Kündigung - beharrliche Arbeitsverweigerung

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

21. 11. 1996


Aktenzeichen

2 AZR 357/95


Leitsatz des Gerichts

Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung fest (u.a. NZA 1986, 138 = AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968), daß bei einer sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung grundsätzlich eine außerordentliche, fristlose Kündigung (§ 626 BGB) in Betracht kommt; es ist dabei u.a. zu würdigen, ob zu besorgen ist (Prognoseprinzip), der Arbeitnehmer werde in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen. Nach dem ultima-ratio-Prinzip schließt dies aber im Einzelfall nicht aus, daß nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. war bei der Bekl. seit dem 1. 10. 1966 als kaufmännische Angestellte zu einem durchschnittlichen Bruttogehalt von zuletzt 5700 DM beschäftigt; bei der Bekl. handelt es sich um ein Unternehmen der chemischen Industrie mit ca. 15000 Arbeitnehmern. Die Kl. war als gelernte Industriekauffrau und Betriebswirtin (VWA) im Betriebsbüro des Vestolit (PVC)-Betriebs E/B der Bekl. neben zwei weiteren Teilzeitbeschäftigten als Büroleiterin tätig, und zwar unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 11 des Bundes-Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie. Wegen rückläufiger Umsatzzahlen wurde von den früheren vier Vestolit-Betrieben einer von der Bekl. stillgelegt. Aufgrund eines Kostenmanagementprojekts im Frühjahr 1993 wurde beschlossen, ein zentrales Betriebsbüro für die Vestolit-Betriebe mit insgesamt drei Arbeitnehmern, davon einem Leiter und zwei Mitarbeitern, einzurichten. Die Leitung dieses Betriebsbüros wurde - von der Kl. inzwischen nicht mehr als sozial fehlerhaft ausgewählt beanstandet - Herrn R übertragen. Der Kl. wurde am 10. 3. 1993 mitgeteilt, daß ihr Arbeitsplatz entfallen sei und sie zum 1. 4. 1993 versetzt werden sollte. Am 29. 3. 1993 wurde der Kl. ein Arbeitsplatz als Betriebsbüro-Sachbearbeiterin in der Zwischenproduktefabrik angeboten; dieser Arbeitsplatz unterfällt der Tarifgruppe E 10. Bei einer Besichtigung dieses Arbeitsplatzes am 30. 3. 1993 deutete die Kl. gegenüber dem Abteilungsleiter der Zwischenproduktefabrik, Dr. U, an, daß sie den angebotenen Arbeitsplatz für unzumutbar halte. Bei einem Gespräch am 2. 4. 1993 in der Abteilung Personalbeschaffung der Bekl. bestätigte die Kl., daß sie den angebotenen Arbeitsplatz für unzumutbar halte, während von Seiten der Bekl. die Zumutbarkeit bejaht wurde. Entsprechend einer im Interessenausgleich und Sozialplan vom 31. 8. 1992 getroffenen Regelung trat am 8. 4. 1993 eine paritätische Schiedskommission zusammen, die einstimmig den angebotenen Arbeitsplatz für zumutbar hielt. Nach dem Protokoll sollte von Betriebsratsseite bis zum 14. 4. 1993 ein Gespräch mit der Kl. geführt werden. Nachdem am 13. 4. 1993 von Betriebsratsseite das Einverständnis der Kl. signalisiert worden war, lehnte diese zunächst den Wechsel in die Zwischenproduktefabrik ab. Noch am gleichen Tag wurde der Kl. ein schriftliches Arbeitsplatzangebot über die in Rede stehende Stelle gemacht und der Betriebsrat über die geplante Versetzung informiert und um Zustimmung ersucht; dieser erklärte am 15. 4. 1993 seine Zustimmung mit der beabsichtigten Versetzung und der vorgesehenen Eingruppierung. Nach Gesprächen mit verschiedenen Personen auf Arbeitgeberseite nahm die Kl. noch am 13. 4. 1993 nachmittags durch schriftliche Erklärung das Arbeitsplatzangebot in der Zwischenproduktefabrik an und nahm am 14. 4. 1993 dort ihre Arbeit auf. Für den 15. und 16. 4. 1993 wurde ihr Urlaub bewilligt. Nachdem sie zuvor den Leiter der Zwischenproduktefabrik telefonisch informiert hatte, sie werde nicht an diesen Arbeitsplatz zurückkehren, erschien die Kl. am 19. 4. 1993 (Montag) an ihrem alten Arbeitsplatz im Betriebsbüro des Vestolit-Betriebes und erklärte durch handschriftlichen Zusatz auf das am 13. 4. 