Schlüsselgewalt bei Buchung einer Ferienreise

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

14. 11. 1990


Aktenzeichen

2 U 86/90


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Anfang Dezember 1988 buchte der Ehemann der Bekl. bei der Kl. telefonisch eine Urlaubsreise auf die Seychellen für zwei Personen zum Preis von insgesamt 8580 DM. Er teilte einen Monat später der Kl. telefonisch mit, daß er aus persönlichen Gründen - wegen einer Erkrankung der Bekl. - vom Reisevertrag zurücktrete und die Reise nicht antreten werde. Unter Bezugnahme auf ihre Reisebedingungen stellte die Kl. Stornierungskosten in Höhe von 75 % des Reisepreises, insgesamt 6435 DM, in Rechnung. Der Ehemann der Bekl. ist wegen der Stornokosten bereits rechtskräftig verurteilt. Die Kl. hat beantragt, auch die Bekl. als Gesamtschuldnerin mit dem Kl. in gleicher Höhe zu verurteilen.

Die Klage hatte insoweit in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Der Kl. steht kein Anspruch gegen die Bekl. gem. § 651i II i. V. mit Nr. 56 der AGB der Kl. und § 164 I BGB zu. Die Kl. hat nicht schlüssig vorgetragen, daß der Ehemann der Bekl., beim Abschluß des Reisevertrags auch als Vertreter der Bekl. aufgetreten sei. Das hat sich für die Kl. auch nicht aus den Umständen ergeben (§ 164 I 2 BGB), denn sie hat sowohl die Reisebestätigung als auch die spätere Stornorechnung allein an den Ehemann der Bekl. gerichtet. Ein Reisevertrag ist auch nicht als Geschäft des täglichen Lebens für den, den es angeht, anzusehen, so daß die Bekl. ungeachtet des für die Kl. Erkennbaren Vertragspartnerin geworden sein könnte. In der bloßen Aufführung der Bekl. als Reisende ist ferner kein Angebot auf Abschluß eines Reisevertrages an die Bekl. zu sehen, so daß auch eine konkludente Annahme eines solchen Angebots durch die Bekl. ausscheidet.

2. a) Ein Anspruch der Kl. ergibt sich auch nicht aus § 651i II i. V. mit § 1357 I BGB. Die mit dem Grundgesetz vereinbare Vorschrift des § 1357 I BGB (BVerfG, NJW 1990, 175 = FamRZ 1989, 1273) setzt voraus, daß es sich bei dem Abschluß des Reisevertrages um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i. S. des § 1357 I 1 BGB handelt. Das BVerfG (NJW 1990, 175 = FamRZ 1989, 1273) hat dazu hervorgehoben, daß Hauptzweck der Vorschrift ist, dem haushaltsführenden Ehegatten die selbständige Befugnis zu verleihen, Geschäfte für den angemessenen Lebensbedarf der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Mit der Vorschrift soll vermieden werden, daß der im Haushalt tätige und selbst oft einkommenslose Ehepartner in einer der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft nicht entsprechenden Weise bei der Deckung des Lebensbedarfs der Familie weitgehend von der Zustimmung des verdienenden Ehepartners abhängt. Der Gläubigerschutz ist demgegenüber nur Nebenfolge und nicht Zweck der Vorschrift. Was zur „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ gehört, muß daher unter Berücksichtigung der unterhaltsrechtlichen Regelung in §§ 1360 , 1360a BGB beantwortet werden.

b) Was nach diesen Vorschriften zum Lebensbedarf einer Familie gehört, richtet sich nach den nach außen in Erscheinung getretenen konkreten Verhältnissen der jeweiligen Ehegatten (BGH, FamRZ 1985, 576). Grundsätzlich gehören auch Aufwendungen für Erholung und Unterhaltung zum Lebensbedarf in diesem Sinne. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Buchung längerer Ferienreisen mit erheblichem Kostenaufwand in aller Regel nur nach vorheriger Einigung und Absprache beider Ehegatten erfolgt. Zur Verwirklichung des vom BVerfG aufgezeigten Zwecks des § 1357 BGB ist es nicht erforderlich, dem Ehepartner auch Verpflichtungsmacht für den anderen in Fällen zuzuweisen, in denen der Abschluß solcher Geschäfte nicht in den nach dem Zuschnitt der Lebensverhältnisse gebotenen Bereich eigenverantwortlichen Handelns fällt, sondern für die eine vorherige Abstimmung mit dem Ehepartner geboten ist. § 1357 I BGB betrifft daher nur diejenigen Geschäfte, über deren Abschluß sich die Eheleute - je nach ihrem konkreten Lebenszuschnitt - üblicherweise vorher nicht verständigen (so im Ergebnis auch schon vor der Entscheidung des BVerfG OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 913; LG Bonn, NJW 1983, 344; Palandt-Diederichsen, BGB, 49. Aufl., § 1357 Anm. 2; Wacke, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 1357 Rdnr. 16, offengelassen von BGH, FamRZ 1990, 35). Entgegen einer früher vertretenen Auffassung (OLG Köln, NJW 1981, 637) bedeutet das allerdings nicht, daß die Anwendung des § 1357 I BGB auf Geschäfte des täglichen Lebens beschränkt wäre.

Nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Bekl. und ihres Ehemanns war die Durchführung längerer und teurer Ferienreisen etwas Außergewöhnliches, wie sich schon aus dem unwidersprochenen Vortrag ergibt, daß in den Jahren 1987 und 1988 nur jeweils eine Ferienreise und 1989 keine Ferienreise durchgeführt wurde. Ist es schon nach der Lebenserfahrung in aller Regel so, daß derartige Ferienreisen auf vorheriger gemeinsamer Überlegung und Abstimmung der Ehegatten beruhen, so bietet der Lebenszuschnitt der Bekl. und ihres Ehemanns keinen Anhaltspunkt für eine andere Beurteilung.

c) Für die Einordnung des Rechtsgeschäfts unter § 1357 I BGB kommt es auch nicht darauf an, ob sich im Einzelfall feststellen läßt, daß sich die Ehegatten vorher darüber verständigt haben (so aber wohl BGH, FamRZ 1985, 576). Da es für die Mitberechtigung und Mitverpflichtung gem. § 1357 I BGB nicht wesentlich ist, ob der Geschäftspartner weiß, daß er es mit Eheleuten zu tun hat, und was ihm vom Lebenszuschnitt der Eheleute bekannt ist (vgl. nur Dörr, NJW 1989, 813 m. w. Nachw.), kann es auch zur Ausfüllung des Begriffs der „angemessenen Lebensbedarfsdeckung" nicht auf eine dem Geschäftspartner nicht erkennbare Absprache ankommen. Auf solche Absprachen kann sich der Geschäftspartner wie sonst im Rechtsverkehr vielmehr nur im Rahmen des § 164 BGB nach dem dort geltenden Offenkundigkeitsprinzip berufen.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB §§ 651a, 1357