Kein Anspruch auf Spannungsumwandler zum Autobatteriebetrieb eines Druckbeatmungsgeräts

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 02. 1997


Aktenzeichen

3 RK 3/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein an Schlafapnoe erkrankter Versicherter, dem die Krankenkasse ein elektrisch betriebenes Druckbeatmungsgerät zur Verfügung gestellt hat, kann nicht die zusätzliche Ausstattung mit einem an eine Autobatterie anzuschließenden Spannungsumwandler beanspruchen, um auf Urlaubsreisen von der üblichen Stromversorgung unabhängig zu sein.

  2. Der Leistungsausschluß für allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (§ 33 I 1 SGB V) erstreckt sich nicht auf Zubehörteile und Betriebsmittel eines von der Krankenkasse geleisteten Hilfsmittels.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Mitglied der bekl. Ersatzkasse. Er leidet an einer schweren Schlafapnoe und ist auf die ständige Benutzung eines von der Bekl. als Hilfsmittel gewährten Druckbeatmungsgeräts während des Schlafs angewiesen. Das Beatmungsgerät wird elektrisch über das normale Stromnetz betrieben. Es läßt sich von 220 Volt (V) auf 110 V, nicht aber auf niedrigere Spannungsstärken umschalten. Der Einsatz des Geräts bei Stromspannungen von weniger als 110 V ist von der Zwischenschaltung eines Spannungsumwandlers (Konverter, Transformator) abhängig. Auf diese Weise kann das Druckbeatmungsgerät auch in Situationen, in denen kein normaler Stromanschluß vorhanden oder der Strom ausgefallen ist, über eine Stromquelle mit niedriger Spannungsstärke, z. B. eine Autobatterie, betrieben werden. Mit Blick auf derartige Fälle wurde die zusätzliche Ausstattung des Kl. mit einem „DC-Spannungswandler 12 V“ sowie einem „Kabelanschluß für DC-Spannungswandler zum Anschluß an einen Auto-Zigarettenanzünder“ im Januar 1994 vertragsärztlich verordnet. Am 7. 2. 1994 kaufte der Kl. einen DC-Konverter 12 V nebst Anschlußkabel zum Zigarettenanzünder für insgesamt 1408,75 DM. Seinen Antrag, den Kaufpreis zu erstatten, lehnte die Bekl. ab (Bescheid vom 17. 2. 1994, Widerspruchsbescheid vom 11. 8. 1994). Das SG (NJW 1996, 2390) hat die Klage abgewiesen. Mit der Übernahme der Kosten für das Druckbeatmungsgerät habe die Bekl. ihre Leistungspflicht aus der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) erfüllt. Dem Kl. sei es zuzumuten, sein Leben so zu gestalten, daß er sich zur Schlafenszeit an Orten aufhalte, an denen ein normaler Stromanschluß zur Verfügung stehe. Darauf müsse sich der Kl. insbesondere auch auf Urlaubsreisen und langen Autofahrten einstellen. Die Möglichkeit eines länger dauernden, ohne Schlaf nicht zu überbrückenden Stromausfalls könne für alle entwickelten Länder nach dem heutigen Stand der Technik ausgeschlossen werden. Auch die vom SG zugelassene Sprungrevision blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... Da der Kl. sich die Zusatzausrüstung für das Druckbeatmungsgerät selbst beschafft hat, kommt als Anspruchsgrundlage allein die Vorschrift des § 13 III SGB V i. d. F. des Art. 1 Nr. 5 a des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. 12. 1992 (BGBl I, 2266) in Betracht. Sie besagt: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, so sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.“ Von den genannten Alternativen - Selbstbeschaffung wegen Eilbedürftigkeit oder wegen rechtswidriger Leistungsverweigerung - ist hier nur die zweite in Erwägung zu ziehen. Die Krankenkasse hat die Versorgung des Kl. mit dem Spannungsumwandler aber nicht zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 33 I 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 IV SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 I SGB V). Gleiches gilt für Leistungen, die allein der Eigenverantwortung des Versicherten zuzurechnen sind (§ 2 I 1 SGB V).

Die Ausstattung des Kl. mit einem Spannungsumwandler entfällt nicht schon im Hinblick auf den in § 33 I 1 SGB V vorgesehenen Ausschluß eines Sachleistungsanspruchs bei Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind (vgl. zu diesem Begriff BSGE 77, 209 = NJW-RR 1997, 259 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 19). Den Leistungsausschluß hat das Gesetz nur für das Hilfsmittel selbst vorgesehen, nicht aber für Zusatzteile, Zubehör und Betriebsmittel (vgl. BSG, NJW 1998, 1813 [in diesem Heft] - zum Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Ladestrom bei einem elektrisch betriebenen Rollstuhl), die der ständigen Einsatzbereitschaft des Hilfsmittels dienen. So hat der Gesetzgeber z. B. den Anspruch auf notwendige Änderung oder Instandsetzung eines Hilfsmittels (§ 33 I 2 SGB V) nicht auf Fälle beschränkt, in denen die hierfür erforderlichen Zusatz- oder Ersatzteile nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens gelten. Das Verbot, bei noch nicht 18 Jahre alten Versicherten die Versorgung mit Batterien für Hörgeräte von der Leistungspflicht der Krankenkassen auszunehmen (§ 34 IV 3 SGB V), ist ebenfalls nur vor dem Hintergrund zu erklären, daß Batterien, die zweifellos zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören, als Zubehör oder Betriebsmittel für ein Hilfsmittel nicht bereits selbst vom Leistungsausschluß des § 33 I 1 SGB V erfaßt werden.

