Versendung von Informationsmaterial über Krebstherapie an fremde Patienten - Patientenwerbung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

09. 07. 1998


Aktenzeichen

I ZR 72/96


Leitsatz des Gerichts

Ein Arzt, der Informationsmaterial über eine von ihm entwickelte, angebotene und angewandte Krebstherapie an Kranke versenden läßt, die nicht seine Patienten sind, dies aber möglicherweise werden können, betreibt grundsätzlich eine berufswidrige Werbung für die eigene Praxis und handelt dadurch auch wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl. betreibt in M. eine Arztpraxis. Er leitet als ärztlicher Direktor das Institut für I und Z. In der Zeitschrift D erschien ein Bericht über eine Selbsthilfegruppe für Krebskranke, in dem behauptet wurde, von den 40 vom Krebs geheilten Mitgliedern der Gruppe verdanke die Hälfte ihr neues Leben dem Bekl. und seiner „ATC-Killerzellen-Therapie“. Am Schluß des Artikels wurde eine Telefonnummer der Selbsthilfegruppe angegeben und auf eine „ATC-Info-Hotline für medizinische Fragen im Institut für I und Z“ mit der im Antrag genannten Rufnummer hingewiesen. Die klagende Landesärztekammer hat behauptet, Anrufer wie die Zeugin K hätten Schreiben des Instituts für I und Z unter Beifügung der im Klageantrag benannten Druckschriften zu der von dem Bekl. angewandten „Krebstherapie mit autologen Target-Cytokinen (ATC)“ erhalten. So sei an die Zeugin K das nachstehend wiedergegebene Schreiben mit den darin genannten Anlagen versandt worden:

„Sehr geehrte Damen und Herren, wunschgemäß senden wir Ihnen Informationsmaterial zur ATC-Therapie In der Anlage finden Sie (1) eine allgemein gehaltene Erläuterung zur ATC-Therapie; (2) die wissenschaftlichen Ergebnisse aus der Universität M zur Produktion autologer Interleukine durch körpereigene Blutzellen über das ATC-Verfahren; (3) eine frühe Arbeit unserer Arbeitsgruppe aus dem Jahre 1980: die Erstbeschreibung zum routinemäßigen Labor-Nachweis von Tumorzellen aus dem strömenden Blut am Beispiel des malignen Melanoms, wie dies auch bei allen anderen Tumorformen möglich ist; (4) eine Bestätigung dieser zu 3 durch das D-Zentrum, zeitgleich In „S“ und in „D“ publiziert; (5) eine Übersichtsarbeit zur Verwertung korpereigener Substrate in der Tumor-Therapie; (6) einen Beitrag aus dem Österreichischen Ärzteblatt zur Abgrenzung der ATC-Therapie gegenüber der nebenwirkungsreichen Therapie nach R (LAK) und gegenüber S (ASI), D-Zentrum; (7) Unseren Beitrag aus dem Deutschen Ärzteblatt. Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Disposition und verbleiben …“

In diesem Vorgehen des Bekl. liege ein Verstoß gegen das für Ärzte nach § 25 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (i.d.F. v. 1. 1. 1994, BayÄrzteBl 1993 Nr. 12, S. 1; im folgenden: § 25 BayArztBO 1994) geltende Werbeverbot und damit zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S. des § 1 UWG. Die Kl. hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt, den Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, daß potentiellen Patienten, insbesondere Anwählern der Rufnummer …, mit Begleitschreiben folgende Druckschriften übersandt werden, hilfsweise deren Übersendung zu dulden:

1. „Krebstherapie mit autologen Target-Cytokinen (ATC) (nach Dr. K)“ …;

2. „Expression von autologen target Cytokinen der peripheren kernhaltigen Zellen aus dem Blut von Krebspatienten (ATC)“ …;

3. „Therapeutische Möglichkeiten zur Verwertung von autologem Turmorgewebe“, Auszug aus der „Ärtzezeitschrift für Naturheilverfahren …;

4. „Portait des Monats, Krebs - Eine Tragödie II. Teil“ …

Daneben hat die Kl. die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 6500 DM verlangt. Die Abweisung dieses Anspruchs durch das BerGer. ist dadurch rechtskräftig geworden, daß der Senat die Anschlußrevision der Kl. nicht angenommen hat.

