Schadensersatz unter Mietern wegen mangelhafter Straßenreinigung - nasses Laub

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 02. 1995


Aktenzeichen

26 U 44/94


Leitsatz des Gerichts

Hat der Vermieter eines Mehrfamilienhauses die Reinigungs- und Verkehrssicherungspflichten turnusmäßig auf die einzelnen Mietparteien übertragen, kommen vertragliche Ansprüche einer Mietpartei gegen eine andere wegen eines infolge der Verletzung dieser Verpflichtungen eingetretenen Schadens grundsätzlich nicht in Betracht. Denkbar sind jedoch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823ff . BGB.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Beide Parteien sind Mieter eines Mehrfamilienhauses. Die Kl. hat die Bekl. als turnusmäßig Reinigungspflichtige mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, sie - die Kl. - sei auf der Zuwegung zum Haus auf nassem Laub und Beerenmatsch ausgerutscht und gestürzt.

Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Entgegen der Auffassung der Kl. kann die Klageforderung nicht auf vertragliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden.

a) Soweit die Kl. Schmerzensgeld verlangt, kommt eine vertragliche Haftung der Bekl. schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. § 847 BGB sieht einen Schmerzensgeldanspruch nur in den Fällen der unerlaubten Handlung vor. Die Bestimmung ist auf die Vertragshaftung nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung scheidet wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift aus (Palandt/Thomas, BGB, 54. Aufl. (1995), § 847 Rdnr. 3).

b) Auch hinsichtlich der übrigen Schadensersatzforderung ist unter den hier gegebenen Umständen ein vertraglicher Anspruch der Kl. gegen die Bekl. schon dem Grunde nach nicht gegeben. Die Kl. meint, dadurch, daß der Vermieter die originär ihn treffenden Reinigungs- und Verkehrssicherungspflichten auf die einzelnen Mieter des Hauses übertragen habe, habe er zugleich einen Vertrag zugunsten Dritter (zugunsten der Mieter) geschlossen, jedenfalls aber einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Mieter. Insoweit könne nichts anderes gelten, als wenn der Vermieter ein gewerbliches Unternehmen mit der Durchführung der Reinigung beauftragt hätte. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die originäre Reinigungspflicht des Vermieters ist aus § 536 BGB herzuleiten, nach welcher Vorschrift der Vermieter die vermietete Sache während der Mietzeit in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten hat (vgl. Palandt/Putzo, § 536 Rdnr. 9). Wenn der Vermieter ein gewerbliches Unternehmen mit der Reinigung betraut, bedient er sich zur Wahrnehmung seiner Verpflichtungen eines Erfüllungsgehilfen i.S. des § 278 BGB. Für Schäden, die auf schuldhaftes Verhalten des beauftragten Unternehmers zurückzuführen sind, haftet der Vermieter in diesem Fall unmittelbar gem. §§ 538 , 278 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung i.V. mit § 278 BGB. Des Rückgriffs auf die Figur eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte bedarf es in diesem Falle nicht, weil ein unmittelbarer Anspruch des Mieters gegen den Vermieter gegeben ist. Ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte könnte nur von Bedeutung sein, sofern andere Personen als die Mieter zu Schaden kommen.

Im vorliegenden Falle ist ein der vertraglichen Übertragung der Reinigungspflicht auf gewerbliche Unternehmen vergleichbarer Sachverhalt nicht gegeben. Vielmehr hat der Vermieter beider Parteien nicht andere Personen mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten betraut, sondern er hat - was möglich ist (vgl. grundsätzlich dazu Palandt/Putzo, § 536 Rdnr. 3) - seine Reinigungsverpflichtung abbedungen, indem er sie auf die einzelnen Mietparteien überbürdet hat. Daß entsprechende Vereinbarungen mit dem Vermieter bestehen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Danach ist der Vermieter den einzelnen Mietern und damit auch den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr vertraglich zur Reinigung der Zuwege zum Haus verpflichtet. In der Überbürdung der Reinigungspflicht auf die einzelnen Mieter liegt auch nicht gleichzeitig ein Vertrag zugunsten Dritter. Insoweit fehlen für einen entsprechenden Vertragswillen konkrete Anhaltspunkte.

Ebensowenig kann die Kl. sich auf einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte stützen (vgl. dazu allgemein Geiger, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl. (1993), Kap. 28 Rdnr. 160). Wird ein Haus von mehreren Mietern bewohnt, so sind die Mitmieter nicht in den Schutzbereich der einzelnen Mietverträge einbezogen (Geiger, Kap. 28 Rdnr. 160; ähnl. Palandt/Heinrichs, § 328 Rdnr. 30).

