Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
22. 01. 1997
Aktenzeichen
11 C 12/95
Die Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren nach der Gebührenverordnung vom 28. 9. 1989 (BGBl I, 1809) - FlusAAGV - verstößt nicht gegen Bundesrecht.
Die Gebührenbemessungsformel des § 2 I FlusAAGV ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie in dem hier streitigen Erhebungszeitraum (August 1990) nicht zwischen Sicht- und Instrumentenflug unterschieden hat.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren für den Monat August 1990. Der Kl. ist Eigentümer und Halter eines Flugzeuges mit einem Gewicht von 2346 kg. Mit Bescheid vom 25. 9. 1990 setzte die Bundesanstalt für Flugsicherung für den Monat August 1990 bei drei Starts des Kl. vom Flughafen D. Gebühren in Höhe von insgesamt 126 DM fest. Hiergegen erhob der Kl. Widerspruch, mit dem er unter Hinweis auf ein in seinem Auftrag erstelltes Sachverständigengutachten die Zulässigkeit der Gebührenerhebung dem Grunde nach verneinte. Diesen Widerspruch wies die Bundesanstalt für Flugsicherung mit Widerspruchsbescheid vom 28. 3. 1991 als unbegründet zurück.
Der vom Kl. erhobenen Klage gab das VG im wesentlichen mit der Begründung statt, die Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebührenverordnung vom 28. 9. 1989 (BGBl I, 1809), auf die der Gebührenbescheid gestützt worden sei, verstoße gegen das Äquivalenzprinzip und sei nichtig, soweit sie bei der Gebührenbemessung für Luftfahrzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse über 2000 kg nicht zwischen Sicht- und Instrumentenflug unterscheide. Auf die Berufung der Bekl. hat der VGH das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Rechtsgrundlage für den streitigen Gebührenbescheid ist die Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung beim An- und Abflug (Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren-Verordnung - FlusAAGV) vom 28. 9. 1989 (BGBl I, 1809). Diese Gebühren waren nach § 5 FlusAAGV in der hier fraglichen Erhebungszeit (August 1990) von der Bundesanstalt für Flugsicherung zu erheben. Die Gebührenverordnung ist gestützt auf § 32 I 1 Nr. 14 LuftVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. 1. 1981 (BGBl I, 61), geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 2. 2. 1984 (BGBl II, 69). Danach können durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr mit Zustimmung des Bundesrats Kosten (Gebühren und Auslagen) für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung erhoben werden. Die Gebührensätze sind dabei so zu bemessen, daß der mit den Amtshandlungen verbundene Sach- und Personalaufwand gedeckt wird; bei begünstigenden Amtshandlungen kann daneben die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen für den Gebührenschuldner angemessen berücksichtigt werden (§ 32 I 1 Nr. 14 S. 2 i.V. mit Nr. 13 S. 4 LuftVG). Diese Rechtsvorschriften stehen, wie das BerGer. zutreffend entschieden hat, mit Bundesrecht in Einklang.
1. Das BerGer. hat mit Recht angenommen, daß der streitige Gebührenbescheid nicht verfahrensfehlerhaft erlassen wurde. Er ist - wie in § 5 FlusAAGV vorgesehen und aus seinem Briefkopf ersichtlich - ein Bescheid der Bundesanstalt für Flugsicherung, auf deren Konto nach seinem Wortlaut die Gebühren zu überweisen und bei der nach der Rechtsmittelbelehrung ein Widerspruch einzulegen war. Ob die vom BerGer. festgestellte Berechnung der Gebührenhöhe und die Versendung des Bescheids durch Eurocontrol den Rahmen zulässiger Amtshilfe überschritt, bedarf keiner Entscheidung; denn selbst wenn dies der Fall wäre, kann nach § 46 VwVfG die Aufhebung eines - wie hier - nicht nichtigen Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Für die Aufhebung eines Verwaltungsakts muß nach den Umständen des Falles stets die konkrete Möglichkeit bestanden haben, daß ohne den Mangel der Inhalt der Entscheidung anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwGE 69, 256 (269, 270) = NVwZ 1984, 718; BVerwGE 75, 214 (228) = NVwZ 1987, 579). Das ist hier nicht der Fall. Ob die Einschaltung von Eurocontrol unter das Datenschutzrecht fällt, kann ebenfalls offenbleiben; denn jedenfalls ergibt sich daraus kein Anspruch auf Aufhebung eines inhaltlich richtigen Gebührenbescheids.
