Berechnung der Urlaubsdauer
Gericht
BAG 9. Senat
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
19. 11. 1996
Aktenzeichen
9 AZR 712/95
Bei Anwendung der in der Anlage 1 des BMTV aufgeführten Urlaubstabellen ist für die Bestimmung der Urlaubsdauer aus das im Urlaubsjahr vollendete Beschäftigungsjahr abzustellen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Bekl. für das Jahr 1994 drei Urlaubstage nachzugewähren hat.
Die am 13. 7. 1956 geborene Kl. ist seit dem 1. 5. 1991 bei der Bekl. als Krankenpflegerin in der Sechs-Tage-Woche beschäftigt. Auf das ArbVerh. der Parteien ist aufgrund vertragl. Bezugnahme der Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 für die ArbN in Privatkrankenanstalten vom 11. 12. 1989 (BTMV) anzuwenden. Darin ist u.a. folgendes geregelt:
§ 15 Erholungsurlaub
(1) Der ArbN hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung/des Urlaubslohnes...
(3) Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den Urlaubstabellen (Anlage 1), die Bestandteil dieses TV sind.
(4) Maßgebend für die Dauer des Urlaubs ist das Lebensjahr und die Beschäftigungszeit, die der ArbN im Laufe des Kalenderjahres vollendet. Für die Dauer des Urlaubs der Jugendlichen ist das Lebensalter bei Beginn des Kalenderjahres maßgebend...
Die anlage 1 enthält folgende Aufstellung:
Urlaubstabellen (6-Tage-Woche)
ab 1. Januar 1990
ArbN ohne Anspruch auf Zusatzurlaub
ArbN ohne Anspruch auf Zusatzurlaub im Sinne des § 15 Abs. 1 Unterabs. 2 |
|||
1. bis 3. | 4. bis 7. | ab 8. | |
Beschäftigungsjahr | |||
Werktage |
|
||
bis zum vollendeten 30. Lebensjahr | 30 | 32 | 34 |
bis zum vollendeten 40. Lebensjahr | 31 | 34 | 36 |
nach dem vollendeten 40. Lebensjahr | 35 | 36 | 36 |
Die Kl. hatte von er Bekl. für das Urlaubsjahr 1994 34 Urlaubstage verlangt. Die Bekl. hat es abgelehnt , mehr als 31 Urlaubstage zu gewähren. Deswegen hat die Kl. am 12. 7. 1994 Feststellungsklage erhoben.
Die Kl. hat zuletzt beantragt festzustellen, daß ihr über die im Kalenderjahr 1994 berreits gewährten 31 Urlaubstage hinaus weitere drei Urlaubstage zustehen.
Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das ArbG hat unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß der Kl. im Kalenderjahr 1994 31 Tage Urlaub zustehen. Die Berufung der Kl. ist vom LAG zurückgewiesen worden. Die Anschlußberufung der Bekl. hat zur vollständigen KLageabweisung geführt. Die zugelassene Rev. der Kl. mit der sie den Anspruch auf drei weitere Urlaubstage verfolgt, hat keinen Erfolg
Auszüge aus den Gründen:
I. Die zulässige Revision ist unbegründet.
1. Für das auf die Nachgewährung von drei Urlaubstagen beschränkte Feststellungsbegehren besteht ein rechtl. Interesse an der alsbaldigen gerichtl. Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Zwar ist der Antrag auf das abgeschlossene Urlaubsjahr 1994 bezogen. Aus der KLagebegründung ergibt sich aber hinreichend, daß die Klage nicht auf die unzulässige Feststellung eines vergangenen Rechtsverh. gerichtet ist (vgl. Senatsurt. vom 21. 9. 1993 BAG 74, 201 = AP Nr. 22 zu § 256 ZPO1977 und 19. 10. 1993 - AZR 478/91 - AP Nr. 23 zu § 256 ZPO1977). Denn die Feststellungsklage soll der Durchsetzung eines schadensrechtl. Ausgleichanspruchs für den mit Ende des Urlaubsjahres 1994 untergegangenen Erfüllungsanspruchs auf drei weitere Urlaubstage dienen.
