Auslegung der Pflichtteilssanktionsklausel „Sollte gegen mein Testament Einspruch oder Klage erhoben werden“
Gericht
OLG Dresden
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
16. 02. 1999
Aktenzeichen
7 W 1571/98
Die testamentarische Klausel „wer das Testament anficht“ ist, falls keine Anzeichen vorhanden sind, daß der Ausdruck rechtstechnisch gemeint ist, nicht auf die Anfechtung gem. §§ 2078ff. BGB beschränkt, sondern erfaßt alle Handlungen, die geeignet sind, die Verfügung ganz oder teilweise zu Fall zu bringen, also auch Einwendungen im Erbscheinsverfahren gegen die Wirksamkeit der Verfügung.
Einwendungen gegen Anordnungen im Testament mit der Begründung, damit solle dem wahren Willen des Erblassers zum Zuge verholfen werden, verstoßen nur dann nicht gegen die Klausel, wenn hierfür Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht bestehen.
Die Geltendmachung der Testierunfähigkeit des Erblassers oder Einwendungen gegen die Vaterschaft in bezug auf ein von dem Erblasser als Miterben eingesetztes außereheliches Kind, hinsichtlich dessen der Erblasser im Testament ausdrücklich erklärt hat, daß er die Vaterschaft anerkenne, verstoßen, wenn es an erheblichen Anhaltspunkten für Bedenken insoweit fehlt, gegen die Strafklausel.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Am 20. 12. 1995 verstarb der Erblasser. Der am 21. 6. 1990 geborene E (Bet. zu 4) ist sein nichteheliches Kind. Die Vaterschaft wurde nach dem Tode des Erblassers durch Beschluß des AG - VormG - Grimma, vom 29. 7. 1996, rechtskräftig festgestellt. Die Bet. zu 1 ist die Witwe des Erblassers, die Bet. zu 2 und 3 sind seine ehelichen Kinder. Der Erblasser war Vorsitzender einer LPG, in der sämtliche Familienmitglieder sowie die Mutter des Bet. zu 4 tätig waren und die in eine GmbH&Co. KG umgewandelt worden war, wobei Geschäftsführer der haftenden GmbH der Erblasser war. Der Erblasser hat am 15. 8. 1994 ein Testament errichtet, in dem er folgendes bestimmt hat:
1. Mein Sohn E wird hiermit ausdrücklich und vorbehaltlos als mein Sohn und als voll erbberechtigter Erbe anerkannt.
2. Bei allen erbberechtigten Kindern ist E mit 1/3 erbberechtigt.
3. E erbt allein meine gesamten Anteile am Stammkapital der GmbH.
4. Zu Nr. 3 wird festgelegt, daß E unabhängig von der Höhe meines Anteils Alleinerbe wird.
5. Das personifizierte Vermögen, das als Haftkapital in der GmbH u. Co. KG in Höhe von 19555 DM eingetragen ist, erhält I (Mutter des Bet. zu 4).
6. I hat E alle notwendige Unterstützung zur Ausbildung zu geben, dazu ist in erster Linie das personifizierte Vermögen einzusetzen.
7. Sollte gegen mein Testament Einspruch oder Klage erhoben werden, so verfüge ich hiermit, daß diese Person von einem jeglichen Erbe meines Nachlasses ausgeschlossen wird.
Am 22. 12. 1995 beantragte die Mutter des Bet. zu 4 einen Erbschein, der sie als Miterbin zu je ½ sowie die drei Kinder als Miterben zu je 1/6 ausweist. Hiergegen wandten sich die Bet. zu 2 bis 5 mit Schreiben vom 2. 2. 1996, in dem sie unter anderem folgendes ausführten:
„Das Testament des Erblassers erkennen wir nicht an. Die Vaterschaft des Erblassers wird von uns bestritten. Wir machen geltend, daß ein Motivirrtum vorliegt, da E nicht Sohn des Erblassers ist. Die Werte der GmbH- und GmbH & Co. KG-Anteile sind wesentliche Vermögenswerte und können ohne Beeinträchtigung der übrigen Erben auf E nicht übertragen werden. In dieser Hinsicht können die Nrn. 3 und 4 nicht anerkannt werden. Inwieweit eine Legatsverfügung gem. Nr. 5 ohne Beeinträchtigung der Rechte der Bet. zu 1 möglich ist, muß auch geprüft werden.“
Das AG - NachlaßG - gab dem Erbscheinsantrag statt. Am 10. 9. 1997 beantragte der Bet. zu 4, den Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen und ihm einen Alleinerbschein zu erteilen, da der Verwirkungstatbestand eingetreten sei.