1993 unterzeichnete Arbeitsplatzangebot, daß sie die Stelle nicht annehme, da sie nach Durchsicht der Arbeitsgebiete die Stelle nicht für sich als geeignet ansehe. Am Nachmittag desselben Tages führten Vertreter der Bekl. unter Hinzuziehung zweier Betriebsratsmitglieder ein Gespräch mit der Kl., in dem diese unter Androhung einer außerordentlichen Kündigung aufgefordert wurde, ihre Arbeit auf dem ihr zugewiesenen Arbeitsplatz wiederaufzunehmen, was die Kl. jedoch ablehnte. Ab dem 20. 4. 1993 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Nach Anhörung des Betriebsrats, der keine Bedenken äußerte, kündigte die Bekl. mit Schreiben vom 23. 4. 1993 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß auf. Hiergegen richtet sich die von der Kl. erhobene Kündigungsschutzklage, mit der sie außerdem die Unwirksamkeit der Versetzung von der Tätigkeit als Büroleiterin zur Tätigkeit als Betriebsbürosachbearbeiterin geltend macht, nachdem sie durch Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 4. 5. 1993 ihre Einverständniserklärung vom 13. 4. 1993 anfechten ließ. Aufgrund eines Antrags vom 27. 4. 1993 ist die Kl. wegen Schwerhörigkeit seit dem 4. 5. 1993 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Kl. hat unter anderem - soweit noch für die Revisionsinstanz von Belang - geltend gemacht, sie habe sich bei Unterzeichnung der Einverständniserklärung darüber geirrt, daß es sich bei der im Betriebsbüro der Zwischenproduktefabrik zu erbringenden Tätigkeit tatsächlich nicht vorwiegend um eine kaufmännische Arbeit handele. Erst am 14. 4. 1993 habe ihr der bisherige Stelleninhaber, der Zeuge W, mitgeteilt, die neue Arbeit habe wenig mit einer kaufmännischen Tätigkeit zu tun, ihre wichtigste Aufgabe werde es sein, die Kaffeemaschine am Laufen zu halten; vorwiegend handle es sich um die Führung von Stundenbüchern für die gewerblichen Arbeitnehmer sowie beispielsweise um die Magazinverwaltung von Sicherheitskleidung. Die neue Tätigkeit sei nur zu 30 % kaufmännischer Art gewesen und nicht von hochqualifizierten Betriebswirten auszuführen. Schließlich habe die Bekl. sie arglistig darüber getäuscht, daß es keine anderweitigen freien Stellen mehr gäbe; so hätten freie Stellen im Controlling und im U-Bereich 1 zur Verfügung gestanden; dort habe sie als Abteilungskauffrau eingesetzt werden können. Auch gebe es freie Stellen im Bereich Rechnungswesen. Bei dem Arbeitsplatz in der Zwischenproduktefabrik handle es sich um einen Abschiebeposten, so daß ihre Erklärung vom 19. 4. 1993 als Anfechtung ihrer Zustimmung zum Arbeitsplatzangebot zu werten sei. Die Kl. hat zuletzt noch beantragt, festzustellen, daß die Versetzung von der Tätigkeit als Büroleiterin zur Tätigkeit als Betriebsbürosachbearbeiterin unwirksam war und das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. 4. 1993 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte hat sich mit ihrem Klageabweisungsantrag auf die Wirksamkeit der am 13. 4. 1993 vereinbarten Versetzung berufen. Es sei unzutreffend, daß im U-Bereich 1 eine Stelle als Abteilungskauffrau wegen Umorganisation frei werde; für die Stelle im Bereich Controlling sei die Kl. nicht geeignet, da es sich um eine AT-Stelle handele. Außerdem seien die Stellen intern ausgeschrieben gewesen. Die Kl. habe sich hierauf nicht beworben. Die AT-Stelle im Controlling sei bereits am 10. 11. 1992 durch Herrn S besetzt worden. Dessen Nachfolger, dem Zeugen W, sei die Stelle bereits Ende 1992/Anfang 1993 zugesagt worden. Schließlich seien auch im Rechnungswesen keine für die Kl. geeigneten Stellen frei gewesen. Ihre Mitarbeiter hätte daher die Kl. korrekt informiert. Die Stelle als Sachbearbeiterin im Betriebsbüro sei von der Schiedskommission zutreffend als eine solche nach Entgeltgruppe E 10 bewertet worden; auch der frühere Stelleninhaber W sei nach E 10 vergütet worden. Im übrigen bestreitet die Bekl., daß ihr eine Erkrankung der Kl., insbesondere eine Schwerbehinderung bekannt gewesen sei. Wegen der beharrlichen Arbeitsverweigerung der Kl. sei zu Recht eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden.

Das ArbG hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen J, L, W, B, H und P abgewiesen. Das LAG hat nach weiterer Beweisaufnahme die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Die Kl. hält mit ihrer Revision an ihren bisherigen Anträgen in dem geschilderten Umfang fest, während die Bekl. mit ihrer Anschlußrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Beide Revisionen blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nicht sozialwidrig (§ 1 II KSchG), da die Versetzung der Kl. in die Zwischenproduktefabrik wirksam war. Zutreffend hat das LAG aber entschieden, daß deswegen eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt war.

I. Das LAG hat seine Entscheidung wie folgt begründet. (Wird augeführt).

II. Der Entscheidung des LAG tritt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung bei.

1. Entgegen der Auffassung der Bekl. ist die Revision der Kl. zulässig. Die Revision ist nach dem Tenor und in den Entscheidungsgründen des LAG unbeschränkt zugelassen. Auch wenn man davon ausgeht, das LAG habe im Hinblick auf seine Ausführungen zur beharrlichen Arbeitsverweigerung (§ 626 BGB), also wegen der außerordentlichen Kündigung der Bekl., die Revision zulassen wollen, ist dies nicht eindeutig zwingend. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ausschließlich für die Bekl. müßte aus Gründen der Rechtsmittelklarheit aus dem angefochtenen Urteil hervorgehen (Senat, NJW 1991, 1002 = NZA 1991, 221 = AP Nr. 47 zu § 615 BGB (zu I 2) m.w. Nachw.). Eine solche Beschränkung ist hier nicht eindeutig ersichtlich; im Gegenteil: Die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung erstreckt sich - wenn auch unausgesprochen - auf beide Parteien.

2. Die Revision der Bekl. ist als sogenannte unselbständige Anschlußrevision (§ 556 II ZPO) statthaft und zulässig, § 72 I , V ArbGG, § 556 I ZPO.

3. Die Revision der Kl. ist unbegründet, weil das LAG zu Recht entschieden hat, die hilfsweise ordentliche Kündigung der Bekl. vom 23. 4. 1993 sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, § 1 II KSchG.

a) Die Entscheidung des BerGer. über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 II KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom RevGer. nur darauf überprüft werden kann, ob das BerGer. den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des BAG, vgl. u.a. BAGE 70, 262 (269f.) = NZA 1993, 115 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (zu II 2a) m. w. Nachw.).

b) Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs begegnet die Annahme des LAG keinen rechtlichen Bedenken, die Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen. Vielmehr gilt ein objektiver Maßstab. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts-(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muß dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein (vgl. u.a. BAGE 70, 262 = NZA 1993, 115 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (zu II 26)). Als Grund für die ausgesprochene ordentliche Kündigung ist hier davon auszugehen, daß die Kl. am 19. 4. 1993 sich nach den nicht mit einer Revisionsrüge angegriffenen Feststellungen des LAG (§ 561 II LAG) endgültig geweigert hat, ihre Tätigkeit - wie am 13. 4. 1993 einvernehmlich festgelegt - in der Zwischenproduktefabrik aufzunehmen.

aa) Die Revision macht insofern nur noch geltend, diese Vereinbarung sei nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten worden, weil die Bekl. trotz der ausdrücklichen Nachfrage der Kl. die Auskunft wahrheitswidrig erteilt habe, es gebe außer der Stelle im Betriebsbüro der Zwischenproduktefabrik keine weiteren, frei verfügbaren Stellen für sie.

