Tarifliches Urlaubsgeld
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
21. 10. 1997
Aktenzeichen
9 AZR 255/96
Der Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld nach § 17 Nr. 13 I MTV Schuhindustrie ist sowohl von der Gewährung des Urlaubs als auch dem Bestand eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt abhängig (Aufgabe der Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 14. 1. 1992 - 9 AZR 546/90 unveröff.).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Bekl. verpflichtet ist, der Kl. für 1994 das tarifliche Urlaubsgeld zu zahlen. Die Kl. wird seit Oktober 1973 von der Bekl. als Arbeiterin beschäftigt. Seit dem 18. 1. 1993 ist sie ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Am 25. 2. 1994 hat die Bekl. das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt. Das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien fällt in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Schuhindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 31. 12. 1984 i.d.F. vom 11. 1. 1989 (MTV). In dessen § 17 ist - soweit hier von Interesse - bestimmt:
§ 17 (13). Mit der Urlaubsvergütung ist den Arbeitnehmern, die bei Beginn des Urlaubsjahres und bei Urlaubsbeginn betriebszugehörig sind, ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 2 Wochenverdiensten, errechnet nach den Bestimmungen der Urlaubsvergütung, auszuzahlen.
Arbeiter, die nach Beginn des Urlaubsjahres eintreten und bei Urlaubsbeginn mindestens drei Monate betriebszugehörig sind, erhalten für jeden Monat ihrer Betriebszugehörigkeit ein Zwölftel des zusätzlichen Urlaubsgeldes nach Absatz 1.
Bei Urlaubsbeginn werden diesen Arbeitnehmern sechs Zwölftel des zusätzlichen Urlaubsgeldes ausgezahlt. Am Ende des Urlaubsjahres oder bei einem Ausscheiden vor diesem Zeitpunkt erhalten die Arbeiter so viel Zwölftel nachgezahlt, als sie über sechs Monate im Urlaubsjahr betriebszugehörig waren. Arbeiter, die bei Urlaubsbeginn weniger als drei Monate betriebszugehörig sind, erhalten am Ende des Urlaubsjahres oder ihrem Ausscheiden so viel Zwölftel wie sie im Urlaubsjahr betriebszugehörig waren. Nr. 15 findet auch in diesen Fällen Anwendung.
Bei Erkrankung im Urlaub ist das zusätzliche Urlaubsgeld wie die Urlaubsvergütung gem. Nr. 11 zu verrechnen.
Die Bekl. hat sich geweigert, der Kl. für 1994 Urlaubsgeld zu zahlen. Nach erfolgloser Mahnung ist mit der am 14. 12. 1994 erhobenen Klage die Forderung gerichtlich geltend gemacht worden.
Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. ist das Urteil des ArbG abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Die Revision der Kl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
I. Die Kl. kann für das Urlaubsjahr 1994 von der Bekl. weder das volle zusätzliche noch ein anteiliges zusätzliches Urlaubsgeld verlangen.
1. Rechtlicher Ausgangspunkt ist die Anwendung der nach § 4 I TVG für die beiderseits tarifgebundenen Parteien geltenden Rechtsnorm des § 17 Nr. 13 Abs. 1 MTV. Das LAG hat den dort geregelten tariflichen Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von zwei Wochenverdiensten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, anspruchsbegründende Voraussetzung für das tarifliche Urlaubsgeld sei das Bestehen eines Anspruchs auf Urlaubsvergütung. Daran fehle es. Wegen der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit der Kl. habe kein Anspruch auf Urlaubsentgelt entstehen können.
2. Das ist rechtlich nicht zu bestanden.
a) Zwar hat der Senat im Urteil vom 14. 1. 1992 (9 AZR 546/90 unveröff.) die Auffassung vertreten, § 17 Nr. 13 Abs. 1 MTV sei so zu verstehen, daß ein zusätzliches Urlaubsgeld auch dann zu zahlen sei, wenn kein Anspruch auf Urlaubsentgelt bestehe. Die tarifliche Regelung stelle ausschließlich auf das Bestehen der Betriebszugehörigkeit im Urlaubsjahr ab. Wie aber bereits der Senat im Urteil vom 7. 12. 1993 (BAGE 75, 171 (178) = NZA 1994, 802) entschieden hat, wird daran nicht festgehalten.
b) § 17 Ziff. 13 I MTV verknüpft den Anspruch auf ein volles zusätzliches Urlaubsgeld "mit der Urlaubsvergütung". Das ist im Senatsurteil vom 14. 1. 1992 nur als Fälligkeitsbestimmung angesehen worden. Diese Auslegung wird aufgegeben.