Das LG hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben. Das BerGer. hat die dagegen gerichtete Berufung des Bekl. nach einer entsprechenden Antragsänderung der Kl. in der mündlichen Berufungsverhandlung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß im Ausspruch zu der Verurteilung zur Unterlassung das Wort „hilfsweise“ durch die Worte „und-oder“ ersetzt worden ist. Die Revision der Bekl. war im Ergebnis weitgehend erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt, der Bekl. habe dadurch, daß das von ihm geleitete Institut für I und Z die im Klageantrag genannten Unterlagen … versandt habe, gegen das für die Ärzte Bayerns gem. § 25 BayArztBO 1994 geltende Werbeverbot verstoßen und dadurch auch i. S. des § 1 UWG wettbewerbswidrig gehandelt. Bereits das - an die Zeugin K gerichtete - Begleitschreiben enthalte eine Werbung des Bekl. für seine ATC-Therapie. Der Bekl. müsse sich zudem die dem Begleitschreiben beigefügten Unterlagen als Werbung außerhalb der Fachkreise zurechnen lassen, auch wenn unterstellt werde, daß sie nur in einem eigenen Umschlag für den Arzt beigelegt gewesen seien. Es sei nämlich äußerst wahrscheinlich, daß jemand, der (als Patient) an der ATC-Therapie des Bekl. interessiert sei und auch diesem Grund selbst das Institut angerufen und um Informationsmaterial gebeten habe, einen dem Antwortschreiben beigelegten Umschlag mit solchen Unterlagen öffnen werde, auch wenn dieser nach einer Aufschrift für den Arzt bestimmt sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Bekl. bleibt im Ergebnis weitgehend ohne Erfolg.

1. Die Revision beanstandet allerdings mit Recht, daß das BerGer. die vom LG ausgesprochene Verurteilung des Bekl. zur Unterlassung auf den erst in der mündlichen Berufungsverhandlung geänderten Klageantrag hin erweitert hat, obwohl nur der Bekl. Berufung eingelegt hatte. Das BerGer. hat dadurch der Kl. unter Verstoß gegen § 308 ZPO etwas zugesprochen, was sie nicht wirksam beantragt hatte. Die Kl. hat in der mündlichen Berufungsverhandlung ihren Unterlassungsantrag dahingehend neu gefaßt, daß das Wort „hilfsweise“ durch die Worte „und-oder“ ersetzt werden solle. Diese Antragsneufassung beinhaltete nicht lediglich eine Klarstellung, sondern eine Klageerweiterung. Der Unterlassungsantrag sollte sich danach auch darauf erstrecken, daß die Übersendung von Unterlagen als Werbung für die eigene Praxis geduldet wird.

Das angegriffene Dulden einer (mittelbaren) Werbung durch Dritte für die eigene Arztpraxis ist kein Unterfall der Werbung durch eigenes Tun (das auch das Handeln durch Angestellte oder Beauftragte i.S. des § 13 IV UWG einschließen kann), sondern ein Verhalten eigener Art (vgl. dazu Piper, in: Festschr. f. Brandner, S. 449 [460f.]). Dies kommt nicht nur im Wortlaut des neugefaßten Unterlassungsantrags selbst zum Ausdruck, der von einem Übersenden von Druckschriften „und-oder“ dem Dulden ihrer Übersendung spricht, sondern auch in § 25 I 1 BayArztBO 1994, auf den der Unterlassungsantrag erkennbar Bezug nimmt, der das Veranlassen einer verbotenen Werbung für sich als eigenes Verhalten neben dem Dulden anführt. Eine Erweiterung ihres Unterlassungsantrags hätte die Kl., die in erster Instanz obsiegt hat, nur im Wege der Anschlußberufung vornehmen können. Geschehen konnte dies jedoch nach § 522a I ZPO nur durch einen vom Prozeßbevollmächtigten der Kl. unterzeichneten bestimmenden Schriftsatz. Eine in der mündlichen Verhandlung protokollierte Erklärung war nicht ausreichend. Diese Verletzung der Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen ist einer Heilung entzogen (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 441 = WM 1989, 503 [504] = LM § 521 ZPO Nr. 20 m.w.Nachw.).

