Gebühr bei getrennter Entsorgung von Rest- und Bioabfall
Gericht
VGH Kassel
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
18. 08. 1999
Aktenzeichen
5 UE 251/97
Bietet eine Gemeinde die getrennte Entsorgung von Rest- und Bioabfall mit der Möglichkeit der Nichtinanspruchnahme der Biomüllentsorgung für Eigenkompostierer an, ist eine Einheitsgebühr, die das Entgelt für Rest- und Biomüllentsorgung zusammenfasst, unzulässig, wenn sich die Gleichbehandlung bei der Gebührenbelastung der Eigenkompostierer erheblich auswirkt (hier bejaht bei ca. 40% der Biomüllentsorgungskosten an den Gesamtentsorgungskosten).
Eine Rechtfertigung der Gleichbehandlung von Nutzern und Nichtnutzern der Biomüllentsorgung auf Grund des so genannten „Grundsatzes der Typengerechtigkeit“ scheidet aus, wenn der Anteil der selbst kompostierenden Grundstückseigentümer, die die Biomüllentsorgung nicht in Anspruch nehmen, die Grenze von 10% der insgesamt an die gemeindliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücke überschreitet.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bekl. begehrte mit ihrer Berufung die Abweisung der in erster Instanz erfolgreichen Klage des Kl. auf Aufhebung ihres Müllgebührenbescheides für das Jahr 1994. Die Bekl. - eine Gemeinde - betreibt das Einsammeln der in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle im Hol- und Bringsystem und gibt die eingesammelten Abfälle an den entsorgungspflichtigen Landkreis weiter. Im Holsystem sammelte sie im maßgebenden Zeitraum des Jahres 1994 kompostierbare Gartenabfälle, kompostierbare Küchenabfälle, sperrige Abfälle, Kühlschränke, Altpapier und den Restmüll ein. Im Bringsystem sammelte sie Altglas. Für die Einsammlung von Rest- und Biomüll und Altpapier stellte sie den anschlusspflichtigen Grundstücken Behälter zur Verfügung, die in den Nenngrößen von 120 l, 240 l und 1100 l zugelassen waren. Nach § 11 ihrer Abfallsatzung vom 8. 3. 1991 in der hier maßgeblichen Fassung des III. Nachtrags vom 28. 4. 1994 ist jeder Eigentümer, Erbbauberechtigte, Nießbraucher oder sonst zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigte verpflichtet, dieses Grundstück an die im Holsystem betriebene Abfalleinsammlung anzuschließen, wenn dieses Grundstück bewohnt oder gewerblich genutzt wird oder hierauf aus anderen Gründen Abfälle anfallen. Jeder Abfallbesitzer ist verpflichtet, seine Abfälle, soweit sie nicht von der gemeindlichen Abfallentsorgung ausgeschlossen sind, dieser zu überlassen und sich hierbei der angebotenen Systeme zu bedienen. Kompostierbare Garten- und Küchenfraktionen erfüllen nur dann die Abfalleigenschaft, wenn sie nicht selbst ordnungsgemäß verwertet werden (Eigenkompostierung oder landwirtschaftliche Verarbeitung). Nach § 14 AbfS erhebt die Bekl. für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung Gebühren, durch die ihre Kosten gedeckt werden. Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Gebühr ist bei Wohngrundstücken die Zahl der Personen, die auf dem an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstück wohnen (Haupt- oder Nebenwohnung), bei Grundstücken oder Grundstücksteilen, die nicht Wohnzwecken dienen, die Zahl der Einwohnergleichwerte, die im Einzelnen in Absatz 7 dieser Bestimmung bestimmt sind, und bei gemischt genutzten Grundstücken sowohl die Anzahl der Personen als auch die Summe der Einwohnergleichwerte. Gebührenpflichtig ist jeweils der Grundstückseigentümer, im Falle eines Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Die Abfuhr von Restmüll und Biomüll erfolgte bis zum 30. 3. 1994 im Wechsel jeweils 14-tägig. Nach Änderung des § 6 II AbfS durch den III. Nachtrag erfolgte die Abfuhr ab dem 1. 7. 1994 bei Restmüll vierwöchentlich und bei kompostierbaren Abfällen 14-tägig.
