Erkrankung nach Urlaubsantritt

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 01. 1997


Aktenzeichen

9 AZR 791/95


Leitsatz des Gerichts

Ist der Urlaub so festgesetzt, daß er nicht vor dem Stichtag für den Antritt des übertragenen Urlaubs nach § 23 des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost beendet wird, hat der Arbeitgeber bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers keine Verpflichtung, die wegen nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit nicht anzurechnenden Urlaubstage nachzugewähren. In diesem Fall verfallen die wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllten Urlaubsansprüche.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über drei Tage Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994. Der Kl. war bereits vor der Neuordnung des Postwesens bei der Rechtsvorgängerin der Bekl. als Fernmeldehandwerker im Fernmeldeamt D. beschäftigt. Er ist Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft, die mit der Rechtsvorgängerin der Bekl. den Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. 1. 1955 (TV Arb) abgeschlossen hat. In diesem Tarifvertrag sind u.a. folgende urlaubsrechtliche Bestimmungen enthalten:

§ 23. Erholungsurlaub.

(1) Der Arbeiter erhält in jedem Urlaubsjahr einen Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist der Zeitraum vom 1. April bis 31. März. ...

(10) Der Urlaub ist in dem Urlaubsjahr zu gewähren und zu nehmen, für das der Urlaubsanspruch entsteht. Urlaub, der im Urlaubsjahr nicht oder nicht voll gewährt oder genommen wurde, ist spätestens bis zum 30. Juni des nächsten Urlaubsjahres anzutreten. Ist dies aus betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich, verlängert sich die Frist bis zum 30. September ...

(17) Erkrankt der Arbeiter während des Urlaubs und zeigt dies unverzüglich an, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Der durch die Unterbrechung verbleibende Resturlaub ist nachzugewähren.

Für den Bereich der Bekl. ist durch den Tarifvertrag das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr auf den Zeitraum 1. 4. bis 31. 3. festgelegt worden. Der Kl. hat seinen tariflichen Urlaub für das Urlaubsjahr 1993/1994 nicht voll in Anspruch genommen. Der übertragene Resturlaub ist auf den 6. 6. bis 6. 7. 1994 festgesetzt worden. Während des Urlaubs erkrankte der Kl. Durch ärztliche Bescheinigung ist für den 4. 7. bis 6. 7. 1994 Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen worden. Mit der am 10. 10. 1994 erhobenen Klage hat der Kl. den Anspruch auf Nachgewährung von drei Urlaubstagen gerichtlich geltend gemacht. Er hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, dem Kl. drei Erholungsurlaubstage nach § 23 TV Arb in 1994 zu gewähren.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaub für die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit vom 4., 5. und 6. 7. 1994.

1. Die Bekl. hat als Rechtsnachfolgerin des früheren Unternehmens Deutsche Bundespost Telekom auch die tariflichen Ansprüche des Kl. zu erfüllen. Das ist in Art. 4 Postneuordnungsgesetz vom 14. 9. 1994, § 21 I 2 Postpersonalrechtsgesetz klargestellt.

2. Die vom Kl. geltend gemachten drei Tage Tarifurlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994 sind zwar auf das folgende Urlaubsjahr übertragen worden. Sie sind jedoch mit Ablauf des 6. 7. 1994 ersatzlos untergegangen.

a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 23 I 2 TV Arb entsprechend § 13 III BUrlG das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr festgelegt. Sie haben in § 23 X 2 TV Arb die automatische Übertragung des Urlaubs eigenständig geregelt. Der im vorhergehenden Urlaubsjahr nicht oder nicht voll gewährte Urlaub muß spätestens bis zum 30. Juni angetreten werden. Der 1993/1994 nicht voll gewährte Urlaub ist danach auf das erste Quartal des Urlaubsjahres 1994/1995 übertragen worden. Auf die vom Kl. vorgebrachten betrieblichen Hinderungsgründe kam es nicht an.

b) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Kl. ist nicht voll erfüllt worden. Vom 6. Juni bis 3. 7. 1994 ist der mit der Festsetzung des Urlaubs nach § 7 I BUrlG beabsichtigte Erfolg, die Freistellung von der Arbeitspflicht, eingetreten. Dagegen ist am 4., 5. und 6. 7. 1994 kein Erfüllungserfolg eingetreten, weil infolge der Arbeitsunfähigkeit des Kl. keine Arbeitspflicht bestanden hat. Nach § 23 XVII 1 TV Arb sind die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub anzurechnen. Sie gelten daher auch nicht als erfüllt.

