FOCUS ./. FOCUS COLOR: Mittelbare Verwechslungsgefahr

Gericht

Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum


Art der Entscheidung

Entscheid


Datum

10. 06. 2004


Aktenzeichen

6375/2003


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Marken „FOCUS“ und „COLOR FOCUS“ sind für „Kosmetika“ und „Make-up“ mittelbar verwechslungsfähig, weil die Marke „COLOR FOCUS“ den Eindruck erweckt, dass es sich wegen der Übernahme der kennzeichnenden Widerspruchsmarke „FOCUS“ um eine Variante dieser Marke handelt.

  2. Die Bezeichnungen „FOCUS“ und „COLOR FOCUS“ stimmen in ihrem Hauptbestandteil überein. In der Marke „COLOR FOCUS“ ist der Bestandteil „COLOR“ kennzeichnungsschwach, weil dieser für die Waren der Klasse 3 (Kosmetika, Make up) beschreibend ist.

Entscheidungsgründe


I.

1. Die angefochtene schweizerische Marke Nr. 507 332 "COLOR FOCUS" wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) Nr. 32 vom 18. Februar 2003 veröffentlicht. Sie ist für folgende Waren der Klasse 3 eingetragen:

Produits cosmétiques et de maquillage.

2. Am 25. April 2003 erhob die Widersprechende beim Institut gestützt auf ihre internationale Registrierung Nr. 663 349 "FOCUS" frist- und formgerecht Widerspruch. Die Widerspruchsmarke ist u.a. für folgende Waren der Klasse 3 eingetragen:

Savons; parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits de nettoyage et dentifrices.

Die Widersprechende begründet ihr Begehren im Wesentlichen wie folgt:

Die angefochtene Marke übernehme das Widerspruchszeichen unverändert und ergänze es mit "COLOR", dem in allen Landessprachen verständlichen Hinweis auf die Farbigkeit der gekennzeichneten Massengüter. Dieser Zusatz sei daher nicht geeignet, den erforderlichen markenrechtlichen Abstand herbeizuführen, zumal die beiden Zeichen Schutz für identische Waren in der Klasse 3 beanspruchten.

Beim Handelsgericht Bern habe die Inhaberin der angefochtenen Marke eine Löschungsklage gegen das Widerspruchsverfahren angestrengt. Die Widersprechende beantragte die Sistierung des Widerspruchsverfahrens bis zum rechtskräftigen Entscheid im zwischen den widerstreitenden Parteien hängigen Zivilverfahren vor Handelsgericht des Kantons Bern.

3. Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 teilte die Widerspruchsgegnerin mit, dass sie mit der Sistierung des Verfahrens nicht einverstanden sei.

4. Mit Verfügung vom 12. Mai 2003 forderte das Institut die Widerspruchsgegnerin zur Stellungnahme zum Widerspruch auf und teilte ihr zudem mit, dass das Institut sich nach Vorlage der Akten des Zivilverfahrens die Prüfung der Sistierung von Amtes wegen vorbehalte.

5. Mit Schreiben vom 20. Mai 2003 beantragte die Widersprechende erneut die Verfahrenssistierung bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Entscheids im zwischen den widerstreitenden Parteien hängigen Zivilverfahren. Dazu legte sie Kopien der Klage- und Klageantwortschrift vom 30. Dezember 2002 und 31. März 2003 sowie die Kopie der Ladungsverfügung zur Hauptverhandlung des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 24. April 2003 bei.

6. In ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2003 machte die Widerspruchsgegnerin die Nichtgebrauchseinrede der Widerspruchsmarke gemäss Art. 22 Abs. 3 MSchV i.V.m. Art. 12 MSchG geltend. Sie bestreitet den Gebrauch der Widerspruchsmarke für die angefochtene Marke beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5. Für den Fall, dass es der Gegenpartei wider Erwarten gelingen sollte, den Gebrauch glaubhaft zu machen, bitte sie um Ansetzung einer neuen Frist zur materiellen Stellungnahme.

7. Mit Verfügung vom 5. Juni 2003 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des zwischen den widerstreitenden Parteien zusätzlich vor Handelsgericht des Kantons Bern hängigen Zivilprozesses von Amtes wegen sistiert.