2. Der Gebührenbescheid verstößt auch materiellrechtlich nicht gegen Bundesrecht.
Zunächst geht die Auffassung der Revision fehl, dem angefochtenen Gebührenbescheid fehle schon deshalb eine wirksame Rechtsgrundlage, weil die aufgrund des Art. 87d I GG i.d.F. des ÄndG GG v. 14. 7. 1992 (BGBl I, 1254) i.V. mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 23. 7. 1992 (BGBl I, 1370) eingeführte Organisationsprivatisierung der Flugsicherung verfassungswidrig sei und dies auf die hier streitige Zeit rückwirkend "durchschlagen" müsse. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß Art. 87d GG n.F. eine mit Art. 79 III GG unvereinbare verfassungswidrige Verfassungsnorm ist (vgl. hierzu: Windthorst, in: Sachs, (Hrsg.), GG, (1996), Art. 87d Rdnrn. 17ff. (32ff.)) und die für die Zeit ab 1. Juli 1990 (§ 6 FlusAAGV) vorgeschriebene Gebührenerhebung von der rechtswirksamen Entstehung der privatisierten Flugsicherung abhängig sein und mit ihr "stehen und fallen" sollte.
Ferner trifft die Meinung der Revision nicht zu, die Kosten der Flugsicherung müßten von der Allgemeinheit getragen werden, weil es sich hier nicht um eine Gebühr, sondern um eine verdeckte Steuer handele, die von Art. 105ff. GG nicht gedeckt sei. In der Rechtsprechung des BVerwG ist bereits entschieden, daß sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 6 GG auch auf Regelungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs erstreckt, die Befugnis zur Gebührenerhebung einschließt und daß Flugsicherungsgebühren nach § 32 I 1 Nr. 13 LuftVG keine Steuern, sondern Gebühren sind (vgl. BVerwGE 95, 188 = NVwZ 1994, 1102 = NJW 1995, 475 L = NZV 1994, 276 L).
Für die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung gem. § 32 I 1 Nr. 14 LuftVG kann nichts anderes gelten. Die auf dieser Grundlage nach der Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebührenverordnung begründete Kostenpflicht entsteht allein bei tatsächlichen Abflügen mit Luftfahrzeugen und weist damit die für eine Gebühr notwendige Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung auf (vgl. BVerfGE 20, 257 (269) = NJW 1967, 339; Wolff/Bachof/Stober, VerwaltungsR I, 10. Aufl. (1994), § 42 Rdnrn. 22ff.). Sie betrifft - anders als bei der allgemeinen Gefahrenabwehr im Polizei- und Ordnungsrecht - einen von der Allgemeinheit deutlich abgrenzbaren speziellen Personenkreis, nämlich den der Halter von Flugzeugen, und ist das besondere Entgelt für die besondere Inanspruchnahme der Einrichtungen der Flugsicherung.
Ferner verstößt die Gebührenbemessungsformel des § 2 I FlusAAGV weder gegen das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip noch gegen den Gleichheitssatz.
