Verfassungsmäßigkeit vertragsärztlicher Bedarfsplanung in überversorgten Gebieten

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 03. 1998


Aktenzeichen

B 6 KA 37/96 R


Leitsatz des Gerichts

  1. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Gebieten ist mit der Verfassung vereinbar.

  2. Die Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sind wirksame untergesetzliche Rechtsnormen.

  3. Für Ärztinnen, die durch Ehe und Kindererziehung ortsgebunden sind, sind Ausnahmen von Zulassungsbeschränkungen nicht vorgesehen und auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., deren Ehemann als niedergelassener Gynäkologe in A. tätig ist, war nach ihrer Approbation (April 1975) als Assistenzärztin in Krankenhäusern angestellt, ehe sie im Jahr 1978 ihr erstes Kind und in der Folgezeit bis 1988 weitere Kinder gebar. Ihren Antrag vom September 1993 auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als praktische Ärztin in A. - mit dem Ziel der Praxiseröffnung zum 1. 1. 1994 - lehnte der Zulassungsausschuß ab, ihren Widerspruch wies der bekl. Berufungsausschuß zurück (Beschlüsse vom 13. 12. 1993 und 14. 9. 1994). In dessen Bescheid ist ausgeführt, daß ihrer Zulassung die für den dortigen Bereich angeordneten Zulassungsbeschränkungen für die Gebietsarztgruppe der Ärzte/praktischen Ärzte/Ärzte für Allgemeinmedizin entgegenstünden und sie keinen Sonderbedarf geltend gemacht habe. Die Ablehnung der Zulassung stelle für sie auch keine unbillige Härte dar; diese könne nicht schon darin gesehen werden, daß ihr bei früherer Antragstellung (bis zum 31. 1. 1993, dem Ablauf der Übergangsfrist des Art. 33 § 3 I 1 GSG vom 21. 12. 1992, BGBl I, 2266) die Zulassung möglicherweise hätte erteilt werden müssen.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... Der Bekl., dessen Entscheidung allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 96 Nr. 1, S. 5f.), hat es zu Recht abgelehnt, die Kl. in A. als praktische Ärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. Ihrem Begehren steht gem. § 19 I 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) die dort für die Allgemein- und praktischen Ärzte angeordnete Zulassungsbeschränkung entgegen.

Die Regelungen über die Zulassungsbeschränkungen und die ihr zugrundeliegende Bedarfsplanung ergeben sich aus §§ 99 ff. SGB V i.V.mit §§ 12 ff. Ärzte-ZV und aus den aufgrund von §§ 91 I 2 Nr. 9, 101 I und II SGB V zu erlassenden und bereits erlassenen Richtlinien über die Bedarfsplanung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte vom 9. 2. 1993, BAnz. Nr. 110a vom 18. 6. 1993, mit späteren Änderungen).

Für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad legt der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien Verhältniszahlen fest (§ 101 I Nr. 1 SGB V), und zwar für die verschiedenen Arztgruppen getrennt, jeweils nach dem Verhältnis der Zahl der Einwohner zur Zahl der Kassen- und Vertragsärzte nach dem Stand vom 31. 12. 1990 Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte Nr. 7 und 8, mit Modifizierungen nach der mehr städtischen oder ländlichen Gebietsart gem. Nrn. 9, 10, 12). Die Abgrenzung der Planungsbereiche erfolgt in Anlehnung an die kommunalen Gliederungen (§ 101 I 5 SGB V , § 12 III 2 Ärzte-ZV i.V.mit Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte Nrn. 5 und 11 i.V.mit Anlage 3). Wenn in einem Planungsbereich der bedarfsgerechte Versorgungsgrad bei einer Arztgruppe um 10% überschritten wird, liegt eine Überversorgung vor (§ 101 I 2 SGB V, § 16b I Ärzte-ZV i.V. mit Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte Nrn. 13 bis 15, 20, 21, mit Modifizierungen nach Nrn. 16 bis 19), und der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen ordnet für diesen Bereich und diese Arztgruppe Zulassungsbeschränkungen an (§ 103 II und II SGB V , § 16b II und IV Ärzte-ZV).