8. Mit Schreiben vom 29. April 2004 ersucht die Widersprechende mit Hinweis auf die Zivilstreitigkeit (Bundesgerichtsentscheid Nr. 4C.331/2003) um Wiederaufnahme des vorliegenden Verfahrens und um Gutheissung des Widerspruchs.

9. Mit Verfügung vom 29. Mai 2004 wurde den Parteien der Abschluss der Instruktion mitgeteilt.


II.

Gemäss Art. 31 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 MSchG kann der Inhaber einer älteren Marke gegen die Eintragung einer Marke Widerspruch erheben. Die Widerspruchsmarke wurde am 23. Mal 1996 international registriert, die angefochtene schweizerische Marke am 31. Oktober 2002 hinterlegt. Die Widersprechende ist daher Inhaberin der älteren Marke und gemäss Art. 31 Abs. 1 MSchG zum Widerspruch aktivIegitimiert. Somit ist auf den Widerspruch einzutreten.


III.

1. Die Widersprechende beantragt den Beizug sämtlicher Akten des Widerspruchsverfahrens Nr. 4436 sowie der Löschungsklage. Die Behörde nimmt die ihr anerbotenen, zulässigen Beweise ab, wenn diese zur Abklärung des Sachverhaltes tauglich erscheinen (Art. 33 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 und Art. 19 VwVG). Vorliegend sind diese Unterlagen für die Beurteilung des vorliegenden Widerspruchs nicht notwendig und können unberücksichtigt bleiben.

2. Die Widerspruchsgegnerin hat in ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2003 den Wunsch geäussert, bei Glaubhaftmachung des Gebrauches durch die Widersprechende, eine erneute Frist zur materiellen Stellungnahme zu erhalten. Jedoch wurde die Widerspruchsgegnerin schon mit der Verfügung vom 12. Mai 2003 aufgefordert, zum Widerspruch Stellung zu nehmen, und zwar vollumfänglich und nicht auf die Frage des rechtserhaltenden Markengebrauchs beschränkt. Die Widerspruchsgegnerin hätte also in der ersten Stellungnahme Gelegenheit gehabt, sich zur Verwechslungsgefahr zu äussern, hat dies jedoch unterlassen. Hinzu kommt, dass es sich bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, und damit bei der Prüfung von Warengleichartigkeit und Zeichenähnlichkeit, um eine Rechtsfrage handelt, die das Institut ohnehin von Amts wegen zu beurteilen hat. Es besteht somit kein Grund, die Widerspruchsgegnerin nochmals zur Verwechslungsgefahr zu begrüssen.


IV.

1. Gemäss Art. 12 MSchG kann ein Markeninhaber sein Markenrecht nicht mehr geltend machen, wenn er die Marke innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf der Widerspruchsfrist (oder des Abschlusses eines Widerspruchsverfahrens) nicht gebraucht hat und keine wichtigen Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen. Will sich der Widerspruchsgegner auf den Nichtgebrauch der älteren Marke berufen, hat er dies in der ersten Stellungnahme zum Widerspruch zu tun (Art. 22 Abs. 3 MSchV). Wird der Nichtgebrauch formell korrekt behauptet, hat der Widersprechende den Gebrauch oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen (Art. 32 MSchG). Die Einrede des Nichtgebrauchs kann jedoch erst nach Ende der fünfjährigen Karenzfrist erhoben werden (Lucas DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Markenschutzgesetz, 2. Auflage, Basel 1999, N. 6 zu Art. 32).

2. Im parallel geführten Zivilprozess hielt das Bundesgericht bezüglich des Beginns der Gebrauchsschonfrist der Widerspruchsmarke folgendes fest: Wegen eines Zentralangrifffs auf die deutsche Basismarke habe die Karenzfrist für die Widerspruchsmarke erst am 11. Januar 2001 zu laufen begonnen (Erwägung 2.3 in Entscheid 4C.331/2003).

3. Folglich befindet sich die Widerspruchsmarke noch in der Gebrauchsschonfrist. Die Widerspruchsgegnerin ist daher mit ihrer Nichtsgebrauchseinrede nicht zu hören.


V.

1. Vom Markenschutz ausgeschlossen sind Zeichen, die einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt (Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG).