Der Kl. bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau sein Hausgrundstück im Stadtteil B. der Bekl. Das Grundstück ist an die Abfallentsorgung der Bekl. angeschlossen. Als Eigenkompostierer nutzt der Kl. die „grüne Tonne“ nicht. Im Frühjahr 1992 nahm die Bekl. die zur Verfügung gestellte „grüne Tonne“ auf Wunsch des Kl. zurück. Mit Bescheid vom 14. 6. 1994 setzte die Bekl. gegenüber dem Kl. die Müllgebühren mit Wirkung vom 1. 1. 1994 auf einen Monatsbetrag von 11,90 DM fest. Sie berechnete dabei für zwei Bewohner je 4,20 DM sowie „Miete“ für einen 240 l-Restmüllbehälter („graue Tonne“) und einen 240-l Altpapierbehälter („blaue Tonne“) von jeweils 1,75 DM.
Nach erfolglosem Widerspruch hat das VG der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Das VG hat den Müllgebührenbescheid der Bekl. gegenüber dem Kl. vom 14. 6. 1994 i.d.F. ihres Widerspruchsbescheides vom 29. 9. 1994 zu Recht aufgehoben, da es ihm an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage fehlt.
Nach § 14 der Abfallsatzung - AbfS - der Bekl. vom 8. 3. 1991 i.d.F. des III. Nachtrags vom 28. 4. 1994 erhebt die Bekl. für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung Gebühren, durch die die Kosten der Gemeinde gedeckt werden. Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Gebühr für die öffentliche Abfallentsorgung ist bei Wohngrundstücken die Zahl der Personen, die auf den an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücken wohnen, bei Grundstücken oder Grundstücksteilen, die nicht Wohnzwecken dienen, die Zahl der Einwohnergleichwerte gem. Absatz 7 dieser Bestimmung und bei gemischt genutzten Grundstücken sowohl die Anzahl der Personen als auch die Summe der Einwohnergleichwerte. Gebührenpflichtig ist gem. § 15 AbfS der Grundstückseigentümer, im Falle eines Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Diese einheitliche Gebührenerhebung für die gesamte von der Bekl. angebotene Abfallentsorgung hat das VG zu Recht als unwirksam angesehen. Die Bekl. hat in ihrer Satzung in § 11 kompostierbare Garten- und Küchenabfälle von der Überlassungspflicht (der „Abfalleigenschaft“) ausgenommen, wenn sie selbst - durch Eigenkompostierung oder landwirtschaftliche Verarbeitung - ordnungsgemäß verwertet werden. Insoweit sind deshalb die Nutzer der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung nicht verpflichtet, die Entsorgung des Biomülls zu nutzen (vgl. zur heutigen Gesetzeslage, die eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit vorsieht: § 13 I 1 KrW-/AbfG. Infolgedessen hätte die Bekl. nicht die gesamte - verschiedenartige - Nutzung der öffentlichen Abfallentsorgung zu einem einheitlichen Gebührentatbestand zusammenfassen dürfen.
Zum einen ergibt sich dies - wie das VG festgestellt hat - aus den vom Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG aufgestellten Grundsätzen zur Zulässigkeit einer so genannten Einheitsgebühr.
Während das BVerwG die Einheitsgebühr als Gebühr definiert hat, bei der das Entgelt für mehrere Einzelleistungen in einem sie alle umfassenden Gebührensatz festgelegt ist (BVerwG, Buchholz 401.84 Nr. 52 = KStZ 1985, 107), hat der Senat in seinem Urteil vom 19. 6. 1991 (NVwZ-RR 1992, 505 = HSGZ 1992, 482) ihr Wesen dahin umschrieben, dass ein aus mehreren Vorgängen zusammengesetzter Lebenssachverhalt zum Gebührentatbestand erklärt und eine an sich denkbare Aufspaltung in für sich allein gebührenpflichtige Teilleistungen unterlassen wird.