Nach § 32 I 1 Nr. 14 S. 2 i.V. mit Nr. 13 S. 4 LuftVG sind die Gebührensätze so zu bemessen, daß der mit den Amtshandlungen verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird; bei begünstigenden Amtshandlungen kann daneben die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen für den Gebührenschuldner angemessen berücksichtigt werden. Das darin neben dem Kostendeckungs- (auch) zum Ausdruck kommende Äquivalenzprinzip ergibt sich aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es besagt, daß zwischen Leistung und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis bestehen muß und die Gebühr nicht in einem Mißverhältnis zu der erbrachten Leistung stehen darf (vgl. BVerfGE 50, 217 (226f.) = NJW 1979, 1345; BVerfGE 85, 337 (346) = NJW 1992, 1673; BVerfGE 91, 207 (223) = NVwZ 1995, 368 = NJW 1995, 2343 L; BVerwGE 26, 305 (308); BVerwGE 80, 36 (39) = NVwZ 1989, 456 = NZV 1989, 165). Dem Verordnungsgeber steht bei der Festlegung der Gebührentatbestände ein weiter Ermessensspielraum zu, der von den Gerichten auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Abgabenrecht nicht darauf geprüft werden kann, ob der Verordnungsgeber die gerechteste, vernünftigste oder zweckmäßigste Lösung gewählt hat, sondern nur darauf, ob einleuchtende Gründe für eine vorhandene oder fehlende Differenzierung gegeben sind und ob die getroffene Regelung willkürlich ist (vgl. BVerwGE 80, 36 (41) = NVwZ 1989, 456 = NZV 1989, 165; BVerwG, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 = NVwZ-RR 1995, 594 = DÖV 1995, 826 = DWW 1995, 289). Von Willkür kann bei der Anknüpfung der Gebühr an die zulässige Starthöchstmasse keine Rede sein; denn ersichtlich sind Bedeutung, wirtschaftlicher Wert oder sonstiger Nutzen der Leistungen der Flugsicherung für die Halter größerer Flugzeuge höher als bei kleinen Flugzeugen. Daß die Gebühr mit zunehmendem Gewicht des Flugzeugs nach der Wurzelformel des § 2 I FlusAAGV nicht linear, sondern degressiv steigt, ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Denn die vom BerGer. festgestellte, von der Revision nicht bezweifelte 14fach höhere Gebühr bei einem großen Flugzeug mit 362t (Boeing 747) gegenüber einem Flugzeug mit etwas mehr als 2t steht jedenfalls nicht in einem groben Mißverhältnis zur erbrachten Leistung der Flugsicherung und widerspricht daher weder dem Äquivalenzprinzip noch dem Willkürverbot. Ein solcher Verstoß liegt auch nicht in der Anknüpfung der Gebührenprogression nach § 2 I FlusAAGV an das Erreichen der 2-t-Grenze, denn das BerGer. hat - ohne daß hiergegen Verfahrensrügen erhoben sind - festgestellt, der Verordnungsgeber habe davon ausgehen dürfen, daß über der Grenze von 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse die Zahl der Luftfahrzeuge, die über Instrumentenflugausrüstungen verfügen, erheblich zunehme. Dieser Gesichtspunkt stellt einen sachlichen Differenzierungsgrund dar.
Ein Verstoß gegen Bundesrecht liegt ferner nicht darin, daß die Gebührenverordnung für den hier streitigen Erhebungszeitraum August 1990 nicht zwischen Sicht- und Instrumentenflügen unterscheidet. Das BerGer. hat hierzu festgestellt, daß die eigentlichen Kosten in der Einrichtung und Bereithaltung der Flugsicherung im An- und Abflugbereich (Turm- und Radarkontrolle) liegen und die Leistungen gleichermaßen für Sicht- und Instrumentenflüge zur Verfügung stehen. Es hat Unterschiede zwischen ihnen nur darin gesehen, in welchem Umfange die Flugsicherung im konkreten Fall Dienstleistungen erbringen muß. Auch Sichtflüge erhalten hiernach unter bestimmten Umständen durch die Anflugkontrolle - etwa bei besonderen Verkehrsverhältnissen, Nachtflügen oder bei schlechten Sichtverhältnissen - unterschiedliche Dienstleistungen. Diese Sachverhaltswürdigung des BerGer. hat die Revision nicht in Zweifel gezogen. Die Verfahrensrüge der Revision, der VGH hätte der Behauptung nachgehen müssen, daß die Flugsicherung bei Sichtflug erheblich weniger