Begrenzung des Vorsteuerabzugs auf 50 v. H. gemäß § 15Abs. 1 Buchst. b UStG 1999 mit Gemeinschaftsrecht vereinbar?
Gericht
Niedersächsisches FG
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
10. 02. 2000
Aktenzeichen
5 K 515/99
Die Begrenzung des Vorsteuerabzugs auf 50 v. H. gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 1999 durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402) für neu angeschaffte und dem Unternehmen zugeordnete Pkw, die teilweise für unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, ist derzeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts kann der Steuerpflichtige den vollen Vorsteuerabzug unmittelbar aus der für ihn günstigeren Regelung in Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie geltend machen. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist verfassungskonform. Das nationale Gericht hat den Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei seiner Entscheidungsfindung in eigener Zuständigkeit durchzusetzen. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es nicht.
Der Anwendung der für den Kläger (Kl.) günstigeren 6. EG-Richtlinie steht nicht entgegen, dass die Bundesregierung inzwischen einen Antrag an die Kommission nach Art. 27 der 6. EG-RichtlinieEG-Richtlinie gestellt hat, die Bundesrepublik Deutschland zu ermächtigen, abweichende Bestimmungen zu den Regelungen der 6. EG-Richtlinie einzuführen. Dem Kl. war daher der mit der Klage geltend gemachte volle Vorsteuerabzug zu gewähren. Da § 15 Abs. 1b UStG 1999 nicht anzuwenden ist, findet auch die Regelung über den Ausschluss der Besteuerung der den sonstigen Leistungen gleichgestellten Leistungen nach § 3 Abs. 9 Buchst. a Satz 2 UStG 1999 (Eigenverbrauch) keine Anwendung. Gemäß § 3 Abs. 9 Buchst. a Nr. 1 UStG 1999 ist daher Eigenverbrauch auf die vorsteuerbelasteten Kosten zu berechnen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Das FA erkannte bei einem Unternehmer, der nach dem 31. 3. 1999 für sein Unternehmen einen Pkw angeschafft hat und ihn teilweise für unternehmensfremde Zwecke nutzt, nur 50 % der ihm gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer an. Mit der Klage vor dem Niedersächsischen FG begehrte der Kl. den vollen Vorsteuerabzug.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist begründet.
Der Gesetzgeber hat in Art. 7 Nr. 11 Buchst. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402) mit der Einführung des § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 99 das Recht zum Vorsteuerabzug neu gefasst und begrenzt. Danach sind Vorsteuerbeträge „nur zu 50 vom Hundert abziehbar..., die auf die Anschaffung oder Herstellung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Miete oder den Betrieb von Fahrzeugen i. S. des § 1b Abs. 2 entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden.“ Gemäß § 27 Abs. 3 UStG gilt die Regelung für alle dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeuge, die nach dem 31. 3. 1999 angeschafft oder hergestellt, eingeführt, innergemeinschaftlich erworben oder gemietet und an-schließend teilweise privat genutzt werden.
Da der Kl. sein Fahrzeug am 17. 6. 1999 für sein Unternehmen erworben hat und es zu 30 % privat nutzt, wäre der Vorsteuerabzug nach der genannten Neuregelung auf 50 % begrenzt.
Dem Kl. steht der volle Vorsteuerabzug jedoch abweichend von der deutschen gesetzlichen Neuregelung in § 15 Abs. 1 b UStG 1999 nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (6. EG-Richtlinie) zu. Nach dieser Vorschrift ist der Steuerpflichtige befugt, alle Vorsteuern aus Kosten von der von ihm geschuldeten Umsatzsteuer abzuziehen, die Eingang in seine steuerpflichtigen Umsätze gefunden haben. Die Berechtigung zum uneingeschränkten und sofortigen Ab-zug der beim Erwerb der Gegenstände geschuldeten Vorsteuer besteht unabhängig davon, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag (vgl. EuGH vom 11. 7. 1991, Rs C - 97/90, EuGHE 1991, 3834 (3843) - Lennartz -). Denn der Unternehmer soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten und entrichteten Umsatzsteuer entlastet werden (vgl. EuGH v. 14. 2. 1985, Rs 268/83, - Rompelmann -, EuGHE 1985, 660 (664)). Dies hat zur Folge, dass eine dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehende nationale Regelung insoweit nicht anwendbar ist, wie dieses für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Denn das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht hat nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH v. 15. 7. 1964, Rs 6/64, EuGHE 1964, 1251 (1270) - Costa -) Vorrang vor jeder innerstaatlichen Rechtsvorschrift. Diese Rechtsansicht wird von der deutschen Rechtsprechung (vgl. BVerfG v. 9. 6. 1971, BVerfGE 31, 145 (174) - Umsatzsteuerausgleich auf Milchpulver; BFH v. 20. 4. 1988, I R 219/82, BStBl II 1990, 701 (702)) und Literatur, vgl. Everling, DVBl 1985, 1201 ff. m. w. N.; Probst, DStJG 13 (1990), 137 (140, 141); Schlienkamp, UR 1991, 337 (340) anerkannt. Der Vorrang gilt auch dann, wenn die innerstaatliche Regelung - wie hier - nach In-Kraft-Treten der 6. EG-Richtlinie erlassen wurde (vgl. EuGH v. 21. 9. 1988, Rs 50/87, EuGHE 1988, 4819f; v. 9. 3. 1978, Rs 106/77, EuGHE 1978, 629 (630) - Simmenthal II (Gebühren); Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch Bd. I, Einf. Rn. 342).
Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber späterem wie früherem nationalen Gesetzesrecht ist verfassungskonform. Er beruht auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen i. V. m. Art. 24 Abs. 1 GG (a. F.) der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist (vgl. BVerfG vom 8. 4. 1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 - Bindungswirkungen von Vorabentscheidungen des EuGH; BVerfG v. 4. 11. 1987, 2 BvR 763/85, UR 1988, 25; Scheuner, Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft und Verfassungsrechtsprechung, AöR 100 (1975) S. 30, 40 f.). Art. 24 Abs. 1 GG (a. F.) enthält die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Billigung dieser Vorrangregel durch den Gesetzgeber und ihre Anwendung durch die rechtsprechende Gewalt im Einzelfall (BVerfG vom 22. 10. 1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 374f). Das Gemeinschaftsrecht geht dem nationalen Recht mit dem durch die Auslegung des EuGH ermittelten Inhalt vor (vgl. Birkenfeld, a. a. O. Rn. 344 f.). Einer ausdrücklichen Feststellung des Anwendungsvorrangs durch den EuGH bedarf es nicht (EuGH v. 22. 6. 1989, Rs 103/88, EuGHE 1989, 1861 (1870 f.)). Das nationale zur Sachentscheidung berufene Gericht darf entscheiden, ob ein solcher Konflikt besteht und ob der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eingreift (vgl. EuGH v. 12. 7. 1984, Rs 107/83, EuGHE 1984, 2971 (2988); BFH v. 20. 4. 1988, a. a. O. S. 702 f.). Denn das nationale staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung beantragen oder abwarten müsste (vgl. EuGH v. 11. 7. 1989, Rs 170/88, EuGHE 1989, 2307 (2308) - Ford Espana SA; EuGH v. 9. 3. 1978, a. a. O.).
Anwendungsvorrang bedeutet, dass im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehendes nationales Recht auf die durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Rechtsbeziehungen nicht angewendet wird. Abweichendes nationales Recht ist somit nicht nichtig, sondern nur nicht anwendbar (vgl. Zuleeg, Komm. zum Bonner Grundgesetz, Art. 24 Rn. 43 ff; Groß, JuS 1991, 522 (523); Jarass, NJW 1990, 2420 (2421)).
Da § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 99 dem Gemeinschaftsrecht entgegen steht, soweit durch diese Regelung der Vorsteuerabzug entgegen Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie auf 50 % begrenzt wird, hat dies zur Folge, dass die nationale Regelung insofern nicht anwendbar ist.
Der einzelne Marktbürger kann sich vor den nationalen Behörden und Gerichten auf die unmittelbare Anwendbarkeit von - ihm günstigen - primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht berufen. Dies folgt aus dem vom EuGH sogenannten Prinzip der „Mindestgarantie“ (vgl. EuGH v. 27. 6. 1989, Rs 50/88, EuGHE 1989, 1948 - Eigenverbrauch -; v. 19. 1. 1982, Rs 8/81, EuGHE 1982, 53 - Kreditvermittlung -; v. 26. 2. 1991, Rs C 120/89, 119/89, 159/89, UR 1991, 164 - Restmehrwertsteuer -). Der Sinn der Möglichkeit des Sich-Berufen-Könnens liegt darin, die durch die Richtlinie begründete Verpflichtung des Mitgliedstaates wirkungsvoll und in rechtsstaatlicher Weise zu sanktionieren (vgl. BVerfG v. 8. 4. 1987, a. a. O., S. 358).