(1) Insofern bestehen schon erhebliche Bedenken, ob die Kl. überhaupt schlüssig die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung vorgetragen hat. Arglistig ist eine Täuschung nämlich nur dann, wenn sie vorsätzlich zum Zweck vorgenommen wird, den Willen des Getäuschten zu beeinflussen; es genügt auch ein bedingter Vorsatz, also das Bewußtsein, daß die Täuschung den anderen zu der Erklärung bestimmen könnte, wobei es ausreicht, wenn der Täuschende weiß, daß seine Angaben unrichtig sind, er aber mit der Möglichkeit rechnet, der Erklärungsgegner könnte in seiner Entscheidung durch die Täuschung beeinflußt werden, und dies billigend in Kauf nimmt, wobei die bewußt unwahre Aussage den Vorsatz erkennen läßt, auf den Erklärungswillen einzuwirken (BAGE 75, 77 (80ff.) = NJW 1994, 1363 = NZA 1994, 407 = AP Nr. 38 zu § 123 BGB (zu II 1a ff.)). Nachdem die Kl. erstinstanzlich in dieser Hinsicht überhaupt nichts vorgetragen hat, hat sie zweitinstanzlich behauptet, kurz vor ihrer Unterschriftsleistung den Zeugen H befragt zu haben, ob es tatsächlich keine anderweitige Einsatzmöglichkeit für sie im Betrieb der Bekl. gebe, was der Zeuge verneint habe; dabei sei es um die Stellen Controlling III und im U-Bereich 1 gegangen. Unabhängig davon, daß die Bekl. von Anfang an vorgetragen hatte, diese Stellen seien intern ausgeschrieben gewesen, ohne daß die Kl. sich hierauf beworben habe, hätte die Kl. jedenfalls dazu Stellung nehmen müssen, die AT-Stelle im Controlling sei für sie als außertariflich bezahlt nicht in Frage gekommen und außerdem sei die Stelle bereits am 10. 11. 1992 durch Herrn S besetzt worden. War hiervon auszugehen, lag jedenfalls am 19. 4. 1993 keine arglistige Täuschung vor, wenn die Bekl. diese Stellen nicht für die Kl. in Betracht zog und auch nicht mehr als frei bezeichnete.

(2) Zumindest aber hat das LAG für den Senat gem. § 561 ZPO verbindlich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt, beide Stellen seien am 13. 4. 1993 insofern nicht mehr frei gewesen, als sie rechtsverbindlich sowohl Herrn K als auch Herrn S zugesagt worden seien. Diese Feststellung ist nicht mit einer Beweisrüge angegriffen worden. Steht dies aber für den Senat fest, kann zwar davon ausgegangen werden, daß die Bekl. bei ihrer Erklärung, diese Stellen seien nicht mehr frei, unpräzise geantwortet hat, jedenfalls ist dann aber eine vorsätzliche Falschbeantwortung nicht erwiesen. Das LAG ist davon ausgegangen, mit der rechtsverbindlichen Zusage hätten die in Frage stehenden Stellen nicht mehr zur Verfügung gestanden, wobei es auf die tatsächliche Besetzung nicht maßgeblich ankomme; letztere stelle vielmehr die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen dar. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere führt die Rüge der Revision nicht weiter, es sei zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft zu unterscheiden: Tatsächlich sei eine Verfügung noch möglich gewesen. Wenn die Bekl. sich an diese rechtlichen Verpflichtungen gebunden fühlte und mit Rücksicht darauf die Stellen als nicht mehr frei bezeichnete, so kann darin eine arglistige Falschbeantwortung und bewußte Täuschung der Kl. nicht gesehen werden, weil nicht zu widerlegen ist, daß die Vertreter der Bekl. im Hinblick auf die eingegangenen Verpflichtungen die fraglichen Stellen subjektiv als nicht mehr frei angesehen haben. Da auch hinsichtlich der angeblich im Rechnungswesen freien Stellen kein weiterer Sachvortrag erfolgt ist, hat das LAG zutreffend das Vorliegen einer arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) verneint.

