unbeobachtet glaubt, nicht erschüttert ist (vgl. auch OVG Münster, NJW 1997, 1596). Dieser Bewertung des Einsatzes des Radarwarngeräts steht auch nicht entgegen, daß teilweise die zuständigen Behörden selbst durch Schilder oder über Rundfunk auf Radarkontrollen hinweisen. Einer Ankündigung von Radarkontrollen oder festen Meßeinrichtungen in den Medien kommt dabei sogar ein positiver generalpräventiver Aspekt zu, weil diese Angaben das Bewußtsein für die Bedeutung von Geschwindigkeitsbeschränkungen allgemein steigern und darüberhinaus die fahrerische Aufmerksamkeit dafür schärfen, daß in dieser Region mit Kontrollen zu rechnen ist (vgl. auch OVG Münster, NJW 1997, 1596). Sie vermitteln jedoch anders als Radarwarngeräte nicht das Gefühl, man werde, auch ohne sein Fahrverhalten darauf einzustellen, rechtzeitig Radarkontrollen erkennen.

Mit dem Verkauf des Radarwarngeräts wird somit planmäßig ein fördernder Beitrag zu ordnungswidrigem Verhalten geleistet. In diesem oben beschriebenen Einsatz liegt auch der Hauptzweck des Kaufvertrags, da eine andere Nutzung des Geräts - auch angesichts des Preises - nicht ersichtlich ist. Einem derartigen, den Interessen der Gemeinschaft an der Einhaltung der zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer aufgestellten Geschwindigkeitsbeschränkungen zuwiderlaufenden Rechtsgeschäft muß die Rechtsordnung den Schutz und die rechtliche Anerkennung versagen. Es würde die Rechtsordnung konterkarieren, wenn anderenfalls die Gerichte in Gewährleistungsprozessen diejenigen Anforderungen an Radarwarngeräte festlegen müßten, um einen effektiven Schutz vor behördlichen Geschwindigkeitskontrollen zu gewährleisten.

Ein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit ist nicht erforderlich; es genügt, daß die Beteiligten die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich ihrer Kenntnis zumindest grob fahrlässig verschließen (BGH, NJW 1992, 310 = LM § 826 [E] BGB Nr. 5). Daran bestehen hier keine Zweifel.

2. Der Kl. kann den aufgrund des unwirksamen Kaufvertrags geleisteten Kaufpreis für das Radarwarngerät auch nicht nach § 812 I BGB zurückfordern, da diesem Bereicherungsanspruch der Einwand aus § 817 S. 2BGB entgegensteht.

Nach § 817 S. 2 BGB ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn den Leistenden ebenfalls der Vorwurf des sittenwidrigen Geschäftes trifft. Als Verwender des Geräts ist der Kl. in gleicher Weise wie der Händler von dem Vorwurf betroffen. Zwar schließt die Vorschrift die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem bewußten Sittenverstoß aus. Auch hier steht es indessen vorsätzlichem Verhalten gleich, wenn sich der Leistende der Einsicht in die Sittenwidrigkeit leichtfertig verschließt (vgl. BGH, NJW 1992, 310 f. = LM § 826 [E] BGB Nr. 5). Die Behauptung des Kl., er habe auf die Werbung der Bekl. zur Postzulassung vertraut, trifft insoweit nicht den Tatsachenkern, der den Sittenwidrigkeitsvorwurf begründet.

Anhaltspunkte für eine - ausnahmsweise - einschränkende Anwendung des § 817 S. 2 BGB sind nicht gegeben. Die Rückforderung betrifft den Kaufpreis, der als Gegenleistung für das gelieferte Gerät bezahlt wurde, und damit einen Hauptbestandteil des Vertrags, der zur Bewertung als sittenwidrig geführt hat. Der Schutzzweck der oben behandelten Gesetzesumgehung gebietet insoweit keine Ausnahme von dem Rückforderungsverbot. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben, der im Bereicherungsrecht zu beachten ist, fordert keine vollständige Rückabwicklung. Der Umstand, daß der Kl. das Gerät zum Zwecke der Wandlung bereits zurückgesandt hat, ist nicht als ausgleichsbedürftige einseitige Vorleistung anzusehen. Diese Rücksendung erfolgte aus eigenem Entschluß und war nicht Ausfluß einer ungleichgewichtigen Vertragsgestaltung. Sie kann jedenfalls nicht dazu führen, im Ergebnis doch die bei sittenwidrigen Geschäften unmögliche Wandlung zuzulassen.

Rechtsgebiete

Kaufrecht

Normen

BGB §§ 138 I, 346, 459 ff., 812 I, 817 S. 2