Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst - Fleischbeschautierärzte
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
13. 05. 1997
Aktenzeichen
3 AZR 59/96
§ 20 des Tarifvertrages über die Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und Einfuhruntersuchungsstellen, der Arbeitnehmer von der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausschließt, die im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr nicht mindestens eine Stundenvergütung für 1000 Stunden erhalten haben, verstößt gegen Art. 3 I GG und ist deshalb nichtig. Nur der Ausschluß von Angestellten, die geringfügig i.S. von § 8 SGB IV tätig sind, ist zulässig. Dasselbe gilt ab 1. 1. 1997 für § 5 III des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe.
Den zu Unrecht von der Zusatzversorgung ausgeschlossenen Angestellten muß der Arbeitgeber eine den begünstigten Angestellten entsprechende Zusatzversorgung verschaffen.
Der amtlich bestellte Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei ist bestellter neuer Anwalt i.S. von § 244 I ZPO.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten darum, ob das bekl. Land verpflichtet ist, den Kl. über den 31. 12. 1991 hinaus bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder anzumelden und Versicherungsbeiträge abzuführen oder, falls dies nicht möglich sein sollte, den Kl. so zu stellen, als wäre er bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert worden. Der Kl. ist Tierarzt und unterhält eine eigene Praxis. Aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 10. 9. 1981 wurde er seit dem 26. 6. 1981 auf unbestimmte Zeit als nicht vollbeschäftigter Fleischbeschautierarzt im Bereich des Vieh- und Schlachthofes S. beschäftigt. An die Stelle dieses Arbeitsvertrags trat am 11. 10. 1988 ein "Arbeitsvertrag für nicht vollbeschäftigte Angestellte (Tierärzte)", wonach der Kl. ab dem 1. 1. 1989 auf unbestimmte Zeit im Bereich des Senators für Gesundheit und Soziales als nicht vollbeschäftigter Angestellter (Tierarzt) in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie der Einfuhr- und Eingangsuntersuchung weiterbeschäftigt wurde. In beiden Arbeitsverträgen wird Bezug genommen auf Tarifverträge. In § 20 dieser jeweils in Bezug genommenen Tarifverträge hieß es bis zum 31. 12. 1996:
§ 20. Der Angestellte ist nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages zu versichern, der für die unter den BAT fallenden Angestellten des Arbeitgebers gilt, wenn und solange er in dem jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1000 Stunden erhalten hat ...
Das bekl. Land hatte den Kl. zunächst bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versichert. Mit Schreiben vom 4. 7. 1994 teilte es dem Kl. mit, er sei aufgrund seiner Einkünfte in den Jahren 1991, 1992 und 1993 ab 1. 1. 1992 nicht mehr versicherungspflichtig. Er werde deshalb mit Wirkung vom 1. 1. 1992 bei der VBL abgemeldet. Der Kl. hat den Standpunkt eingenommen, das bekl. Land müsse ihn auch weiterhin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichern. Seine Schlechterbehandlung gegenüber den sonstigen Angestellten könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß er beim Land eine Nebentätigkeit ausübe. Er habe vielmehr seine Tierarztpraxis als zusätzliche Nebentätigkeit angesehen, nachdem er habe feststellen müssen, daß sein Wunsch, beim bekl. Land vollschichtig tätig zu werden, sich nicht verwirklichen lasse. Seine Einkünfte aus eigener Praxis hätten bis 1990 unter den Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis gelegen. In den folgenden Jahren habe sich dies zunächst kaum oder nur unwesentlich geändert. Erstmals im Jahre 1994 sei es zu einer Verschiebung zugunsten der Praxiseinkünfte gekommen. Der Kl. hat zuletzt sinngemäß beantragt festzustellen, daß das bekl. Land verpflichtet ist, ihm im Versorgungsfall die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihm zustünden, wenn er über den 31. 12. 1991 hinaus bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen wäre. Es wird weiter festgestellt, daß dieser Verschaffungsanspruch auch in Zukunft besteht, soweit der Kl. mehr als geringfügig i.S. von § 8 SGB IV beschäftigt wird.