Das AG hat diesem Antrag stattgegeben. Zur Begründung führte es aus, die Verwirkung ergebe sich bereits aus dem zwischenzeitlichen Verhalten der Bet. zu 1 bis 3 in dem Zivilprozeß, in dem die Mutter des Bet. zu 4 das ihr zugewandte Vermächtnis habe gerichtlich geltend machen müssen. Das LG hat der Beschwerde der Bet. zu 1 bis 3 stattgegeben. Die weitere Beschwerde des Bet. zu 4 hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Entscheidung des LG beruht insofern auf einer Gesetzesverletzung, als das LG die vorliegende Verwirkungsklausel im handschriftlichen Testament vom 15. 8. 1994, Nr. 7 nicht genügend anhand von Literatur und Rechtsprechung zu den §§ 2074 , 2075 BGB geprüft hat (unten 1) und dabei auch den Sachverhalt - wie er sich nach dem Inhalt der Akten darstellt - nicht voll ausgeschöpft hat, wobei darauf hinzuweisen ist, daß das LG hierzu schon wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 12 FGG verpflichtet war, auch soweit maßgebliche Gesichtspunkte von den Vertretern der Bet. nicht abschließend vorgetragen waren. Dagegen ist den Ausführungen des AG beizupflichten, das Ergebnis ist zutreffend. Im einzelnen:
1. Nach allgemeiner Ansicht in Literatur und Rechtsprechung ist es zulässig, testamentarische Zuwendungen mit der Bedingung zu versehen, wer gegen den letzten Willen vorgehe, solle nichts oder nur den Pflichtteil erhalten (sog. Straf- oder Verwirkungsklausel, vgl. Leipold, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 2074 Rdnr. 19). Zweck derartiger Klauseln ist es, die Verwirklichung des letzten Willens zu sichern und Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen zu verhindern (Leipold, in: MünchKomm, § 2074 Rdnr. 19). Es handelt sich im Zweifel um eine auflösende Bedingung für den Fall der Zuwiderhandlung. Denkbar ist aber auch, eine aufschiebende bedingte Enterbung anzunehmen, wobei der Bedachte bis zum Eintritt der Bedingung Vorerbe wäre (abl. Staudinger/Otte, § 2074 Rdnr. 1). Auch allgemeine Strafanordnungen gelten dann, wenn aus ihnen der Wille des Erblassers deutlich hervorgeht, da nach dem Grundsatz des § 2084 BGB dem Willen des Erblassers soweit wie möglich zum Erfolg verholfen werden muß (vgl. dazu die bekannte Entscheidung BayObLGZ 1962, 47 zur Klausel „Gestritten und geschimpft. Wer das macht, soll gar nichts bekommen.“).
Bei Verwirkungsklauseln, die einen Angriff auf die Verfügung betreffen, ist dabei durch Auslegung zu ermitteln, welches Verhalten des Bedachten zur Bedingung erhoben ist und die Verwirkungsfolge auslösen soll (Staudinger/Otte, § 2074 Rdnr. 57). So ist die Klausel „wer das Testament anficht“, falls keine Anzeichen vorhanden sind, daß der Erblasser den Ausdruck rechtstechnisch gemeint hat, nicht auf eine Anfechtung nach §§ 2078 f. BGB zu beschränken, sondern erfaßt alle Handlungen, die ihrer Art nach geeignet sind, die Verfügung ganz oder teilweise zu Fall zu bringen, also außer Anfechtungsklagen auch die prozessuale Geltendmachung der Unwirksamkeit, auch im Erbscheinsverfahren (Staudinger/Otte, § 2074 Rdnr. 58; Leipold, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 2074 Rdnr. 22). Dem Bedachten ist es allerdings nicht verwehrt, geltend zu machen, daß ein Gegenstand nicht zum Nachlaß gehört (so schon OLG Dresden, SeuffA 71 Nr. 21; vgl. dazu auch Staudinger/Otte, § 2074 Rdnr. 59).
