Aufklärungspflicht einer Direktbank über unterdeckungsbedingte Nichtausführbarkeit einer Überweisung
Gericht
LG Bonn
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
15. 09. 1999
Aktenzeichen
5 S 103/99
Auch eine Direktbank ist im Überweisungsverkehr verpflichtet, einen Kunden auf eine Unterdeckung des Kontos hinzuweisen. Wenn es um derartig bloß formale Umstände geht, die keiner Wertung bedürfen und ohne größeren Arbeits- und Zeitaufwand in standardisierter Form festgestellt und dem Kunden mitgeteilt werden können, darf auch der Kunde einer Direktbank nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. unterhält bei der Bekl., einer Direktbank, ein Depotkonto, über das Käufe und Verkäufe von Wertpapieren abgerechnet werden. Überweisungen von diesem Depotkonto sind gem. Nr. 2 der AGB nur auf das „bekanntgegebene Referenzkonto“ möglich. Der Kl. hatte als Referenzkonto zunächst ein Konto beim Postscheckamt L. angegeben. Unter dem 15. 3. 1998 teilte er der Bekl. „eine neue Priorität“ seiner Referenzkonten mit. Unter 1. wird ein Konto bei der BfG-Bank in W. genannt, unter 2. ist das ursprüngliche Konto beim Postscheckamt L. aufgeführt. Am 19. 3. 1998 wies der Kl. die Bekl. telefonisch an, 83000 DM von seinem Depotkonto zu überweisen. Der Kl. beabsichtigte, mit diesem Geldbetrag am 24. 3. 1998 Aktien über die BfG-Bank in W. zu erwerben. Die Bekl. führte den telefonischen Überweisungsauftrag nicht aus, weil sich auf dem Konto Deckung lediglich in Höhe eines Betrages von 82700 DM befand. Eine Mitteilung an den Kl. erfolgte nicht. Am 23. 3. 1998 bat der Kl. - nunmehr durch Telefaxschreiben - erneut um Überweisung von 83000 DM auf das Konto bei der BfG-Bank. Am 24. 3. 1998 teilte die Bekl. dem Kl. in einem Formularschreiben mit, dass der Überweisungsauftrag in der vorliegenden Form nicht berücksichtigt werden könne. Hintergrund war insoweit der Umstand, dass es sich bei dem vom Kl. angegebenen Konto nach Ansicht der Bekl. nicht um das eingemeldete Referenzkonto gehandelt habe. Zu dem vom Kl. beabsichtigten Aktienerwerb kam es im Hinblick auf die unterbliebene Überweisung am 24. 3. 1998 nicht. Der Ankauf der Wertpapiere kam vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt nach einem von dem Kl. zwischenzeitlich in reduziertem Umfang erteilten Auftrag zur Überweisung auf sein Konto bei dem Postscheckamt L. zustande. Mit der Klage begehrt der Kl. Schadensersatz in Höhe eines Betrages von 4820 DM, den er aufgrund der zwischenzeitlich gestiegenen Kurse für den Erwerb der Aktien zusätzlich habe aufwenden müssen. Er hat insoweit die Ansicht vertreten, die Bekl. hätte den Überweisungsauftrag am 19. 3. 1998 im Hinblick auf den geringen Unterdeckungsbetrag ausführen oder ihn zumindest auf die fehlende Deckung hinweisen müssen. Die Bekl. hat demgegenüber sowohl eine Pflicht zur Ausführung des Überweisungsauftrags vom 19. 3. 1998, als auch eine Hinweispflicht bezüglich der fehlenden Deckung in Abrede gestellt.
Das AG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Bekl. kein Verschulden an der späten Überweisung des Geldes treffe. Im Hinblick auf die bei Direktbanken auch dem Kunden bekannte Standardisierung könne dieser nicht darauf vertrauen, dass ein Mitarbeiter der Bekl. den Fehlbetrag und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen zur Kenntnis nehme und den Kunden benachrichtige. Vielmehr sei es die Pflicht des Kunden, sich über seinen genauen Kontostand zu informieren, um eine solche Unterdeckung auszuschließen. Die Kammer hat auf die Berufung des Kl. hin die amtsgerichtliche Entscheidung teilweise abgeändert und der Klage in Höhe von rund der Hälfte der Klageforderung stattgegeben.
Auszüge aus den Gründen:
Unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote in Höhe von 50% kann der Kl. einen Betrag von 2380 DM nebst Zinsen verlangen.
1. Dem Kl. steht gegen die Bekl. dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsvertrags zu. Zwar war die Bekl. nicht verpflichtet, den Überweisungsauftrag vom 19. 3. 1998 auszuführen, da das Konto keine entsprechende Deckung aufwies. Insoweit hat das AG zutreffend ausgeführt, dass die Bekl. auch nicht gehalten war, einen Teilauftrag auszuführen oder dem Kl. einen Überziehungskredit zu gewähren …
Die Bekl. wäre jedoch gem. § 242 BGB verpflichtet gewesen, den Kl. unverzüglich auf die fehlende Deckung des Kontos hinzuweisen. Dies ergibt sich aus einer der Bekl. obliegenden Nebenpflicht. Grundsätzlich ist jeder Vertragspartner gehalten, den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, wenn und soweit der andere Teil nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten darf (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 242 Rdnr. 37). Anerkannt ist in Rechtsprechung und Literatur insoweit, dass eine Bank ihren Kunden auf die Nichtausführbarkeit eines Überweisungsauftrags - insbesondere bei fehlender Deckung des Kontos - hinweisen muss (vgl. OLG Hamm, WM 1984, 1222; Siol, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., 1997, § 44 Rdnr. 76; Palandt/Sprau, § 675 Rdnr. 10).