ArbG und LAG haben entsprechend dem ursprünglichen Klageantrag festgestellt, daß das bekl. Land verpflichtet ist, für den Kl. für die Zeit ab 1. 1. 1992 Versicherungsbeiträge in die Altersversorgung der Zusatzversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu zahlen. Die Revision des bekl. Landes blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
A. Die Revision ist rechtzeitig begründet worden. Nach ihrer Einlegung am 5. 2. 1996 ist der Lauf der Revisionsbegründungsfrist durch den Tod des früheren Prozeßbevollmächtigten des bekl. Landes am 10. 2. 1996 nach § 244 ZPO unterbrochen worden. Erst mit der auch im Hinblick auf § 244 I und § 250 ZPO formgerechten Revisionsbegründung selbst hat der amtlich bestellte Abwickler der Kanzlei des früheren Prozeßbevollmächtigten die Unterbrechung beendet. Hierzu war er auch in der Lage. Bei einem amtlich bestellten Abwickler einer Kanzlei handelt es sich um einen "bestellten neuen Anwalt" i.S. des § 244 I ZPO (BGHZ 66, 59 = LM § 244 ZPO Nr. 2; Feuerich/Braun, BRAO, 3. Aufl. (1995), § 55 Rdnr. 21).
B. Das LAG hat dem Klageantrag im Ergebnis zu Recht entsprochen.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Nach seinem gesamten Prozeßvortrag will der Kl. bei Eintritt des Versorgungsfalles die einer durchgängigen Versicherungszeit entsprechende zusätzliche Altersversorgung erhalten. Damit macht der Kl. einen Verschaffungsanspruch geltend, den der Senat seit seinem Urteil vom 7. 3. 1995 (BAGE 79, 236 = NZA 1996, 48 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung) in vergleichbaren Fallgestaltungen für angemessen gehalten hat. Der Kl. hat den auch in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag zwar zunächst nicht ausdrücklich im Hinblick darauf eingeschränkt, daß der Ausschluß von Geringverdienern i.S. von § 8 SGB IV aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst zulässig ist (BAG, NZA 1996, 992 = AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Da die bisherigen Verdienste des Kl. aber stets weit über der Geringverdienergrenze lagen, kam es hierauf im Rechtsstreit auch nicht an. Wie der Klägervertreter in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, steht diese Begrenzung außer Streit und soll zur Klarstellung in den Antrag aufgenommen werden.
2. Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt. Daß der Antrag keinen Endzeitpunkt für die Versicherungspflicht nennt, ist unschädlich. Der Kl. steht weiterhin im Arbeitsverhältnis bei der Bekl. Er kann einen solchen Endzeitpunkt derzeit nicht benennen.
3. Der Kl. hat für seinen Antrag das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Nachdem die Bekl. bestreitet, daß sie ihm wegen seiner Tätigkeit nach dem 31. 12. 1991 Versorgungsansprüche verschaffen muß, ist die Rechtslage für den Kl. unsicher geworden. Es besteht für ihn ein Bedürfnis, die Rechtslage alsbald zu klären. Es ist für ihn schon vor Eintritt des Versorgungsfalles wichtig zu wissen, welche Versorgungsansprüche ihm später zustehen werden. Vom Umfang seiner Versorgungsansprüche hängt es ab, inwieweit Versorgungslücken entstehen werden, die möglicherweise auch durch private Vorsorgemaßnahmen geschlossen werden müssen (vgl. zuletzt BAG, NZA 1996, 992 = AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu A III 2)).
II. Die Klage ist entsprechend dem zuletzt klargestellten Antrag begründet. Die Bekl. muß dem Kl. im Versorgungsfall die Versorgungsleistungen verschaffen, die ihm zustünden, wenn er auch über den 31. 12. 1991 hinaus bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert worden wäre und darüber hinaus auch weiter - mit Ausnahme etwaiger Zeiten einer die Grenze des § 8 SGB IV nicht überschreitenden Beschäftigung - versichert würde. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 20 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen (TV Ang iöS) i.V. mit § 1 und § 5 des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (im folgenden: Versorgungs-TV).