Voraussetzung, um sich gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften auf eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie berufen zu können, ist, dass die Bestimmung einer Richtlinie hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft ist (st. Rspr. des EuGH, vgl. EuGH v. 20. 10. 1993, C - 10/92, EuGHE 1993, I - 5105 Rn. 34 - Balocchi -; v. 27. 6. 1989, a. a. O.; Birkenfeld, a. a. O., Einf. Rn. 360; Schlienkamp, UR 1991, 337, 340; BVerfG v. 8. 4. 1987, a. a. O., S. 355) Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie vor (EuGH v. 23. 1. 1986, Rs 283/84 EuGHE 1986, 238 (243)). Die Richtlinie gibt dem Steuerpflichtigen einen Anspruch gegenüber dem Mitgliedstaat. Sie ist inhaltlich unbedingt und somit geeignet, zweifelsfreie Wirkung zu erzeugen. Denn dem Mitgliedstaat steht insofern kein Ermessen zu, mit welchem Inhalt er die Bestimmung in nationales Recht umsetzt. (vgl. EuGH v. 6. 7. 1995, Rs C - 62/93, EuGHE 1995, 1907 (1918) - BP Soupergaz -, IStR 1995, 385).
Unabhängig davon, sind Vorsteuerabzugsbeschränkungen in Abweichung von den Vorgaben in Art. 17 Abs. 1 bis 5 der 6. EG-Richtlinie durch die einzelnen Mitgliedstaaten nur insoweit zulässig, als sie bereits vor Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie vorgesehen waren, Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Nachträgliche Einschränkungen, wie im Falle der Einführung des § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 1999 durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, sind unzulässig. Denn das in Art. 17 ff. der 6. EG-RichlinieEG-Richlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug ist integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (EuGH v. 6. 7. 1995, a. a. O.). Es fehlt insofern jede Vorschrift, die den Mitgliedsstaaten Einschränkungen gestatten würde (EuGH v. 21. 9. 1988, a. a. O.). Sie wären nur unter den Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zulässig.
Der Berufung des Kl. auf die für ihn günstigere 6. EG-Richtlinie steht daher auch nicht entgegen, dass die Bundesregierung mit Schreiben vom 11. 12. 1998 und einem Ergänzungsschreiben vom 23. 8. 1999 inzwischen einen Antrag an die Kommission nach Art. 27 der 6. EG-RichtlinieEG-Richtlinie gestellt hat, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig den antragstellenden Mitgliedstaat ermächtigen kann, abweichende Bestimmungen zu den Regelungen der Richtlinie einzuführen. Denn bisher liegt eine solche Ermächtigung seitens der Kommission nicht vor. Der von dem Beklagten (Bekl.) gegebene Hinweis, der Rat der Europäischen Union habe sich am 14. 12. 1999 „auf Arbeitsebene auf Vorschlag der Kommission im Rahmen der Sitzung der Ratsarbeitsgruppe `Finanzfragen´ geeinigt, Deutschland mit Wirkung vom 1. 4. 1999 bis zum 31. 12. 2002“ eine Ermächtigung zu erteilen, wonach „abweichend von Art. 17 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie ... der Vorsteuerabzug auf die Gesamtausgaben für Fahrzeuge, die nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt werden, auf 50 % beschränkt und auf die Besteuerung der Nutzung eines zum Unternehmens gehörenden Fahrzeugs für private Zwecke verzichtet werden“ kann, vermag den nach Art. 27 der 6. EG-RichtlinieEG-Richtlinie erforderlichen förmlichen Beschluss der EG nicht zu ersetzen (vgl. EuGH v. 13. 2. 1985, Rs 5/84, EuGHE 1985, 644 - Direct Cosmetics -; vgl. auch die dazu gestellten Schlussanträge des Generalanwalts Verloren van Themaat vom 4. 12. 1984, EuGHE , 618 (626ff).
Dass eine Einigung des Rates „auf Arbeitsebene“ Außenwirkung hat, die der erk. Senat bei seiner Entscheidung hätte beachten müssen, ist nicht ersichtlich. Deshalb war auch keine Vertagung geboten.