Der Anspruch ist jedoch deshalb unbegründet, weil die Zusatzausrüstung nicht i. S. des § 33 I 1 SGB „erforderlich“ und nicht i. S. des § 12 I SGB V „notwendig“ ist. Zwar haben die Krankenkassen bei der Leistungsgewährung nach §§ 2 I und 12 I SGB V im Rahmen des Möglichen auf besondere Wünsche der Versicherten Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Arten oder Formen der Leistungsgewährung rechtlich zulässig und wirtschaftlich sind. Besondere Wünsche der Versicherten sind jedoch nicht dazu geeignet, einen Leistungsanspruch über das notwendige Maß hinaus zu begründen. Durch die Versorgung des Kl. mit dem Beatmungsgerät ist von seiten der Bekl. das krankenversicherungsrechtlich Erforderliche geschehen, um die Atmungsfehlfunktion des Kl. auszugleichen.

Die Krankenkassen haben die Versicherten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 I SGB V) mit allen Hilfsmitteln zu versorgen, die geeignet und erforderlich sind, die Betroffenen in den Stand zu versetzen oder es ihnen zu erleichtern, den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens nachzukommen (BSG, SozR 2200 § 182 b Nr. 10; zuletzt BSG, SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). Zu diesen Grundbedürfnissen gehört in der heutigen Zeit auch die Möglichkeit, einmal im Jahr einen längeren Urlaub an einem anderen als dem Wohnort zu verbringen (BSG, SozSich 1991, 94; Höfler, in: KassKomm, § 33 SGB V Rdnr. 12). Es gehört jedoch nicht zur Aufgabe der Krankenkassen, den Versicherten darüber hinaus jede individuell gewünschte Art des Urlaubs zu ermöglichen (BSG, SozSich 1991, 4 - zur Benutzung einer eigenen Ferienwohnung; Höfler, § 33 SGB V Rdnr. 12). Das hiernach Erforderliche hat die Bekl. mit der Kostenübernahme für das Beatmungsgerät getan. Der Kl. kann das Gerät überall dort nutzen, wo es die üblichen Stromanschlüsse gibt. Das ist in Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und heutzutage in der Regel auch auf Campingplätzen und Wohnmobilanlagen der Fall. Damit steht dem Kl. eine breite Palette von Urlaubsmöglichkeiten zur Auswahl. Er braucht nicht einmal auf den von ihm bevorzugten Urlaub im Wohnmobil zu verzichten. Beschränkungen muß er sich lediglich bei der Wahl der Übernachtungsplätze auferlegen. Das ist ihm aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die nicht unbegrenzte Belastbarkeit der Solidargemeinschaft zuzumuten.

Der Kl. kann auch nicht damit gehört werden, die Zusatzausrüstung für Schlafpausen auf Parkplätzen bei langen Autofahrten zu benötigen. Ihm ist zuzumuten, seine Autofahrten, seien sie dienstlicher oder privater Natur, so zu planen, daß er auf Schlafpausen entweder ganz oder jedenfalls an Orten, die nicht über einen Stromanschluß verfügen, verzichten kann.

Auch zur Vorsorge gegen Notfälle (Stromausfall) ist der Spannungsumwandler nicht erforderlich. In Betracht zu ziehen sind in diesem Zusammenhang nur Stromausfälle von einer Dauer, die ohne Schlaf nicht zu überbrücken sind. Diese Möglichkeit kann für die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie für die Mehrzahl der anderen Staaten der Welt ausgeschlossen werden. Stromabschaltungen, etwa während eines Streiks, sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht in nennenswertem Umfang vorgekommen und würden auch auf kürzere Zeiträume begrenzt, um die Versorgung der Bevölkerung nicht über Gebühr zu gefährden. In manchen Ländern, insbesondere in Krisengebieten, mag die Stromversorgung oft unregelmäßig sein und mitunter ganz zusammenbrechen. Derartige Zustände sind aber regelmäßig bekannt. Versicherten, die auf eine zuverlässige, regelmäßige Stromversorgung angewiesen sind, ist es zuzumuten, auf Fahrten in solche Regionen zu verzichten, um die Solidargemeinschaft nicht zu überfordern.

Soweit der Kl. im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen hat, im Dezember 1993 habe ein Mitarbeiter der für ihn damals noch zuständigen Gesellschaft der Bekl. in H. auf Nachfrage zum Stand des Antragsverfahrens erklärt, er solle die beantragte Zusatzausrüstung für das Beatmungsgerät zu den Bedingungen des Kostenvoranschlages der Firma M vom 15. 9. 1993 bestellen, ist darauf nicht weiter einzugehen, da es sich um neues Tatsachenvorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu Meyer-Ladewig, SGG, § 163 Anm. 5) - ausgeschlossen ist.

Vorinstanzen

SG Lüneburg, S 9 Kr 83/94, 15.2.1996

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

SGB V §§ 2 I, 12 I, 13 III, 33 I