Die Bekl. erbringt mit ihrer öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung verschiedene Einzelleistungen im Hol- und Bringsystem wie Restmüll-, Biomüll-, Sperrmüllentsorgung, Entsorgung von Kühlgeräten sowie von Glas und Papier. All diese verschiedenen (Teil-) Leistungen erfasst der Gebührentatbestand in § 14 AbfS einheitlich für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallsatzung insgesamt. Eine Differenzierung danach, welche Teilleistung und in welchem Umfang diese in Anspruch genommen wird, findet nicht statt.
Grundsätzlich ist die Festlegung einer Einheitsgebühr zulässig, aber rechtlichen Grenzen durch das Willkürverbot des Art. 3 I GG unterworfen. Das bedeutet, dass auch bei Zusammenfassung verschiedener Teilleistungen in einem Gebührentatbestand nicht willkürlich Gebühren (-teile) von erheblicher Höhe für nicht erbrachte (Teil-) Leistungen gefordert werden dürfen. Die Zusammenfassung - oder anders ausgedrückt : die Nichtaufspaltung - darf nicht willkürlich dazu führen, dass ein erheblicher Aufwand für Leistungen, die voraussichtlich in vielen Fällen nicht erbracht werden, in die Ermittlung des Gebührenbedarfs und des Gebührensatzes einfließen. Der Gebührennormgeber muss den Gebührentatbestand so weit analysieren, dass Verstöße gegen Gleichheitssatz, Äquivalenzprinzip und ggf. das Kostendeckungsprinzip vermieden werden (VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 505 = HSGZ 1992, 482).
Ob die Willkürgrenze überschritten ist, ist daran zu messen, wie erheblich sich die Gleichbehandlung ungleicher Leistungen - hier Inanspruchnahme der Abfallentsorgung mit Bioabfallentsorgung und ohne diese bei Eigenkompostierung - in der Belastung dessen auswirkt, der nur die eingeschränkte Leistung in Anspruch nimmt. Die Erheblichkeit der Auswirkung ergibt sich hier auf Grund der von der Bekl. vorgelegten Gebührenbedarfsberechnung für das Jahr 1992, anhand der die Relation der einzelnen Kostenpositionen zu ersehen ist. Die Bekl. hat diese dem VG vorgelegt und ist auch in ihrer Berufungsbegründung von ihr ausgegangen. Demnach kann auch der Senat sie seinen Erwägungen zu Grunde legen. Hinsichtlich ihrer Bewertung kann weitgehend auf die Ausführungen des VG verwiesen werden. Dabei dürfte allerdings der Anteil der Entsorgungskosten für den Biomüll eher noch über dem vom VG angenommenen Drittel liegen, da die Abtransportkosten Biomüll/Restmüll für das erste Halbjahr 1994 im Verhältnis eins zu eins (Abtransport vierzehntägig im Wechsel, § 6 II AbfS in der bis zum 1. 7. 1994 geltenden Fassung), für das zweite Halbjahr im Verhältnis 2/3 Biomüll zu 1/3 Restmüll aufzuteilen sein dürften (Abtransport ab 1. 7. 1994: Restmüll jede vierte Woche, Biomüll jede zweite Woche). Die Kosten der Altpapierentsorgung sind in der Gebührenbedarfsberechnung 1992 gesondert ausgewiesen. Zusammen mit den Deponiekosten der Bekl. für Bioabfall ergibt dies einen Anteil von 134000 DM für die Entsorgung des Bioabfalls an dem Gesamtentsorgungsaufwand (einschließlich der übrigen Abfallfraktionen ohne Ausgaben und Einnahmen für Gefäßmieten) von 335493 DM. Dies ist ein Anteil von 40,12%. Bei einem derartigen Kostenanteil kann nicht mehr von einem unter der Erheblichkeitsschwelle liegenden Anteil ausgegangen werden. Das BVerwG (Buchholz 401.84 Nr. 52 = KStZ 1985, 107) geht davon aus, dass eine Gleichbehandlung im Rahmen einer Einheitsgebühr dann nicht willkürlich ist, wenn den Unterschieden eine nur untergeordnete Bedeutung zukommt.