Von einer derartigen Hinweispflicht, die dem Ziel dient, den Kunden vor möglichen Schäden zu bewahren, ist die Bekl. auch nicht deshalb enthoben, weil es sich bei ihr um eine sog. Direktbank handelt. Zwar haben die Direktbanken ein maßgebliches Interesse daran, ihren gesamten Geschäftsablauf zu standardisieren, um in der Verwaltung Kosten einzusparen. An die Sorgfalts- und Hinweispflichten einer solchen Bank, die die Geschäfte lediglich per Telefon bzw. Computer oder Telefax - ohne persönlichen Kontakt mit dem Kunden - abwickelt, sind nicht die gleichen Anforderungen wie an eine normale“ Geschäftsbank zu stellen. Gerade im Hinblick auf die - wegen des geringeren Personalbedarfs - günstigeren Konditionen kann auch der Kunde einer solchen Bank lediglich in einem geringeren Umfang eine Aufklärung erwarten.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Direktbanken von jeder Hinweispflicht entbunden sind. Die Frage, ob ein Konto die für eine Überweisung erforderliche Deckung aufweist, lässt sich auch bei einem standardisierten Geschäftsbetrieb ohne weiteres feststellen. Eine irgendwie geartete Wertung eines Mitarbeiters bedarf es hierfür nicht, vielmehr kann die rein formale Frage der ausreichenden Deckung EDV-mäßig erfasst und im Falle der Verneinung ohne größeren Aufwand dem Kunden mitgeteilt werden. Die Besonderheiten des Geschäftsablaufs der Direktbanken stehen deshalb der Annahme einer Hinweispflicht auf eine fehlende Deckung nicht entgegen. Wenn es um derartig bloß formale Umstände geht, die keiner Wertung bedürfen und ohne größeren Arbeits- und Zeitaufwand dem Kunden mitgeteilt werden können, darf auch der Kunde einer Direktbank nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten.
Entgegen der Ansicht der Bekl. war das Bestehen dieser Hinweispflicht vorliegend auch nicht von einer vorherigen Mitteilung der Eilbedürftigkeit durch den Kl. abhängig. Eine Eilbedürftigkeit in dem Sinne, dass die Überweisung sofort mit Erteilung des Auftrags am 19. 3. 1998 ausgeführt werden musste, bestand nicht, da es ausgereicht hätte, wenn der Betrag am 24. 3. 1998 bei der BfG-Bank eingegangen wäre. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre aber - ausreichende Deckung des Kontos des Kl. vorausgesetzt - auch bei der bei der Bekl. ansonsten banküblichen Überweisungszeit der Auftrag ausgeführt worden.
Dass sich der Bankkunde u.U. selbst um eine hinreichende Deckung seines Kontos bemühen muss, betrifft die Frage eines möglichen Mitverschuldens an einem Schaden i.S. des § 254 BGB, lässt jedoch die grundsätzliche Hinweispflicht der bekl. Bank auf die fehlende Kontodeckung unberührt.
2. Auf Grund des fehlenden Hinweises der Bekl. ist dem Kl. - rechnerisch - ein Schaden in Höhe von 4760 DM entstanden. Dem von ihm mit der Klage beanspruchten Vermögensnachteil in Höhe von 4820 DM steht ein anrechenbarer Vermögensvorteil von 60 DM gegenüber. (Wird ausgeführt.)
3. Der Kl. kann jedoch nicht den vollen Schadensersatzbetrag in Höhe von 4760 DM von der Bekl. ersetzt verlangen. Er muss sich vielmehr entgegenhalten lassen, dass er den Schaden zu wesentlichen Teilen i.S. des § 254 I BGB mitverursacht hat. Geht man von einer nach Auffassung der Kammer angemessenen Mithaftungsquote von 50% aus, verbleibt zu seinen Gunsten noch ein Betrag von 2380 DM. Das Mitverschulden des Kl. gründet sich hier darauf, dass er sich darauf verlassen hat, sein Überweisungsauftrag vom 19. 3. 1998 werde tatsächlich auch ausgeführt, ohne sich vorher darüber zu informieren, ob sein Konto überhaupt hinreichende Deckung aufwies. Wenn es dem Kl. darauf ankam, die hier in Rede stehenden Wertpapiere bereits am 24. 3. 1998 zu erwerben, so hätte er sich rechtzeitig vor dem 24. 3. 1998 bei der BfG-Bank nach dem Eingang des Guthabenbetrags erkundigen und sodann Rücksprache bei der Bekl. nehmen müssen. Der Grund für die nicht ausgeführte Überweisung hätte sodann ohne weiteres unverzüglich beseitigt werden können, so dass auch der Ankauf der Aktien am 24. 3. 1998 gewährleistet gewesen wäre. Wägt man die Haftungsanteile zwischen den Parteien ab, so erscheint eine Schadensteilung angemessen. Soweit in der Rechtsprechung z.T. (OLG Hamm, WM 1984, 1222; vgl. auch Palandt/Sprau, § 675 Rdnr. 10) die Verantwortung voll auf den Bankkunden abgewälzt wird, vermag dies jedenfalls in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht zu überzeugen, in dem lediglich eine ganz geringfügige Unterdeckung vorlag (bei einem Überweisungsauftrag von 83000DM Unterdeckung lediglich in Höhe von 300 DM).
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