2. Die beantragte Feststellung war zu versagen. Denn das LAG ist entgegen der Rav. im Ergebnis und in der Begründung zutreffend zu dem ewrgebnis gelangt, daß im Urlaubsjahr 1994 der Kl. kein Anspruch über die ihr bereits gewährten Urlaubstage hinaus entstanden ist.
a) Die von der Kl. geltend gemachten 34 Urlaubstage für das Jahr 1994 ergeben sich nicht aus der von den Parteien vereinbarten Anwendung des BMTV.
b) Nach § 15 Abs. 3 BMTV richtet sich die Dauer des Urlaubs nach den Urlaubstabellen, die als Anlage 1 Bestandteil des TV sind. Für die in der 6-Tage-Woche beschäftigte Kl. ist die "Urlaubstabelle (6-Tage-Woche) ab 1. 1. 1990 für ArbN ohne Anspruch auf ZUsatzurlaub i.S. von § 15 Abs. 1 Unterabs. 2 BMTV " einschlägig. Da die Kl. am 13. 7. 1994 das 38. Lebensjahr vollendet hat, ist die Urlaubsdauer nach der zweiten Zeile der Tabelle "30. Lebensjahr bis zum vollendeten 40. Lebensjahr" zu bestimmen. Für die weitere Berechnung hat das LAG zu Recht die Urlaubsdauer mit 31 Werktagen anhand der ersten Spalte der Tabelle "1. bis 3. Beschäftigungsjahr" ermittelt. Denn nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV war für die Dauer des Urlaubs die Beschäftigungszeit maßgebend, die die Kl. im LAufe des Jahres 1994 vollendet hat. Das war bei dem vom LAG festgestellten Beginn der Beschäftigung am 1. 5. 1991 die Vollendung des 3. Beschäftigungsjahres.
c) Entgegen der Ansicht der Rev. kann nicht darauf abgestellt werden, daß am 1. 5. 1994 das 4. Beschäftigungsjahr begonnen hat. Unerhebl. ist, daß der Begriff "vollendet" im Text der Urlaubstabelle nur auf das Lebensjahr bezogen ist. Der tarifl. Gesamtzusammenhang läßt nämlich hinreichend deutlich erkennen, daß die in § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV aufgestellte Regel "maßgebend ist... das Lebensjahr und die Beschäftigungszeit, die der ArbN im Laufe des Kalenderjahres vollendet" auch auf den in der Urlaubstabelle verwendeten Begriff des Beschäftigungsjahres zu beziehen ist. Beschäftigungszeit ist als Oberbegriff für Beschäftigungsjahre zu verstehen. Das Beschäftigungsjahr ist die die Einheit, in der die Beschäftigungszeit gemessen wird. Die beiden in § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV vorgegebenen Maßeinheiten im Urlaubsjahr vollendetes Lebens- und Beschäftigungsjahr werden durch die Tabelle in die von den TVParteien für angemessen erachtete Beziehung zueinander gesetzt, um so die individuelle Urlaubsdauer zu bestimmen. Die in der Tabelle enthaltenen Taxtangaben sind notwendigerweise verkürzt. Sie dienen der schnellen Orientierung und nicht einer Modifizierung der im vollen Wortlaut ausgeschriebenen tarifl. Bestimmungen.
d) Die von der Rev. erhobene Rüge der Verletzung der §§ 139 , 286 ZPO greift nicht durch (§ 565a Satz 1 ZPO). Es bestand für das LAG keine Veranlassung zur Einholung von Auskünften der TVParteien. Denn bei der Auslegung von Rechtsnormen des TV ist der Wille der TVParteien nur insoweit zu berücksichtigen, als er im Wortlaut der tarifl. Normen seinen erkennbaren Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG 39,321 = AP Nr. 55 zu § 616 BGB; BAG 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung).
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