In diesen Fällen wirken sich Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität stärker aus, je geringer die Auswirkungen der Unterschiede in der Leistung auf das diesen unterschiedlichen Leistungen entsprechende Entgelt sind. Das VG hat zu Recht angenommen, dass Gründe der Verwaltungspraktikabilität, die eine derartige Abweichung wie im vorliegenden Fall rechtfertigen könnten, hier nicht zu ersehen sind (anders offenbar bei einem Kostenanteil der Biomüllentsorgung von 23,1%: VGH München, NVwZ-RR 1995, 603 = BayVBl 1995, 628). Gefahren eines Missbrauchs der Eigenkompostierung durch Inanspruchnahme der Restmülltonne für nicht verwertbaren Biomüll rechtfertigten eine Einheitsgebühr ebenfalls nicht. Vielmehr hat das VG zu Recht auf die Möglichkeit von Stichproben verwiesen. Im Übrigen sieht die Satzung der Bekl. für derartige Fälle in § 18 auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit vor.
Auch ein wesentlich höherer Verwaltungsaufwand, der bei getrennter Ausweisung unterschiedlicher Gebührentatbestände entstehen würde und deshalb eine Einheitsgebühr rechtfertigen könnte, ist nicht zu erkennen. Wie aus der von der Bekl. vorgelegten Gebührenbedarfsberechnung ersichtlich wird, sind die Grundlagen für eine getrennte Ausweisung bekannt.
Auch das Vorbringen der Bekl., eine Eigenkompostierung vermindere die Kosten der Biomüllentsorgung nicht wesentlich, da die Kosten für Transport und Deponierung letztlich gleich hoch blieben, rechtfertigt die Einheitsgebühr nicht. Zwar würde dies bei einer differenzierten Festlegung der Gebührentatbestände im Ergebnis dazu führen, dass der Gebührenteil für Biomüll bei den Nutzern dieses Teils der öffentlichen Abfallentsorgung steigen würde. Dies stellt jedoch keinen rechtfertigenden Grund für eine Belastung der Nichtnutzer dieses Teils der Entsorgung mit dessen Kosten dar. Soweit die Bekl. eine Verpflichtung zur weiteren Differenzierung hinsichtlich anderer Abfallarten, wie etwa Glas, Papier, Sperrmüll oder ähnliches, und deshalb eine besondere Komplizierung der Gebührenberechnung befürchtet, ist dies nicht begründet. In Bezug auf diese Abfallarten dürfte eine Einheitsgebühr bereits dadurch gerechtfertigt sein, dass eine eigene ordnungsgemäße Verwertung durch Grundstückseigentümer in wesentlichem Umfang nicht vorstellbar ist. Im Übrigen sieht die Satzung der Bekl. für den hier maßgeblichen Zeitraum des Jahres 1994 für diese Abfallfraktionen auch keine Befreiungsmöglichkeit vom Benutzungszwang vor.
Die Einheitsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung findet auch keine Rechtfertigung in dem Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser räumt dem Normgeber bei der Schaffung von Abgabenregelungen die Möglichkeit ein, an den Regelfall des verwirklichten Tatbestandes anzuknüpfen und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht zu lassen (vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 505 = HSGZ 1992, 482 m.w. Nachw.). Voraussetzung ist, dass mindestens 90% der von der Norm betr. Sachverhalte dem „Typ“ entsprechen, den der Normgeber zu Grunde gelegt hat, die Abweichung also nicht mehr als 10% der Anwendungsfälle umfasst.
