Beurkundungspflicht der nach Gründung der GmbH auf künftigen Erwerb eines Geschäftsanteils gerichteten Treuhandabrede

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

19. 04. 1999


Aktenzeichen

II ZR 365/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Treuhandvertrag hinsichtlich eines GmbH-Geschäftsanteils, der vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags geschlossen wird, unterliegt nicht dem Formzwang des § 15 IV GmbHG.

  2. Verpflichtet sich ein Gesellschafter, seinen Geschäftsanteil künftig für einen Treugeber zu halten, bedarf diese Vereinbarung der notariellen Beurkundung (Ergänzung zu BGHZ 35, 272 [277] = NJW 1961, 1769 = LM § 34 GmbHG Nr. 4). Ebenso ist die Treuhandabrede beurkundungsbedürftig, die der Gesellschafter nach Gründung, aber vor Eintragung der GmbH hinsichtlich des künftig entstehenden Geschäftsanteils schließt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am 3. 4. 1992 gründeten der Bekl. und die Kaufhaus J-GmbH & Co. KG in notarieller Form die mit einem Stammkapital von 1050000 DM ausgestattete „J und L-GmbH„ (im folgenden J & L-GmbH). Von den insgesamt sieben Stammeinlagen übernahm der Bekl. drei, und zwar zwei in Höhe von 205000 DM und eine über 115000 DM.Die Hälfte der Einlageschuld war sofort bar zu erbringen. Der Bekl. und seine Ehefrau nahmen zur Finanzierung dieser Zahlungsverpflichtung bei dem Bankhaus P einen bis Ende September 1992 befristeten Kredit über 262500 DM auf. Bei diesem Kreditinstitut ist der Kl. als Vorstandsmitglied tätig. Er schloß mit dem Bekl. unter dem 14. 4. 1992 einen schriftlichen Treuhandvertrag, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

Vorbemerkung. Der Treuhänder hat an der J & L-GmbH … unter anderem eine Stammeinlage in Höhe von 115000 DM übernommen. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wird er einen Geschäftsanteil in Höhe von 115000 DM halten. Der Treuhänder wird diesen Geschäftsanteil … treuhänderisch für den Treugeber erwerben. Bezüglich der Beteiligung gilt folgender

Treuhandvertrag

§ 2. Pflichten es Treuhänders.

(1) Der Treuhänder ist verpflichtet, alles, was er aufgrund der Beteiligung erlangt, an den Treugeber herauszugeben, sofern er es nicht einvernehmlich für den Treugeber verwaltet …

(3) Der Treuhänder ist verpflichtet, dem Treugeber auf Anforderung jede Auskunft zu erteilen, die der Treuhänder als Gesellschafter von der GmbH verlangen kann. Der Treuhänder wird dem Treugeber unverzüglich die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen der K-AG für die J & L-GmbH sowie den Investitions- und Finanzplan der Gesellschaft zukommen lassen.

§ 3. Pflichten des Treugebers.

(1) Der Treugeber stellt dem Treuhänder die zur Leistung der Einlage erforderlichen Mittel zur Verfügung.

§ 6. Dauer des Treuhandverhältnisses …

(4) Der Treuhänder bzw. seine Erben haben nach Beendigung des Treuhandverhältnisses die Beteiligung auf den Treugeber … zu übertragen.

Der Kl. stellte dem Bekl. und seiner Ehefrau Anfang Mai 1992 darlehensweise je 205000 DM zur Verfügung, die diese dazu verwandten, den bei dem Bankhaus P aufgenommenen Kredit vorzeitig abzulösen; außerdem überwies er dem Bekl. zur selben Zeit einen Betrag von 115000 DM. Der Gesellschaftsvertrag der J & L-GmbH, welche am 28. 4. 1992 in das Handelsregister eingetragen worden war, wurde Anfang Dezember 1992 unter anderem dahingehend geändert, daß Gesellschaftszweck nunmehr die mehrheitliche Beteiligung an der „K-GmbH„ sein sollte, welche unter der Geschäftsführung des Bekl. eine Reihe von Kaufhäusern in Mecklenburg-Vorpommern betreibt und dabei im Jahr 1994 einen Umsatz von 43,7 Mio. DM erwirtschaftet hat. Ende 1993 entstand zwischen den Parteien Streit um die Erteilung von Informationen, die der Kl. von dem Bekl. - gestützt auf den Treuhandvertrag - gefordert hatte. Im Laufe dieser Auseinandersetzung wurden die beiden Darlehen über je 205000 DM an den Kl. zurückgezahlt. Der Bekl. kündigte den Treuhandvertrag vom 30. 6. 1995, weigerte sich jedoch, dem Verlangen des Kl. nach Übertragung des treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils nachzukommen, sondern überwies ihm 115000 DM. Der Kl. seinerseits kündigte das Treuhandverhältnis fristlos und verlangte mit der Klage unter anderem Abtretung des Geschäftsanteils und Verurteilung des Bekl. zur Erteilung von Informationen über die Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse sowie Gewinnverwendungsbeschlüsse der J & L-GmbH und der K-GmbH und zur Herausgabe dieser Unterlagen für die Jahre 1992-1994 und der betriebswirtschaftlichen Auswertung für 1995.

