Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses unterhalbzeitig Beschäftigter von der Zusatzversorgung
Gericht
BVerfG
Art der Entscheidung
Beschluss über Vorlage
Datum
27. 11. 1997
Aktenzeichen
1 BvL 12/91
Unterhalbzeitig beschäftigte Arbeitnehmer dürfen von der zusätzlichen Altersversorgung nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz nicht ausgeschlossen werden.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens ist die zusätzliche Altersversorgung nichtvollbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Freien und Hansestadt Hamburg. Das Gesetz über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz [RGG]) in der Fassung vom 11. 11. 1986 gewährt den Arbeitnehmern eine Altersversorgung, die in der Regel zu der gesetzlichen Altersrente hinzutritt (Ruhegeld). Das Ruhegeld soll eine Gesamtversorgung im Alter herbeiführen, die der Beamtenversorgung nicht wesentlich nachsteht. Ursprünglich waren nur vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ruhegeldberechtigt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind die Teilzeitbeschäftigten schrittweise einbezogen worden. Seit 1995 werden nur noch die in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ausgeschlossen. Die Vorlagefrage betrifft die Fassung des Ruhegeldgesetzes aus dem Jahre 1986, nach der eine durchschnittliche Arbeitszeit von mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers Voraussetzung für das Ruhegeld war. „Unterhalbzeitig“ Beschäftigte waren also nicht ruhegeldberechtigt. Die maßgeblichen Vorschriften des Ruhegeldgesetzes lauteten:
§ 2. Voraussetzungen.
(1) Die vollbeschäftigten Angestellten und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Arbeitnehmer) enthalten … ein Ruhegeld, …
(3) Als vollbeschäftigt gelten Arbeitnehmer, deren regelmäßige Arbeitszeit die für Angehörige ihres Berufszweiges im Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg allgemein geltende Dauer hat und deren Arbeitskraft dadurch voll beansprucht wird …
§ 3. Nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmer.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend für nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmer.
(2) Als nichtvollbeschäftigt gelten Arbeitnehmer, deren durchschnittliche Arbeitszeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versorgungsfalls mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers (§ 2 III) betragen hat …
(3) Zeiten der Beschäftigung als nichtvollbeschäftigter Arbeitnehmer (Abs. 2) zählen für die Wartezeit (§ 4) und als ruhegeldfähige Beschäftigungszeit (§ 9) mit.
Im Jahre 1991 wurde die für Teilzeitkräfte maßgebliche Mindestwochenarbeitszeit auf 18 Stunden festgesetzt (§ 3 II RGG i. d. F. vom 9. 4. 1991, HbgGVBl I, 101). Inzwischen ist die Ruhegeldberechtigung für vor dem 1. 4. 1995 eingestellte und noch aktiv tätige Arbeitnehmer dahin geändert worden, daß bei der Berechnung der Wartezeit und der ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit nur solche Zeiten außer Betracht bleiben, in denen der Arbeitnehmer nach § 5 II SGB VI nicht der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt (§§ 1 IV Nr. 3, 4 VII und 9 II Nr. 1 des Ersten Ruhegeldgesetzes i. d. F. vom 30. 5. 1995, HbgGVBl I, 108). Allerdings ist diese Erweiterung durch die Übergangsvorschrift des Art. 4 III des Gesetzes zur Neuregelung und Änderung der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg vom 7. 3. 1995 (HbgGVBl I, 53) zeitlich begrenzt worden. Danach werden nur die nach dem 31. 3. 1995 geleisteten Beschäftigungszeiten von weniger als 18 Stunden in die ruhegeldfähige Beschäftigungszeit zusätzlich miteinbezogen. Für diejenigen Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Inkrafttreten des Gesetzes schon Versorgungsempfänger waren, bestimmt Art. 4 II des Gesetzes, daß sich Veränderungen in der Berechnung der ruhegeldfähigen Bezüge, der ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit und des Gesamtbetrags sowie der mitzählenden Bezüge auf sie nicht auswirken (vgl. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Dr 15-366 v. 18. 1. 1994, S. 16 zu Art. 4 II). Für sie gilt ausschließlich das Ruhegeldgesetz in der bisherigen Fassung. Die 1935 geborene Kl. des Ausgangsverfahrens war in der Zeit von Februar 1970 bis Januar 1989 bei der bekl. Freien und Hansestadt Hamburg als Raumpflegerin beschäftigt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug bis Januar 1979 17 Stunden und damit weniger als die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. In der Zeit von Februar 1979 bis Januar 1989 arbeitete sie jedenfalls mehr als 20 Stunden wöchentlich. Zum 1. 2. 1989 schied sie wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Bekl. aus. Die Bekl. bewilligte der Kl. Ruhegeld unter Zugrundelegung einer ruhegeldfähigen Beschäftigungszeit vom 1. 2. 1979 bis zum 1. 1. 1989. Mit ihrer arbeitsgerichtlichen Klage hat die Kl. die Anerkennung ihrer vor dem 1. 2. 1979 geleisteten Tätigkeit als ruhegeldfähige Beschäftigungszeit und eine entsprechende Neufestsetzung des Ruhegelds begehrt. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das LAG das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 II RGG in der Fassung vom 11. 11. 1986 mit Art. 3 I GG vereinbar ist.
