Wiedereinstellungsanspruch

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 08. 1997


Aktenzeichen

7 AZR 557/96


Leitsatz des Gerichts

Der Arbeitnehmer hat keinen Wiedereinstellungsanspruch, wenn eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht. Dies gilt auch, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Kündigungsschutzverfahren andauert.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Kl. auf Wiedereinstellung nach rechtswirksamer betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung. Die Bekl. betreibt ein Autohau (Verkauf und Reparatur von Neu- und Gebrauchtwagen) mit zwei Betriebsstätten in S. und L. Die Betriebsstätte L., in der der Kl. seit dem 5. 4. 1993 als Wagenpfleger beschäftigt war, legte sie zum 31. 12. 1995 still. Im Zuge dieser Maßnahme kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kl. am 29. 11. 1995 fristgerecht zum 31. 12. 1995. Mit seiner am 14. 12. 1995 bei Gericht eingegangenen Klage wandte sich der Kl. gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung. Mit Urteil vom 20. 3. 1996 wies das ArbG die Kündigungsschutzklage rechtskräftig ab. Am 23. 2. 1996 schied ein bei der Bekl. in S. beschäftigter Fahrer auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung aus. Diesen Arbeitsplatz besetzte die Bekl. mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer.

Der Kl. hat gemeint, die Bekl. habe ihn wieder einstellen müssen, als am 23. 2. 1996 die Stelle eines Fahrers freigeworden sei. Er hat zuletzt beantragt, die Bekl. zu verurteilen, ihn als Fahrer einzustellen. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält einen Wiedereinstellungsanspruch für nicht gegeben. Der betriebsbedingte Kündigungsgrund sei nicht nachträglich weggefallen. Für die freigewordene Fahrerstelle sei der Kl. nicht geeignet. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei nicht vorhersehbar gewesen, daß nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Fahrerstelle frei werden würde.

ArbG und LAG haben die Klage abgewiesen. Mit der vom LAG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren ohne Erfolg weiter.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet, denn das LAG hat einen Wiedereinstellungsanspruch des Kl. zu Recht verneint.

I. Der auf "Einstellung als Fahrer" gerichtete Klageantrag ist ein zulässiger Leistungsantrag. Er ist auf Abgabe einer Willenserklärung des Arbeitgebers gerichtet, die mit Rechtskraft eines dem Klageantrag stattgebenden Urteils als abgegeben gilt (§ 894 I 1 ZPO). Ob statt dessen eine Klage sogleich auf die Rechtsfolgen eines zu begründenden Arbeitsverhältnisses, wie z.B. Beschäftigung, gerichtet werden kann (so i.E. der 2. Senat des BAG in seinem Urteil, NZA 1997, 757 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG1969 Wiedereinstellung) braucht angesichts des vorliegenden Antrags nicht entschieden zu werden.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Wie das LAG zutreffend erkannt hat, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn eine betriebsbedingte Kündigung rechtswirksam ist und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht. Mit dem Ablauf der Kündigungsfrist sind bei einer rechtswirksamen Kündigung die Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer endgültig gelöst, so daß eine erst danach entstehende Veränderung der tatsächlichen Umstände keine Verpflichtung des Arbeitgebers mehr auslösen kann, die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten neu zu begründen.

1. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages nach den Grundsätzen, die der 2. Senat des BAG in seinem Urteil (NZA 1997, 757 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Wiedereinstellung) aufgestellt hat.

a) Der 2. Senat geht von der st. Rspr. des BAG (vgl. z.B. BAGE 59, 12 (26) = NZA 1989, 461 = AP Nr. 75 zu § 613a BGB (zu B V 2b ee); NZA 1997, 251 = AP Nr. 81 zu § 1 KSchG1969 Betriebsbedingte Kündigung) aus, wonach die Wirksamkeit einer Kündigung nur nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Kündigungszugangs beurteilt werden kann. Liegen zu diesem Zeitpunkt alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung vor, so kann die Kündigung weder durch eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, also z.B. durch Wegfall eines bei ihrem Ausspruch vorliegenden Kündigungsgrundes, unwirksam werden noch ist der Arbeitgeber im Falle einer solchen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die Wirksamkeit der Kündigung zu berufen.

b) Allerdings hat der 2. Senat für den Fall, daß sich die für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Umstände noch während des Laufs der Kündigungsfrist verändern, unter bestimmten Voraussetzungen einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bejaht. Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers (Betriebsstillegung), bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigen, und erweist sich diese Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist als falsch (Betriebsübergang auf einen Erwerber), so ist der Arbeitgeber zur Wiedereinstellung verpflichtet, solange er mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Der Wiedereinstellungsanspruch ist ein notwendiges Korrektiv dafür, daß die Rechtsprechung bei der Prüfung des Kündigungsgrundes im Interesse der Rechtssicherheit allein auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs, nicht aber auf den Ablauf der Kündigungsfrist abstellt (BAG, NZA 1997, 251 (zu II 4b)). Im noch bestehenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber seine Verpflichtungen so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.

c) So verhält es sich im Streitfall nicht. Die Verhaltenspflichten des Arbeitgebers, auf die der 2. Senat insoweit zutreffend abgestellt hat, bestehen nach rechtswirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr. Sofern nicht der Arbeitgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, kann der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen.

2. Der Kl. kann den Anspruch auch nicht aus der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers herleiten. Diese überdauert zwar die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, betrifft aber, wie das LAG zutreffend erkannt hat, nur das Weiterbestehen bestimmter Nebenpflichten. Sie kann deshalb einen Anspruch auf Wiederbegrüngung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen.

3. Entgegen der Ansicht der Revision ändert sich an dieser Rechtslage auch dadurch nichts, daß am 23. 2. 1996, als durch das Ausscheiden eines anderen Arbeitnehmers ein für den Kl. möglicherweise geeigneter Arbeitsplatz bei der Bekl. frei wurde, der Kündigungsschutzprozeß noch andauerte. Durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage wurde die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist festgestellt. Die Bekl. war daher am 23. 2. 1996 nicht mehr verpflichtet, nach den nur während der Kündigungsfrist geltenden Maßstäben zu prüfen, ob ihr eine Wiedereinstellung des Kl. zumutbar war.

Vorinstanzen

LAG Köln, 12 Sa 403/96, 28.06.1996

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 1; BGB § 242; ZPO § 894