Rückforderung der auf unwirksamen Versicherungsvertrag geleisteten Zahlungen
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
13. 04. 1999
Aktenzeichen
2/8 S 114/98
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Für den damals noch minderjährigen Kl. wurde ein Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Kl. entrichtete nach Eintritt der Volljährigkeit nahezu sechs Jahre die Lebensversicherungsprämien. Er begehrt nunmehr Erstattung der geleisteten Zahlungen, da der Lebensversicherungsvertrag nicht vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden war. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Der Kl. hat Anspruch auf Rückzahlung der von ihm an die Bekl. auf den Lebensversicherungsvertrag gezahlten Prämien im Gesamtbetrag von noch 3680,85 DM (§ 812 I 1 BGB). Der mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung zunächst schwebend unwirksame Vertrag ist endgültig unwirksam, nachdem der Kl. das Vertragsverhältnis nicht nachträglich genehmigt hat.
Entgegen der Ansicht der Bekl. bedurfte der zu einer Zeit, als der Kl. noch nicht volljährig war, abgeschlossene Versicherungsvertrag der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht, da er eine Laufzeit vorsah, die mehr als ein Jahr über den Eintritt der Volljährigkeit des Kl. hinausging (§§ 1643 I , 1822 Nr. 5 BGB). Das entspricht mittlerweile nahezu einhelliger Auffassung (vgl. BGHZ 28, 78 = NJW 1958, 1393; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1186 = VersR 1992, 1502; OLG Koblenz, VersR 1991, 209; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 3 Rdnr. 4 m. w. Nachw.).
Der Kl. hat diesen Vertrag auch nicht nachträglich stillschweigend gem. § 1829 III BGB genehmigt, indem er nach Eintritt der Volljährigkeit die Prämien einschließlich der vorgenommenen Erhöhungen weiterzahlte. Eine solche stillschweigende Genehmigung könnte nur angenommen werden, wenn sich der Kl. der schwebenden Unwirksamkeit bewußt gewesen wäre oder mit ihr rechnete (vgl. BGH, NJW 1988, 1200; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1186 = VersR 1992, 1502; OLG Koblenz, VersR 1991, 209; Prölss/Martin, § 3 Rdnr. 5; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 198 Rdnr. 2). Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die zitierte Entscheidung des OLG Koblenz ist insoweit nicht vergleichbar, da ihr eine atypische Fallgestaltung zugrunde lag. Etwas anders ergibt sich auch nicht daraus, daß nach heute h.M. für das Vorliegen einer Willenserklärung kein Erklärungsbewußtsein mehr erforderlich ist, sondern auf den objektiven Erklärungswert aus Sicht des Erklärungsempfängers abzustellen ist. Denn die Bekl. konnte Prämienzahlungen durch den Kl. nur so verstehen, wie sie auch gemeint waren, nämlich als Erfüllungshandlungen im Hinblick auf einen vermeintlich wirksamen Vertrag (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1186 = VersR 1992, 1502; Bayer, VersR 1991, 129 [131]). Von einem anderen Kenntnisstand hinsichtlich der schwebenden Unwirksamkeit auf seiten des Kl. konnte die Bekl. nicht ausgehen. Demgegenüber kann bei ihr als Versicherer aufgrund ihrer Organisationsstruktur vorausgesetzt werden, daß sie um die schwebende Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags wußte, zumal es sich um ein Rechtsproblem handelt, das seit vielen Jahren in Rechtsprechung und Fachliteratur behandelt wird. Sie hatte es daher in der Hand, diesen Schwebezustand zu beseitigen, indem sie den Kl. nach Eintritt der Volljährigkeit zur Genehmigung aufforderte (§ 1829 II BGB).
Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Dabei kann offen bleiben, ob dies bei einer Prämienzahlung über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren angenommen werden kann (vgl. LG Freiburg, VersR 1998, 41; LG Verden, NJWE-VHR 1998, 5 = VersR 1998, 42). Eine Vertragsdurchführung über - wie hier - knapp sechs Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit reicht dafür noch nicht aus, zumal der Versicherer dadurch hinreichend geschützt ist, daß er den Schwebezustand jederzeit beenden kann. Nachdem die Bekl. dies unterließ, kann sie sich nicht ihrerseits auf ein treuwidriges Verhalten des Kl. berufen, da ihr Vertrauen in die Wirksamkeit des Vertrags nicht schutzwürdig ist.
Der Kl. hat Anspruch auf Rückzahlung sämtlicher gezahlter Prämien. Die Bekl. kann sich im Hinblick auf die Saldotheorie gem. § 818 III BGB nicht darauf berufen, daß sie während der schwebenden Unwirksamkeit faktisch Versicherungsschutz gewährt habe, da die bloße Gefahrtragung keine vermögenswerte Gegenleistung i.S. der §§ 812 , 818 BGB darstellt. Eine solche liegt nach der herrschenden Geldleistungstheorie erst mit Eintritt des Versicherungsfalls vor (vgl. LG Hamburg, NJW 1988, 216; Prölss/Martin, § 3 Rdnr. 4, § 1 Rdnr. 22; a.A. LG Waldshut-Tiengen, VersR 1985, 939). Schließlich braucht der Kl. sich auch nicht die während der Dauer seines Zivildienstes durch das Bundesamt für Zivildienst gezahlten Prämien in Abzug bringen zu lassen. Insoweit lag nämlich aus Sicht der Bekl. eine Leistung des Bundesamts auf die Schuld des Kl. vor, so daß der Bereicherungsausgleich zwischen ihr und dem Bekl. einerseits bzw. gegebenenfalls dem Kl. und dem Bundesamt andererseits stattzufinden hat.
Der Kl. hat gem. § 818 I BGB auch Anspruch auf die Zinsen, die die Bekl. aus den von ihm geleisteten Prämien zog. Insoweit ist sie ihm nach § 261 BGB zur Erteilung von Auskunft verpflichtet (vgl. Palandt/Thomas, § 812 Rdnr. 102 m. w. Nachw.).
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen