Genesungsgeld nach Achillessehnenriß beim Tennisspiel

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

11. 12. 1996


Aktenzeichen

2/1 S 87/96


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die bei der Bekl. eine Unfallversicherung gem. den AUB 61 abgeschlossen hatte, hat Klage auf Versicherungsleistungen, darunter auch Genesungsgeld wegen eines Achillessehnenrisses, den sie sich beim Tennisspielen zugezogen hat, erhoben. Die Bekl. hat bestritten, daß ein Unfall vorliege und darauf hingewiesen, daß die Leistung von Genesungsgeld nicht vereinbart sei.

Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld und Genesungsgeld aus der bei der Bekl. ab dem 18. 6. 1986 abgeschlossenen Unfallversicherung zu. Zu Recht geht das AG, auf dessen überzeugende Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, davon aus, daß es sich bei dem Riss der Achillessehne der Kl. um einen Unfall i.S. des § 2 II lit. a AUB 61 handelt, weil diese Verletzung durch eine Kraftanstrengung der Versicherten hervorgerufen worden ist. Darunter wird - entsprechend der Formulierung in § 1 IV Nr. 2 der AUB 88 - ein Aufwand an Muskelkraft verstanden, der über denjenigen hinausgeht, der bei normaler körperlicher Bewegung auftritt. Entgegen der Ansicht der Bekl. ist nach allgemeiner Meinung aber keine "außergewöhnliche" Kraftanstrengung erforderlich; es kommt auch nicht darauf an, ob die Kraft über die beim Tennisspielen üblicherweise aufgewendete hinausging. Den Ausführungen des AG, daß hier ein solcher Fall gesteigerter körperliche Tätigkeit vorliegt, schließt sich die Kammer an. Die Kl. war beim Tennisspielen auf einen Ball zugelaufen, hatte dann plötzlich abgestoppt um in seitlicher Schlagstellung auf den Ball zuzurutschen. Der dabei benötigte Aufwand an Muskelkraft geht weit über den normalen Aufwand hinaus, wie er beispielsweise beim Gehen benötigt wird. Es ist geradezu die typische Situation eines Sportunfalls, wenn es beim kämpferischen Einsatz im Spiel zu einer Verletzung kommt. In solchen Fällen wird in ständiger Rechtsprechung ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen bejaht (OLG Celle, NJW-RR 1996, 24). Zu Unrecht beruft sich die Bekl. in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 7. 4. 1994 (r + s 1995, 157). Im ersten Satz der Entscheidungsgründe heißt es zwar, daß der beim Tennisspiel erlittene Achillessehnenriß nicht als Unfall im Sinne der AUB zu qualifizieren sei. Der weitere Text zeigt aber eindeutig, daß damit nur der in dem zu entscheidenden Fall erlittene Riß gemeint war und keine auch für andere Fälle geltenden Aussagen gemacht wurden. Das OLG hat keineswegs ausgeführt, daß bei den im Rahmen eines Tennisspiels normalerweise vorkommenden Bewegungen keine erhöhte Kraftanstrengung auftritt. Es hat nur das Vorliegen eines erhöhten Kraftaufwands verneint, als ein Spieler beim Zurücklaufen zur Grundlinie eine Drehbewegung ausführte, als ihm fast gegen die Laufrichtung ein Ball zugespielt wurde. Hier war die Situation aber anders: Hier lag der vom OLG geforderte punktuelle, besondere Krafteinsatz vor, der sich vom normalen Bewegungsablauf absetzt. Denn die Kl. hatte versucht, einen Ball zu erlaufen und dann mit dieser Bewegung abrupt aufgehört. Die Muskelanspannung beim anschließenden Rutschen erfordert eben mehr Kraftaufwand als die im Alltag üblichen Bewegungen. Deswegen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Verletzung nicht auch deshalb als Unfallfolge einzuordnen ist, weil die Kl., wie sie anläßlich ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen angegeben hatte, unmittelbar vor dem Riß ausgerutscht war.

Die Bekl. beruft sich ohne Erfolg darauf, sie sei gem. § 10 AUB berechtigt, ihre ansonsten geschuldete Leistung zu kürzen, weil degenerative Vorschäden mit dazu beigetragen hätten, daß es zu der Verletzung gekommen ist. Der Sachverständige hat nicht bestätigt, daß eine solche Vorerkrankung vorlag. (Wird ausgeführt.)