bb) Soweit mit der Revision weiter geltend gemacht wird, die Kl. habe sich i.S. von § 119 II BGB über eine verkehrswesentliche Eigenschaft hinsichtlich der angebotenen Stelle im Büro der Zwischenproduktefabrik geirrt, diese sei nicht nach Entgeltgruppe E 10 zu bewerten, was auch daraus folge, daß nach der Aussage des Zeugen Dr. U diese Stelle inzwischen mit einem Mitarbeiter nach Entgeltgruppe E 9 besetzt worden sei, stehen dem - abgesehen davon, daß es sich hinsichtlich der Bewertung um neuen und daher nach § 561 I ZPO unbeachtlichen Vortrag handelt - die Feststellungen des LAG entgegen. Das LAG hat in seinem unstreitigen Tatbestand festgestellt, ohne daß die Revision hierzu eine erhebliche Rüge vorgebracht hätte, der Arbeitsplatz der Betriebsbürosachbearbeiterin der Zwischenproduktefabrik unterfalle der Tarifgruppe E 10. Eine von der tatsächlichen Sachlage abweichende irrtümliche Vorstellung der Kl. liegt damit nicht vor. Abgesehen davon hat die Kl. auch nicht bestritten, daß der bisherige Stelleninhaber W nach Entgeltgruppe E 10 vergütet wurde. Schließlich ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das LAG im Hinblick auf die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung nach E 10 davon ausgegangen ist, dies spreche für die zutreffende Zuordnung zu einer tariflichen Vergütungsgruppe.

cc) Soweit die Revision schließlich rügt, das LAG habe bei der Interessenabwägung zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß bei der Kl. ein Grad der Behinderung von 50 bei Ausspruch der Kündigung zu berücksichtigen gewesen sei, greift auch diese Rüge nicht durch. Insofern fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag, die Bekl. habe überhaupt bei Ausspruch der Kündigung am 23. 4. 1993 davon ausgehen müssen, es liege bei der Kl. eine solche Gehörschädigung vor, die eine Schwerbehinderung rechtfertige. Aus den für den Senat verbindlichen Feststellungen des LAG ergibt sich nur, daß aufgrund des nachträglichen Antrags der Kl. vom 27. 4. 1993 eine Hörbehinderung seit dem 4. 5. 1993 mit einem Grad von 50 anerkannt worden ist. Angesichts dieser tatsächlichen Umstände, die wiederum nicht mit eine Rüge i.S. des § 561 II ZPO angegriffen worden sind, kann die Interessenabwägung des LAG, die ohnehin nur einer beschränkten Nachprüfung unterliegt (vgl. oben zu II 2a), nicht als fehlerhaft beanstandet werden.

Etwas anderes hat auch das BAG in den von der Revision genannten Entscheidungen (BAGE 29, 17 = NJW 1977, 1701 = AP Nr. 1 zu § 12 SchwbG; BAGE 29, 334 = NJW 1978, 1397 = AP Nr. 2 zu § 12 SchwbG; BAGE 30, 141 = NJW 1978, 2568 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG) nicht angenommen. Vielmehr setzt der Senat für die Berücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft außerhalb des gesetzlichen Schwerbehindertenschutzes bei der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung in allen diesen Fällen voraus, daß die Schwerbehinderteneigenschaft, wenn sie beachtet werden soll, zur Zeit der Kündigung vorgelegen haben muß. Daß der Kl. entgegen der ausdrücklichen Feststellung im unstreitigen Tatbestand des LAG bereits zur Zeit der Kündigung in diesem Umfang an der Hörbehinderung litt, beruht lediglich auf Mutmaßungen der Revision. Die Kl. hat auch bisher nie geltend gemacht, anläßlich der Besichtigung des neuen Arbeitsplatzes oder etwa bei dem Gespräch am 19. 4. 1993 auf diesen Umstand hingewiesen zu haben. Es ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das LAG angesichts der unstreitigen Umstände darauf abgestellt hat, die Schwerbehinderung sei der Bekl. weder bekannt noch erkennbar gewesen. Da die Interessenabwägung des LAG im übrigen von der Revision nicht angegriffen wird und auch keine Fehler oder Widersprüchlichkeiten ersichtlich sind, ist das Ergebnis des LAG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zur Interessenabwägung ergänzend vgl. auch noch nachfolgend unter II 4c).