Auch sind von den allgemeinen Verwirkungsklauseln unter Umständen solche Verhaltensweisen auszunehmen, die nicht gegen den wahren Willen des Erblassers verstoßen, sondern ihm im Gegenteil zum Zuge verhelfen sollen, z.B. Geltendmachung der Unechtheit eines Testaments oder der Testierunfähigkeit des Erblassers, wenn hierfür Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht bestehen (Leipold, in: MünchKomm, § 2074 Rdnr. 23).
Es muß sich allerdings - wie ausgeführt - um Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht handeln. Werden Angriffe auf die Echtheit des Testaments oder die Testierfähigkeit des Erblassers nur in bewußtem Ungehorsam erhoben (vgl. dazu v. Lübtow, ErbR I, 1972, S. 574; BGH, FamRZ 1985, 278 [280]; Binz, Problematik der Verwirkungsklausel in letztwilligen Verfügungen, Fußn. 37), weil der Inhalt der Verfügung nicht respektiert werden solle, müssen die Folgen der Verwirkungsklausel eingreifen, im Hinblick auf den o.g. erbrechtlichen Grundsatz, daß dem Willen des Erblassers, der solches gerade verhindern will, zum Erfolg verholfen werden muß.
Diese Grundsätze hat das LG weitgehend außer acht gelassen und den Sachverhalt hierunter nur lückenhaft subsumiert.
2. a) Eine Auslegung der Anordnung im Testament unter Berücksichtigung der aus dem Akteninhalt ersichtlichen außertestamentarischen Umstände ergibt, daß der Erblasser den Bet. zu 4 als seinen außerehelichen Sohn anerkannt wissen wollte und daß er ihn im Grundsatz genauso wie seine leiblichen Kinder, die Bet. zu 2 und 3, bedenken, durch Vorausvermächtnisse sogar besserstellen wollte.
Dies ergibt sich eindeutig aus dem ersten Teil des Testaments, wonach der Erblasser den Bet. zu 4 „hiermit ausdrücklich und vorbehaltlos als meinen Sohn und als voll erbberechtigter Erbe“ anerkannt wird. Der Erblasser wollte insoweit also offenbar genau das verhindern, was dann eingetreten ist: daß die Bet. zu 1 bis 3 ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auslösen, in dessen Verfahren sich die Mutter des Bet. zu 4 diskriminierenden Beschuldigungen ausgesetzt sieht. Dies ergibt sich auch aus den im Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor dem VormG vorgelegten Kopien von Briefen des Erblassers, in denen dieser jeweils darauf hinweist, daß er „der Vater unseres Sohnes E“ sei.
Die Gründe, aus denen ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor dem Ableben des Erblassers nicht durchgeführt wurde (nachträglich wurde die Vaterschaft rechtskräftig festgestellt) und die Mutter des Bet. zu 4 sogar von dem Bet. zu 3 veranlaßt wurde, schriftlich zu erklären, daß der Bet. zu 4 nicht vom Erblasser stamme, ergeben sich aus dem Ergebnis der Anhörung der Angehörigen des Erblassers, insbesondere seiner Schwester und seiner Brüder: Da im Jahre 1990 und auch später das Gerücht verbreitet wurde, daß der Erblasser ein nichteheliches Kind von der Mutter des Bet. zu 4 habe, kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen in der Familie auch im Beisein Dritter. Die Bet. zu 1, die Ehefrau des Erblassers spielte in einer Auseinandersetzung hierauf an und „gab ihm die Gelegenheit, die Familie zu verlassen“. Der Erblasser hat, auf das Kind und die Mutter des Bet. zu 4 angesprochen, „die Vaterschaft zugegeben“. Hierauf hat der Bet. zu 3 der auch Kontroversen mit der Mutter des Bet. zu 4 in der GmbH&Co. KG hatte, auf die Mutter „Druck ausgeübt“, die Erklärung zu unterschreiben, daß der Erblasser nicht der Vater sei. Dem entspricht übrigens auch der Inhalt der auszugsweise in Kopie eingereichten Briefe des Erblassers an die Mutter des Bet. zu 4. Seine Darstellung, der Erblasser habe mit der Mutter des Bet. zu 4 nur dienstlich zu tun gehabt und sei gegen außereheliche Beziehungen gewesen, ist durch das Testament widerlegt. Auch nach den eigenen Angaben des Bet. zu 3, gab es „schon ab und zu mal Streit zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau, weil nach der Ansicht der Ehefrau die Mutter des Bet. zu 4 im Betrieb bevorzugt behandelt wurde“.