Hier hat das VG bereits anhand der Gesamtzahl der Grundstücke von 1946, die der Anschlusspflicht an die öffentliche Abfallentsorgung unterliegen, und der Zahl von 241 Grundstücken, für die der Verzicht auf die Biotonne erklärt worden ist, dargelegt, dass diese Grenze mit einem Anteil von 12,38% überschritten ist. Dabei hat es zu Recht auf die Zahl der anschlusspflichtigen Grundstücke und nicht auf die Zahl der Einwohner bzw. Einwohnergleichwerte abgestellt, da „Anwendungsfall“ im oben erläuterten Sinn der Gebührenpflichtige, d.h. jeweils der Eigentümer des anschlusspflichtigen Grundstücks ist. Die Zahl der Bewohner und der Einwohnergleichwerte ist dagegen nur die Bemessungsgrundlage.
Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man die von der Bekl. für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung erhobene Gesamtgebühr an dem in § 10 III 1 HessKAG niedergelegten Grundsatz der leistungsproportionalen Gebührenbemessung - früher in der Rechtsprechung des Senats auch als Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit bezeichnet - misst. Danach ist die Gebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen. Es handelt sich letztlich um die landesgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes in spezialisierter Form. Eine gleiche Inanspruchnahme muss danach zu etwa gleich hohen, eine unterschiedliche zu entsprechend unterschiedlichen Gebühren führen (vgl. etwa VGH Kassel, KStZ 1987, 190 und HessVGRspr. 1987, 89 [90]; Driehaus, KommunalabgabenR, Stand: Januar 1999, § 6 Rdnrn. 679ff. m.w. Nachw.). Lässt sich das Maß der tatsächlichen oder typischen Inanspruchnahme nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand messen, so kann sich die Gebührenregelung an einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab anstatt an einem Wirklichkeitsmaßstab orientieren. Als zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Bereich der Abfallentsorgung ist vom Senat auch grundsätzlich ein personenbezogener Maßstab anerkannt, wie ihn die Bekl. mit der Zahl der Grundstücksbewohner und der Einwohnergleichwerte gewählt hat (vgl. VGH Kassel, ESVGH 41, 161 = NVwZ-RR 1991, 578 = HSGZ 1991, 305). Dieser Maßstab geht davon aus, dass ein bestimmter Grad der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch den Abfallanfall pro Person zu Grunde gelegt werden kann. Dieser Gesichtspunkt ist so lange zutreffend, wie der zu Grunde gelegte Gebührentatbestand zu Recht davon ausgehen kann, dass eine Inanspruchnahme der Abfallentsorgungseinrichtung „der Art nach“ grundsätzlich insgesamt erfolgt und deshalb eine Differenzierung hinsichtlich des Umfangs der Inanspruchnahme - hier mittels des Personenmaßstabs bezüglich der Abfallmenge - den Anforderungen des § 10 III 1 HessKAG genügt. Ist in dem Gebührentatbestand aber eine Gesamtleistung oder eine Zusammenfassung von Teilleistungen enthalten, genügt dies der vorgeschriebenen Differenzierung nach Art und Umfang der Inanspruchnahme nur, wenn im Rahmen des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes davon ausgegangen werden kann, dass in der Regel eine Gesamtinanspruchnahme erfolgt. Je größer die Abweichung von dieser Ausgangsannahme ist, um so höher werden die Anforderungen an die Rechtfertigung eines derartigen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes.
