Sozialhilfe für Anschaffung einer Waschmaschine

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

01. 10. 1998


Aktenzeichen

5 C 19/97


Leitsatz des Gerichts

Für die Beschaffung einer Waschmaschine kann ein Anspruch auf eine einmalige Sozialhilfeleistung nach § 21 Ia Nr. 6 BSHG bestehen. Der Gebrauch einer Waschmaschine gehört als notwendige hauswirtschaftliche Hilfe heute auch in Ein-Personen-Haushalten zum notwendigen Lebensunterhalt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. begehrt eine Beihilfe für die Anschaffung einer Waschmaschine in Höhe von 849,50 DM. Die im Jahre 1960 geborene Kl. bezieht von der für den Bekl. handelnden Stadt L. seit mehreren Jahren ergänzend zu ihrem in einer Reinigungsfirma erzielten Erwerbseinkommen als Büglerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 25. 8. 1994 beantragte sie mündlich bei der Stadt L. die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung einer Waschmaschine, was sogleich ebenfalls mündlich mit der Begründung abgelehnt wurde, bei alleinstehenden Personen gehöre eine Waschmaschine nicht zum notwendigen Lebensbedarf; der kurzfristige Aufenthalt ihrer Kinder aus einer früheren Ehe erzeuge keinen Waschbedarf. Die Kl. bestellte noch am selben Tage bei der Firma Q eine Waschmaschine zum Preis von 849,50 DM, den sie nach eigenen Angaben in monatlichen Raten von 100 DM ab Oktober 1994 zahlte. Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das VG den Bekl. unter entsprechender Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, der Kl. eine Beihilfe von 600 DM zur Anschaffung einer Waschmaschine zu gewähren und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufungen der Kl. und des Bekl. hiergegen hat das OVG zurückgewiesen (NdsRpfl 1997, 232).

Die Revisionen des Bekl. und der Kl. wurden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Revision des Bekl. ist ebenso unbegründet wie die der Kl. Zutreffend hat das BerGer. entschieden, daß der Kl. ein Anspruch auf eine einmalige Leistung für die Beschaffung einer Waschmaschine als einem notwendigen Gebrauchsgut nach den §§ 11 , 12 , 21 Ia Nr. 6 BSHG (nur) in der ihr vom VG zuerkannten Höhe zusteht. Die verfahrensrechtlichen Angriffe der Kl. gegen die Höhe der bewilligten Beihilfe sind unbegründet.

Der Zuerkennung einer einmaligen Beihilfe zur Beschaffung eines Gebrauchsguts von längerer Gebrauchsdauer und höherem Anschaffungswert steht - wie der erkennende Senat in seinem für die Aufnahme in die Entscheidungssammlung bestimmten Urteil vom 18. 12. 1997 (NJW 1998, 1967) im einzelnen näher ausgeführt hat - das geschlossene Regelsatzsystem bereits wegen der Einfügung des § 21 Ia BSHG durch Art. 7 Nr. 6 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23. 6. 1993 (BGBl I, 944) nicht entgegen. Hausratsgegenstände von höherem Anschaffungswert waren darüber hinaus auch vorher nicht vom Regelbedarf erfaßt, da dieser sich auf Hausrat von geringemAnschaffungswert beschränkte (§ 1 I 2 RegelsatzVO).

Als Gebrauchsgut von längerer Gebrauchsdauer und höherem Anschaffungswert i.S. von § 21 Ia Nr. 6 BSHG gehört eine Waschmaschine der Bedarfsgruppe des Hausrats an und kann vom notwendigen Lebensunterhalt umfaßt sein (§ 12 I 1 BSHG). Nach der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, umfaßt der notwendige Lebensunterhalt nach § 12 BSHG nicht nur das physiologisch Notwendige, sondern den gesamten zu einem menschenwürdigen Leben erforderlichen Bedarf (BVerwGE 87, 212 [214] = NJW 1991, 2304; BVerwGE 92, 6 [7] = NJW 1993, 2192; BVerwGE 97, 376 [377f.] = NJW 1995, 2369). Soll die Sozialhilfe dem Hilfeempfänger die Führung eines menschenwürdigen Lebens (§ 1 II 1 BSHG) ermöglichen, muß sie der sozialen Ausgrenzung des Hilfebedürftigen begegnen und ihm ermöglichen, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern (zum Lohnabstandsgebot s. § 22 III BSHG) ähnlich wie diese zu leben. Dabei sind die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen zu berücksichtigen (BVerwGE 69, 146 [154] = NVwZ 1984, 728; BVerwGE 92, 6 [7] = NJW 1993, 2192; BVerwGE 97, 376 [378] = NJW 1995, 2369).