Ferner kann sich der Bekl. nicht darauf berufen, dass eine Ermächtigung des Rates der Kommission für einen entsprechenden Vorsteuerausschluss erteilt werden wird, so dass § 15 Abs. 1b UStG 1999 bereits jetzt richtlinienkonform ist. Denn derzeit liegt die erforderliche Ermächtigung nicht vor. Angesichts des am 19. 6. 1998 vorgelegten Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zur Harmonisierung des Vorsteuerabzugs im Binnenmarkt (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bzgl. des Vorsteuerabzugs vom 17. 6. 1998 - KOM (1998) 377 endg. - ABI. EG Nr. C 219 v. 17. 7. 1998 S. 16 ff.; BR-Drs. 668/98) erscheint es auch fraglich, ob der Bundesrepublik Deutschland eine entsprechende Ermächtigung erteilt werden würde, da zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Meinungsunterschiede über Inhalt und Ausgestaltung der Regelungen bestehen (vgl. Hünnekens, Änderungen des Umsatzsteuerrechts durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, NWB Fach 7 S. 5059 ff. (5069)) und die vom deutschen Gesetzgeber im Vorgriff auf die Richtlinie geschaffene gesetzliche Regelung nicht unerheblich von dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission abweicht (vgl. Nieskens, Aktuelle Entwicklungen im Umsatzssteuerrecht, Stbg 1999, 557 (558)). Ferner ist nicht absehbar, wie die einzelnen Mitgliedstaaten angesichts ihrer gerade in finanzieller Hinsicht heterogenen Interessen entscheiden und votieren werden, zumal ein ähnlich gelagerter Kommissionsvorschlag bereits über 10 Jahre EU-weit ohne Ergebnis beraten worden und von der Kommission selbst 1996 wieder zurückgezogen worden ist (vgl. die Stellungnahme der Umsatzsteuervereinigung zur Anhörung des Finanzausschusses am 7./8. 12. 1998, UR 1999, 111). Der Rat könnte eine Ermächtigung auch nur für die Zukunft erteilen. Zumindest wäre es rechtlich höchst umstritten, wenn der Rat eine Ermächtigung mit Rückwirkung erteilen würde (Nieskens, Stbg 1999, a. a. O., S. 558; in diesem Sinne auch Birkenfeld, Zweifelsfragen bei der Einschränkung des Vorsteuerabzugs durch das StEntIG 1999/2000/ 2002, NWB Fach 7 S. 5091 ff. (5093)). Selbst wenn er dies täte, stellte sich die verfassungsrechtliche Frage des Rückwirkungsverbotes.
Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 18. 6. 1998 (Rs. C -43/96 - Kommission J. Franz. Republik, UR 1998, 352, IStR 1998, 430) einen Vorsteuerausschluss für teilweise privat genutzte Pkw für zulässig erklärt und in seiner Entscheidung vom 5. 10. 1999 (EuGH, Rs C - 305/97 - Royscot, Harrison, Domeq, UR 1999, 456, DStRE 1999, 878) entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie genannten Ausschlüsse vom Recht auf Vorsteuerabzug beibehalten dürfen, obwohl der Rat vor dem Ablauf der in Unterabs. 1 vorgesehenen Frist nicht festgelegt hat, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist, kann daraus ebenfalls kein Recht zum nationalen Alleingang im Bereich der Vorsteuerbegrenzung abgeleitet werden. Denn es handelte sich bei den den Entscheidungen zu Grunde liegenden Regelungen jeweils um nationale Rechtsgrundlagen, die bereits vor Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie bestanden. Demgegenüber soll nach der Intension des EuGH eine weitere Auseinanderentwicklung der zur Zeit bestehenden nationalen Regelungen gerade verhindert werden.
Art. 17 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-RichtlinieEG-Richtlinie findet ebenfalls keine Anwendung, da diese Regelung nur programmatischen Charakter hat, Personenkraftwagen keine Luxusgegenstände sind und auch nicht von vornherein ein streng geschäftlicher Charakter ausgeschlossen werden kann.
Es liegen auch keine Rechtfertigungsgründe nach Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie vor, da angesichts der Bedeutung des Wirtschaftsfaktors der Automobilindustrie und der vorherrschenden Massenarbeitslosigkeit Konjunkturgründe eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs nicht begründen können.
Da § 15 Abs. 1b UStG 1999 insofern nicht anzuwenden ist, findet auch die Regelung über den Ausschluss der Besteuerung der den sonstigen Leistungen gleichgestellten Leistungen (im Folgenden: Eigenverbrauch) nach § 3 Abs. 9 Buchst. a Satz 2 UStG 1999 keine Anwendung. Gemäß § 3 Abs. 9 Buchst. a Nr. 1 UStG 1999 ist daher Eigenverbrauch auf die vorsteuerbelasteten Kosten zu berechnen...
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