1. Nach dem Wortlaut dieser Tarifnormen hat der Kl. keinen Anspruch auf Zusatzversorgung wegen der Beschäftigungszeiten nach dem 31. 12. 1991.
a) Nach § 20 TV Ang iöS in der bis zum 31. 12. 1996 geltenden Fassung waren nur solche nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu versichern, die im vorangegangenen Kalenderjahr eine Stundenvergütung für mindestens 1000 Arbeitsstunden erhalten hatten. Diese Voraussetzung erfüllte der Kl. ab 1992 nicht mehr. Dementsprechend sah bis zum 31. 12. 1996 § 5 Versorgungs-TV auch nur vor:
§ 5. Pflicht zur Versicherung bei der VBL. (1) Der Arbeitnehmer ist bei der VBL nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn
a) er das 17. Lebensjahr vollendet hat ...
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind
a) Angestellte, die die Voraussetzungen des § 20 des Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen erfüllen,
b) ...
zu versichern.
b) Seit dem 1. 1. 1997 hat sich an dieser Rechtslage im Ergebnis nichts geändert. § 20 TV Ang iöS schließt zwar nunmehr Arbeitnehmer wie den Kl. von dem Anspruch auf Zusatzversorgung nicht mehr von vornherein aus. Dort heißt es nur noch, die Versicherung zum Zwecke der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung werde durch besonderen Tarifvertrag geregelt. Deshalb gilt ab 1. 1. 1997 auch grundsätzlich der Versorgungs-TV für die Arbeitnehmer, die unter den TV Ang iöS fallen (§ 1 I lit. i Versorgungs-TV). § 5 Versorgungs-TV lautet aber nunmehr:
§ 5. Pflicht zur Versicherung bei der VBL. (1) Der Arbeitnehmer ist bei der VBL nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn er
a) das 17. Lebensjahr vollendet hat,
b) vom Beginn der Pflicht zur Versicherung an bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit nach der Satzung der VBL (Wartezeit) erfüllen kann, wobei frühere Versicherungszeiten, die auf die Wartezeit angerechnet werden, zu berücksichtigen sind ...
(3) Der Angestellte, der unter den Geltungsbereich eines der in § 1 I lit. i und j genannten Tarifverträge fällt, ist nur zu versichern, wenn und solange er in dem jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1000 Stunden erhalten hat; die Zahl der Stunden ist dadurch zu ermitteln, daß die Bezüge (Vergütung, Krankenbezüge und Urlaubsvergütung) des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres durch die für den Angestellten am 31. 12. des vorangegangenen Kalenderjahres maßgebende Stundenvergütung geteilt werden.
2. § 20 TV Ang iöS a.F. und § 5 III Versorgungs-TV n.F. sind wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG nichtig, soweit sie die mehr als geringfügig beschäftigten Angestellten aus der Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst ausnehmen. Der Anspruch des Kl. ergibt sich aus der verbleibenden Grundnorm des § 20 TV Ang iöS und § 5 I Versorgungs-TV. Dabei kann auch für die Zukunft nur von einem Verschaffungs-, nicht von einem bloßen Versicherungsanspruch ausgegangen werden, weil die Satzung der VBL derzeit eine Versicherung für den in § 5 III Versorgungs-TV n.F. genannten Personenkreis nicht vorsieht.
a) Tarifvertragliche Differenzierungen sind am Maßstab des Art. 3 I GG zu überprüfen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (BVerfGE 21, 362 (371f.) = NJW 1967, 1411 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO (zu B II 3a)). Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 III GG steht dem nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Tarifautonomie die Befugnis erhalten, wie der Gesetzgeber Rechtsnormen zu schaffen. Sie müssen sich auch wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 I GG halten (vgl. u.a. BVerfGE 21, 362 (371f.) = NJW 1967, 1411 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO (zu B II 3a); BAGE 42, 217 (220) = AP Nr. 124 zu Art. 3 GG (zu II); BAGE 71, 29 (35) = NZA 1993, 215 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu B I 2a); BAGE 79, 236 (242) = NZA 1996, 48 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu B II 2a)).