2. Die Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken ist nicht aufgrund des abstrakten Zeichenvergleichs, sondern vor dem Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen (BGE 122 III 385 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon). Die Verwechslungsgefahr resultiert dabei aus der Wechselwirkung von (Zeichen-)Ähnlichkeit und (Waren-)Gleichartigkeit: An die Zeichenverschiedenheit sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je ähnlicher die Waren resp. Dienstleistungen sind und umgekehrt (BGE in sic! 2001, 408 - Jaguar / Jaguar; RKGE in sic! 1997, 296 - Exosurf / Exomuc; DAVID, a.a.O., N. 8 zu Art. 3).

3. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die in Betracht zu ziehenden Verbraucherkreise und insbesondere die Letztabnehmer auf den Gedanken kommen können, die unter Verwendung ähnlicher oder identischer Marken angepriesenen Waren würden angesichts ihrer üblichen Herstellungs- und Vertriebsstätten aus ein und demselben Unternehmen stammen oder doch wenigstens unter der Kontrolle des gemeinsamen Markeninhabers von verbundenen Unternehmen hergestellt (RKGE in sic! 1997, 568 - Birko Tex / Biotex; DAVID, a.a.O., N. 35 zu Art. 3, mit weiteren Verweisen; Eugen MARBACH, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band III, Kennzeichenrecht, Basel 1996, 105 f.)

4. Es ist offensichtlich, dass beide Marken in Klasse 3 für gleichartige, wenn nicht gar für identische Produkte hinterlegt sind. Die von der Widerspruchsgegnerin beanspruchten produits cosmétiques et de maquillage können als Oberbegriffe gelten für die Produkte savons parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits de nettoyage de dentifrices, für welche die Widerspruchsmarke eingetragen ist. Auch wird die Ware cosmétiques in der Widerspruchsmarke explizit aufgeführt. Aufgrund dieser Warenidentität sind nachfolgend hohe Anforderungen an

Zeichenunterscheidbarkeit zu stellen (Alois TROLLER, Immaterialgüterrecht, Band 1, 3. Auflage, Basel/Frankfurt 1983, 227).


VI.

1. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist anzunehmen, wenn die jüngere die ältere Marke in ihrer Unterscheidungsfunktion beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist gegeben, sobald zu befürchten ist, dass die massgeblichen Verkehrskreise sich durch die Ähnlichkeit der Marken irreführen lassen und Waren, die das eine oder andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen (BGE 122 III 384 - Kamillosan / Kamillan, Kamillon; Christoph WILLI, MSchG Kommentar zum Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N. 35 zu Art. 3). Eine bloss entfernte Möglichkeit von Fehlzurechnungen genügt aber nicht. Erforderlich ist, dass der durchschnittliche Verbraucher die Marken mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verwechselt (BGE 119 II 476 - Radion / Radomat; RKGE in sic! 1999, 418 f. - Koenig [fig.] / Sonnenkönig [fig.]).

2. Der Massstab, der an die Zeichen-Unterscheidbarkeit anzulegen ist, hängt vom Umfang des Ähnlichkeitsbereichs ab, dessen Schutz der Inhaber der älteren Marke beanspruchen kann. Der Schutzumfang einer Marke bestimmt sich nach ihrem kennzeichnungsmässigen Gehalt (MARBACH, a.a.O., 113; DAVID, a.a.O., N. 9 zu Art. 3; RKGE in sic! 1997, 477 - Liquid Gold / Swiss Gold).

3. Die Widerspruchsmarke "FOCUS" entstammt der englischen Sprache und bedeutet "Brennpunkt, scharfe Einstellung, scharf einstellen, im Brennpunkt vereinigen". "FOCUS" findet zudem seine Entsprechung im deutschen Wort "Fokus'' mit Bedeutung "Brennpunkt (im optischen Bereich)" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 9, Mannheim/Wien/Zürich 1973, 129). Aufgrund der Ähnlichkeit in Schreibweise, Klang und Schriftbild empfindet der deutschschweizerische Abnehmer "FOCUS" selbst in der konkreten Schreibweise mit "c" statt mit "k" nicht mehr als eigentliches Fremdwort, sondern setzt es automatisch dem deutschen Wort "Fokus" gleich.