Zulassungsbeschränkungen sind bisher in keiner Arztgruppe für alle Planungsbereiche angeordnet worden. Somit ist in keinem Fachgebiet dem Arzt die Möglichkeit der Zulassung völlig versperrt. Vielmehr hat es bislang für jede Arztgruppe noch immer eine nennenswerte Zahl zugänglicher Planungsbereiche gegeben (vgl. die Meldungen der Kassenärztlichen Vereinigungen über den Stand Anfang 1998: 25% offene Planungsbereiche [Anfang 1997: 28%], zusammengestellt in DtÄrzteBl 1998, Beil. zu H. 22/1998, S. 5). Nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen im Berufungsurteil sind nur 60 bis 70% der Planungsbereiche gesperrt. Dies gilt auch für die hier betroffene Arztgruppe der Allgemein- und praktischen Ärzte. Wie sich aus der genannten Zusammenstellung ergibt, waren Anfang 1998 bei den Allgemein- und praktischen Ärzten 42% der Planungsbereiche offen (Anfang 1997: 37%). Im SG-Urteil sind Planungsbereiche angeführt, in denen für praktische Ärzte keine Zulassungsbeschränkungen bestehen (nach den Feststellungen des SG z.B. die umliegenden Bereiche des E.-Kreises und der Städte K. und M.). Seit dem 1. 7. 1997 ist auch gesetzlich abgesichert, daß für jeden Arztgruppe eine ausreichende Zahl von Planungsbereichen zugänglich bleibt. Gem. § 101 II Nr. 3 SGB V (eingefügt durch Art. 1 Nr. 35b des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. 6. 1997 - BGBl I, 1520) muß der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung für eine ausreichende Mindestzahl von Ärzten in den einzelnen Arztgruppen gewährleistet blieben, weshalb nötigenfalls die bedarfsbezogenen Verhältniszahlen anzupassen oder neu festzulegen sind. Mithin können sich aus den Zulassungsbeschränkungen keine „absoluten„ Zugangshindernisse ergeben. Es handelt sich vielmehr nur um örtliche Zulassungssperren.

Die Zulassungsbeschränkung steht nach § 19 I 2 Ärzte-ZV dem Begehren der Kl. entgegen, denn ihre Zulassung hat sie im September 1993 - mit dem Ziel der Praxiseröffnung zum 1. 1. 1994 - und damit erst nach der Anordnung der Zulassungsbeschränkung beantragt. Diese hatte - wie im Berufungsurteil festgestellt - der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für den Planungsbereich der Stadt A. im Juni 1993 aufgrund der dortigen Überversorgung für Allgemein- und praktische Ärzte getroffen. Die Kl. hat keinen Anspruch nach Art. 33 § 3 I GSG, ungeachtet angeordneter Zulassungsbeschränkungen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden. Diese Regelung gilt nur für solche Ärzte, die ihren Zulassungsantrag bis zum 31. 1. 1993 gestellt hatten (s. hierzu BSGE 79, 152 [153] = SozR 3-2500 § 103 Nr. 1, S. 2; BSGE 81, 207 = MedR 1998, 340). Anhaltspunkte dafür, daß ein Sonderbedarf vorliegen und deshalb eine ausnahmsweise Zulassung möglich sein könnte (vgl. § 101 I Nr. 3 SGB V i.V.mit Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte), sind auf der Grundlage der Feststellungen des LSG ebenfalls nicht ersichtlich. Von der Kl. wird ein Sonderbedarf auch nicht geltend gemacht.

Ein Anspruch der Kl., trotz der Zulassungsbeschränkungen zugelassen zu werden, läßt sich nicht aus verfassungsrechtlichen Gewährleistungen herleiten. Die gegen die Zulassungsbeschränkungen und die ihr zugrundeliegende Bedarfsplanung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Ein Verstoß gegen Art. 12 I GG liegt nicht vor. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Einzelregelungen in Richtlinien enthalten sind. Ebensowenig ist Art. 6 GG verletzt.