b) Der tarifvertragliche Ausschluß von unter den Geltungsbereich des TV Ang iöS fallenden Angestellten aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, wenn sie jährlich aus ihrer Tätigkeit ein Entgelt für weniger als 1000 Arbeitsstunden erzielen, verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG.
aa) Die Tarifvertragsparteien differenzieren bei ihrer Regelung nicht danach, ob Teilzeit- oder Vollzeitarbeit geleistet wurde. Sie stellen auf den Umfang der Teilzeitarbeit ab. Dabei entspricht die tarifliche Regelung für den persönlichen Geltungsbereich des TV Ang iöS im wesentlichen der Regelung, wie sie der Bundes-Angestelltentarifvertrag bis zum 31. 12. 1987 in § 3 lit. q vorgenommen hat: Danach waren aus dem Geltungsbereich des BAT und damit auch aus dem Geltungsbereich des Versorgungs-TV solche Angestellte ausgenommen, die weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu leisten hatten. Dem entspricht für die unter den Geltungsbereich des TV Ang iöS fallenden unregelmäßig beschäftigten Angestellten die dort festgelegte 1000-Stunden-Grenze. Die späteren Änderungen im Bereich des BAT zum 1. 1. 1988 und 1. 4. 1991 haben die Tarifvertragsparteien des TV Ang iöS nicht mehr nachvollzogen.
bb) Die Differenzierung bei der Einräumung von Zusatzversorgungsansprüchen allein nach dem Umfang der Teilzeitarbeit ist sachlich nicht gerechtfertigt, soweit es um die Benachteiligung von mehr als nur geringfügig i.S. von § 8 SGB IV beschäftigten Angestellten geht. Dies hat der Senat in einer Vielzahl von veröffentlichten Entscheidungen zum BAT und zu den Tarifverträgen der Deutschen Bundespost im einzelnen begründet (BAGE 79, 236 = NZA 1996, 48 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAG, NZA 1996, 607 = AP Nr. 222 zu Art. 3 GG; BAG NZA 1996, 992 = AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAG, NZA 1996, 939 = AP Nr. 1 zu § 24 TV Arb Bundespost). Auf zusätzliche Gesichtspunkte hat das bekl. Land in diesem Zusammenhang nicht hingewiesen.
cc) Die Ungleichbehandlung kann entgegen der Auffassung der Bekl. auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß es sich bei den nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzten, die aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgenommen worden sind, typischerweise um Angestellte handelt, die in den öffentlichen Schlachthöfen nur einer Nebentätigkeit nachgehen.
(1) Dabei kann dahinstehen, ob das bekl. Land sich überhaupt auf einen solchen Differenzierungsgrund berufen kann. Es ist nämlich zweifelhaft, ob die Tarifvertragsparteien zwischen einer Haupt- oder einer Nebenbeschäftigung unterscheiden wollten. Sie haben in § 9 TV Ang iöS eine für alle in den Geltungsbereichen des Tarifvertrages fallenden Angestellten unabhängig vom Umfang ihrer Beschäftigung geltende Bestimmung über das Verhältnis der tariflichen Tätigkeit zu einer sonstigen beruflichen Tätigkeit getroffen. Die Tarifvertragsparteien gehen mithin bei allen Angestellten von einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit aus.