c) Der nicht erfüllte dreitägige Urlaubsanspruch ist untergegangen, weil die Bekl. nach § 275 I BGB von der Freistellungsverpflichtung freigeworden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats geht der durch die Leistungshandlung des Arbeitgebers konkretisierte Urlaubsanspruch gem. §§ 243 II , 275 I , 300 II BGB ersatzlos unter, wenn die Freistellung nachträglich unmöglich wird, ohne daß der Arbeitgeber die Unmöglichkeit zu vertreten hat (BAGE 73, 221 = NZA 1994, 689 = AP Nr. 3 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW; BAGE 77, 296 (301) = NZA 1995, 174 = AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG (zu 2b)). So liegt der Fall hier. Mit Ablauf des 6. 7. 1994 ist die Gewährung von Urlaub aus dem Urlaubsjahr 1993/1994, der spätestens bis zum 30. 6. 1994 angetreten worden ist, unmöglich geworden. Die Bekl. hat auch nicht die infolge Krankheit eingetretene Arbeitsunfähigkeit des Kl. am 4., 5. und 6. 7. 1994 zu vertreten.

d) Soweit das LAG von der weiteren Übertragung des infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllten Urlaubsanspruchs ausgegangen ist, verkennt es die tarifliche Regelung des § 23 X 3 TV Arb. Auch ohne ausdrückliche tarifliche Regelung ist ebenso wie beim gesetzlichen Urlaub nach § 7 III BUrlG davon auszugehen, daß der Urlaubsanspruch als befristeter Freistellungsanspruch spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergeht. Der Übertragungszeitraum ist durch § 23 X 2 TV Arb mit der Maßgabe festgelegt, daß die Abwicklung des Urlaubs bis zum 30. Juni begonnen haben muß ("spätestens bis zum 30. Juni ... anzutreten"). So wird gewährleistet, daß das Ende des Übertragungszeitraums entsprechend der individuellen Urlaubsdauer flexibel festgelegt wird. Damit entfällt nicht die Befristung. Sie fällt mit dem Ende des festgesetzten Urlaubszeitraums zusammen. Tritt während des festgesetzten Urlaubs eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf, so wird der Übertragungszeitraum nicht verlängert. Die bis zum 30. September des nächsten Urlaubsjahres verlängerte Übertragung setzt nach § 23 X 3 TV Arb voraus, daß der Antritt des Urlaubs bis zum 30. Juni wegen der Arbeitsunfähigkeit des Kl. nicht möglich war. Das hat das LAG übersehen.

Diese tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie enthält zwar je nach der Lage der Arbeitsunfähigkeit vor oder nach dem Stichtag zum Antritt des übertragenen Urlaubs unterschiedliche Rechtsfolgen. Das ist jedoch im Rahmen der Tarifautonomie zulässig. Nach § 23 X 3 TV Arb werden nur die Arbeitnehmer durch die Verlängerung des Übertragungszeitraums bis zum 30. September besser gestellt, die infolge Arbeitsunfähigkeit oder wegen betrieblicher Gründe gehindert waren, den übertragenen Urlaub bis zum 30. Juni anzutreten. Die Arbeitnehmer, die in der Lage waren, den Urlaub früher anzutreten, sollen nach dem Inhalt der Regelung das mit einer Erkrankung verbundene Verfallsrisiko für die nach dem 30. Juni festgesetzten Urlaubstage tragen. Damit wird bezweckt, die Arbeitnehmer zu einer rechtzeitigen Urlaubsnahme anzuhalten. Derartige Tarifbestimmungen sind nicht ungewöhnlich (vgl. zu § 52 MTB II BAG, AP Nr. 12 zu § 9 BUrlG; für § 49 MTW Senat, NZA 1996, 942 = AP Nr. 13 zu § 9 BUrlG). Sie belasten auch nicht die Arbeitnehmer übermäßig. Denn in den ersten drei Monaten des Übertragungszeitraums muß auf Verlangen des Arbeitnehmers der Urlaub gewährt werden (§ 7 III 3 BUrlG). Ein Recht des Arbeitgebers, aus betrieblichen Gründen den Urlaub zu verweigern, besteht in dieser Zeit nicht (Leinemann/Linck, UrlaubsR, § 7 BUrlG Rdnr. 109).

Vorinstanzen

LAG Düsseldorf, 11 Sa 454/95, 26.07.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 275; BUrlG § 7 I, III; Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz) vom 14. 9. 1994 Art. 4 § 21; Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. 1. 1955 in der am 30. 6. 1994 geltenden Fassung (TV Arb) § 23 I, X, XVII