Einstellung des Ermittlungsverfahrens und Wiedereinstellung bei Verdachtskündigung
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
20. 08. 1997
Aktenzeichen
2 AZR 620/96
Kündigt ein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin wegen strafbarer Handlung bzw. wegen Verdachts einer strafbaren Handlung, so führt die Einstellung des gegen die Arbeitnehmerin insoweit eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (§ 170 II 1 StPO) weder zur Unwirksamkeit der Kündigung noch zu einem Wiedereinstellungsanspruch der Arbeitnehmerin.
Ist in der Vorinstanz einem Kündigungsschutzantrag stattgegeben worden, so fällt ein dort hilfsweise gestellter Antrag auf Wiedereinstellung auch ohne Anschlußrechtsmittel in der Rechtsmittelinstanz an (im Anschluß an Senat, NJW 1981, 2316 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die 1940 geborene Kl. war seit 1979 bei der bekl. Gebäudereinigungsfirma als Reinigungskraft zu einem Stundenlohn von zuletzt 13,46 DM brutto tätig. Die Bekl. setzte die Kl. im M in G. ein, wo die Kl. während der Nachtstunden Reinigungsarbeiten in der Kardiologie, der Nuklearmedizin und der Orthopädie durchzuführen hatte. Nachdem die Verwaltung des M Fehlbestände im Lager festgestellt hatte, wurde dort eine Videokamera installiert. Durch diese Videokamera wurde die Kl. am 7. 7. 1995 um 2.19 Uhr aufgenommen, als sie durch eine Seitentür ins Lager trat und einen Karton mit Pampers entnahm. Am 13. 7. 1995 hörte die Bekl. die Kl. an. Diese betritt einen Diebstahl und erschien ab 14. 7. 1995 wegen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zur Arbeit. Nach Anhörung des Betriebsrats, der gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken erhob, kündigte die Bekl. das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. 7. 1995 fristlos. Die Kl. hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat behauptet, den Karton mit Pampers habe sie aus dem Lager entnommen, weil sie von einer „Frau im weißen Kittel“ darum gebeten worden sei. Sie habe zur Durchführung ihrer Reinigungsarbeiten einen Mopvorsatz benötigt. Sie habe sich - so ihr erster Vortrag - zum Waschraum begeben müssen, weil alle Mopvorsätze verdreckt gewesen seien und deshalb in der Waschmaschine hätten gereinigt werden müssen; am 7. 7. 1997 hätten - so ihr späterer Vortrag - vor dem Aufzug verschmutzte Mopvorsätze in einer Karre gelegen, sie habe diese Mopvorsätze im Waschraum waschen wollen, wie sie das fast täglich gemacht habe. Allerdings sei richtig, daß man auf dem Weg zum Waschraum normalerweise nicht an den Lagertüren vorbeikomme. Als sie auf ihrem Weg ca. 10 m von der Seitentür zum Lager entfernt gewesen sei, habe sie im Gangbereich vor der Tür eine Frau im weißen Kittel gesehen, die damit beschäftigt gewesen sei, eine mit Kindernahrung voll beladene Sperrholzkarre auszubalancieren, an der ein Rad abgebrochen gewesen sei. Diese Frau, die sie für eine Krankenschwester oder dergleichen gehalten habe, habe sie gebeten, ihr noch ein Paket Windeln aus dem Lager zu holen, weil sie mit der defekten Karre nicht ins Lager fahren könne. Sie - die Kl. - habe deshalb die angelehnte Tür zum Lager geöffnet, das Windelpaket herausgegriffen und auf die Karre gepackt. Es sei ihr bekannt gewesen, daß im Lager eine Videokamera installiert gewesen sei. Sie bestreite auch, daß der Betriebsrat zu einer Verdachtskündigung angehört worden sei. Eine Verdachtskündigung komme im übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die zuständige StA das auf Anzeige des Krankenhauses eingeleitete Ermittlungsverfahren - unstreitig - mit Verfügung vom 15. 9. 1995 eingestellt habe. Die Kl. hat beantragt, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch außerordentliche, noch durch ordentliche Kündigung vom 17. 7. 1995 beendet werde, hilfsweise die Bekl. zu verpflichten, sie mit Wirkung zum 15. 9. 1995 wieder einzustellen und für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Bekl. zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Innenreinigerin weiterzubeschäftigen. Die Bekl. hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Kl. habe den durch die Videoaufnahme entstandenen dringenden Tatverdacht durch ihre Einlassung nicht ausgeräumt. Es sei völlig ausgeschlossen, daß sich zur Tatzeit eine Krankenschwester in der Nähe des Zentrallagers im Kellergeschoß aufgehalten habe. Diensttuende Krankenschwestern dürften zur Nachtzeit ihre Stationen nicht verlassen. Es habe auch keine Krankenschwester im ganzen Krankenhaus einen Schlüssel zum Lager. Die einzelnen Stationen würden tagsüber durch einen Hol- und