(2) Auch wenn man davon ausgeht, daß der Tarifvertrag danach differenzieren wollte, ob der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber hauptberuflich oder nebenberuflich tätig war, führt dies nicht zur sachlichen Rechtfertigung der vorgenommenen Ungleichbehandlung. Der Ausschluß von nebenberuflich tätigen Arbeitnehmern aus der betrieblichen Altersversorgung ist willkürlich. Der Zweck der im Tarifvertrag vorgesehenen Leistungen besteht darin, zur Versorgung der Arbeitnehmer im Alter beizutragen. In der Regel soll auch die Betriebstreue gefördert und belohnt werden. Im Zusammenhang mit diesen Zwecken ergeben sich mögliche Rechtfertigungen für eine Ungleichbehandlung. So kann sachlicher Grund für eine Differenzierung ein typischerweise unterschiedlicher Versorgungsbedarf sein. Es kann auch sachlich gerechtfertigt sein, die Betriebstreue bestimmter Arbeitnehmergruppen besonders zu belohnen, um sie durch die in Aussicht stehende Versorgungsleistung enger an das Unternehmen zu binden. Es gibt aber keinen billigenswerten Grund, einen Arbeitnehmer allein deshalb, weil er noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht, aus der betrieblichen Altersversorgung auszunehmen. Es geht schließlich darum, dem Arbeitgeber als Gegenleistung für Arbeitsleistung und Betriebstreue eine über die sozialversicherungsrechtliche Grundsicherung hinausgehende Versorgung zu gewährleisten. Der für diese Zusatzversorgung maßgebliche Versorgungsbedarf ergibt sich aus dem Lebensstandard des Begünstigten vor Eintritt in den Ruhestand. Jede betrieblich versprochene Versorgungsleistung verringert die Lücke, die sich mit dem Eintritt des Versorgungsfalles zwischen dem durch die letzten Bezüge als aktiver Arbeitnehmer begründeten Lebensstandard und der sozialversicherungsrechtlichen Grundversorgung auftut. Auch ein Zweitberuf, der nur um eines Zusatzverdienstes willen ausgeübt wird, beeinflußt den Lebensstandard des Arbeitnehmers und den im Ruhestand bestehenden Versorgungsbedarf (vgl. BAGE 78, 288 = NZA 1995, 733 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, in dem es um die Anwendung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ging).
Der Senat hat diesen Grundsatz bei der Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes entwickelt (vgl. BAGE 78, 288 = NZA 1995, 733 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Der 5. Senat des BAG hat sich in seinen Urteilen vom 1. 11. 1995 (NZA 1996, 813 = AP Nr. 45 zu § 2 BeschFG1985 und NZA 1996, 816 = AP Nr. 46 zu § 2 BeschFG1985) dieser Rechtsprechung für das laufende Entgelt angeschlossen. Der Grundsatz muß aber auch gelten, soweit es um tarifvertragliche Differenzierungen bei der betrieblichen Altersversorgung geht. Auch hier ist der Umstand, daß die Tätigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt wird, kein sachlich rechtfertigender Grund dafür, die betreffenden Arbeitnehmer von der betrieblichen Zusatzversorgung auszuschließen.
dd) Die Ungleichbehandlung kann auch nicht mit dem im Bereich der Fleischbeschau geltenden unterschiedlichen Entgeltsystem gerechtfertigt werden. Die Bekl. kann sich für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt nicht auf das Urteil des Senats vom 17. 10. 1995 (NZA 1996, 656 = AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) berufen. Dort ging es um den generellen Ausschluß von Fleischbeschautierärzten außerhalb öffentlicher Schlachthöfe aus der zusätzlichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst. Diese Angestellten erhalten nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe ausschließlich Stückvergütung. Dadurch haben die dort tätigen Fleischbeschautierärzte die Möglichkeit, höhere Verdienste je Arbeitsstunde zu erzielen oder ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach ihrem zeitlichen Umfang zu verdichten und sich so Freiräume für ihre freiberufliche Tätigkeit zu verschaffen. Diese Besonderheit hat der Senat als ausreichende sachliche Rechtfertigung für deren generellen Ausschluß aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst angesehen.
Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten haben die Fleischbeschautierärzte, die in öffentlichen Schlachthöfen tätig sind, nicht. Sie erhalten keine Stückvergütung, sondern für jede angeordnete und geleistete Arbeitsstunde einen bestimmten festen Stundensatz. Damit steht mit dem zeitlichen Umfang der im öffentlichen Schlachthof zurückgelegten Arbeitszeit fest, welche Vergütung der angestellte Tierarzt dort verdient hat und welche Arbeitszeit ihm verbleibt, um sie im Rahmen seiner freien Tierarztpraxis zu verwerten. Damit befindet sich ein in einem öffentlichen Schlachthof nicht vollbeschäftigter Angestellter im Grundsatz in derselben Situation wie jede Teilzeitkraft. Eine Besonderheit ergibt sich nur daraus, daß sich die Arbeitszeit des Angestellten nach dem Arbeitsanfall richtet. Der Fleischbeschautierarzt und die sonstigen nicht vollbeschäftigten Angestellten in diesem Bereich werden für ihre Tätigkeiten jeweils abberufen, soweit nicht feste Arbeitszeiten innerhalb der Woche vereinbart worden sind. Dabei kann es auch vorkommen, daß ein Tierarzt einem Abruf durch die Schlachthofleitung nicht nachkommen kann und deshalb ein anderer Tierarzt gerufen werden muß, oder die Fleischbeschauzeit verlegt wird. Dieser Gesichtspunkt kann, wenn es um die Qualifikation eines Beschäftigten als Arbeitnehmer geht, von Bedeutung sein. Für das Entgelt einer Person, die nach dem eindeutigen Wortlaut des Arbeitsvertrages und der in Bezug genommenen Tarifverträge als Arbeitnehmer zu behandeln ist, kann sich daraus aber keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Vergütung ergeben.
ee) Die tarifvertragliche Differenzierung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß die von der Zusatzversorgung ausgeschlossenen Mitarbeiter bis zum 31. 12. 1996 nach § 20a TV Ang iöS einen Zuschuß zu den Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen erhielten. Diese Beitragsleistung ersetzt nur den bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern geschuldeten Beitrag zur gesetzlichen Grundversorgung. Den Ausschluß der betreffenden Angestellten aus der Zusatzversorgung kann sie nicht rechtfertigen. Dies wird auch dadurch deutlich, daß nach § 15 Versorgungs-TV auch die bei der VBL pflichtversicherten Angestellten, die als Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, einen Anspruch auf Zuschuß zu den dortigen Beiträgen haben.
3. § 20 TV Ang iöS a.F. und § 5 III Versorgungs-TV sind nichtig, soweit sie die unter den TV Ang iöS fallenden Angestellten, die mehr als nur geringfügig tätig sind, aus dem Zusatzversorgungswerk ausnehmen. Die anspruchsbegründeten Grundnormen im übrigen sind rechtswirksam. Der Kl. kann sich deshalb hierauf stützen und verlangen, daß ihm im Versorgungsfall eine Zusatzversorgung verschafft wird, als wäre er während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit, soweit er nicht nur geringfügig tätig ist, bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen und würde dort weiterversichert. Die tarifvertragliche Pflicht des bekl. Landes, und nicht etwa die Nichtigkeit der gegen den Gleichheitssatz verstoßenden gesamten Versorgungsregelung, ergibt sich daraus, daß es sich hier nur um eine relativ kleine Personengruppe handelt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unzulässigkeit der von ihnen vorgenommenen Differenzierung gekannt, nicht von dem Versorgungswerk im übrigen abgesehen, sondern den zu Unrecht benachteiligten Personenkreis in den Kreis der Versorgungsberechtigten aufgenommen hätten (so auch schon BAGE 79, 236 (246ff.) = NZA 1996, 48 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zu B III)).
Andererseits ist entgegen der von Wiedemann und Peters vertretenen Auffassung (RdA 1997, 100 (101)) für die Feststellung der Teilnichtigkeit nicht erforderlich, daß das bekl. Land auch nicht vollbeschäftigte Fleischbeschautierärzte beschäftigt, die Vergütung für mehr als 1000 Stunden im Kalenderjahr erzielen und deshalb zusätzlich versorgt werden. Bei der Prüfung eines Tarifvertrages anhand des Gleichheitssatzes kommt es auf den Anwendungsbereich des Tarifvertrages, nicht auf das den Tarifvertrag anwendende Unternehmen oder dessen Betrieb an (vgl. auch Senat, NZA 1996, 656 = AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
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