4. Unter der Berücksichtigung der Bedeutung "Brennpunkt" ist nun die Kennzeichnungskraft des Markenbestandteils "FOCUS" im Zusammenhang mit der von der Widerspruchsmarke beanspruchten savons parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits de nettoyage de dentifrices (Klasse 3) zu beurteilen. In Verbindung mit diesen Waren kann bei der Widerspruchsmarke "FOCUS" kein beschreibender Sinngehalt festgestellt werden. Deshalb eignet ihr in Verbindung mit diesen Waren normale Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang.

5. Gemäss Lehre und Rechtsprechung bestimmt sich die Verwechselbarkeit zweier Zeichen aufgrund des Gesamteindruckes, den sie im Erinnerungsbild des Abnehmers hinterlassen (MARBACH, a.a.O., 116; DAVID, a.a.O., N. 15 zu Art. 3). Da die widerstreitenden Zeichen dem Abnehmer kaum direkt gegenüberstehen, sind mögliche und normale Verschiebungen des Erinnerungsbildes in die Beurteilung mit einzubeziehen (TROLLER, a.a.O., 232 f.). Somit ist beim Vergleich zweier Marken auf die Sicht des durchschnittlich aufmerksamen Verbrauchers abzustellen, der die Marken normalerweise nacheinander und nicht gleichzeitig wahrnimmt und der dazu tendiert, die Unterschiede zwischen den Marken nicht eingehend zu untersuchen.

6. Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch den Klang und durch das Schriftbild bestimmt; gegebenenfalls kann jedoch auch ihr Sinngehalt von entscheidender Bedeutung sein. In der Regel besteht ein Abwehranspruch, sobald sich die Verwechselbarkeit auch nur auf einer Ebene ergibt (MARBACH, a.a.O., 118). Je nach Ausgestaltung einer Marke ziehen ihre verschiedenen Bestandteile die Aufmerksamkeit der Markenadressaten in unterschiedlichem Ausmass an und beeinflussen deshalb den in der Erinnerung verbleibenden Gesamteindruck unterschiedlich stark.

7. Die vollständige Übernahme der Widerspruchsmarke in die jüngere Marke begründet grundsätzlich eine Verwechslungsgefahr (vgl. RKGE vom 28. Januar 2004 [MA-WI 24/02] - INTEGRA / Integra RESEARCH). Bereits die Übernahme eines einzigen charakteristischen Bestandteils der Widerspruchsmarke kann zu einer Verwechselbarkeit der Vergleichszeichen führen (DAVID, a.a.O., N. 19 zu Art. 3). Das Hinzufügen oder Weglassen von Bestandteilen bei der angefochtenen Marke beseitigt die Zeichenähnlichkeit in der Regel nicht, wenn das hinzugefügte oder weggelassene Element nicht geeignet ist, den Zeicheneindruck wesentlich zu bestimmen, wenn also die Zeichen nach wie vor in den Hauptbestandteilen übereinstimmen (DAVID, a.a.O., N. 11 zu Art. 3; RKGE in sic! 3/2004, 237 - RED [fig.] / Redd, red lights). Sticht in einer Marke ein Element speziell hervor, kommt diesem bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit erhöhte Bedeutung zu (BGer, RSP[, 1992, vol. 2, 233 - THERMA / ThermaCELL; RKGE in sic! 2002, 103 - CELCOM / CELPHONE [fig.]).

8. Die Widerspruchsgegnerin übernimmt die Widerspruchsmarke "FOCUS" in ihre Marke "COLOR FOCUS" und setzt dieser das Substantiv "COLOR" voran. Dieses wird von den massgebenden Verkehrskreisen ohne Zwang als einen direkten Hinweis auf "Farbe" bzw. "Farbnuance" aufgefasst, welche namentlich im Zusammenhang mit Schminke und anderen Kosmetikprodukten eine bedeutsame Rolle spielt. Durch die Zufügung eines weiteren Wortelementes unterscheidet sich die angefochtene Marke sowohl in Phonetik wie Schriftbild von der Widerspruchsmarke. Diese Unterschiede bleiben auch im Gedächtnis haften, womit unmittelbare Zeichenverwechslungen wenig wahrscheinlich sind.

9. Jedoch ist markenrechtlich die Verwechslungsgefahr nicht nur zu bejahen, wenn direkte Verwechslungen beider Marken zu befürchten sind ("unmittelbare Verwechslungsgefahr"), sondern auch, wenn das Publikum die Marken zwar auseinander zu halten vermag, auf Grund ihrer Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet, insbesondere an Serienmarken denkt, die verschiedene Produktelinien des gleichen Unternehmens oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen kennzeichnen (RKGE in sic! 2002, 521 f. - VISA / Jet-Set Visa; vgl. auch MARBACH, a.a.O., 112).