Der Kl. steht auch ein Anspruch auf Zahlung von Genesungsgeld zu. Es ist zwar richtig, wie die Bekl. ausführt, daß Genesungsgeld seiner Rechtsnatur nach eine selbständige Leistung sein soll, die sie nur gewähren will, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist. Gleichwohl kann die Kl. neben einem Anspruch auf Krankenhaustagegeld Genesungsgeld verlangen. Denn es kommt nicht darauf an, wie Fachleute § 8 AUB 61 verstehen. Auszugehen ist vielmehr davon, wie ein rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittskunde der Bekl. bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges den Text verstehen muß (BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369). Ein solcher Versicherungsnehmer wird entsprechend dem Wortlaut des § 8 IV und V AUB 61 davon ausgehen, daß er bei stationärer Krankenhausbehandlung Krankenhaustagegeld erhält und "im Anschluß an den Krankenhausaufenthalt" Genesungsgeld entsprechend der in den Versicherungsbedingungen genannten Höhe. Als Laie gewinnt er bei dieser Formulierung den Eindruck, daß es sich dabei um die Fortsetzung der Krankenhaustagegeldzahlung handelt, die deshalb einen anderen Namen erhält, weil der Verletzte sich nicht mehr im Krankenhaus befindet. Durch § 11 der Versicherungsbedingungen wird er in seiner Annahme bestärkt. Dort verpflichtet sich der Versicherer, sich innerhalb einer Frist zu erklären, ob er eine Entschädigungspflicht anerkennt. In dieser Vorschrift sind alle in § 8 geregelten Leistungsarten aufgeführt, jedoch mit Ausnahme des Genesungsgeldes. Da ein Versicherungsnehmer dem Text nicht entnehmen kann, daß die Vereinbarung eines Genesungsgeldes den Abschluß einer Krankenhaustagegeldversicherung voraussetzt, wird er beim aufmerksamen Lesen hieraus den Schluß ziehen, daß das Genesungsgeld tatsächlich zum Krankenhaustagegeld gehört. Der übrige Inhalt der getroffenen Vereinbarung ist nicht geeignet, den insbesondere aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen gewonnenen Eindruck zu korrigieren. Allein daraus, daß das Genesungsgeld nicht in demselben Absatz geregelt ist, wie das Krankenhaustagegeld, wird sich ihm nicht aufdrängen, daß es sich hierbei um eine gesondert zu vereinbarende Leistung handelt, die nicht automatisch im Anschluß an einen Krankenhausaufenthalt gezahlt wird. Die Überschrift zu Teil B der AUB, die nur von Leistungen des Versicherers spricht, nicht aber von verschiedenen Leistungsarten, wie es nunmehr in der Überschrift zu § 7 AUB 88 heißt, ist ebenfalls nicht geeignet, hier für Klarheit im Sinne der Bekl. zu sorgen.

Zwar wird in § 1 AUB 61 ausgeführt, daß Versicherungsschutz nur entsprechend den versicherten Leistungen gewährt wird. Diese Regelung ist aber im Vertragstext räumlich so weit getrennt, daß der Durchschnittsleser hier keine Verbindung zu § 8 herstellt und merkt, daß das Genesungsgeld gesondert zu versichern ist. Die Versicherungspolice läßt ebenfalls nicht erkennen, daß die Zahlung von Genesungsgeld nicht vereinbart sein soll. Sie verstärkt vielmehr das beim Lesen des § 8 IV, V AUB 61 gewonnene Verständnis. In der Police wurden die verschiedenen Leistungsarten aufgelistet und mit den dazugehörigen Geldbeträgen versehen. Daß darüber hinaus als weitere Leistung Genesungsgeld hätte vereinbart werden können, ist hieraus nicht zu ersehen. Zur Klarstellung hätte nicht nur wegen der Formulierung in § 8 IV, V AUB 61 Anlaß bestanden, sondern auch deshalb, weil der Versicherungsschein selbst den Eindruck erweckt, daß auch nicht versicherte Leistungen der Unfallversicherung dort genannt werden. So ist bei den von der Kl. und ihrem Ehemann abgeschlossenen Versicherungen jeweils der im Todesfall zu zahlende Betrag eingetragen, während die entsprechende Rubrik bei der Versicherung der Kinder leer geblieben ist. Eine nicht mit Geldbeträgen ausgefüllte Zeile für das Genesungsgeld fehlt dagegen. Anhaltspunkte dafür, daß sich ein anderes Verständnis der Unfallbedingungen aus dem Inhalt des Versicherungsantrags oder aus sonstigen Erläuterungen bei Vertragsschluß herleiten ließe, wurden nicht vorgetragen.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht; Sozialrecht

Normen

AUB 61 §§ 2 II lit. a, 8 IV, V