Vorrang der Ausübung des Direktionsrechts zur Umsetzung vor Abmahnung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
24. 04. 1996
Aktenzeichen
5 AZR 1031/94
Bestehen zwischen Arbeitnehmern Spannungen, so kann der Arbeitgeber dem durch Umsetzung eines der Arbeitnehmer begegnen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, anstelle der Umsetzung eine Abmahnung auszusprechen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. wehrt sich gegen ihre Umsetzung als Stationsleiterin in eine andere Station desselben Krankenhauses. In dem Krankenhaus, das der bekl. Landkreis im Jahre 1970 übernommen hat, ist die Kl. seit 1. 4. 1962 in der Krankenpflege beschäftigt. Etwa 26 Jahre oblag ihr die Leitung der Station VIII, auf der Patienten aus mehreren Fachgebieten betreut werden und die 24 Betten umfaßt. Der Bekl. teilte der Kl. mit Schreiben vom 8. 9. 1993 mit, sie werde aus dienstlichen Gründen mit Wirkung vom 1. 11. 1993 als Stationsleiterin auf die Station V des Krankenhauses umgesetzt. Auf der Station V werden Patienten aus dem Fachbereich Knochenchirurgie betreut; die Station umfaßt 36 Betten. Die Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe mit diesem Schreiben eine Änderungskündigung ausgesprochen, die sozial nicht gerechtfertigt und daher unwirksam sei. Auf ihr Direktionsrecht könne sich die Bekl. nicht stützen, weil sich durch ihre 26jährige Tätigkeit als Leiterin der Station VIII das Arbeitsverhältnis auf die Leitung dieser Station konkretisiert habe. Die Maßnahme sei auch unbillig. Es gebe keinen Anlaß, sie umzusetzen. Zudem sei der Personalrat vor der Maßnahme nicht angehört worden; er habe ihrer Versetzung auch nicht zugestimmt. Die Kl. hat im Berufungsrechtszug zuletzt beantragt, (1) festzustellen, daß die Änderungskündigung vom 8. 9. 1993 sozial nicht gerechtfertigt sei; (2) hilfsweise festzustellen, daß ihre Versetzung von der bisherigen Station VIII als Stationsleiterin zur Station V unwirksam sei und die Bekl. zu verurteilen, sie weiterhin als Stationsleiterin auf Station VIII des Kreiskrankenhauses zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Die Bekl. hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat erwidert, sie habe lediglich von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrages der Kl. auf die Leitung der Station VIII des Krankenhauses sei nicht eingetreten. Für die Umsetzung habe es sachliche Gründe gegeben. Die Kl. habe Schwächen in der Dienstplangestaltung gezeigt; ihre Dienstpläne hätten angepaßt und korrigiert werden müssen. Ferner sei die Urlaubsplanung unvollständig gewesen. Schließlich seien Mängel in der Mitarbeiterführung aufgetreten. Ärztliche Weisungen an das Stationspersonal habe die Kl. nicht weitergegeben oder nicht ausreichend dokumentiert. Dies habe das Verhältnis der Ärzte zu den übrigen Pflegekräften belastet und dazu geführt, daß sechs Pflegekräfte 1993 Umsetzungsanträge gestellt hätten. Das Auswechseln der Stationsleitung auf der Station VIII habe zudem dem eindeutigen Votum aller auf der Station tätigen Chefärzte entsprochen. Die Kl. ist diesem Vorbringen im einzelnen mit der Begründung entgegengetreten, die gegen sie erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu.
ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Kl. nur noch, die Bekl. zu verurteilen, sie weiterhin als Stationsleiterin auf der Station VIII einzusetzen. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Der Bekl. ist nicht verpflichtet, die Kl. als Leiterin der Station VIII weiterzubeschäftigen. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden. Die Kl. muß Dienst als Leiterin der Station V tun. Der Bekl. hat sein Direktionsrecht rechtmäßig ausgeübt. Die Kl. ist durch das Schreiben des Bekl. vom 8. 9. 1993 als Stationsleiterin von der Station VIII auf die Station V umgesetzt worden. Die Maßnahme ist wirksam.
1. Kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die näheren Einzelheiten der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, vor allem deren Ort, Zeit und näheren Inhalt. Das Direktionsrecht kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Soweit hiernach das Direktionsrecht ausgeübt werden kann, muß der Arbeitgeber die Grenzen des billigen Ermessens i.S. des § 315 III BGB einhalten (st. Rspr.; vgl. BAG, NZA 1993, 1127 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht (zu II 1) m.w. Nachw.). Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, daß die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 III 2 BGB), die in der Revisionsinstanz uneingeschränkt nachzuprüfen ist (BAG, NZA 1992, 795 = AP Nr. 39 zu § 611 BGB Direktionsrecht (zu II 2c); BAG,NZA 1985, 811 = AP Nr. 11 zu § 4 BAT (zu II 2a) m.w. Nachw.).
2. Die hier streitige Umsetzung war durch das Direktionsrecht des Bekl. gedeckt. Der Bekl. hat sich in den Grenzen billigen Ermessens gehalten. Dies hat das LAG zutreffend erkannt. Die insoweit von der Kl. erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch (§ 565a ZPO).
a) Das Direktionsrecht des Bekl. war nicht dadurch eingeschränkt, daß sich die Arbeitspflicht der Kl. auf die Leitung nur der Station VIII des Kreiskrankenhauses konkretisiert hätte. Die entsprechende Feststellung und Würdigung des LAG ist von Revisions wegen nicht zu beanstanden; sie wird von der Kl. auch nicht mehr in Frage gestellt.
b) Die Umsetzung der Kl. als Stationsleiterin überschreitet auch nicht die Grenzen billigen Ermessens (§ 315 III BGB). Zu Unrecht meint die Kl., der Arbeitgeber müsse bei Ausübung seines Direktionsrechts zur Behebung von Leistungsmängeln stets das „mildeste Mittel" anwenden; dies sei eine Abmahnung und nicht eine Versetzung. Hierbei übersieht die Kl., daß die Erteilung einer Abmahnung in aller Regel den Arbeitnehmer stärker belastet als die Maßnahme, die der Bekl. getroffen hat. Denn eine Abmahnung bedeutet nicht nur, daß der Arbeitgeber Leistungsmängel als solche bezeichnet und als vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers rügt, sondern auch, daß er ihm für den Fall der Wiederholung die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses androht. Eine derartige, den Arbeitnehmer rügende und ihn belastende Maßnahme hat der Bekl. hier gerade nicht ergriffen, mag die Kl. auch meinen, sie sei „strafversetzt“ worden. Zudem hat der Bekl. die Kl. nicht etwa von einer größeren auf eine kleinere Station umgesetzt, sondern von einer kleineren auf eine um die Hälfte größere Station.
c) Die Kl. übersieht ferner, daß es Sache des Arbeitgebers ist zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, wie sie hier - unbeschadet des Streits um ihre Ursachen - vorliegen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, in solchen Situationen anstelle einer Umsetzung eine Abmahnung auszusprechen. Denn häufig bewirkt eine Abmahnung nicht die vom Arbeitgeber angestrebte Verbesserung der Arbeitsleistung insgesamt. Gerade wenn - wie hier - eine Position lange Zeit von derselben Person eingenommen worden ist, kann eine Umsetzung durchaus im beiderseitigen Interesse liegen.
3. Die Umsetzung der Kl. ist auch nicht mangels Beteiligung des Personalrats unwirksam. Für diese Umsetzung bedurfte es der Mitbestimmung durch den Personalrat nicht. Insbesondere ist § 78 II Nr. 4 NdsPersVG nicht berührt. Hiernach hat der Personalrat in Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter mitzubestimmen bei der Versetzung zu einer anderen Dienststelle oder der Umsetzung innerhalb derselben Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist. Eine Versetzung zu einer anderen Dienststelle liegt nicht vor, denn die Kl. ist nach wie vor in derselben Dienststelle, nämlich im selben Kreiskrankenhaus tätig.
Es liegt aber auch nicht der Fall der mitbestimmungspflichtigen Umsetzung vor, weil die Umsetzung der Kl. nicht mit einem Wechsel ihres Dienstortes verbunden ist. Dienstort im Sinne dieser Bestimmung ist die politische Gemeinde einschließlich des Einzugsgebietes im Sinne des Umzugskostenrechts. Die Kl. ist aber im selben Krankenhaus in derselben politischen Gemeinde tätig geblieben.
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