Das BVerfG hat die zur Prüfung vorgelegte Regelung für unvereinbar mit Art. 3 I GG erklärt.
Auszüge aus den Gründen:
B. I. Die Vorlage ist zulässig.
Das vorlegende Gericht hat mit vertretbarer Begründung angenommen, daß die zur Prüfung gestellte Regelung nicht schon wegen Verstoßes gegen Art. 119 EWGV unwirksam ist (vgl. BVerfGE 85, 191 [203 f.] = NZA 1992, 270 = NJW 1992, 964). Es hat im Ergebnis einleuchtend dargelegt, daß der Ausschluß Unterhalbzeitbeschäftigter vom Ruhegeld Frauen nicht in erkennbar höherer Zahl trifft als Männer. Die Vorlagefrage ist dahin auszulegen, daß sie sich nicht auf die Gruppe der geringfügig Beschäftigten i. S. von § 8 SGB IV erstreckt. Das LAG räumt ein, daß für diese Arbeitnehmer eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung angebracht sein könnte, und grenzt damit insoweit seine Bedenken gegen die zur Prüfung gestellte Regelung ein.
II. Die zur Prüfung gestellte Regelung ist in dem sich aus den Gründen ergebenden Umfang mit dem Grundgesetz unvereinbar. Eine Verletzung von Art. 3 III 1 GG kann zwar nicht festgestellt werden (1). Die Vorschrift verstößt aber gegen Art. 3 I GG (2).
1. Art. 3 III 1 GG verbietet unter anderem Benachteiligungen wegen des Geschlechts. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine solche Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 [206] = NJW 1992, 964 = NZA 1992, 270). Eine Anknüpfung an das Geschlecht kann nach der Rechtsprechung auch vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. EuGH, NJW 1986, 3020 - Bilka; EuGH, NZA 1990, 771 - Kowalska; EuGH, NZA 1994, 797 - Enderby; BAGE 53, 161 [167] = NZA 1987, 445 = NJW 1987, 2183 L; BAGE 68, 320 [325] = NJW 1992, 1125 = NZA 1992, 259; BAGE 72, 64 [72 ff.] = NZA 1993, 367 = NJW 1993, 1287 L). Im einzelnen braucht dem hier nicht nachgegangen zu werden, da sich eine faktische Benachteiligung von Frauen durch die Regelung nicht hat feststellen lassen. Nach dem von der Freien und Hansestadt Hamburg für die Zeit bis 1979 vorgelegten statistischen Material war der Frauenanteil in der Gruppe der unterhalbzeitig Beschäftigten nicht höher als in den Gruppen der übrigen Teilzeitkräfte und der Vollzeitbeschäftigten. Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß typischerweise unterhalbzeitig arbeitende Frauen stärker als männliche Arbeitnehmer auf eine Zusatzversorgung angewiesen waren.
2. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) gebietet gleiche Behandlung aller Menschen „vor dem Gesetz“. Ungleichbehandlungen, für die es keine hinreichenden sachlichen Gründe gibt, sind verboten. Schon daran scheitert die zur Prüfung gestellte Regelung. Auf die näheren Ausformungen, die der allgemeine Gleichheitssatz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat, braucht daher nicht näher eingegangen zu werden (vgl. dazu insb. BVerfGE 82, 126 [146] = NJW 1990, 2246 = NZA 1990, 721). Auch ein weiter Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers entbindet nicht von der Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner elementaren Bedeutung.
a) Durch die in Frage stehende Regelung werden die Unterhalbzeitbeschäftigten im Vergleich zu den anderen Teilzeitkräften und den Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt. Im Gegensatz zu diesen erhalten sie für ihre Arbeitsleistung kein Ruhegeld. Die zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung angeführten Gründe überzeugen nicht.
aa) Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit. Dieser Grundsatz ist inzwischen in mehreren arbeitsrechtlichen Gesetzen ausdrücklich verankert, so in § 2 I BeschFG 1985, § 1 BUrlG, § 1 II EFZG. Er gilt auch, soweit der Arbeitgeber einen an der Arbeitsleistung orientierten Beitrag zur Altersversorgung leistet; denn auch derartige Leistungen haben Entgeltcharakter (EuGH, NJW 1986, 3020 - Bilka; vgl. auch EuGH, NJW 1991, 2204 [2205] = NZA 1990, 775 - Barber; BAGE 38, 232 [241] = NJW 1982, 2013; BAGE 53, 161 [167] = NZA 1987, 445 = NJW 1987 2183 L; BAGE 66, 264 [270] = NZA 1991, 635 = NJW 1991, 2917 L; BAGE 79, 236 [253] = NZA 1996, 48). Nichts anderes folgt aus dem Gesichtspunkt, daß mit der Zusatzversorgung auch die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnt werden solle; seinem Betriebe treu ist ein Arbeitnehmer in dem Maße, in dem er über die Jahre hinweg an seinem Beschäftigungsverhältnis festhält. Der zeitliche Umfang seiner Mitarbeit ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung.
bb) Die Ungleichbehandlung der Unterhalbzeitbeschäftigten im Ruhegeldgesetz kann auch nicht durch beamtenrechtliche Grundsätze gerechtfertigt werden. Zwar soll das Hamburger Ruhegeldgesetz zu einer Gesamtversorgung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen, die der Beamtenversorgung entspricht. Doch ist mit dieser Zielsetzung keine Übernahme der allgemeinen Grundsätze des Berufsbeamtentums in die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes verbunden. Das Alimentationsprinzip findet weder auf das Entgelt noch auf die Altersversorgung der Arbeitnehmer Anwendung. Die Restriktionen, denen eine Teilzeitbeschäftigung von Beamten unterlag, sind ebenfalls zu keiner Zeit für die privatrechtlich begründeten Arbeitsverhältnisse übernommen worden. Auch bei der schrittweisen Ausdehnung des Ruhegeldes auf Teilzeitbeschäftigte ist eine Orientierung am Beamtenrecht nicht erkennbar. So gab es etwa, als im Jahre 1966 halbzeitig Beschäftigte in die Ruhegeldregelung einbezogen wurden, noch keine Teilzeitbeamten. Arbeitnehmern, die tatsächlich unterhalbzeitig beschäftigt wurden, kann nicht entgegengehalten werden, daß Beamten eine zeitlich eingeschränkte Beschäftigung verwehrt war.
cc) Ebensowenig rechtfertigt die typische Versorgungslage von Unterhalbzeitbeschäftigten ihren Ausschluß von der Zusatzversorgung. Es kann dahingestellt bleiben, ob es zutrifft, daß diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entweder durch eine eigene Haupttätigkeit oder durch einen Dritten, vor allem den Ehegatten, im Alter versorgt sind, so daß kein zusätzlicher eigener Versorgungsbedarf besteht (vgl. dazu die Stellungnahme von BDA-BDI unter Hinweis auf Hanau, NZA 1984, 345 [347], und Wank, RdA 1985, 1 [18]; Ahrend-Förster-Rühmann, DB 1982, 1563 [1567]; Blomeyer, in: Festschr. f. Gerhard Müller, 1981, S. 51 [62]; vgl. zur Darstellung dieser Fragestellung auch Oelers, Das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte, Diss. 1988, S. 66 ff., 80; a. A.: BAGE 71, 29 [40 f.] = NJW 1993, 874 = NZA 1993, 215; BAGE 79, 236 [245 f.] = NZA 1996, 48). Das Ruhegeldgesetz selbst stellt auf einen Versorgungsbedarf nicht ab. Ruhegeld wird regelmäßig als Zuschuß zu bestehenden, die Versorgung bereits abdeckenden Renten gewährt (§ 1 I 1 RGG). Andererseits schließt auch eine fehlende anderweitige Versorgung ein Ruhegeld nicht aus (§ 1 I 2 RGG). Außerdem ist nicht erkennbar, daß der genannte Gesichtspunkt gerade für die Gruppe der Unterhalbzeitbeschäftigten und nicht in gleicher Weise auch für andere Teilzeitkräfte zutrifft. Schließlich spricht das das Ruhegeldgesetz beherrschende Prinzip der Gesamtversorgung dafür, den Versorgungsbedarf nicht ohne Rücksicht auf einen Teil der Arbeitseinkünfte zu bestimmen; denn dieses Prinzip soll eine Aufrechterhaltung des im Arbeitsleben erreichten Lebensstandards im Ruhestand ermöglichen. Der Lebensstandard wird aber durch sämtliche Einkünfte, also auch die durch unterhalbzeitige Beschäftigung erworbenen, geprägt.