Was den grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG betrifft, so begrenzen die Zulassungsbeschränkungen nicht die stärker geschützte Freiheit der Berufswahl, sondern lediglich die Berufsausübung (zur Stufentheorie grundlegend BVerfGE 7, 377 [403ff.] = NJW 1958, 1035): Wird der Zugang nur zur Kassen- bzw. vertragsärztlichen Tätigkeit und nicht zum Arztberuf insgesamt eingeschränkt, so ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und des Senats lediglich die Berufsausübung und nicht die Berufswahl betroffen (BVerfGE 11, 30 [41ff.] = NJW 1960, 715; BSGE 73, 223 [226] = NZS 1994, 329 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 4). Innerhalb der Berufsausübungsregelungen bestehen Abstufungen hinsichtlich des erforderlichen Gewichts der den jeweiligen Eingriff rechtfertigenden Gründe. So werden erhöhte Anforderungen gestellt, falls die Beschränkungen der Berufswahl nahekommen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Zugang zur kassen- bzw. vertragsärztlichen Tätigkeit - wie bis zum Jahre 1960 - umfassend gesperrt wird (BVerfGE 11, 30 [42-45] = NJW 1960, 715; ebenso BVerfGE 12, 144 [147] = NJW 1961, 967). Als berufswahlnahe Regelung hat der erkennende Senat auch die gesetzliche Zulassungssperre für über 55 Jahre alte Ärzte angesehen (BSGE 73, 223 [226] = NZS 1994, 329 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 4; vgl. ferner - betr. Großgeräte-Standortplanung - BSGE 70, 285 [303f.] = NJW 1993, 814 L = NZS 1993, 127 = SozR 3-2500 § 122 Nr. 3, S. 22f.). Ein Eingriff, der einer Beschränkung der Berufswahl nahekommt, liegt demgegenüber bei den Zulassungsbeschränkungen aufgrund der §§ 99 ff. SGB V, §§ 12ff. Ärzte-ZV nicht vor (ebenso z.B. Hesse, in: KassKomm, § 103 SGB V Rdnr. 3). Denn es handelt sich, wie dargestellt, nicht um absolute Zugangshindernisse, sondern lediglich um örtliche Zulassungsbeschränkungen. Dem Vertragsarzt ist der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung nur in bestimmten Planungsbereichen verwehrt, in anderen dagegen nicht. Es verhält sich hier ebenso wie bei anderen Berufen, bei denen nicht an jedem Ort, sondern nur in bestimmten Bereichen noch freie Arbeitsplätze zu finden sind. In dem Bestehen nur örtlicher Zulassungsbeschränkungen zeigt sich ein maßgeblicher Unterschied gegenüber den Zulassungsbeschränkungen, die Gegenstand des Kassenarzt-Urteils des BVerfG vom 23. 3. 1960 (BVerfGE 11, 30 = NJW 1958, 1035) waren und die die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung im gesamten Bundesgebiet vom Vorliegen eines Bedarfs aufgrund von starren Verhältniszahlen abhängig gemacht hatten.

Die strengeren Rechtmäßigkeitsanforderungen, die bei berufswahlnahen Ausübungsregelungen für Beschränkungen gem. Art. 12 I 2 GG erfüllt sein müssen, gelten mithin für die hier maßgeblichen Zulassungsbeschränkungen der §§ 99 ff. SGB V, §§ 12ff. Ärzte-ZV nicht. Zur Rechtfertigung dieser nur örtlichen Zugangssperren reicht es vielmehr aus, wenn den allgemein für Berufsausübungsregelungen geltenden Anforderungen entsprochen ist. Sie müssen durch ausreichende Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen; das gewählte Mittel muß also zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sowie erforderlich sein. Ferner muß bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein (vgl. z.B. BVerfGE 94, 372 [390] = NJW 1996, 3067; BVerfGE 70, 1 [28] = NJW 1986, 772; BVerfGE 68, 193 [218] = NJW 1985, 1385; ebenso BSGE 80, 256 [261] = NZS 1998, 143 = SozR 3-2500 § 73 Nr. 1, S. 6f.).

Eine Überprüfung anhand dieser Maßstäbe ist den Gerichten allerdings nur begrenzt möglich. Es ist vorrangig die Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob und welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Ihm steht dabei eine weitgehende Gestaltungsfreiheit sowie ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl. BVerfGE 77, 84 [106] = NJW 1988, 1195; BSGE 73, 223 [226f., 229] = NZS 1994, 325 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 4f. [7]; BSGE 80, 9 [14] = SozR 3-2500 § 98 Nr. 4, S. 13). Nur wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, daß sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können, wenn also die Einschätzung des Gesetzgebers unvertretbar ist, können die Gerichte diese beanstanden (BVerfGE 91, 1 [29] = NVwZ 1995, 1077; BVerfGE 77, 84 [106] = NJW 1988, 1195; BSGE 73, 223 [227] = NZS 1994, 329 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 4).

Nach den vorgenannten Grundsätzen stellen die mit dem Gesundheitsstrukturgesetz eingeführten Zulassungsbeschränkungen (§§ 99 ff. SGB V, § 12ff. Ärzte-ZV) rechtmäßige Berufsausübungsregelungen i.S. des Art. 12 I 2 GG dar. Ihnen liegen ausreichende Erwägungen des Gemeinwohls zugrunde, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt.