in Anspruch genommen werde als bei Instrumentenflug und daß Sichtflug nicht gefährlicher sei als Instrumentenflug, begründet keinen rechtserheblichen Aufklärungsmangel. Denn ausgehend von der Rechtsauffassung der Vorinstanz, daß die wesentliche Leistung in der Bereitstellung der Flugsicherung in der An- und Abflugphase gleichermaßen für Sicht- und Instrumentenflug besteht, mußte sich ihm nicht eine nähere Aufklärung darüber aufdrängen, ob und welche zeitliche Inanspruchnahme der Flugsicherung im Schnitt für die eine oder andere Flugart besteht. Pauschalierungen und Typisierungen sind erst dann von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers nicht mehr gedeckt und verstoßen gegen den Gleichheitssatz im Abgabenrecht, wenn ein einleuchtender Grund für eine vorhandene oder fehlende Differenzierung nicht mehr erkennbar ist und die getroffene Regelung willkürlich erscheint (vgl. BVerwGE 80, 36 (42) = NVwZ 1989, 456 = NZV 1989, 165; BVerwG, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 = NVwZ-RR 1995, 594 = DÖV 1995, 826 = DWW 1995, 289). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
Ob - wie die Revision ferner geltend macht - das BerGer. in der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung von Sicht- und Instrumentenflug im streitigen Erhebungszeitraum zu Unrecht eine Lenkung in Richtung auf mehr Instrumentenflug angenommen hat, bedarf schon deshalb keiner abschließenden Entscheidung, weil die Ausführungen im Berufungsurteil insoweit nur Hilfserwägungen sind und die Entscheidung darauf nicht entscheidungserheblich gestützt ist. Daher ist die von der Revision vermißte nähere Sachaufklärung zu verschiedenen damit zusammenhängenden Fragen entbehrlich.
Der Revision muß der Erfolg auch versagt bleiben, soweit sie einen Verstoß gegen den von ihr angenommenen bundesrechtlichen Grundsatz der "Finanzierungsverantwortlichkeit" geltend macht. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß Kosten für von der Gebührenpflicht befreite Starts bestimmter Flugzeuge nicht in die Gesamtkostenrechnung hätten einbezogen und zu Lasten des Kl. umgelegt werden dürfen. Ob es ein solches zwingendes bundesrechtliches Verbot gibt, kann offenbleiben, weil im Berufungsurteil festgestellt ist, daß der durch Gebührenbefreiungen verursachte Gebührenausfall den nichtbefreiten Gebührenpflichtigen im fraglichen Erhebungszeitraum nicht zur Last gefallen ist. Dies hat die Revision nicht mit substantiierten Rügen angegriffen.
Auch die weitere Rüge der Revision, die Gebührenverordnung werde den verfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Gebührenerhebung und -kontrolle bei Monopolbetrieben (vgl. hierzu BVerfGE 90, 60 = NJW 1994, 1942 = NVwZ 1994, 892 L) nicht gerecht und verstoße gegen Art. 19 IV GG, greift nicht durch. Die Angabe, das Finanzgebaren der Flugsicherung sei nicht hinreichend durchschaubar und begünstige einen von den Kostenschuldnern zu zahlenden überhöhten Aufwand, bezieht sich auf die Zeit seit der "Privatisierung" der Flugsicherung. Im übrigen hat das BerGer. unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Dr 173/1/89, S. 4ff.) festgestellt, daß jedenfalls in dem hier streitigen Erhebungszeitraum keine volle Deckung der Kosten der Flugsicherung bestand. Es kommt daher nicht darauf an, ob und welche Folgerungen sich aus der vorgenannten Rechtsprechung des BVerfG zur Gebührenkontrolle bei Monopolbetrieben für die Flugsicherung ergeben können.
Schließlich ergibt sich die Rechtswidrigkeit des streitigen Gebührenbescheids entgegen der Meinung der Revision nicht aus Art. 37 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl II 1956, 411); denn Flugsicherungsgebühren sind darin nicht genannt, so daß die Frage einer Vertragspflichtverletzung der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Umsetzung in nationales Recht unerheblich ist und schon deshalb keiner Prüfung bedarf.
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