Diese Umstände ergeben im übrigen weiter, daß der Erblasser offensichtlich im Testament seine übrigen gesetzlichen Erben darauf festlegen wollte, daß diese den Bet. zu 4 „als voll erbberechtigt anerkennen“. Der Gesamtzusammenhang des Testaments zeigt mithin, daß der Bet. zu 4 als Sohn des Erblassers anerkannt werden sollte, desgleichen als gleichberechtigt erbberechtigt, hinsichtlich der KG sogar bevorzugt werden sollte, und daß die Mutter des Bet. zu 4 zusätzlich bedacht werden sollte (Nr. 6 des Testaments), damit die Ausbildung des im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments erst vier Jahre alten Bet. zu 4 gesichert war.
Gegen diesen Willen des Erblassers und diese Anordnungen haben die Bet. zu 1 bis 3 in mehrfacher Hinsicht verstoßen, wobei das LG nur die Frage geprüft hat, ob die Bet. zu 1 und 3 im Rahmen des Rechtsstreits wegen der Erfüllung des Vermächtnisses zugunsten der Mutter des Bet. zu 4 gegen die Anordnungen des Erblassers verstoßen haben. Damit hat das LG sowohl gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 12 FGG verstoßen als auch gegen den Grundsatz, daß der so ermittelte Sachverhalt vollständig zu würdigen ist.
Durch § 12 FGG wird die Verantwortung für die Einführung des der Sachentscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoffes in das Verfahren dem Gericht auferlegt. Das bedeutet umgekehrt für die Stellung der Beteiligten im Verfahren, daß diese keinen bestimmenden Einfluß auf die Einführung des Streitstoffs in das Verfahren haben. Das Gericht darf Tatsachen berücksichtigen, die von den Bet. nicht vorgebracht sind, ist bei der Feststellung des Sachverhalts auf die von den Bet. etwa benannten Beweismittel nicht beschränkt und an deren Erklärung über die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache nicht gebunden. In der Literatur wird dieser Grundsatz auch als „Prinzip der materiellen Wahrheit“ bezeichnet (vgl. Jansen, FGG, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 30).
Des weiteren hatte das LG den so ermittelten Sachverhalt - wie er sich aus der Akte und den weiter beigezogenen Akten sowie der Anhörung der Bet. ergab - nach allen Richtungen rechtlich zu prüfen. Dies gilt auch für die Beschwerdeinstanz, insbesondere dann, wenn sie hinsichtlich des einzelnen Gesichtspunktes, aus dem das AG die Verwirkung bereits angenommen hat (Verhalten der Bet. zu 1 bis 3) im Hinblick auf die Erfüllung des Vermächtnisses zugunsten der Mutter des Bet. zu 4 von der Auffassung des AG abweicht. Es hätte dann alle weiteren aus dem Akteninhalt ersichtlichen für eine Verwirkung relevanten Gesichtspunkte prüfen müssen.
aa) Die Bet. zu 1 bis 3 haben die Vaterschaft des Erblassers gegenüber dem Bet. zu 4 geleugnet, wodurch ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren erforderlich wurde.