2. Die Prozeßführungsbefugnis der Kl. folgt aus § 13 II Nr. 2 UWG (vgl. BGH, NJW 1998, 822 = LM H. 5-1998 § 13 UWG Nr. 88 = WRP 1998, 172 [173] - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung III; BGH, NJW 1998, 2533 - Zweigstellenverbot, jew. m.w.Nachw.). Dies wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

3. Die Revision rügt ohne Erfolg, daß der Klageantrag, soweit das BerGer. in zulässiger Weise über ihn entschieden hat, deshalb unbestimmt sei, weil er die Wendung „potentielle Patienten“ enthalte. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß damit Kranke gemeint sind, mit denen der Bekl. noch keinen Behandlungsvertrag geschlossen hat, die aber möglicherweise seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen könnten.

4. Das BerGer. hat - wenn auch mit unzureichender Begründung - im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Bekl. sittenwidrig i.S. des § 1 UWG handelt, wenn er Kranken, die seine Patienten werden könnten, Schreiben mit dem Inhalt des Begleitschreibens an die Zeugin K übersendet (Anlage K 4) und diesen die im Klageantrag genannten Druckschriften beifügt.

a) Der Bekl. verstößt durch dieses Vorgehen gegen die für ihn als Arzt geltenden werbebeschränkenden Vorschriften der Berufsordnung. Ein solches Verhalten begründet auch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 1313 = LM § 1 UwG Nr. 523 = GRUR 1989, 758 [759] = WRP 1990, 319 - Gruppenprofil; BGH, NJW-RR 1995, 41 = LM H. 3-1995 § 1 UWG Nr. 669 = GRUR 1996, 905 [907] = WRP 1994, 859 = GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen; vgl. weiter Köhler-Piper, UWG, § 1 Rdnrn. 331, 339). Das von der Kl. als eigene Handlung des Bekl. beanstandete Übersenden des Begleitschreibens mit den genannten Unterlagen verstieß gegen das für Ärzte geltende Werbeverbot, wie es damals - und auch noch zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem BerGer. - in § 25 BayArztBO 1994 (wortgleich mit § 25 der Musterberufsordnung der deutschen Ärzte) verankert war. Diese Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:

25. Werbung und Anpreisung. (1) Dem Arzt ist jegliche Werbung für sich oder andere Ärzte untersagt. Er darf eine ihm verbotene Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Dies gilt auch für Ärzte, deren Person oder Tätigkeit in Ankündigungen von Sanatorien, Kliniken, Institutionen oder anderen Unternehmen anpreisend herausgestellt wird.

(2) Der Arzt darf nicht dulden, daß Berichte oder Bildberichte mit werbendem Charakter über seine ärztliche Tätigkeit unter Verwendung seines Namens, Bildes oder seiner Anschrift veröffentlicht werden.

In der mit Wirkung vom 1. 1. 1998 in Kraft getretenen Neufassung der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12. 10. 1997 (BayÄrzteBl 1997 Nr. 11, S. 1; im folgenden: BayArztBO 1998) ist das Werbeverbot für Ärzte in Kap. B § 27 - wortgleich mit Kap. B § 17 der (Muster-)Berufsordnung für die deutsche Ärztinnen und Ärzte (abgedr. NJW 1997, 3076) - wie folgt festgelegt:

27. Unerlaubte Werbung, erlaubte sachliche Information über die berufliche Tätigkeit. (1) Der Arzt darf für seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit anderer Ärzte nicht werben. Sachliche Informationen sind in Form, Inhalt und Umfang gemäß den Grundsätzen des Kapitels D Nrn. 1-6 zulässig.

(2) Der Arzt darf eine ihm verbotene Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Dies gilt auch für die anpreisende Herausstellung von Ärzten in Ankündigung von Sanatorien, Kliniken, Institutionen oder anderen Unternehmen. Der Arzt darf nicht dulden daß Berichte oder Bildberichte mit werbender Herausstellung seiner ärztlichen Tätigkeit unter Verwendung seines Namens, Bildes oder seiner Anschrift veröffentlicht werden.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Neufassung der maßgeblichen Bestimmung der Berufsordnung keine sachliche Änderung. Die in Kap. B § 27 I 2 BayArztBO 1998 angesprochenen Regelungen in Kap. D Nrn. 1-6 der Berufsordnung über die Zulässigkeit sachlicher Informationen sind bei Patienteninformationen über Behandlungsverfahren außerhalb der Praxisräume, insbesondere durch Anschreiben an Kranke, die nicht zu den Patienten des Arztes gehören, nicht einschlägig.

b) Das BerGer. ist - von der Revision nicht angegriffen - zutreffend davon ausgegangen, daß die Versendung der Schreiben durch das Institut für I und Z dem Bekl., der das Institut als ärztlicher Direktor leitet, wettbewerbsrechtlich zuzurechnen ist. Diese Beurteilung des BerGer. entspricht im übrigen dem eigenen Vorbringen des Bekl., aus dem sich ergibt, daß dieser Kranken, die sich an ihn wenden, mit den streitgegenständlichen Informationsschreiben unterrichtet.

c) Das BerGer. hat weiter im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, daß nicht nur das ausdrücklich an den anfragenden Kranken selbst gerichtete Begleitschreiben, sondern auch die dem Begleitschreiben beigefügten Druckschriften dem Bekl. selbst als Mitteilung an den Anfrager zuzurechnen sind, und dies auch dann, wenn sie in einem eigenen verschlossenen Umschlag enthalten sein sollten. Im Einklang mit der Lebenserfahrung hat das BerGer. festgestellt, daß Krebskranke, die sich - z.B. durch den Artikel in der Zeitschrift D aufmerksam gemacht - an das Institut für I und Z wenden, das erbetene Informationsmaterial sehr wahrscheinlich auch einem verschlossenen Umschlag, der nur allgemein - ohne Nennung eines bestimmten Namens - an den behandelnden Arzt adressiert ist, entnehmen werden. Das BerGer. hat dazu nicht nur auf die Ausnahmesituation einer an Krebs erkrankten Person, sondern auch darauf hingewiesen, daß der Empfänger davon ausgehen kann, daß der verschlossene Umschlag nur die Information über die ATC-Therapie des Bekl. enthält, um die er zuvor selbst - ohne Einschaltung und regelmäßig auch ohne Kenntnis des behandelnden Arztes - gebeten hat. Aus der Sicht des Kranken ist deshalb die Vorstellung nur zu naheliegend, daß das Verschließen des Umschlags mit dem Informationsmaterial über die ATC-Therapie nicht dem Schutz der Vertraulichkeitsbeziehung zwischen behandelnden Ärzten dient, sondern die Patienten lediglich vor der Belastung schützen soll, die mit der Kenntnisnahme von Fachwissen über Krebskrankheiten und ihre Behandlung verbunden sein kann. Dies macht es sehr wahrscheinlich, daß sich der Anfragende das ihm übersandte Informationsmaterial jedenfalls dann ohne weiteres durch Öffnen des an den behandelnden Arzt adressierten Umschlags zugänglich macht, wenn - wovon hier auszugehen ist - auf dem Umschlag kein bestimmter Arzt benannt ist.