Der Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes hat sich veranlaßt gesehen, der dramatischen finanziellen Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenzuwirken (Begr. Entwurf zum GSG, BT-Dr 12/3608, S. 66, 72, 97). Er ist - gestützt auf gutachterliche Stellungnahmen der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung„ und des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen - zu der Auffassung gelangt, daß ein wesentlicher Grund für die dramatische Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung in dem Überangebot von Vertragsärzten liege. Die Ausgaben stiegen nämlich mit wachsender Arztzahl, weil der Arzt das Angebot und zugleich die Nachfrage nach medizinischen Leistungen mitbestimme (sog. angebotsinduzierte Nachfrage, BT-Dr 12/3608, S. 72, 97f.). Daraus hat der Gesetzgeber gefolgert, daß der Ausgabenentwicklung durch eine Beschränkung der Zahl der Ärzte begegnet werden müsse, weil gleich wirksame andere Maßnahmen - wie Vergütungsregelungen - nicht vorhanden seien (BT-Dr 12/3608, S. 98f.). Deshalb hat er - neben anderen Maßnahmen, die direkt der Ausgabenbegrenzung dienen (BT-Dr 12/3608, S. 159f.) - den weiteren Zugang von Kassen- bzw. Vertragsärzten in überversorgten Gebieten begrenzt, um eine dauerhafte finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen und zur Beitragssatzstabilität beizutragen (BT-Dr 12/3608, S. 160f. i.V. mit S. 96ff.).

Die Einschätzung und Prognose des Gesetzgebers, daß eine Begrenzung des Zugangs von Ärzten zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen werde, hat der Senat schon früher seinen Entscheidungen zugrunde gelegt und nicht beanstandet. Hieran wird festgehalten. Im Urteil vom 24. 11. 1993 (BSGE 73, 223 [227ff.] = NZS 1994, 329 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 5ff.) wird auf den in zahlreichen Untersuchungen herausgearbeiteten Mechanismus der „anbieterinduzierten Nachfrage„ hingewiesen, wonach Ärzte in überversorgten Gebieten sich veranlaßt sehen könnten, die infolge geringerer Patientenzahlen je Arzt drohenden Einkommenseinbußen durch eine Ausweitung ihres Leistungsvolumens je Patient auszugleichen. Daher kann eine Begrenzung der Zahl der Vertragsärzte entscheidend dazu beitragen, den als untragbar angesehenen Ausgabenzuwachs in der gesetzlichen Krankenversicherung einzudämmen. Der Einwand, daß es - z.B. im Wege von Veränderungen im Vergütungssystem - andere gleich wirksame, aber weniger fühlbare Eingriffe gegeben hätte, greift nicht durch (BSGE 73, 223 [229f.] = NZS 1994, 329 = SozR 3-550 § 25 Nr. 1, S. 7f.). Auf diese Bewertungen hat der Senat in seinem Urteil vom 18. 12. 1996 Bezug genommen. Wie dort ausgeführt worden ist, sind die Einschätzungen zwar nicht unwidersprochen geblieben, aber auch nicht widerlegt worden (vgl. BSGE 80, 9 [12f.] = SozR 3-2500 § 98 Nr. 4, S. 12 für den zahnärztlichen Bereich). Sie sind ausreichend plausibel und hinsichtlich ihrer prognostischen Aussagen vertretbar (BSGE 73, 223 [229] = NZS 1994, 329 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 1, S. 7). Hieran hat sich bis heute nichts geändert (ebenso z.B. Breyer/Zweifel, Gesundheitsökonomie, 2. Aufl. [1997], S. 143, 145, 242ff., 258). Mithin ist die Annahme des Gesetzgebers, daß sich durch eine Beschränkung der Zahl der Ärzte eine - durch die Morbiditätsentwicklung der Versicherten und den medizinischen Fortschritt nicht gerechtfertigte - Ausweitung der Leistungen und damit auch der Anstieg der Kosten begrenzen lasse, von seinem Einschätzungs- und Prognosespielraum gedeckt und kann nicht beanstandet werden.