Bringdienst versorgt. Die von der Kl. zur Bestätigung ihrer Einlassung benannten Zeuginnen hätten an dem fraglichen Tag überhaupt nicht gearbeitet. Das Vorbringen der Kl. über eine angebliche „Frau im weißen Kittel“ könne nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Auch die Behauptung der Bekl., sie habe Mopvorsätze reinigen müssen, treffe nicht zu. Alle Reinigungskräfte bekämen vor Arbeitsbeginn ausreichend Reinigungsmaterial. Für solche Zusatzarbeiten wie das Reinigen von Mopvorsätzen reiche auch die den Reinigungskräften zur Verfügung stehende Zeit nicht aus. Schließlich führe der Weg vom Arbeitsplatz der Kl. zum Waschraum nicht an den Lagertüren vorbei, der Waschraum liege genau entgegengesetzt. Dem Betriebsrat sei der gesamte Sachverhalt mehrfach in Einzelheiten erläutert worden. Insbesondere sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden, daß man den der Kl. vorgeworfenen Diebstahl zwar für erwiesen halten, daß man die Kündigung aber auch auf den Verdacht einer Straftat stütze.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung der Kl. dem Feststellungsantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom LAG zugelassene Revision der Bekl. Die Revision hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Zu Recht hat das ArbG die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die wirksame Verdachtskündigung der Bekl. am 17. 7. 1995 beendet worden und die Bekl. ist auch nicht verpflichtet, die Kl. zum 15. 9. 1995 wieder einzustellen.
I. Das LAG hat angenommen, soweit die fristlose Kündigung auf vollendeten Diebstahl gestützt werde, scheitere deren Wirksamkeit daran, daß das strafrechtliche Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt worden sei. Auch als Verdachtskündigung sei die fristlose Kündigung nicht wirksam. Zwar stütze die Bekl. ihre Kündigung im vorliegenden Rechtsstreit zumindest hilfsweise auf den Diebstahlsverdacht und der Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß zu einer Verdachtskündigung angehört. Ebenso könne mit dem ArbG davon ausgegangen werden, daß zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alle Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung vorgelegen hätten. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere aber ebenfalls an der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die StA. Mit der Einstellungsverfügung nach § 170 II StPO sei die Kl. als von Anfang an unschuldig zu behandeln. Damit scheitere auch die Wirksamkeit der im Wege der Umdeutung anzunehmenden ordentlichen Kündigung und die Bekl. sei zur Weiterbeschäftigung der Kl. verpflichtet.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Die fristlose Kündigung der Bekl. ist als Verdachtskündigung nach § 626 BGB wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
a) Nach § 626 I BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zutreffend ist das LAG dabei zunächst davon ausgegangen, daß nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen kann. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß maßgebend, daß der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 I BGB läßt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. zuletzt BAGE 78, 18 = NJW 1995, 1110 = NZA 1995, 269 = AP Nr. 24 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung, und Senat, NJW 1996, 540 = NZA 1996, 81 = AP Nr. 25 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung).
b) Das LAG war auch nicht, wie die Kl. in der Revisionsinstanz geltend macht, mangels ausreichender Betriebsratsanhörung zur Verdachtskündigung darauf beschränkt, den festgestellten Sachverhalt nur unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung zu prüfen. Die Arbeitsgerichte dürfen zwar eine Kündigung nur dann unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung beurteilen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auch, zumindest hilfsweise, auf den entsprechenden Verdacht stützt. Dies kann sowohl vor dem Prozeß, etwa im Kündigungsschreiben, als auch später in den Tatsacheninstanzen geschehen (BAG, NJW 1987, 516 = NZA 1986, 677 = AP Nr. 18 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung [zu II 1 b]). Stützt der Arbeitgeber die Kündigung erst nach ihrem Ausspruch auf den Verdacht einer strafbaren Handlung, so schiebt er damit einen andersartigen Kündigungsgrund nach. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so kann das nachgeschobene Vorbringen zum Verdacht im Prozeß auch bei unverändert gebliebenem Sachverhalt nicht berücksichtigt werden, wenn dem Betriebsrat dieser Kündigungsgrund nicht mitgeteilt worden ist.