Das BerGer. hätte zur Begründung seiner Ansicht auch noch auf den Wortlaut des vom Bekl. versandten Begleitschreibens verweisen können, das der Zeugin K auf ihre Anfrage hin zugegangen ist. Aus dem Schreiben, auf das der Urteilstenor zur Umschreibung des verbotenen Verhaltens Bezug nimmt, geht in keiner Weise hervor, daß das im eigenen Umschlag beigefügte Informationsmaterial nicht für die unmittelbare Kenntnisnahme durch die Anfragerin bestimmt sei. Das Schreiben läßt im Gegenteil als solches nur den Schluß zu, daß das - im einzelnen genau bezeichnete - Material gerade der Information der Empfängerin diesen sollte. Dementsprechend schließt das Schreiben auch mit dem Satz „Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Disposition …“ (Kursivdruck hinzugefügt). Unter diesen Umständen war schon durch die Übersendung des Informationsmaterials an Nichtärzte für jeden, der nicht die Augen verschließen wollte, offensichtlich, daß die Unterlagen selbst bei Versendung in einem verschlossenen, nur allgemein an den - namentlich nicht genannten - „behandelnden Arzt“ adressierten Umschlag weithin von den Anfragern unmittelbar selbst zur Kenntnis genommen würden. Die Frage, ob dies auch gelten würde, wenn solches Informationsmaterial in einem mit Namen adressierten verschlossenen Umschlag versandt würde, stellt sich hier nicht. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor; die Verurteilung zur Unterlassung bezieht diese Fälle auch nicht ein.

d) Das BerGer. hat weiter im Ergebnis zutreffend die Ansicht vertreten, daß der Bekl. mit der Übersendung von Anschreiben an Kranken wie dem an die Zeugin K gerichteten Schreiben und der Beifügung von Informationsmaterial … Werbung i.S. des § 25 BayArztBO 1994 (vgl. jetzt Kap. B § 27 BayArztBO 1998) betreibt. Die Revision rügt zwar zu Recht, daß das Berufungsurteil in dieser Beziehung keine Begründung enthält. Dieser Mangel des Berufungsurteils kann der Revision aber letztlich nicht zum Erfolg verhelfen, weil dem RevGer. insoweit die Nachprüfung ohne weiteres anhand der bei den Akten befindlichen Unterlagen möglich ist. Bei einer solchen Sachlage verbieten es prozeßwirtschaftliche Gründe, das Berufungsurteil, soweit es den Bekl. wegen eigenen Verhaltens zur Unterlassung verurteilt hat, allein wegen des Begründungsmangels aufzuheben. Denn eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das BerGer. könnte insoweit nur zur Wiederholung des aufgehobenen Urteils führen (vgl. BGHZ 39, 333 [338] = NJW 1963, 2272).

Die Übersendung von Anschreiben … mit dem darin aufgeführten Informationsmaterial über die ATC-Therapie … an Kranke ist schon deshalb eine berufswidrige Werbung, weil sie darauf angelegt ist, die Angeschriebenen als Patienten zu gewinnen. Das Anschreiben und die beigefügten Unterlagen sind zwar als Sachinformationen gestaltet, dies schließt aber die Beurteilung ihrer Übersendung als Werbemaßnahme nicht aus. Werbung kann nicht nur durch einseitige, reklamehafte oder sonst anpreisende Darstellungen betrieben werden, sondern auch mit Aussagen, die als Sachinformationen vorgebracht werden. Das gilt gerade auch im Gesundheitsbereich, in dem die Angesprochenen auch sachliche Informationen erwarten (BGHZ 114, 354 [356] = NJW 1992, 751 = LM H. 1-1992 § 1 UWG Nr. 580 - Katovit; BGH = NJW 1995, 3054 = LM H. 10-1995 HeilmittelwerbeG Nr. 46 = GRUR 1995, 612 [613] = WRP 1995, 701 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie).