Das LG hat - soweit nunmehr noch von Interesse - die Klage abgewiesen. Das BerGer. hat ihr im wesentlichen entsprochen und lediglich den Herausgabeanspruch bezüglich der Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse abgewiesen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Bekl. und die - unselbständige - Anschlußrevision des Kl. Die Revision und die Anschlußrevision führten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. 1. Das BerGer. hat angenommen, die Treuhandabrede, welche in § 6 IV ausdrücklich die Pflicht zur Übertragung der Beteiligung bei Beendigung des Treuhandverhältnisses enthält, sei erst nach der Gründung der J&L-GmbH geschlossen worden, sei auf einen künftig entstehenden Geschäftsanteil gerichtet gewesen und habe der notariellen Beurkundung nach § 15 IV 1 GmbHG nicht bedurft, weil sich die Herausgabepflicht des Bekl. schon aus dem Gesetz ergebe und die genannte Formvorschrift weder unmittelbar noch ihrem Sinne nach anzuwenden sei. Diese Begründung begegnet, wie die Revision mit Recht geltend macht, durchgreifend rechtlichen Bedenken.

2. a) Mit Recht haben weder die Parteien noch das BerGer. in Zweifel gezogen, daß auch hinsichtlich des Geschäftsanteils an einer GmbH ein Treuhandverhältnis begründet werden kann (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 2 Rdnr. 60).

b) Die Übernahme von drei Geschäftsanteilen bei der Gründung der J & L-GmbH durch den Bekl. verstieß zwar gegen § 5 II GmbHG. Zutreffend leitet aber der Bekl., nachdem die Gesellschaft einmal in das Handelsregister eingetragen ist und das RegisterG von den aus § 144a FGG folgenden Befugnissen keinen Gebrauch gemacht hat, in der Revisioninstanz aus diesem Umstand nicht mehr her, daß es überhaupt an einem Geschäftsanteil fehle, auf den sich eine etwaige Übertragungspflicht beziehen könne.

c) Schon mit der Begründung des Treuhandverhältnisses, aufgrund dessen eine Person für den Treugeber einen Geschäftsanteil erwirbt, wird - aufschiebend bedingt - die Verpflichtung zur Anteilsübertragung begründet, weil der Treuhänder diese Beteiligung aus dem Treuhandverhältnis erlangt hat und bei dessen Beendigung kraft Gesetzes (§ 667 BGB) zur Herausgabe verpflichtet ist. Entgegen der Ansicht des BerGer. ist mit dieser Feststellung nichts für die Entscheidung der Frage gewonnen, ob wegen dieser zwangsläufigen Rechtsfolge des Treuhandvertrags das Geschäft nach § 15 IV 1 GmbHG beurkundungsbedürftig ist oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, ob nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift das Beurkundungserfordernis auch für solche Rechtsgeschäfte gilt, die zwar nicht ausdrücklich, aber zwangsläufig - zumindest befristet oder bedingt - die Verpflichtung zur Geschäftsanteilsübertragung begründen.