2. Zutreffend hat das LG entschieden, daß ein nach den vorstehenden Ausführungen allein in Betracht kommender Anspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nach §§ 823ff . BGB unter den vorliegend gegebenen Umständen i.E. nicht besteht.

a) Allerdings kann der von der Bekl. in erster Instanz unter Hinweis auf das OLG Nürnberg (NZV 1994, 68) geäußerten Auffassung, eine durch nasses Laub verursachte Rutschgefahr auf einem Gehweg könne niemals den Vorwurf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht begründen, in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden. Dem steht auch die Rechtsprechung des BGH entgegen, der keinen Zweifel daran hat aufkommen lassen, daß in derartigen Fällen Verkehrssicherungspflichten betroffen sein können. Hierzu hat der BGH u.a. ausgeführt (BGH, NJW-RR 1989, 394f. = LM § 823 (Ea) BGB Nr. 72).

„... Sie (gemeint ist die Verkehrssicherungspflicht) schließt, wie keiner näheren Darlegung bedarf, die Verpflichtung ein, den Weg von Verunreinigungen freizuhalten, die ihrer Art nach die Gefahr begründen, daß Benutzer des Weges zu Schaden kommen. Von daher war es hier geboten, dafür Sorge zu tragen, daß sich auf dem Wege keine unfallgefährliche Schmierschicht aus nassem und faulendem Laub bildete, ..."

b) Danach waren auch die Bekl. während des Zeitraums, in dem ihnen nach den mietvertraglichen Vereinbarungen die Reinigung des Gehweges vor dem Grundstück und der Zuwegung zum Haus oblag, gehalten, dafür Sorge zu tragen, daß sich auf den Wegen keine unfallgefährliche Schmierschicht durch herabgefallenes Laub bildete. Das LG hat jedoch zu Recht angenommen, daß den Bekl. eine Verletzung dieser Verpflichtung nicht vorgeworfen werden kann. Grundsätzlich können Verkehrssicherungspflichten delegiert werden mit der Folge, daß sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich Alleinverantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht verengt (BGH,NJW-RR 1989, 394 (395) = LM § 823 (Ea) BGB Nr. 72). Im vorliegenden Falle war darüber hinaus ausdrücklich in den mietvertraglichen Vereinbarungen vorgesehen, daß im Falle der Verhinderung eines reinigungspflichtigen Mieters, z.B. während des Urlaubs, die Reinigungspflicht einer Ersatzperson übertragen werden konnte...

c) Eine Haftung der Bekl. könnte danach nur in Betracht kommen, wenn die Zeugin V der ihr übertragenen Reinigungspflicht schuldhaft nicht hinreichend genügt hätte und dadurch die Kl. zu Schaden gekommen wäre. Es ist aber schon zweifelhaft, ob am Unfalltag und an der behaupteten Unfallstelle (in der Nähe des Gartentores) Laub und Beerenmatsch in einer Weise auf dem Gehweg vorhanden waren, daß dadurch eine Rutsch- und Sturzgefahr für Fußgänger bestand. (Wird ausgeführt.)

d) Letztlich kann dies aber dahinstehen, da das LG zu Recht angenommen hat, daß die Bekl. sich jedenfalls nach § 831 I 2 BGB entlastet haben. Da Verkehrssicherungspflichten allgemein unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit geeigneter Maßnahmen stehen (vgl. u.a. BGH, NJW 1993, 2802 = LM H. 1/1994 § 839 (Ca ) BGB Nr. 90 = MDR 1994, 673), muß man es bei Verkehrssicherungspflichten der vorliegend in Frage stehenden Art im Falle urlaubsbedingter Abwesenheit des eigentlich Verkehrssicherungspflichtigen (hier der Bekl.) als ausreichend ansehen, wenn er bei der Auswahl der Ersatzperson die erforderliche Sorgfalt walten läßt. Nicht zumutbar erscheint es hingegen, darüber hinaus zu verlangen, den Urlaub zwecks Kontrolle und Überwachung der Ersatzperson zu unterbrechen.

Daß die Bekl. bei der Auswahl der Zeugin V sorgfältig vorgegangen sind, hat das LG mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, festgestellt.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 536, 538, 278, 823, 831, 847