Alle im Klageantrag genannten Unterlagen sollen über die von dem Bekl. entwickelte und von ihm angebotene und angewandte ATC-Therapie informieren. Es geht dabei um eine allgemein gehaltene Darstellung dieser Therapie …, in der u.a. die Behandlungsmethode, die Indikationen und die therapeutische Wirkung behandelt werden, das Manuskript eines Vortrags …, in dem nach der Behauptung des Bekl. die Ergebnisse einer Forschungsstudie vorgestellt werden, einen Aufsatz über die Tumorbehandlung mit Hilfe der ATC-Therapie in der „Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren“ … und ein im „ÄrzteBlatt W“ veröffentlichtes Interview des Bekl. über seine Behandlungsmethoden und deren Erfolge in der ärztlichen Praxis. Es muß hier nicht entschieden werden, ob der Bekl. in wettbewerbswidriger Weise gegen das für Ärzte geltende Werbeverbot verstößt, wenn er sich in Vorträgen, Druckschriften und Interviews … an die Öffentlichkeit wendet. Im vorliegenden Fall geht es allein darum, daß der Bekl. Unterlagen mit diesen Äußerungen dazu eingesetzt hat, an Krebs Erkrankte durch Information über seine Behandlungsmethode und die mit dieser nach seiner Behauptung erreichbaren Erfolge als Patienten zu gewinnen. Ein solches Verhalten ist ein berufwidriges Werben für die eigene ärztliche Praxis.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß sich die Unterlagen weithin der medizinischen Fachsprache bedienen und deshalb für Laien in großen Teilen nicht verständlich sind. Die Unterlagen sind gerade wegen ihres wissenschaftlichen Erscheinungsbildes einzeln und in ihrer Gesamtheit geeignet, für die Praxis des Bekl. und die von ihm angewandte ATC-Therapie zu werben, weil sie so - gleichgültig ob zu Recht oder zu Unrecht - den Eindruck vermitteln können, daß die von dem Bekl. angebotene Therapie auf wissenschaftlicher Grundalge beruhe und sich in der Praxis bewährt habe. Diesen Eindruck kann bereits das Anschreiben … mit seiner Aufzählung des beigefügten, wissenschaftlich erscheinenden Materials erwecken. Zudem enthalten alle Unterlagen Aussagen, die auch für Laien ohne weiteres verständlich sind, mit denen für die ATC-Therapie eine hervorragende Wirksamkeit und ein vergleichsweise sehr geringes Maß an Nebenwirkungen behauptet wird. Ein Krebskranker, der selbst um die Übersendung von Informationsmaterial über die ATC-Therapie an sich gebeten hat, wird bei Durchsicht der Unterlagen auf diese Aussagen stoßen und als Aussagen über die Wirksamkeit der ATC-Therapie - teilweise auch mit Hilfe des sonstigen Inhalts der Unterlagen - im Kern nachvollziehen können. So heißt es in der Ausarbeitung „Krebstherapie mit autologen Target-Cytokinen (ATC) (nach Dr. K)“ …:

„Neben Stahl, Strahl und Chemotherapie hat sich seit Jahren auch die Behandlung mit Cytokinen (Interferon und Interleukin) gut bewährt“ (S. 1). „Die Therapie eignet sich deshalb für alle Tumorformen, weil jeweils der individuelle Tumor eines Patienten als Target im Mittelpunkt des Verfahrens steht; insbesondere solche Tumorformen, bei denen der Einsatz von Chemotherapie in Frage gestellt ist (siehe auch Prof. Dr A, D-Zentrum: Die zytostatische Chemotherapie fortgeschrittener epithelialer Tumore, eine kritische Bestandsaufnahme)“ (S. 3). „Bei über 90% der Patienten ist eine entzündliche Reaktion am Tumor als Primärreaktion zu erkennen, dieser folgt - soweit die Therapie fortgesetzt wird - in der Regel eine Reduktion des Tumors“ (S. 4).

