Erstmaliges Hochschulstudium als Berufsausbildung
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
17. 04. 1996
Aktenzeichen
VI R 2/95
Die Aufwendungen einer Finanzbeamtin mit dem Grad einer Dipl.-Finanzwirtin (FH) für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an einer Universität dienen der Berufsausbildung und sind deshalb nur als Sonderausgaben gem. § 10 I Nr. 7 1, 1. Alt. EStG und nicht als Werbungskosten abziehbar.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. ist als Finanzbeamtin im gehobenen Dienst tätig. Sie legte im August des Streitjahres 1992 ihr Examen an der Fachhochschule für Finanzen ab und studiert seit Beginn des Wintersemesters 1992/93 neben ihrer Berufstätigkeit Betriebswirtschaft an einer Universität. Der Bekl. (das Finanzamt) erkannte die für das Universitätsstudium angefallenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten der Kl. bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern nur mit dem Höchstbetrag von 900 DM als Sonderausgaben gem. § 10 I Nr. 7 des EStG an.
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Die Revision der Kl. blieb ohne Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Aufwendungen der Kl. für das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität keine Werbungskosten (§ 9 I EStG) bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 I Nr. 1 EStG) als Beamtin des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung, sondern Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 I Nr. 7 EStG sind.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium typisierend stets als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 I Nr. 7 EStG zu beurteilen. Dagegen können nach der neueren Rechtsprechung Aufwendungen für ein zweites Hochschulstudium unter bestimmten Voraussetzungen als Werbungskosten abziehbar sein. Nach den Senatsurteilen (BFHE 167, 127 = BStBl II 1992, 556 und BFHE 167, 505 = BStBl II 1992, 962, jeweils eine Lehrerin betreffend; BFHE 167, 502 = BStBl II 1992, 961, betreffend einen Kirchenmusiker) muß das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt haben und das Zweitstudium ein Aufbaustudium sein, das nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet. Weitergehend sind nach dem Urteil (BFHE 167, 538 = BStBl II 1992, 965 = NJW 1992, 2984) die Aufwendungen eines approbierten Humanmediziners für das Studium der Zahnmedizin mit dem Ziel, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg zu werden, Fortbildungskosten. Der Senat hat dabei offengelassen, ob der Wechsel von der Humanmedizin zur Zahnmedizin als Wechsel der Berufsart zu beurteilen ist. Als ausschlaggebend ist gewertet worden, daß die Tätigkeit des Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen gegenüber der Tätigkeit eines Chirurgen eine Spezialisierung bedeutet.
Bei dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an einer Universität handelt es sich zwar um ein Teilstudium der Kl., da sie im Rahmen ihres Ausbildungsdienstverhältnisses bei der Finanzverwaltung bereits ein Fachhochschulstudium abgeschlossen hat. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Senats Aufwendungen für ein Zweitstudium an einer Universität als Werbungskosten anerkannt werden können, liegen nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz im Streitfall aber nicht vor. Denn auch wenn die Möglichkeit der Anrechnung von Studienzeiten aus dem Erststudium an der Fachhochschule bestand, wird der Kl. durch das Studium der Betriebswirtschaftslehre an einer Universität gegenüber ihrer abgeschlossenen Ausbildung als Finanzbeamtin des gehobenen Dienstes ein Wechsel der Berufsart eröffnet. Die Kl. kann nach Beendigung ihres Universitätsstudiums der Betriebswirtschaftslehre in den verschiedensten Bereichen der privaten Wirtschaft tätig sein. Die sich ihr nach dem Universitätsstudium eröffnenden Tätigkeiten der unterschiedlichsten Art sind mit ihrem Beruf als Finanzbeamtin im gehobenen Dienst nicht vergleichbar.
Zwar ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung bei einem Zweitstudium, bei dem möglicherweise ein Wechsel in eine benachbarte Berufsart zu bejahen sein könnte, eine Fortbildung und keine Ausbildung anzunehmen, wenn sich das Zweitstudium als eine Spezialisierung auf einem Gebiet des breit angelegten Erststudiums darstellt. Auch hat der Senat bei einem Dipl.-Ingenieur die Aufwendungen für ein betriebswirtschaftliches Studium von drei Semestern zur Erlangung der Berufsbezeichnung „Dipl.-Wirtschaftsingenieur“ als Werbungskosten anerkannt (BFHE 168, 341 = BStBl II 1992, 966). Damit ist der Streitfall jedoch nicht vergleichbar. Denn das Studium der Kl. war als Vollstudium ausgerichtet und die Zulassung hat nicht - wie im Fall des Betriebswirts, der in den USA den Grad eines „Masters of Business Administration" erwerben will (vgl. dazu Senat, Urt. v. 19. 4. 1996 - VI R 24/95, das zur Veröffentlichung vorgesehen ist) - den Abschluß eines anderen Studiums vorausgesetzt.
Dementsprechend ist es nicht darauf ausgerichtet, im Wegen einer Spezialisierung eine Vertiefung oder Ergänzung bisheriger Kenntnisse herbeizuführen, sondern es werden danach erstmals auf breiter Grundlage betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse vermittelt.
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