10. Vorgehend wurde festgestellt, dass die angefochtene Marke die Widerspruchsmarke "FOCUS" übernimmt, was grundsätzlich bereits eine Verwechslungsgefahr begründet. Wie die Widersprechende zutreffend vorbringt, wird der Gesamteindruck der angefochtenen Marke "COLOR FOCUS" nicht in erster Linie vom für Waren der Klasse 3 kennzeichnungsschwachen Element "COLOR" geprägt, da dieses wichtige Eigenschaften der Waren der Klasse beschreibt. Auch erfährt das Wort "FOCUS" durch die Voranstellung von "COLOR" keine neue, eigenständige Sinnprägung. Folglich stimmen die Zeichen nach wie vor in ihrem Hauptbestandteil überein (RKGE in sic! 2001, 136 - Kraft / NaturKraftWerke, mit weiteren Verweisen: DAVID, a.a.O., N. 11 zu Art. 3).

11. Die Übernahme der kennzeichnenden Widerspruchsmarke "FOCUS" in die angefochtene Marke vermag den Eindruck zu erwecken, dass es sich bei der angefochtenen Marke um eine Variante der Widerspruchsmarke handelt. Damit ist der Tatbestand der mittelbaren Verwechslungsgefahr erfüllt (vgl. RKGE in sic! 2002, 522 - VISA / Jet-Set Visa). Somit ist von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen den streitverfangenen Marken auszugehen.


V.

1. Die Widerspruchsgebühr verbleibt dem Institut (Art. 31 MSchG i.V.m. Art. 1 ff. IGE-GebO und Anhang zu Art. 2 Abs. 1 IGE-GebO).

2. Gemäss Art. 34 MSchG hat das Institut mit dem Entscheid über den Widerspruch auch darüber zu bestimmen, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von unterliegenden zu ersetzen sind. Gestützt auf diese Bestimmung steht dem Institut ein weites Ermessen zu (DAVID, a.a.O., N. 2 zu Art. 34; WILLI, a.a.O., N. 7 zu Art. 34). Die Höhe der Parteientschädigung richtet sich nach Art. 8 VKEV sowie dem Tarif BG. Der obsiegenden Partei wird in der Regel eine Parteientschädigung zugesprochen ("Unterliegerprinzip").

3. Der Widerspruch wird gutgeheissen. Die Widerspruchsgegnerin als unterliegende Partei wird kostenpflichtig. Die Widersprechende reichte mit dem Widerspruch eine Kostennotevon CHF 1'800.00 (inkl. der Verfahrenskosten) ein. Trotz der aufgeworfenen Nichtgebrauchseinrede in der Stellungnahme der Widerspruchsgegnerin wurde aufgrund der von Amtes wegen verfügten Sistierung kein doppelter Schriftenwechsel durchgeführt. Somit wurde nur ein einfacher Schriftenwechsel durchgeführt. Im Regelfall spricht das Institut bei einem Verfahren mit einfachem Schriftenwechsel eine Parteientschädigung von CHF 1'000.00 zu. Vorliegend liegen keine Umstände vor, welche eine Abweichung dieser Regel zu begründen vermöchten. Somit wird der Widersprechenden eine Parteientschädigung von CHF 1'800.00 (inklusive der Widerspruchsgebühr) zugesprochen.


Aus diesen Gründen wird


verfügt:

  1. Der Widerspruch Nr. 6375 wird gutgeheissen und die angefochtene CH-Marke Nr. 507 332 "COLOR FOCUS" widerrufen.

  2. Die Widerspruchsgebühr von CHF 800.00 verbleibt dem Institut.

  3. Der Widerspruchsgegner hat der Widersprechenden eine Parteientschädigung von CHF 1'800.00 (inkl. der Widerspruchsgebühr) zu bezahlen.

  4. Diese Verfügung wird den Parteien schriftlich eröffnet.


Bern, 10. Juni 2004

Markenabteilung

lic.iur. Laurent Potylo
Widerspruchssektion

Rechtsgebiete

Markenrecht