d) Entgegen der Meinung des BerGer. erfordert der Sinn der Formvorschrift, daß auch die nach Gründung, aber vor Eintragung der GmbH geschlossene, auf den künftig entstehenden Geschäftsanteil abzielende Treuhandabrede in notarieller Form geschlossen wird. Anders als die im wesentlichen dem Schutz vor Übereilung dienende Vorschrift des § 313 BGB zielt § 15 IV GmbHG - wie der BGH im Anschluß an die gefestigte Rechtsprechung des RG wiederholt ausgesprochen hat (vgl. BGHZ 13, 49 [51f.] = NJW 1954, 1157 = LM § 30 GmbHG Nr. 2; BGHZ 19, 69 [71] = NJW 1956, 58 = LM § 15 GmbHG Nr. 3; BGHZ 75, 352 [353] = NJW 1980, 1100 = LM § 15 GmbHG Nr. 15 L; BGHZ 130, 71 [74] = NJW 1995, 2217 = LM H. 10/1995 § 130 BGB Nr. 23) - nicht nur darauf ab, den im Hinblick auf § 16 GmbHG besonders wichtigen Beweis der Anteilsinhaberschaft zu gewährleisten, sondern soll auch vereiteln, daß GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand des freien Handelsverkehrs werden. Dieser Zweck der Vorschrift würde verfehlt, wenn hinsichtlich eines bestehenden Geschäftsanteils formfrei ein Treuhandverhältnis begründet werden könnte, aufgrund dessen der Treugeber die Übertragung des Geschäftsanteils auf sich verlangen könnte, zumal es der Treugeber in der Hand hätte, seinerseits weitere Treuhandverträge zu schließen, nach denen er verpflichtet wäre, jenen Anteil selbst treuhänderisch für einen Dritten zu halten. Wollte man - was der Senat früher ausdrücklich offen gelassen hat (BGHZ 35, 272 [277] = NJW 1961, 1769 = LM § 34 GmbHG Nr. 4), vereinzelt im Schrifttum dagegen befürwortet wird (vgl. Hachenburg/Zutt, Anh. § 15 Rdnr. 52; anders aber die h.M., vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 15 Rdnrn. 55f.; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl., § 15 Rdnr. 28; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 15 Rdnr. 45; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rdnr. 62; Ulmer, WPg 1963, 120, ebenso auch der von Zutt für seine Auffassung angeführte Schlegelberger/Karsten Schmidt, HGB, 5. Aufl., Vorb. § 335 Rdnrn. 47 u. 44) - eine derartige formfrei geschlossene Vereinbarungstreuhand zulassen, wäre damit im Ergebnis der Rechtsprechung des Senats der Boden entzogen, nach der die formlose Abtretung von Ansprüchen auf Übertragung eines Geschäftsanteils von der Rechtsordnung schlechthin und nicht nur dann nicht anerkannt werden kann, wenn im Einzelfall die Absicht der Umgehung der Formvorschrift festgestellt wird (BGHZ 75, 352 [354f.] = NJW 1980, 1100 = LM § 15 GmbHG Nr. 15 L).

Auch in der Gründungsphase der GmbH beanspruchen die genannten Schutzzwecke des § 15 III , IV GmbHG Geltung. Für die Abtretung des künftigen, mit der Eintragung entstehenden Geschäftsanteils und die Eingehung der Verpflichtung hierzu ist dies in der Rechtsprechung des Senats wiederholt ausgesprochen worden (BGHZ 21, 242 [245]). Nichts anderes kann für einen während der Gründungsphase der GmbH geschlossenen, den erst künftig mit der Eintragung der Gesellschaft entstehenden Geschäftsanteil erfassenden Treuhandvertrag gelten, soll nicht der Zweck der zwingenden Formvorschrift verfehlt werden.

3. Trägt danach die Begründung des angefochtenen Urteils die Entscheidung nicht, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung im Sinne des Revisionsantrags gleichwohl verwehrt. Von seinem Ausgangspunkt folgerichtig hat das BerGer. nämlich nicht geprüft, ob die Parteien bereits vor dem Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrags der J & L eine Treuhandvereinbarung getroffen haben. Dies konnte, da weder ein Geschäftsanteil vorhanden war noch dessen Entstehen in die Wege geleitet und nur noch von der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abhängig war, formfrei geschehen (BGHZ 19, 69 [70] = NJW 1956, 58 = LM § 15 GmbHG Nr. 3 m.w. Nachw.; Lutter/Hommelhoff, § 15 Rdnr. 44; Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 55). Die Umstände der Gründung der J & L-GmbH, bei der der Bekl. insgesamt drei Geschäftsanteile, davon einen in Höhe von 205000 DM unstreitig für seine Ehefrau übernommen hat, ferner die Art, in der der Bekl. die erforderlichen Einlagemittel beschafft hat, sowie schließlich die zwischen den Parteien geführten, dem schriftlichen Abschluß des Treuhandvertrags vorausgegangenen Erörterung - das gilt vor allem für die am 20. 3. 1992 unter Einbeziehung des Rechtsanwalts und Wirtschaftsprüfers Dr. B geführten Gespräche - können dafür sprechen, daß eine Einigung zwischen den Parteien bereits vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags der J & L-GmbH zustande gekommen ist. Die Zurückverweisung gibt dem BerGer. die Gelegenheit, die gebotenen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

II. Wird - wie revisionsrechtlich geboten - zugunsten des Kl. unterstellt, daß der Treuhandvertrag wirksam ist, erweist sich auch die Anschlußrevision als begründet. Der Kl. kann Herausgabe der Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 1992 bis 1994 verlangen. Das ergibt sich aus § 2 I des Treuhandvertrags, den das BerGer. bei seiner gegenteiligen, allein auf § 2 III des Vertrags abstellenden Entscheidung nicht in den Blick genommen hat. Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, Absatz 3 enthalte eine Spezialregelung, die die in Absatz 1 niedergelegte und für Treuhandverhältnisse typische Herausgabepflicht verdrängt.

Rechtsgebiete

Gesellschaftsrecht

Normen

GmbHG § 15 IV 1