Die erneute Prüfung unter Berücksichtigung des tariflichen Regelungszusammenhangs ergibt, daß für die in § 17 Nr. 13 Abs. 1 geregelte Gruppe von Arbeitnehmern, die spätestens seit Beginn des Urlaubsjahres beschäftigt werden, das zusätzliche Urlaubsgeld nur geschuldet wird, sofern Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht. Dafür spricht schon die Bezeichnung der Leistung als ein mit der Urlaubsvergütung zu zahlendes "zusätzliches Urlaubsgeld". Demgegenüber ist die Ausgestaltung als eines von der individuellen Dauer des Urlaubs unabhängigen Betrags in der Höhe eines Zweiwochenverdienstes für die Auslegung wenig ergiebig. Zwar kann ein derartiger Festbetrag für eine die Betriebstreue belohnende Sonderleistung sprechen. Dem steht jedoch das von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich aufgestellte Erfordernis entgegen, daß die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer "bei Beginn des Urlaubs ... betriebszugehörig sind". Nur die Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber von der Arbeitspflicht für den Urlaubsantritt befreit sind, sollen mit der Urlaubsvergütung das zusätzliche Urlaubsgeld erhalten. Die Gruppe der seit Beginn des Jahres beschäftigten Arbeitnehmer soll die tarifliche Leistung nur erhalten, sofern ihnen überhaupt Urlaub im Urlaubsjahr erteilt wird und der Urlaub tatsächlich "beginnt". Das ist in den Fällen ausgeschlossen, in denen der mit der Freistellung von der Arbeitspflicht angestrebte Erfolg aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, z.B. durch Krankheit, nicht eintreten kann. Folgerichtig wird bei einer Erkrankung im Urlaub das bereits im Vorgriff ausgezahlte zusätzliche Urlaubsgeld ebenso wie die Urlaubsvergütung nach § 17 Nr. 13 Abs. 6 i.V.mit Nr. 11MTV mit der nächsten Abrechnung wieder verrechnet. Das wäre unnötig, wenn das zusätzliche Urlaubsgeld eine von der Urlaubsgewährung und dem Bestehen eines Anspruchs auf Urlaubsvergütung unabhängige, ausschließlich die Betriebstreue belohnende Sonderleistung wäre.
c) Die Kl. hat auch keinen Anspruch auf ein anteiliges zusätzliches Urlaubsgeld entsprechend der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1994.
In § 17 Nr. 13 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 sind als Zahlungszeitpunkte für das anteilige zusätzliche Urlaubsgeld auch das Ende des Urlaubsjahres oder der Tag des Ausscheidens vorgesehen. Diese Regelungen gelten jedoch nur für die Arbeitnehmer, die - anders als die Kl. - erst nach Beginn des Urlaubsjahres eingestellt worden sind. Weitere Voraussetzung ist, daß diesen Arbeitnehmern bereits Urlaub gewährt worden ist. Das ergibt sich aus der Gruppenbildung in § 17 Nr. 13 Abs. 2 und Abs. 3 MTV ("bei Urlaubsbeginn mindestens drei Monate betriebszugehörig") und in § 17 Nr. 13 Abs. 4 MTV ("bei Urlaubsbeginn weniger als drei Monate betriebszugehörig"). Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Denn selbst, wenn die Kl. von der Arbeitspflicht durch die Bekl. freigestellt worden sein sollte, konnte der mit der Freistellungserklärung beabsichtigte Erfolg wegen der bereits durch die Arbeitsunfähigkeit bewirkten Freistellung von der Arbeitspflicht nicht eintreten.
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