In dem Vortragsmanuskript „Expression von autologen target Cytokinen der peripheren kernhaltigen Zellen aus dem Blut von Krebspatienten = ATC“ … steht u.a.:

„Im Hinblick auf diese therapeutische Effekte wird angenommen, daß die autologen Target Cytokine (ATC) des körpereigenen Blutes offensichtlich eine potente und zielgerichtete Immunabwehr gegen den Tumor in vivo induzieren“ (S. 1). „Alle diese Patienten waren zuvor mit Chemotherapie oder Radatio erfolglos vortherapiert worden und galten als ‘austherapierte‘ oder praefinale Patienten“ . . . „Innerhalb der ersten beiden Theapie-Cyclen (je 80 Tage) wurde bei 63% der so behandelten Patienten eine Teil- und bei 12% der Patienten eine Vollremission durch ATC bewirkt“ (S. 3). „Darüber hinaus wird der Therapeut heute mit einer Vielzahl von verschiedenen immunologischen Behandlungsmethoden konfrontiert, wenngleich der genaue Wirkmechanismus der meisten dieser Methoden bis heute noch nicht endgültig aufgeklärt ist. Dem gegenüber ist die ATC-Therapie ein vielversprechender zusätzlicher und qualifizierter Fortschritt insbesondere in der Onkologie . . . Darüber hinaus ist ATC frei von den hinreichend bekannten Gefahren der Fremdblut-Präparationen“ (S. 4).

In dem Aufsatz „Therapeutische Möglichkeiten zur Verwertung von autologem Tumorgewebe“ … sind u.a. folgende Äußerungen zur ATC-Therapie zu finden:

„Als Therapeutikum dienen die Immunozyten, mit spezifischer immunologischer Anti-Tumor-Kenntnis beladen, entweder als Lebenszellen reinjiziert oder als Auto-Immuno-Onkolysat. Da es sich hierbei nur um körpereigene Substanzen handelt, stehen 3 Therapievorteile im Vorgrund: (1) keine allergischen Reaktionen, Vermeidung toxischer Reaktionen, (2) Induktion körpereigener Immunmediatoren (Interferone und Interleukine) und (3) gezielte und tumorspezifische Immunstiumlation. Das Verfahren ist für jede Tumorform anwendbar … Die individuelle Tumortherapie mit dem TITAI erfordert demzufolge auch die individuelle diagnostische Überwachung der sogenannten Grundparameter des so therapierten Patienten in regelmäßigen Abständen. Auf diese Weise bleiben therapeutische Erfolge auch dann gewährleistet, wenn die herkömmlichen therapeutischen Maßnahmen wie Chemotherapie und Strahlentherapie versagen. Dies gilt insbesondere für posttherapeutische Rezidiv-Entwicklungen. Dem Patienten ist hierdurch der Schrecken des Tumorrezidivs genommen, weil die erneute Verwendung des autologen Tumormaterials für das TITAI wiederum die zielgerechte Therapie gegen die neuentwickelte Tumorvariante ermöglicht“ (S. 4).

Das im „Ärzteblatt W“ wiedergegebene Interview mit dem Bekl. … enthält insbesondere folgendes:

„N (d.h. Frage der Journalistin): Ihre Therapie mit ‘Killerzellen‘ wird als neue Hoffnung für Tumorkranken gefeiert, 92 % aller Patienten sollen nach ihrer Anwendung als geheilt entlassen werden . . .

K: Das ist eine populärjournalistische Vereinfachung, die so natürlich nicht den wissenschaftlichen Tatsachen entspricht. Allerdings ist die Zahl korrekt - bei über 90 Prozent meiner Patienten kommt es zur Entzündung am Tumor bzw. an den Metastasen mit hieraus resultierendem Stillstand des Tumorwachstums oder sogar zu einem Rückgang. Und zwar tatsächlich durch die Aktivierung der körpereigenen Killerzellen gegen Tumorzellen, durch von uns in vitro programmierte körpereigene Leukocyten“.