dd) Inwieweit bei reinen Nebentätigkeiten eine qualitative Ungleichbehandlung beim Arbeitsentgelt und bei der Altersversorgung zu rechtfertigen wäre, kann dahingestellt bleiben (vgl. zur Vereinbarkeit der geringeren Vergütung einer Nebentätigkeit mit § 2 I BeschFG 1985: BAG, ZTR 1993, 210 f. m. w. Nachw.; BVerfG, NZA 1993, 741). Denn eine solche Unterscheidung hat der Gesetzgeber hier nicht getroffen.
ee) Daß Unterhalbzeitkräfte typischerweise über eine geringere Qualifikation und Berufserfahrung verfügen als andere Arbeitnehmer, ist weder belegt noch wird dieser Gesichtspunkt von der Freien und Hansestadt Hamburg geltend gemacht. Ebensowenig beruft sie sich darauf, daß die Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen im hier interessierenden Spektrum für sie aufwendiger sei als der Einsatz von anderen Teilzeit- oder Vollzeitkräften.
ff) Anhaltspunkte dafür, daß die hier maßgebliche Gruppe von Arbeitnehmern sozial weniger schutzwürdig ist als die Vergleichsgruppe der halbzeitig und überhalbzeitig Beschäftigten, sind nicht erkennbar. Nicht einschlägig sind die in diesem Zusammenhang genannten Regelungen in §§ 7, 8 I Nrn. 2, 3 SGB V sowie § 1228 I Nr. 4 RVO und § 4 I Nr. 5 AVG, die durch den inhaltlich gleichen § 5 II SGB VI mit Wirkung vom 1. 1. 1992 abgelöst wurden (vgl. das Rentenreformgesetz 1992 v. 18. 12. 1989, BGBl I, 2261); denn die Herausnahme der in § 8 I Nrn. 2, 3 SGB V genannten Gruppen aus der Versicherungspflicht erfolgte nicht wegen mangelnder sozialer Schutzbedürftigkeit, sondern weil der Gesetzgeber ihnen ermöglichen wollte, ihre unter Umständen bereits bestehende günstigere private Krankenversicherung aufrechtzuerhalten (vgl. Heinze, Die neue Krankenversicherung, SGB V, Stand: Juni 1994, § 8 Anm. 2, 5; Breuer, in: v. Maydell, in: GK-SGB, Gesetzliche Krankenversicherung, 1992, § 8 Rdnr. 24; Mengert, in: Peters, Hdb. der Krankenversicherung, Teil II [SGB V], 19. Aufl., Stand: Juli 1989, § 8 Rdnr. 17). Die anderen Vorschriften betreffen dagegen die Gruppe der geringfügig Beschäftigten, die hier nicht Gegenstand der Erörterung ist. Ebensowenig deckt sich der von § 40 a EStG erfaßte Personenkreis mit der hier zu erörternden Gruppe von Arbeitnehmern; denn diese Bestimmung erfaßt auch Arbeitsverhältnisse mit Wochenarbeitszeiten von bis zu 20 Stunden. Außerdem liegt ihr keine verallgemeinerungsfähige Einschätzung über die soziale Schutzwürdigkeit der betroffenen Beschäftigten zugrunde.