Da die Regelungen über örtliche Zulassungsbeschränkungen zur finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung beitragen sollen, dienen sie einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (BVerfGE 68, 193 [218] = NJW 1985, 1385; BVerfGE 70, 1 [30] = NJW 1986, 772; BVerfGE 82, 209 [230] = NJW 1990, 2306; ferner BVerfGE 77, 84 [107] = NJW 1988, 1195, der sogar Eingriffe, die Beschränkungen der Berufswahl nahekommen, rechtfertigen würde (vgl. BVerfGE 77, 84 [106ff.] = NJW 1988, 1195; BVerfGE 82, 209 [229ff.] = NJW 1990, 2306). Mithin ist er auf jeden Fall eine tragfähige Grundlage zur Rechtfertigung von örtlichen Zulassungsbeschränkungen, die sich nur als Berufsausübungsregelung erweisen. Demgemäß hat der Senat bereits in zwei früheren Urteilen ausgeführt, daß die Vereinbarkeit von Zulassungsbeschränkungen mit dem Grundrecht der zulassungswilligen Ärzte aus Art. 12 GG sich erst dann als problematisch darstellen würde, wenn ein Arzt seinen Zulassungswunsch weder an dem von ihm gewünschten Ort noch in einem anderen Planungsbereich verwirklichen könnte (BSGE 79, 152 [156f.] = SozR 3-2500 § 103 Nr. 1, S. 7f.; BSGE 81, 207 = MedR 1998, 340).

