Entgeltklausel für Sparkassenbuch ohne Kraftloserklärung
Gericht
BGh
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
07. 07. 1998
Aktenzeichen
XI ZR 351/97
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel einer Sparkasse, daß für die Ausstellung eines Sparkassenbuchs ohne Kraftloserklärung ein Entgelt zu entrichten ist, unterliegt nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die bekl. Sparkasse verwendet gegenüber ihren Kunden AGB mit dem Hinweis auf ein Preisverzeichnis. Ihr Konditionenkatalog enthält unter der Überschrift „Spareinlagen-Gebühren“ folgende Klausel: „Ausstellung eines Sparkassenbuchs ohne Kraftloserklärung gem. § 7 NdsSpVO: 5 DM je angefangene 100 DM Guthaben, maximal 150 DM, minimal 15 DM.“ Im Verfahren nach § 13 AGBG verlangte der Kl. von der Bekl., die Verwendung dieser Entgeltklausel zu unterlassen.
Das LG und das OLG (WM 1998, 651) haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgte der Kl. seinen Antrag weiter. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält die beanstandete preisregelnde Klausel für wirksam, weil sie gem. § 8 AGBG einer Inhaltskontrolle nach § 9 bis 11 AGBG nicht unterliege. Hinsichtlich der Vergütung für die Ausstellung eines neuen Sparbuchs fehle es an einer gesetzlichen Regelung, die ohne die Klausel als dispositives Recht eingreifen würde, so daß es den Parteien freistehe, Leistung und Gegenleistung im Vertrag frei zu bestimmen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Klausel über die Berechnung einer gesonderten Vergütung für die Ausstellung eines Sparkassenbuchs ohne Kraftloserklärung ist entgegen der Ansicht der Revision nach § 8 AGBG einer Überprüfung am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG entzogen. Die Ausstellung eines Ersatz-Sparkassenbuchs ist eine Sonderleistung im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, NJW 1997, 2752 = LM H. 11-1997 § 8 AGBG Nr. 28 = WM 1997, 1663, z. Veröff. in BGHZ 136, 261 vorgesehen, sowie BGH, NJW 1998, 383 = LM H. 3-1998 § 8 AGBG Nr. 30 = WM 1997, 2244, jew. m.w. Nachw.). Die Festlegung der dafür vom Kunden geschuldeten Gegenleistung in AGB unterliegt deshalb nicht der Inhaltskontrolle.
1. Die Sparkasse erfüllt mit der Ausstellung eines neuen Sparbuchs ohne Kraftloserklärung nicht etwa eine ihr nach §§ 368f. BGB obliegende Pflicht, für die sie eine Vergütung nicht verlangen dürfte (vgl. BGHZ 114, 330 [333] = NJW 1991, 1953 = LM § 369 BGB Nr. 1). Das BerGer. hat insoweit mit Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Sparbuch nicht um eine Quittung handelt. Nach der Definition des § 368 BGB stellt die Quittung das schriftliche Bekenntnis über den Empfang der geschuldeten Leistung dar. Das Sparbuch ist dagegen ein qualifiziertes Legitimationspapier (vgl. z.B. Gößmann, in: Schimansky-Bunte-Lwowski, BankR-Hdb. 1997, § 71 Rdnrn. 42ff.); die Folgen des Abhandenkommens sind in § 808 II 2 BGB besonders geregelt. Im übrigen geht es - anders als in § 369 BGB - nicht um die Kosten der erstmaligen Ausstellung, sondern um die Gegenleistung für die Neuausstellung einer verloren gegangenen Urkunde.
Ob die Regelung des § 800 S. 2 BGB angesichts ihrer mit § 369 I BGB übereinstimmenden Formulierung dahin auszulegen ist, daß für die Erteilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber keine Vergütung, sondern nur Auslagenersatz verlangt werden kann (vgl. zu § 369 BGB Heinrichs, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 369 Rdnr. 2), bedarf keiner Entscheidung. § 800 BGB ist auf Legitimationspapiere wie Sparkassenbücher nicht entsprechend anwendbar, weil deren Besitz - anders als bei Inhaberschuldverschreibungen - nicht Voraussetzung für den Anspruch ist.
2. Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch der Schutzzweck des § 8 AGBG keine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Erstreckung der Inhaltskontrolle auf Sonderleistungen. Soweit in früheren Urteilen des III. Zivilsenats (BGHZ 95, 362 [370] = NJW 1986, 46 = LM § 8 AGBG Nr. 9; BGHZ 106, 42 [46] = NJW 1989, 222 = LM § 8 AGBG Nr. 13) und auch des XI. Zivilsenats (BGHZ 118, 126 [127] = NJW 1992, 1751 = LM H. 9-1992 § 608 BGB Nr. 6) die Kontrollfähigkeit auf den Schutzzweck der Vorschrift gestützt worden ist, handelte es sich um Klauseln, die entweder Zusatzentgelte für die mögliche Überschreitung des durch den vereinbarten Preis abgegoltenen Rahmens der Hauptleistung festlegten (Stundung fälliger Ratenzahlungen [BGHZ 95, 362 = NJW 1986, 46 = LM § 8 AGBG Nr. 9] oder Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits unter Überschreitung des Limits [BGHZ 118, 126 = NJW 1992, 1751 = LM H. 9-1992 § 608 BGB Nr. 6]), oder aber um Regelungen, die mittelbar den abgesprochenen Preis erhöhten (BGHZ 106, 42 = LM § 8 AGBG Nr. 13). Darum geht es hier nicht. Es kann deshalb offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des erkennenden Senats an diesem Ansatzpunkt festzuhalten ist.
Der Sparvertrag sieht keine Vergütungspflicht des Kunden für die Hauptleistung der Bank vor. Es existiert deshalb keine Preisvereinbarung für die Hauptleistung, durch die die Aufmerksamkeit des Kunden von zusätzlichen Vergütungen für eine spätere Erweiterung des Leistungsrahmens oder aber von preiserhöhenden Nebenabreden abgelenkt werden könnte. Bei dem durch die beanstandete Klausel festgelegten Entgelt für die Ausstellung eines neuen Sparbuchs als Ersatz für das verloren gegangene handelt es sich im übrigen auch nicht um eine Erweiterung des ursprünglichen Vertragsrahmens, sondern um eine echte Zusatzleistung für den - vom Kunden möglicherweise für unwahrscheinlich gehaltenen und deshalb nicht in Betracht gezogenen - Fall eines Abhandenkommens. Daß für die Ersatzausstellung einer verloren gegangenen Legitimationsurkunde häufig auch dann ein Entgelt zu entrichten ist, wenn die Urkunde kostenfrei zur Verfügung gestellt worden war, entspricht der Lebenserfahrung. Die durch § 8 AGBG bezweckte Sicherstellung einer Inhaltskontrolle aller die geltende Rechtslage zugunsten des Verwenders ändernden Klauseln gebietet es nicht, auch für echte Zusatzleistungen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen, zumal dispositives Gesetzesrecht, das an die Stelle der Preisvereinbarung treten könnte, in allen diesen Fällen fehlt.
3. Entgegen der Ansicht der Revision besteht im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union am 5. 4. 1993 verabschiedete Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93-13-EWG (NJW 1993, 1838) kein Anlaß zur Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung. Der Bundesgesetzgeber hat die an die Mitgliedstaaten gerichtete und nur für sie verbindliche Richtlinie mit Gesetz vom 19. 7. 1996 (BGBl I, 1013) in nationales Recht umgesetzt. Er hat dabei zu einer Änderung des § 8 AGBG wegen seiner Übereinstimmung mit Art. 4 Nr. 2 der Richtlinie keinen Anlaß gesehen (BT-Dr 13-2713, S. 5; vgl. auch Bunte, DB 1996, 1389 [1391]). Die Beantwortung der Frage, ob die beanstandete Klausel einer Überprüfung am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG entzogen ist, ist Sache der deutschen Gerichte, über die der EuGH nach Art. 177 EGV nicht zu entscheiden hat.
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