Aufwendungen für medizinische Fachliteratur

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

24. 10. 1995


Aktenzeichen

III R 106/93


Leitsatz des Gerichts

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für medizinische Fachliteratur sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Literatur dazu dient, die Entscheidung für eine bestimmte Therapie oder für die Behandlung durch einen bestimmten Arzt zu treffen (Fortführung der Grundsätze von BFHE 161, 432 = BStBl II 1990, 958).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. wurde mit ihrem 1992 verstorbenen Ehemann für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit ihrer Einkommensteuererklärung machten die Eheleute u.a. den Betrag von 2028,72 DM für die Anschaffung medizinischer Fachliteratur als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG geltend. Sie hatten diese Fachliteratur im Hinblick auf die Krebserkrankung des Ehemanns erworben. Das bekl. Finanzamt lehnte die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Kl. geltend, sie und ihr Ehemann hätten die Literatur angeschafft, um die Entscheidung über die Therapie sowie die anschließende Krebsnachsorge treffen zu können. Ihr, der Kl., Ehemann sei zunächst von einem Arzt behandelt worden, der ausschließlich die konventionelle Therapie der vollständigen Entfernung des erkrankten Organs anwende. Diese Methode habe keine größere Erfolgswahrscheinlichkeit als die von dem von ihnen später aufgesuchten Arzt angewandte schonendere Radiochemotherapie, der sich ihr Ehemann letztlich unterzogen habe. Diesen Arzt sowie die späteren Nachsorgetherapien hätten sie und ihr Ehemann aufgrund der beschafften Fachliteratur selbst ermittelt. Die ursprünglich behandelnden Ärzte hätten sie insoweit in keiner Weise beraten. Die Literatur sei somit - anders als in dem Fall des Urteils BFHE 161, 432 = BStBl II 1990, 958 - für ein lebensbedrohendes Leiden und eine konkrete Therapieentscheidung angeschafft worden.

Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 III Nr. 1 FGO).

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Wie der Senat in seinem zur Berücksichtigung von Aufwendungen für medizinische Fachliteratur ergangenen Urteil in BFHE 161, 432 = BStBl II 1990, 958 ausgeführt hat, erwachsen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit getätigt werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (vgl. die Nachw. in BFHE 161, 432 = BStBl II 1990, 958 sowie BFHE165, 272 = BStBl II 1991, 920 = NJW 1992, 783). In diesem Sinne sind alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung sowie für medizinische Hilfsmittel typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne daß es einer weitergehenden Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf (unmittelbare Krankheitskosten; vgl. dazu auch BFHE 135, 37 = BStBl II 1982, 297 (III. a.E.)). Keine außergewöhnliche Belastung wird dagegen durch Aufwendungen für solche Maßnahmen begründet, die nicht unter den Begriff der Heilbehandlung in dem hier maßgeblichen Sinn fallen. Aufwendungen für nur vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten erwachsen nach ständiger Rechtsprechung nicht zwangsläufig (Senat, BFHE 165, 272 = BStBl II 1991, 920 = NJW 1992, 783).

2. Hiervon ausgehend liegen bei den im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen für die Anschaffung medizinischer Fachliteratur die Voraussetzungen für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung nicht vor. Es handelt sich hierbei zum einen nicht um Kosten therapeutischer Maßnahmen i.S. der Rechtsprechung des BFH zu § 33 EStG, die eine gezielte medizinisch indizierte Behandlung zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit durch einen Arzt oder andere gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Personen voraussetzen (s. Senat, BFHE 161, 432 = BStBl II 1990, 958). Die Beschaffung der Fachliteratur geht nicht auf eine Anordnung der den Ehemann der Kl. seinerzeit behandelnden Ärzte zurück.

Zum anderen können die strittigen Literaturkosten auch nicht mit der Begründung als unmittelbare Krankheitskosten angesehen werden, daß sie - wie die Kl. vorträgt - allein zu dem Zweck aufgewandt wurden, eine schonendere Therapie als die durch den zunächst behandelnden Arzt sowie die entsprechende Nachsorgetherapie zu ermitteln. Zwar können Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen bereits vor der eigentlichen Heilbehandlung entstanden sind, als unmittelbare Krankheitskosten zum Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommt. Dies gilt z.B. für die Reisekosten aus Anlaß einer Behandlung des Steuerpflichtigen (Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG m. NebenGes., 20. Aufl., § 33 EStG Anm. 95). Bei den Aufwendungen eines erkrankten Steuerpflichtigen für medizinische Fachliteratur zum Zweck der Ermittlung der - nach der Ansicht des Steuerpflichtigen - für ihn geeigneten Therapie sowie eines Arztes seines Vertrauens handelt es sich indes nicht um Kosten, die der ggf. nachfolgenden Heilbehandlung unmittelbar zugeordnet werden können. Sie entstehen nicht durch die eigentliche Heilbehandlung, sondern in einem Stadium, das dem Entschluß, einen bestimmten Arzt aufzusuchen oder sich einer bestimmten Therapie zu unterziehen, noch weit vorgelagert ist. Möglicherweise führt das Studium der Fachliteratur sogar zu dem Ergebnis, daß der Steuerpflichtige sich dazu entscheidet, von einer Behandlung überhaupt abzusehen oder eine Behandlung und die Konsultation eines Arztes zunächst aufzuschieben. Dies verdeutlicht, daß es sich bei Literaturanschaffungen der hier vorliegenden Art um unabhängig von der konkreten Beratung oder Behandlung durch einen Arzt anfallende und somit um lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Krankheit stehende Aufwendungen handelt, die von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen sind. Ob etwas anderes dann gilt, wenn ein Arzt - begleitend zu seiner Therapie - dem Patienten den Erwerb eines Buches aufgibt, anhand dessen dieser die Anordnungen des Arztes besser zu befolgen vermag, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.

Zwangsläufige Aufwendungen werden jedenfalls nur ausgelöst, soweit sie für die Konsultation von Ärzten und anderen zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Personen sowie für die von diesen verordneten therapeutischen Maßnahmen entstehen.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 33