Differenziert eine Gemeinde bei der Abfallentsorgung nach Leistungsbereichen und ist eine Inanspruchnahme nur einzelner Leistungsbereiche möglich, führt eine Gesamtbenutzungsgebühr zur Gleichbehandlung von unterschiedlichen Graden der Inanspruchnahme. Dies gilt im vorliegenden Fall für die Entsorgung von Biomüll und Restmüll. Dabei werden die von der Biomüllentsorgung befreiten Eigenkompostierer im gleichen Umfang für die Nutzung der Gesamtabfallentsorgung einschließlich Biomüllentsorgung mit Gebühren belastet wie diejenigen, die Rest- und Biomüllentsorgung insgesamt nutzen. Diese Gleichbehandlung könnte im Rahmen des Ermessens des Satzungsgebers bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabes, das ihm erlaubt zu pauschalieren und zu typisieren, dann gerechtfertigt sein, wenn der zusätzliche Kostenanteil, der auch die Nichtnutzer der Biomüllentsorgung trifft, nicht von erheblichem Gewicht ist. Dieser ist hier jedoch - wie oben dargelegt - mit über 40% erheblich. Damit nimmt die Gesamtgebühr die Nichtnutzer der Biomüllentsorgung für einen wesentlichen Teil der Kosten der Einrichtung in Anspruch, obwohl sie diese nicht nutzen (vgl. auch: OVG Münster, NVwZ-RR 1998, 775 [776]; a.A. VGH München, NVwZ-RR 1995, 603 = BayVBl 1995, 628 für die bayerische Gesetzeslage), so dass ein Missverhältnis zwischen Leistung und Entgelt entsteht. Diese Gleichbehandlung rechtfertigt sich auch nicht aus anderen Gründen, wie oben bereits ausgeführt worden ist. Ebenfalls ist diese Pauschalierung nicht durch den so genannten Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt, da die Voraussetzungen für dessen Anwendung ebenfalls nicht vorliegen, wie ebenfalls bereits oben erläutert wurde (vgl. auch dazu OVG Münster, NWVBl 1998, 118 und NWVBl 1998, 445).
Aus diesen Gesichtspunkten wäre die Bekl. verpflichtet gewesen, in ihrer Satzung eine Gebührendifferenzierung hinsichtlich der Nutzung der Biomüllentsorgung vorzusehen, um der möglichen Nichtnutzung dieses Teilleistungsbereichs Rechnung zu tragen (vgl. zur Notwendigkeit differenzierter Gebühren bei Abnahme von Abwasser mit oder ohne Fäkalien innerhalb des Anwendungsgebiets einer Gebührensatzung VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 377 = GemH 1992, 189). Die festgelegte Einheits- oder Gesamtgebühr führt zur Unwirksamkeit der Gebührenregelung und damit zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides.
Wenn die Bekl. nunmehr ihre Satzung diesen Vorgaben anpassen möchte, steht ihr das Regelungsermessen des Satzungsgebers zu. Der Senat verweist darauf, dass eine dem Grundsatz der leistungsgerechten Gebührenbemessung entsprechende Möglichkeit darin bestehen kann, unterschiedliche Gebühren auf Grund gesonderter Kostenmassen für die zu bewertenden Leistungsvorgänge zu ermitteln. Bei der Aufteilung der Kosten auf die unterschiedlichen Teilleistungsbereiche sind Aufwendungen, die eindeutig nur einem bestimmten Bereich zuzuordnen sind, allein als Kosten dieses Bereichs anzusetzen. Werden Einrichtungs- oder Anlagenteile gemeinsam genutzt, sind die hierdurch anfallenden Kosten nach den Grundsätzen der Kostenverursachung über einen Umlageschlüssel auf die Teilleistungsbereiche aufzuteilen. Dies hat der Senat bereits in seiner Normenkontrollentscheidung vom 27. 4. 1999 (NVwZ-RR 2000, = DWW 1999, 387 m. Anm. U. Kirchhoff) dargelegt (vgl. auch die o.g.Urt. des OVG Münster, NWVBl 1998, 445). Inwieweit bestimmte mengenunabhängige Vorhaltekosten der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung - und damit auch der Biomüllentsorgung - Eingang in eine Grundgebühr nach § 10 III 3 HessKAG finden können, kann hier offen bleiben (vgl. dazu: VGH Mannheim, BWGZ 1999, 198 = StuGR 1999, 41).
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