Gerade wegen ihrer Einkleidung als Sachinformation und ihrer Einbettung in wissenschaftlich erscheinende Beiträge sind Äußerungen dieser Art, die wesentliche Erfolge bei der Krebsbekämpfung in Aussicht stellen, nach der Lebenserfahrung besonders geeignet, auf Menschen, die erkrankt sind, eine stark werbende Wirkung auszuüben.

e) Die Beurteilung, daß die beanstandete Übersendung von Informationsmaterial an Kranke durch einen Arzt gegen das berufsrechtliche Werbeverbot verstößt, verletzt keine Grundrechte des Bekl. Das für Ärzte geltende Verbot berufswidriger Werbung ist eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung der Berufsausübung (vgl. BVerfGE 71, 162 [172ff.] = NJW 1986, 1533 = GRUR 1986, 382 - Arztwerbung; BVerfG, NJW 1994, 1591 [1592] m.w. Nachw.); vgl. weiter BVerwG, DVBl 1998, 532 [533]). Dies gilt im übrigen nicht nur, wenn eine unsachliche oder gar marktschreierische Werbung verhindert werden soll, sondern auch bei einer Werbung mit sachlichen Aussagen, die einen den Laien mehr verwirrenden als aufklärenden Umfang erreichen (vgl. BVerfGE 71, 183 [198] = NJW 1986, 1536 GRUR 1986, 387 - Sanatoriumswerbung). Die Anwendung des Werbeverbots in Fällen der vorliegenden Art soll vor allem verhindern, daß Ärzte die Verunsicherung und leichte Beinflußbarkeit von Personen, die an einer schweren Krankheit leiden, ausnutzen, um unmittelbar für die eigene Praxis zu werben.

Die Verurteilung, die beanstandete Werbung zu unterlassen, verletzt auch nicht das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG). Es hindert den Bekl. nicht, öffentlich für die von ihm angewandte Behandlungsmethode einzutreten, sondern schützt nur Kranke vor der unmittelbaren gezielten Beeinflussung (vgl. BVerfGE 71, 162 [175f.] = NJW 1986, 1533).

Ebensowenig ist die durch Art. 5 III GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit verletzt (vgl. dazu auch BVerfGE 71, 162 [176] = NJW 1986, 1533). Das ausgesprochene Verbot richtet sich nur dagegen, daß der Bekl. die im Urteilsausspruch genannten Druckschriften an Kranke übersendet, mit denen ihn noch kein Behandlungvertrag verbindet. Es ist dem Bekl. durch das angegriffene Urteil nicht untersagt, in anderer Weise für seine Behandlungsmethode einzutreten. Über die Frage, ob der Bekl. wettbewerbswidrig handelt, wenn er die Druckschriften in anderer Weise verbreitet, ist nicht entschieden worden.

5. Wie der Senat unter den gegebenen Umständen auch ohne eine entsprechende Feststellung des BerGer. aufgrund der Lebenserfahrung selbst feststellen kann, ist eine nach § 1 UWG wettbewerbswidrige Werbung der vorliegenden Art auch i.S. des § 13 II Nr. 2 UWG geeignet, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Das beanstandete Verhalten betrifft den sensiblen Bereich der Gesundheitswerbung, in dem wettbewerbswidriges Verhalten ohnehin regelmäßig als eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs i.S. des § 13 I Nrn. 1 und 2 UWG erscheint (vgl. BGH, GRUR 1998, 493 [495] = WRP 1998, 505 - Gelenk-Nahrung m.w. Nachw.). Gerade bei einer Werbung gegenüber Krebskranken ist die Gefahr besonders groß, daß sich Wettbewerber besondere Vorteile im Wettbewerb der verschiedensten Behandlungsmethoden verschaffen, wenn sie sich über die auch zum Schutz der Kranken erlassenen Vorschriften hinwegsetzen, und damit andere zur Nachahmung veranlassen.

III. Auf die Revision des Bekl. war danach das Berufungsurteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das BerGer. das landgerichtliche Urteil dadurch abgeändert hat, daß es in dessen Ausspruch II das Wort „hilfsweise“ durch die Worte „und-oder“ ersetzt hat. In diesem Umfang war die unselbständige Anschlußberufung der Kl. als unzulässig abzuweisen. Auf die Berufung des Bekl. war das Urteil des LG im Ausspruch II dahin zu ändern, daß die Worte „hilfsweise, deren Übersendung zu dulden“ entfallen.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

UWG § 1; BayArztVO Kap. B § 27 i.d.F.v. 12. 10. 1997