Die Vereinbarkeit der örtlichen Zulassungsbeschränkungen mit Art. 12 I GG kann auch nicht mit Blick auf das in Satz 1 der Vorschrift besonders genannte Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes in Frage gestellt werden. Dieses gewährt keinen grundsätzlich erhöhten Schutz, zumal keinen Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl (vgl. BVerfGE 84, 133 [146f.] = NJW 1991, 1667; s. auch BVerfGE 85, 360 [372f.] = NJW 1992, 1373; BVerfGE 92, 140 [150f.] = DtZ 1995, 277). Es kann jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art nicht verletzt sein, in denen - wie ausgeführt - die Beschränkungen durch den wichtigen Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt sind. Die Zulassungsbeschränkungen unterliegen auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil - wie oben dargestellt - gem. § 92 I 2 Nr. 9, §§ 99 , 101 SGB V, § 12 III Ärzte-ZV zahlreiche Regelungen in Richtlinien des Bundesausschlusses der Ärzte und Krankenkassen enthalten sind. Der erkennende Senat geht im Ergebnis ebenso wie der 1. Senat des BSG (BSGE 81, 54 [64] = NJW 1999, 1805 = SozR 3-2500 § 135 Nr. 4, S. 20; BSGE 81, 73 [84] = NJW 1998, 2765 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 7, S. 60) davon aus, daß sich dem Grundgesetz nicht das Verbot entnehmen läßt, für einen begrenzten Sachbereich Satzungsautonomie auch auf eine Einrichtung zu übertragen, die von zwei Körperschaften gebildet und durch diese demokratisch legitimiert ist. Einer solchen Einrichtung kann die Befugnis zur Satzungsgebung eingeräumt werden, wenn von den Mitgliedern beider Körperschaften her eine (verbands-)demokratische Legitimation besteht. Dann kann die Einrichtung verbindliche Regelungen gegenüber den Mitgliedern beider Körperschaften treffen, und die Bindungswirkung kann auch auf die Mitglieder jeweils nachgeordneter weiterer Körperschaften erstreckt werden. Eine derartige Struktur weist der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen auf, dem die Befugnis eingeräumt ist, Regelungen mit normativer Wirkung für die ihn tragenden Körperschaften und für deren Mitglieder sowie für die Angehörigen der weiteren nachgeordneten Körperschaften zu erlassen. Der Bundesausschuß kann Richtlinien erlassen mit bindender Wirkung sowohl für die Kassenärztliche Vereinigung und ihre Mitglieder - die Ärzte - als auch für die Krankenkassen und ihre Mitglieder - die Versicherten -. Von beiden Gruppen her, sowohl von den Ärzten als auch von den Versicherten, besteht eine ausreichende (verbands-)demokratische Legitimation. Hierfür ist - in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Demokratieprinzip - eine kontinuierliche (ununterbrochene) Legitimiationskette erforderlich, wobei ein nur mittelbarer Legitimationszusammenhang - eventuell vermittelt über mehrere Stufen - grundsätzlich ausreicht (vgl. BVerfGE 47, 253 [275] = NJW 1978, 1967; BVerfGE 52, 95 [130]; 77, 1 [40] = NJW 1988, 890; BVerfGE 83, 60 [72f.] = NJW 1991, 159). Eine solche Kette ergibt sich bei den betroffenen Ärzten dadurch, daß diese ihre Vertreter in die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung wählen (§ 80 I 1 SGB V), diese ihrerseits Vertreter in die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) wählt (§ 80 I 2 SGB V) und diese wiederum ihre Vertreter in den Bundesausschuß wählt (§ 5 II der Satzung der KÄBV). Eine demokratische Legitimation besteht im übrigen aber auch (entgegen Ossenbühl, NZS 1997, 497 [502]) bei den Versicherten. Diese wählen im Rahmen der Sozialversicherungswahlen (§ 45 IV) ihre Vertreter in den Verwaltungsrat der Krankenkasse ( §§ 46 i.V. mit 31 IIIa SGB IV), dieser wählt dann - sofern die Krankenkasse nicht ohnehin die Rechte und Pflichten des Landesverbandes wahrnimmt - seine Vertreter in den Verwaltungsrat des Landesverbandes (§ 209 II 2 i.V. mit III SGB V), dieser wiederum wählt seine Vertreter in den Verwaltungsrat des Bundesverbandes der Krankenkassen (§ 215 I 1 SGB V), und dieser bestimmt seine Vertreter für die Bundesausschüsse (vgl. z.B. § 12 VII Nr. 4 der Satzung des AOK-Bundesverbandes). Die Schlußfolgerung, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen aufgrund seiner Struktur als gemeinsames Gebilde der ihn tragenden Körperschaften - der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen - verbanddemokratisch legitimiert ist und dadurch die Verleihung autonomer Rechtsetzungsbefugnisse keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, läßt sich zusätzlich stützen durch den folgenden Vergleich. Die gleichen Ergebnisse und normativen Wirkungen hätte der Gesetzgeber erreichen können, indem er die Körperschaften ermächtigt, durch Verträge miteinander bindende Normen für ihre jeweiligen Mitglieder und diejenigen der weiteren nachgeordneten Körperschaften zu schaffen (sog. Normsetzungsverträge, vgl. zu deren Zulässigkeit zusammenfassend BSGE 81, 73 [83f.] = NJW 1998, 2765 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 7, S. 59). In der Weise zu differenzieren, daß zwar diese Struktur zulässig, die Bildung eines körperschaftsübergreifenden Ausschusses und der Erlaß untergesetzlicher Normen durch ihn aber unzulässig sein könnte, wäre verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Vor dem Hintergrund dieser Legitimationsbasis hat der Senat schon bisher die Befugnis des Bundesausschusses zur Normkonkretisierung anerkannt, auch gerade im Bereich der Bedarfsplanung (vgl. Senat, NJW 1998, 854 L = SozR 3 - 2500 § 101 Nr. 1, S. 3; BSGE 81, 207 = MedR 1998, 340). Er hat damit an seine Entscheidung zu den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL) abgeknüpft (vgl. das sog. Methadon-Urteil vom 20. 3. 1996, BSGE 78, 70 [74ff.] = NJW 1997, 823 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6, S. 29ff.). Ebenso haben auch andere Senate des BSG die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen als Maßstab richterlicher Kontrolle angesehen, ihre Bindungswirkung also grundsätzlich bejaht (betr. NUB-RL, BSGE 81, 54 [63ff.] = NJW 1999, 1805 = SozR 3-2500 § 135 Nr. 4, S. 18ff.; BSGE 81, 73 [80ff.] = NJW 1998, 2765 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 7, S. 55ff., ebenfalls betr. NUB-RL 10. Senat, Beschl. v. 9. 12. 1997 - 10/4 BK 1/96; s. weiterhin schon früher im Grundsatz ebenso, wenn auch mit anderer Begründung 4. Senat, BSGE 73, 271 [287ff.] = NZS 1994, 507 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4, S. 27ff. betr. Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses; vgl. ferner 3. Senat, NJW 1999, 1811, betr. NUB-RL mit Bezugnahme auf die Urteile des 1. und des 6. Senats).