4. Die Revision der Bekl. ist in der Sache selbst nicht begründet. Die Bekl. macht geltend, das LAG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß bei Vorliegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung der Ausspruch eine außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB nicht gerechtfertigt sei. Die Begründung des LAG, ansonsten gewinne die außerordentliche Kündigung Sanktionscharakter, was gem. § 626 BGB nicht gewollt sei, überzeuge nicht.

a) Dieser Auffassung der Anschlußrevision ist im Grundsatz zuzustimmen. Das BAG hat bisher in Fällen einer sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung in aller Regel eine außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt angesehen (vgl. etwa BAG, Urt. v. 12. 7. 1984, 2 AZR 290/83 - unveröff.; BAG, NZA 1986, 138 = AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968; BAG, Urt. v. 17. 6. 1992 - 2 AZR 568/91, unveröff. (zu II 2a) und zuletzt BAG, NJW 1997, 274 = NZA 1996, 1085 (zu II 1a)). Das BAG, dem die arbeitsrechtliche Literatur ganz überwiegend gefolgt ist (vgl. Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 626 Rdnr. 51; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rdnrn. 315, 316; Schwerdtner, in: MünchKomm., 2. Aufl., § 626 Rdnr. 81; Hillebrecht, in: KR, 4. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 307; Etzel, in: KR, 4. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 417; Schaub, ArbeitsR-Hdb., 8. Aufl., § 125 VII 6; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rdnr. 515; Staudinger/Preis, BGB, 13. Aufl., § 626 Rdnr. 141), ist dabei davon ausgegangen, die beharrliche Arbeitsverweigerung setze in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus; der Arbeitnehmer müsse die ihm übertragene Arbeit bewußt und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genüge, daß der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lasse, sondern die beharrliche Arbeitsverweigerung setzte voraus, daß eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliege. Allerdings könne das Moment der Beharrlichkeit auch darin zu sehen sein, daß in einem einmaligen Falle der Arbeitnehmer eine Anweisung nicht befolge, das müsse dann aber z.B. durch einen vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden.

Wie diesen Ausführungen und insbesondere dem Hinweis auf eine vorhergehende erfolglose Abmahnung zu entnehmen ist, geht damit die Rechtsprechung davon aus, daß zu besorgen ist, der Arbeitnehmer werde in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen; insbesondere ist dieser Rechtsprechnung nicht zu entnehmen, die Kündigung werde allein deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil es sich um eine zulässige Sanktion des Arbeitsgebers handele. Im Gegenteil: Das BAG hat zumindest seit 1988 (vgl. u.a. NZA 1989, 336 = NJW 1989, 2493 = AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung (zu II 2d bb); BAGE 67, 75 (81) = NZA 1991, 557 = AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (zu II 2c) und BAG, NZA 1993, 17 = AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung (zu III 3e)) deutlich herausgestellt, auch im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gelte das Prognoseprinzip (ebenso BVerfG, NZA 1995, 619 = AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage 1 Kap. XIX (zu C I 3a aa)); der Kündigungszweck sei zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden solle; entscheidend sei, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig belastend auswirke (zur Rechtsprechungsentwicklung s. auch Bitter/Kiel, RdA 1995, 26 (34, 35); vgl. ferner Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, 1987, S. 454f.).

b) Insofern war hier in der Tat zu besorgen, daß die Kl. auch in Zukunft nicht bereit sein werde, die laut Vertragsänderung vom 14. 4. 1993 geschuldete Arbeit in der Zwischenproduktefabrik zu erbringen. Dies hat das LAG in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt (§ 561 ZPO), nämlich daß den Gesamtumständen zu entnehmen sei, die Kl. habe sich nicht nur im Gespräch am 19. 4. 1993 trotz Androhung einer außerordentlichen Kündigung ohne Angabe von Gründen geweigert, die neue Tätigkeit weiterhin zu verrichten, sondern auch ihr vorangegangenes Verhalten unterstütze die Annahme, daß sie nicht an den neuen Arbeitsplatz zurückkehren werde; die Kl. habe zuvor ihr Einverständnis mit der Änderung ihrer Tätigkeit ausdrücklich widerrufen und sei an ihren alten Arbeitsplatz (im Vestolit-Betrieb) zurückgekehrt; dies habe sie sich, wie die Telefonate mit ihren betrieblichen Vorgesetzten zeigten, auch überlegt; schließlich gebe es auch nachträglich keinen Hinweis darauf, daß die Kl. anderen Sinnes geworden wäre. Das LAG führt dann selber aus, die hiernach begründete (negative) Prognose werde nicht durch gegenteiliges Verhalten widerlegt. Wenn dem aber so ist - auch die Kl. erhebt in dieser Hinsicht keine Gegenrüge -, so liegt gerade die vom LAG vermißte Feststellung vor, die Kl. werde auch in Zukunft ihre Arbeitspflicht nicht wie geschuldet erfüllen. Es ist daher nicht nur von Wiederholungsgefahr auszugehen, sondern außerdem festzustellen, daß auch die zweite von der BAG-Rechtsprechung herausgestellte Alternative vorliegt, nämlich daß sich das vergangene Ereignis auch weiterhin künftig belastend im Arbeitsverhältnis auswirkt.