Mit Schreiben vom 2. 2. 1996 und 28. 6. 1996, haben die Bet. zu 1 bis 3 die Vaterschaft des Erblassers gegenüber den Bet. zu 4 bestritten. Sie haben unter Nennung von insgesamt fünf Männern mit Anschrift sowie „eventuell“ weiterer sechs Männer behauptet, daß die Mutter des Bet. zu 4 zu diesen Männern intime Beziehungen in der gesetzlichen Empfängniszeit unterhalten habe. Diese gegenüber der Mutter des Bet. zu 4 diskriminierende Behauptung haben sie offensichtlich ins Blaue aufgestellt, wie die hierfür gegebene Begründung durch den Bet. zu 3 im Vaterschaftsfeststellungsverfahren insoweit zeigt (vgl. das Protokoll vom 7. 2. 1996: „Mit diesen hat die Kindesmutter eng zusammengearbeitet und es fanden auch Besuche statt und somit liegt die Vermutung nahe, daß auch intime Beziehungen vorgelegen haben. Das könnte auch für weitere Brigademitglieder, denen die Kindesmutter vorstand zutreffen.“). Die Bet. zu 1 bis 3 haben die Mutter des Bet. zu 4 mithin beschuldigt, zu einem großen Teil ihrer Brigade intime Beziehungen unterhalten zu haben. Diese Behauptung haben die Bet. zu 1 bis 3 auch ersichtlich nicht aufgestellt, um dem wahren Willen des Erblassers zum Erfolg zu verhelfen bzw. einen Motivirrtum zu belegen, sondern um seinen Anordnungen entgegenzuwirken, und zwar im eigenen Interesse aus wirtschaftlichen Gründen, wie dies der Bet. zu 3 in seiner Anhörung angegeben hat: „Die ganze Angelegenheit ist nicht nur ein Fall der Feststellung der Vaterschaft, sondern auch eine Existenzgrundlage für unsere GmbH&Co. KG.“
bb) Des weiteren haben die Bet. zu 1 bis 3 gegen die Anordnungen des Erblassers dadurch verstoßen, daß sie sich geweigert haben, das Vermächtnis zugunsten der Mutter des Bet. zu 4 zu erfüllen (das der Sicherung der Ausbildung des Bet. zu 4 dienen sollte) und die Mutter des Bet. zu 4 gerichtliche Hilfen insoweit in Anspruch nehmen mußte. Das LG führt in seinem Beschluß vom 28. 9. 1998 zwar insoweit aus, die Bet. zu 1 bis 3 hätten die „Berechtigung der Mutter des Bet. zu 4 nicht generell geleugnet“. Das ist aber nicht zutreffend. Die Bet. zu 1 bis 3 haben Klageabweisung beantragt und vorgetragen, der „Gegenstand des Vermächtnisses sei nicht bestimmbar“. Außerdem sei das Vermächtnis „unter Umständen“ im Hinblick auf die Regelung des § 2306 BGB „komplett unwirksam“. Dementsprechend hat das LG die Bet. zu 1 bis 3 (der Bet. zu 4 hatte, vertreten durch das Jugendamt, den Anspruch anerkannt) am 15. 5. 1997 durch streitiges Urteil zur Erfüllung des Vermächtnisses verurteilt. Hiergegen haben die Bet. zu 1 bis 3 mit Schriftsatz vom 12. 6. 1997 dann auch Berufung eingelegt und diese erst mit Schriftsatz vom 4. 8. 1997 zurückgenommen.
Die Bet. zu 1 bis 3 haben sich mithin generell geweigert, das im Testament zugunsten der Mutter des Bet. zu 4 ausgesetzte Vermächtnis zu erfüllen, und mußten insoweit verurteilt werden. Dies stellt ebenfalls einen Verstoß gegen die Strafklausel im Testament des Erblassers dar.
cc) Schließlich haben die Bet. zu 1 bis 3 im Erbscheinsverfahren insbesondere mit Schriftsatz vom 28. 6. 1996 auch die Testierfähigkeit des Erblassers ohne erhebliche Anhaltspunkte angezweifelt. Sie haben insbesondere vorgetragen, „ein solch niveauloses Testament, bestückt mit Grammatik- und Rechtschreibfehlern und wenigen Ausformulierungen, kann er nicht bei voller geistiger Gesundheit verfaßt haben… Deshalb sehen wir es als ein Geliebtentestament an. Vielleicht ist es unter Einwirkung von Alkohol, Drogen, einem psychischen und physischen Schwächeanfall oder unter Bedrohung geschrieben worden.“ Zur Begründung dieser Behauptung wird ausgeführt, daß das Testament nach Angaben der Mutter des Bet. zu 4 bei ihr zu Hause geschrieben worden sei.
Auch diese Einwendungen gegen die Testierfähigkeit des Erblassers ohne sachliche Anhaltspunkte (das NachlaßG ist diesen Ausführungen dann auch nicht nachgegangen) stellen einen Verstoß gegen die Verfügungen des Erblassers im Testament dar, da sie ersichtlich nicht dem Willen des Erblassers zum Zuge verhelfen sollten, sondern deshalb aufgestellt wurden, wie es am Schluß der Eingabe vom 23. 6. 1996 heißt, aus folgendem Grunde: „Sollte das Testament so umgesetzt werden, sehen wir es als völlige Enteignung der Familie R an.“, also aufgrund der rein materiellen Interessen der Bet. zu 1 bis 3. Dies stellt jedoch eine Auflehnung gegen den letzten Willen des Erblassers dar, der dieser mit der Strafklausel gerade - rechtlich zulässig - entgegenwirken wollte.
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