Der Senat hat es auch gebilligt, daß die Regelungen in den Richtlinien des Bundesausschusses nicht nur für diejenigen verbindlich sind, die bereits an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und dadurch in den Selbstverwaltungsgremien und auch in dem Bundesausschuß repräsentiert sind, sondern normative Wirkung gegenüber weiteren Betroffenen entfalten. Eine derartige Geltung - auch als Außenseitererstreckung bezeichnet - ist jedenfalls dann zulässig, wenn den Richtlinien-Bestimmungen gesetzliche Vorschriften zugrunde liegen, die deren Inhalt, Zweck und Ausmaß vorgeben und in denen die wesentlichen Fragen geregelt sind. Dieses Erfordernis hat der Senat in seinen Urteilen vom 19. 3. 1997 und vom 3. 12. 1997 bei den für jene Fälle maßgeblichen Bestimmungen der Bedarfsplanungs-Richtlinien als erfüllt angesehen und sie dementsprechend seinen Entscheidungen über Klagen auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zugrunde gelegt (BSG, NJW 1998, 854 L = SozR 3-2500 § 101 Nr. 1, S. 3; jeweils anknüpfend an BSGE 78, 70 [80, 83f.] = NJW 1997, 823 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6, S. 35, 38f.).

Entsprechende engmaschige Gesetzesvorgaben, die die Geltung gegenüber Außenstehenden rechtfertigen, bestehen auch für diejenigen Vorschriften der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte, die Maßstab für das von der Kl. - als noch Außenstehender - geltend gemachte Zulassungsbegehren sind (vgl. deren 2., 3. und 4. Abschnitt). Die gesetzlichen Regelungen ergeben sich aus dem SGB V und der Ärzte-ZV (die insoweit als Gesetz erlassen ist, vgl. Art. 9 GSG, Art. 102 des EWR-Ausführungsgesetzes vom 27. 4. 1993, BGBl I, 512, 2436, Art. 14 des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. 6. 1997, BGBl I, 1520). In § 92 I 2 Nr. 9 SGB V ist allgemein bestimmt, daß der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen - und ebenso der Bundesausschuß der Zahnärzte und Krankenkassen - Richtlinien über die Bedarfsplanung beschließt. Die Vorschriften der § 99 , 101 I und II SGB V, § 12 Ärzte-ZV enthalten nähere Vorgaben für den Inhalt der Bedarfspläne und für die Abgrenzung der Planungsbereiche (vgl. zu letzterem BSGE 81, 207 = MedR 1998, 340) sowie für die Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zur Feststellung des allgemeinen Versorgungsgrades und der Überversorgung. Darin ist z.B. angeordnet, daß Verhältniszahlen für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad festzulegen und bei Änderung maßgeblicher Umstände - oder auch zur Gewährleistung des Zugangs einer ausreichenden Mindestzahl von Ärzten in den einzelnen Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung - anzupassen bzw. neu festzulegen sind (§ 101 I Nr. 1 SGB V und dessen Ergänzung durch den am 1. 7. 1997 in Kraft getretenen Abs. 2). Gesetzlich geregelt ist auch, daß eine Überversorgung anzunehmen ist, wenn der allgemeine Versorgungsgrad um 10% überschritten ist (§ 101 I 2 SGB V, § 16b I Ärzte-ZV), und daß bei Überversorgung Zulassungsbeschränkungen - räumlich begrenzt und fachgruppenbezogen - anzuordnen sind (§ 103 I und II SGB V, § 16b II und IV Ärzte-ZV).

Bei einem so dichten Gesetzesprogramm (vgl. BSGE 78, 70 [83] = NJW 1997, 823 L = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6, S. 38f.) ist es unbedenklich, daß die Richtlinien-Bestimmungen im Sinne einer sog. Außenseitererstreckung auch Wirkung für Dritte entfalten, nämlich auch für diejenigen Ärzte, die bisher noch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und dadurch nicht in den Selbstverwaltungsgremien und dem Bundesausschuß repräsentiert sind, sondern ihre Zulassung erst erreichen wollen.