b) Die vorstehenden Erwägungen gelten uneingeschränkt für den hier maßgeblichen Zeitraum von 1970 bis 1980. Andere Rechtfertigungsgründe als die hier erörterten werden für diesen Zeitraum nicht geltend gemacht und sind auch nicht erkennbar. Ebensowenig läßt sich feststellen, daß die tatsächlichen Verhältnisse, die bei der Prüfung der möglichen Differenzierungsgründe eine Rolle spielen, damals grundlegend anders waren als heute. Der Umstand, daß ein Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten von Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst ebenso wie in der gewerblichen Wirtschaft damals noch überwiegend für zulässig gehalten wurde, kann an der verfassungsrechtlichen Beurteilung nichts ändern (vgl. auch BAGE 79, 236 [250 ff.] = NZA 1996, 48; BAG, NZA 1996, 607 [608 f.] = NJW 1996, 2052 L; BAG, NZA 1996, 939 [940 f.]; BVerfG, NZA 1993, 213 [214]).
III. Die Unvereinbarkeit der zur Prüfung gestellten Norm mit Art. 3 I GG führt nicht zu ihrer Nichtigkeit. Diese im Gesetz als Regelfall vorgesehene Rechtsfolge (§ 82 I i. V. mit § 78 I BVerfGG) kommt dann nicht in Betracht, wenn dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, wie es bei Verstößen gegen den Gleichheitssatz regelmäßig der Fall ist (vgl. BVerfGE 87, 114 [135 f.] = NJW-RR 1993, 971; BVerfGE 94, 241 [265] = NJW 1996, 2293). Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine verfassungsmäßige Regelung zu erlassen. In die Neuregelung sind auch die entsprechenden Vorschriften der früheren und späteren Fassungen des Ruhegeldgesetzes einzubeziehen, soweit dies zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes erforderlich ist. Dabei kann der Gesetzgeber die Folgen der Unvereinbarkeit für die Vergangenheit begrenzen, um eine übermäßige Belastung des Haushalts und einen unangemessenen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Maßstäbe dafür ergeben sich aus § 79 II BVerfGG. Der Rechtsgedanke des § 79 II BVerfGG ist auf privatrechtliche Regelungen sinngemäß anzuwenden (vgl. BVerfGE 32, 387 [389]; zum allgemeinen Rechtsgedanken des § 79 II BVerfGG vgl. auch BVerfGE 37, 217 [262 f.] = NJW 1974, 1609). Er besagt, daß die nachteiligen Wirkungen, die von fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, daß aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (vgl. BVerfGE 20, 230 [236] = NJW 1966, 2351). Hier liegt eine Orientierung an dieser Vorschrift besonders nahe, weil die Regelung nur Ansprüche gegen den Fiskus zum Gegenstand hat und ihre Geltendmachung und Verbescheidung in einem Verfahren erfolgt, das dem öffentlichrechtlichen Rententräger vergleichbar ist. Nachzahlungsansprüche können daher - abgesehen von anhängigen Verfahren - ausgeschlossen werden, wohingegen eine Neuberechnung für die Zukunft hier allenfalls unter engen Voraussetzungen versagt werden kann. Einer Erstreckung der zu treffenden Regelung auf zurückliegende Fälle steht das Protokoll Nr. 2 zum Maastricht-Vertrag vom 7. 2. 1992 (ABlEG Nr. C 191, S. 68 „Barber-Protokoll“) nicht entgegen. Es lautet:
Im Sinne des Art. 119 gelten Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt, sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17. 5. 1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von Arbeitnehmern oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltendem einzelstaatlichem Recht anhängig gemacht haben.
Das Protokoll bezieht sich nach Wortlaut und Zusammenhang nur auf den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 119 EWGV in bezug auf Betriebsrenten (vgl. hierzu EuGH, NJW 1991, 2204 = NZA 1990, 775 - Barber, an die das Protokoll anknüpft). Über den zeitlichen Anwendungsbereich innerstaatlicher Verfassungsnormen der Mitgliedstaaten und die Folgen einer Verfassungswidrigkeit innerstaatlicher Rechtssätze über die betriebliche Altersversorgung aus zurückliegenden Beschäftigungszeiträumen sagt es nichts aus.
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