Orientiert man sich am Verbraucherverhalten und dem Lebenszuschnitt auch unterer Einkommensgruppen, wird der Gebrauch einer Waschmaschine heute nicht mehr als Bequemlichkeit, sondern als notwendige hauswirtschaftlicheHilfe angesehen, die eine hygienische und kostensparende Wäschereinigung ermöglicht. Waschküchen stehen - so hat es das BerGer. unwidersprochen festgestellt - in Mietshäusern heute nur noch selten zur Verfügung. Wer gezwungen ist, seine Wäsche ohne Zuhilfenahme einer Waschmaschine zu waschen, ist also ganz regelmäßig auf die Benutzung seiner eigenen Küche und entsprechenden Kochgeräts angewiesen und muß Wäsche mit der Hand waschen, spülen und wringen. Das wird in der heutigen technisierten industriellenGesellschaft nicht mehr als zumutbar angesehen. Der Gebrauch einer Waschmaschine gehört damit zum notwendigen Lebensunterhalt. Dem entspricht die von den Tatsachengerichten festgestellte und vom Bekl. nicht substantiiert bestrittene hohe Ausstattungsdichte auch in Haushalten mit geringen Einkommen. Zwar ist, woran der Senat festhält (vgl. NJW 1998, 1967 [1968]), die Ausstattungsdichte alleinnicht entscheidend; sie kann aber ein gewichtiges Indiz für die in der Gesellschaft herrschenden Auffassungen darüber sein, welche Gebrauchsgegenstände für ein menschenwürdiges Leben notwendig sind, mit der Folge, daß, wenn Mitgliedern der Gesellschaft der Zugang zu ihnen verschlossenbleibt, dies zur sozialen Ausgrenzung führt.

Daß der Gebrauch einer Waschmaschine zum notwendigen Lebensunterhalt gehört, sieht im Grundsatz auch der für die Konkretisierung des § 21 Ia BSHG durch Rechtsverordnung der Bundesregierung federführende Bundesminister so, wenn er in § 7 II 2 seines Arbeitsentwurfs einer Verordnung zur Durchführung des § 21 Ia BSHG vom 31. 1. 1997 (info also 1997, 36) „bei einem Haushalt mit zwei und mehr Personen eine Waschmaschine, soweit sie anderweitig nicht zur Verfügung steht“, als notwendiges Gebrauchsgut aufführt. Signifikante Unterschiede zwischen Zwei- und Ein-Personen-Haushalten bestehen hinsichtlich der Frage, ob das Waschen mit der Hand zumutbar ist, jedoch im Regelfall nicht. Denn die Menge der zu waschenden Wäsche pro Kopf bleibt - von dem besonderen Wäschebedarf bestimmterPersonengruppen, etwa Kleinkindern, abgesehen - gleich. Daß unter Umständen das Wäschewaschen in einem Zwei- oder Mehr-Personen-Haushalt nur von einer Person geleistet wird, ist, wenn die weitere Person nicht gerade ein Kind ist, eine Frage der Arbeitsteilung innerhalb dieser sozialen Einheit und berührt die Frage der Zumutbarkeit, Wäsche mit der Hand zu waschen, in bezug auf den einzelnen Hilfebedürftigen nicht.

Gehört nach alledem der Gebrauch einer Waschmaschine zum notwendigen Lebensunterhalt, so bedeutet dies nicht in jedem Fall, daß der Hilfebedürftige Anspruch auf eine einmalige Geldleistung zur Beschaffung einer Waschmaschine hat. Wird ihm z.B. von seiten des Vermieters, von karitativen Vereinigungen oder von Verwandten der Gebrauch einer Waschmaschine ermöglicht, ist sein zum notwendigen Lebensunterhalt gehörender Bedarf gedeckt; denn dieser besteht nicht in dem Eigentum an der Waschmaschine, sondern in der Nutzung ihrer Gebrauchsfunktion. Die Waschmaschine kann deshalb vom Sozialhilfeträger auch leihweise oder in wirtschaftlich vergleichbaren Formen (z.B. zinsloses Darlehen mit Sicherungsübereignungsabrede) zur Verfügung gestellt werden, was insbesondere dann in Betracht zu ziehen ist, wenn das Ende der Hilfebedürftigkeit absehbar ist (vgl. BVerwG, Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 5 S. 4f., sowie BVerwG, Buchholz 436.0 § 8 BSHG Nr. 2). § 7 III 2 des oben genannten Arbeitsentwurfs des Bundesministeriums für Gesundheit weist weiter zutreffend darauf hin, daß Kosten für neue Gebrauchsgüter nicht übernommen zu werden brauchen, wenn sie in gebrauchtem Zustand zumutbar (vgl. insoweit BVerwG, Buchholz 436.0 § 4 BSHG Nr. 4) und in angemessener Qualität preisgünstiger erwerbbar sind. Diese Gesichtspunkte werden gerade bei Waschmaschinen häufig zum Tragen kommen können. Auch werden derartige Gebrauchsgegenstände gelegentlich mit geringen, die Gebrauchsfunktion nicht beeinträchtigenden Fehlern zu einem deutlich günstigeren Preis angeboten. Schließlich kann im Einzelfall der Hilfebedürftige auch auf die Inanspruchnahme eines gewerblichen Waschsalons oder einer Wäscherei verwiesen werden, wenn diese für den Hilfebedürftigen unter zumutbaren Bedingungen erreichbarsind und der Träger der Sozialhilfe die Kosten hierfür, soweit sie nicht durch den Regelsatz abgedeckt sind, trägt.