c) Auf der Grundlage dieser Überlegungen - mithin beruht die LAG-Entscheidung nicht auf seiner abweichend kritischen Auffassung zur beharrlichen Arbeitsverweigerung - hat das LAG abschließend ausgeführt, wegen dieses zu erwartenden Verhaltens der Kl. wären jedoch die Interessen der Bekl. konkret nicht so beeinträchtigt, daß sie die ihr geschuldete Arbeitsleistung (überhaupt) nicht erhielte und die beschlossene Umstrukturierung nicht frühzeitig umsetzen könnte, denn beides wiege nicht so schwer, daß dadurch die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Bei der Überprüfung dieser Schlußfolgerung gilt ohnehin revisionsrechtlich nur ein eingeschränkter Überprüfungsmaßstab, nämlich ob das LAG bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (st. Rspr. des Senats, z.B. NJW 1988, 438 = AP Nr. 97 zu § 626 BGB und zuletzt BAG, = NJW 1997, 274 = NZA 1996, 105). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.

Die Anschlußrevision rügt, die vom LAG unterstellte Alternative, nämlich die Möglichkeit einer Weiterarbeit der Kl. an ihrer alten Wirkungsstelle, habe gerade nicht mehr bestanden; auch sei sie ihrerseits nicht mehr verpflichtet gewesen, die Kl. an dieser alten Arbeitsstelle weiterzubeschäftigen. Wenn das LAG demgegenüber darauf abgestellt hat, die Kl. sei bereit gewesen, ihre alte Tätigkeit weiter zu verrichten und der alte Arbeitsplatz sei auch noch nicht unmittelbar weggefallen, weil die Umsetzung des beschlossenen Kostenmanagementprojektes von arbeitsrechtlichen Maßnahmen - hier in bezug auf die Kl. - abhängig war, so daß im Falle einer Ablehnung der Änderung der Arbeitsbedingungen ohnehin eine Änderungskündigung unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist hätte ausgesprochen werden müssen, was die Bekl. auch beabsichtigt hatte, so liegt in diesen Überlegungen kein Widerspruch gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und kein Außerachtlassen von vernünftigerweise in Betracht kommenden Umständen. Das LAG ist vielmehr davon ausgegangen - und diese Feststellung wird auch von der Anschußrevision nicht in Zweifel gezogen -, tatsächlich habe nach der Aussage des Zeugen Dr. W auch noch im Vestolit-Betrieb Arbeit zur Verfügung gestanden, weil in derartigen Fällen (bei Ablehnung der Vertragsänderung) der betreffende Arbeitnehmer im Personalüberhang geführt und auch tatsächlich eingesetzt werde; der Zeuge habe zwar die Dauer für eine solche Situation mit einem Vierteljahr, also mit einem kürzeren Zeitraum als der Kündigungsfrist, veranschlagt, ohne jedoch anzugeben, worauf diese zeitliche Einschätzung beruhe; auch habe sich die Art der Beschäftigung auf die Höhe des der Kl. zu gewährenden Entgelts wegen einer im Interessenausgleich vorgesehenen Verdienstsicherung nicht ausgewirkt. Wenn dem aber so war, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das LAG nicht zuletzt im Hinblick auf das langjährige Bestehen des Arbeitsverhältnisses und die persönlichen Umstände der Kl. eine außerordentliche Kündigung nicht als die ultima ratio, sondern eine ordentliche Kündigung als das angemessene Mittel angesehen hat. Das führt zur Zurückweisung der Anschlußrevision.

Vorinstanzen

LAG Hamm

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 1 II; BGB §§ 119, 123, 626