Aus Art. 6 GG ergibt sich ebenfalls kein Verfassungsverstoß. Zulassungsbewerber können auch dann, wenn bei ihnen familiäre Beziehungen berührt werden, darauf verwiesen werden, in anderen nicht gesperrten Planungsbereichen ihre Zulassung zu beantragen. Zwar stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Abs. 1), und jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (Abs. 4). Indessen ist der Gesetzgeber nicht gehalten, alle mit der Mutterschaft und/oder Kindererziehung zusammenhängenden wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen (vgl. z.B. BVerfGE 60, 68 [74] = NJW 1982, 1863; BVerfG, NVwZ 1997, 54 [55]). Vielmehr steht ihm bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln er dem Schutzauftrag des Art. 6 GG nachkommt, eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Er kann und muß auch andere öffentliche Belange mitberücksichtigen, wobei eine Güterabwägung vorzunehmen ist (BVerfG, NVwZ 1997, 54 [55] m.w. BVerfG-Angaben). So ist auf den Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, dem das BVerfG hohe Bedeutung beimißt (BVerfGE 68, 193 [218] = NJW 1985, 1385; BVerfGE 70, 1 [30] = NJW 1986, 722; BVerfGE 82, 209 [229ff.] = NJW 1990, 2306; ferner BVerfGE 77, 84 [107] = NJW 1988, 1195), Rücksicht zu nehmen und in Rechnung zu stellen, daß es dem Gemeinwohlbelang dient, die Bedarfsplanung praktikabel sowie in ihren Auswirkungen überschaubar und die Ausnahmetatbestände in engen Grenzen zu halten. Deshalb kann es nicht beanstandet werden, wenn der Gesetzgeber auf Ausnahmeregelungen zugunsten familiär betroffener Zulassungsbewerber verzichtet hat. Von solchen Ausnahmebestimmungen hat der Gesetzgeber zumal deshalb absehen dürfen, weil die nachteiligen Rechtsfolgen von Zulassungsbeschränkungen nur reflexartig und mittelbar auf die familiären Beziehungen einwirken, mithin nicht die abwehrrechtliche Komponente des Art. 6 GG, sondern lediglich dessen weniger strikten Gehalt als wertentscheidende Grundsatznorm betreffen (vgl. hierzu BVerfGE 80, 81 [92] = NJW 1989, 2195; s. auch BVerfGE 87, 1 [35] = NJW 1992, 2213).

Im Rahmen der Güterabwägung ist gegenüber Ausnahmeregelungen für familiär betroffene Zulassungsbewerber auch zu beachten, daß deren bevorzugte Zulassung andere Bewerber zurücksetzen würde, so daß diese um so intensiver in ihrem Grundrecht aus Art. 12 I GG betroffen wären. Aufeinandertreffende Grundrechtspositionen gegeneinander abzuwägen und abzugrenzen, ist eine dem Gesetzgeber obliegende Aufgabe (BVerfGE 83, 130 [142] = NJW 1991, 1471). Eine Beanstandung wäre nur möglich, wenn die zugrundeliegende Gewichtung und Güterabwägung ersichtlich fehlsam wäre (BVerfGE 80, 137 [159f.] = NJW 1989, 2525). Ein solcher Fehlgriff kann indessen bei der gesetzgeberischen Entscheidung gegen eine Sonderregelung für familiär betroffene Zulassungsbewerber nicht festgestellt werden.

Bei alledem ist zu berücksichtigen, daß der Fall, in dem eine Ärztin, bedingt durch Schwangerschaft und/oder Kindererziehung, nicht bis zum 31. 1. 1993 alle Qualifikationsvoraussetzungen erlangen konnte, anders liegt als der Fall, daß eine Ärztin - wie die Kl. - am 31. 1. 1993 schon alle Qualifikationsvoraussetzungen erlangt und nur den Antrag noch nicht gestellt hatte. Ob beide Fallgestaltungen gleich liegen oder ob für die erstgenannten Fälle eine andere Beurteilung in Betracht kommen und möglicherweise eine Sonderregelung erforderlich sein könnte, bedarf hier aber keiner Entscheidung (für derartige Fälle sind im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Psychotherapeuten in das SGB V Ausnahmevorschriften vorgesehen: § 95 XIa und XIb SGB V des Gesetzentwurfs, BT-Dr 13/9212, S. 21f.; vgl. auch § 125b I BRRG und hierzu BVerfG, NVwZ 1997, 54). Im übrigen hätte die Kl., da sie schon länger aller Voraussetzungen erfüllte, bis zum 31. 1. 1993 ihre Zulassung beantragen und dann mit der Praxiseröffnung bis zum 1. 10. 1993 warten können (vgl. Art. 33 § 3 I GSG). Dies hätte sie nicht wesentlich früher zur Aufnahmeder Praxistätigkeit gezwungen, als sie dies mit ihrem Zulassungsantrag vom September 1993 - zum 1. 1. 1994 - ohnehin plante.

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

GG Art. 6, 12, 20 II; SGB V §§ 92 I, 99, 101, 103; Ärzte-ZV §§ 12, 16b, 19 I