Im vorliegenden Fall muß sich die Kl. derartige Alternativen der Bedarfsdeckung jedoch nicht entgegenhalten lassen. Denn die Tatsacheninstanzen haben, ohne daß dies von dem Bekl. mit Revisionsrügen angegriffen worden wäre, festgestellt, daß der Kl. die kostenlose Benutzung einer Waschmaschine odereines Waschsalons nicht zur Verfügung stand. Die kostenpflichtige Benutzung einer gewerblichen Wäscherei oder eines gewerblichen Waschsalons scheidet für einen Sozialhilfeempfänger als Selbsthilfemöglichkeit i.S. des § 2 I BSHG aus, solange nicht der Sozialhilfeträger anbietet, die Kosten hierfür zu übernehmen. Dies hat der Bekl. nicht getan, sondern die Hilfegewährung bereits dem Grunde nach abgelehnt. Damit hat er sich auch der Möglichkeit begeben, die Art der Hilfeleistung i.S. des § 4 II BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG darf sich der Hilfesuchende, wenn der Sozialhilfeträger die Hilfegewährung rechtswidrig ablehnt, um der Effektivität des Rechtsschutzes willen selbst helfen und vom Sozialhilfeträger die Übernahme der hierdurch entstandenen Kostenverlangen (BVerwGE 94, 127 [133] = NVwZ-RR 1994, 589; BVerwGE 96, 152 [155] = NVwZ 1995, 276; jeweils m.w. Nachw.). Die Revision des Bekl. erweist sich nach alledem als unbegründet.

Unbegründet ist auch die Revision der Kl. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Kl. nur eine Kostenerstattung in Höhe von 600 DM zugesprochen. Denn im Rahmen des § 12 I BSHG kann nur die notwendige Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich, mithin nur der Gebrauch einer Waschmaschine mit ausreichender Leistung in der niedrigsten Ausstattungskategorie beansprucht werden. Derartige Waschmaschinen sind abernach den übereinstimmenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen zum Preis von 600 DM beschaffbar. Die hiergegen von der Kl. erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

Dies gilt zum einen für die Rüge, das BerGer. habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil es sich mit der Argumentation der Kl. „nicht einmal ansatzweise . . . auseinandergesetzt“ habe, daß von einer „ausreichenden Leistung“ bei einer Waschmaschine im Wert von 600 DM gerade nicht ausgegangen werden könne. Zwar ist das Gericht nach dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 83, 24 [35] = NJW 1991, 1283). Das OVG hat aber den Vortrag der Kl. zur Schleuderleistung von Waschmaschinen der 600-DM-Kategorie, wie die Darstellung des kl. Vortrags im Tatbestand des Berufungsurteils zeigt, vollständig zur Kenntnis genommen. Die Gerichte sind demgegenüber durch das Gebot rechtlichen Gehörs nicht gehalten, sich mit jedemVorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 87, 363 [392f.] = NVwZ 1993, 878).

Fehl geht auch die Sachaufklärungsrüge (§ 86 I 1 VwGO), die die Kl. der Sache nach erhoben hat, indem sie geltend macht, das OVG hätte „ggf.“ den in diesem Zusammenhang angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen. Ein diesbezüglicher Verfahrensfehler ist nicht erkennbar. Die Kl. hat zwar schriftsätzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens u.a. zu ihrer Behauptung beantragt, bei der „geringen Schleuderzahl (von 400, allenfalls 500 Umdrehungen) weise die Wäsche noch außerordentlich viel Restfeuchte auf“. Wenn das BerGer. gleichwohl meint, derartige Waschmaschinen wiesen eineausreichende Leistung auf, so versteht der Senat dies dahin, daß sich das BerGer. den von der Kl. nicht bestrittenen und von ihm gem. § 117 III 2 VwGO in Bezug genommenen Tatsachenvortrag des Bekl. zu eigen gemacht hat, der Kl. stehe ein Trockenraum im Mietshaus zur Verfügung, und auf dieser Tatsachengrundlage zu dem Schluß gelangt ist, das Trocknen von automatisch gewaschener Wäsche mit Restfeuchte in einem eigens dafür zur Verfügung gestellten Trockenraum sei der Kl. zumutbar. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage dieser materiellrechtlichen Auffassung des BerGer. bestand auch keine Veranlassung, dem angebotenen Sachverständigenbeweis über die Schleuderleistung von Waschmaschinen mit 400 bis 500 Schleudertouren nachzugehen.

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

BSHG §§ 12 I, 21 Ia Nr. 6