Nach den Feststellungen des LAG hat die Bekl. die Kündigung zumindest im vorliegenden Rechtsstreit auf den Verdacht einer strafbaren Handlung gestützt und auch den Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben entsprechend informiert. Die gegen die Auslegung des Anhörungsschreibens durch das BerGer., die als Auslegung einer nichttypischen Willenserklärung ohnehin durch das RevGer. nur eingeschränkt nachprüfbar ist, gerichteten Gegenrügen der Kl. gehen fehl. Wenn das Anhörungsschreiben zunächst auf die Feststellungen durch das Videoband hinweist und dann mit der lapidaren Erklärung „mutmaßlicher Diebstahl“ schließt, so läßt dies eindeutig erkennen, daß die Beklagte den Betriebsrat zumindest hilfsweise auch zu einer Kündigung wegen „mutmaßlicher“ Tatbegehung, also des Verdachts einer strafbaren Handlung anhören wollte. Es ist auch widersprüchlich, wenn die Kl. einerseits geltend macht, die Redewendung „mutmaßlicher Diebstahl“ lasse noch nicht den Schluß zu, daß auch wegen eines Verdacht gekündigt werden solle, dann aber selbst einräumt, die Äußerung der Bekl. sei dahingehend zu verstehen, daß noch keine rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls erfolgt sei. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat das Ermittlungsergebnis mit, aufgrund dessen er von einer Tatbegehung durch den Arbeitgeber überzeugt ist, weist aber in dem Anhörungsschreiben den Betriebsrat darauf hin, eine Verurteilung wegen vollendeter Straftat sei noch nicht erfolgt, so bringt er damit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die auszusprechende Kündigung nicht nur auf vollendete Tatbegehung, sondern auch auf den Tatverdacht einer strafbaren Handlung gestützt werden soll.
c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist dagegen die Annahme des BerGer., eine Verdachtskündigung komme schon grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn die zuständige StA das wegen der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Straftat eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt habe. Eine solch weitgehende Bindungswirkung der Einstellungsverfügung der StA für das Arbeitgerichtsverfahren besteht nicht. Die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung eines den Sachverhalt begründenden Verhaltens ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens durch den Verdacht (Senat, RzK I 8 c Nr. 7). Nicht einmal einer Kündigung wegen begangener Straftat steht es entgegen, wenn das Strafverfahren die vom Arbeitgeber erwartete Klärung des Sachverhalts nicht erbracht hat und z. B. ohne Urteilsspruch eine Einstellung gegen Zahlung eines Geldbetrags erfolgt ist (BAGE 47, 307 = NJW 1985, 3094 = NZA 1985, 623 = AP Nr. 19 zu § 626 BGB - Ausschlußfrist). Die Beurteilung im Strafverfahren ist weder für den Zivilrichter (§ 14 EGZPO), noch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend (BAG, NJW 1968, 565 = AP Nr. 11 zu § 394 BGB). Zudem kommt es bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht einmal entscheidend darauf an, daß der Arbeitnehmer einer Straftat verdächtig ist, auch der Verdacht einer sonstigen schweren Pflichtverletzung kann genügen.
Eine Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 II StPO steht der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung jedenfalls nicht entgegen. Sie begründet keine, erst recht keine im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht widerlegbare Vermutung für die Unschuld des Arbeitnehmers. Sie beruht im wesentlichen auf der Prognose des StA, ob er selbst nach dem derzeitigen Sachstand wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen würde. Auch eine Einstellung nach dem Opportunitätsprinzip ist möglich. Ein Strafklageverbrauch tritt durch die Einstellung nach § 170 II 1 StPO nicht ein. Das Ermittlungsverfahren kann vielmehr jederzeit auch bei gleicher Sach- und Rechtslage wieder aufgenommen werden (RGSt 67, 315 [316]; Kleinknecht-Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 170 Rdnr. 9; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 170 Rdnr. 45; Schmidt, Lehrkomm., Teil II, § 170 StPO Rdnr. 30; Wache-Schmidt, in: KK-StPO, § 170 Rdnr. 23). Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der Einstellungsverfügung besteht nicht. Eine irgendwie geartete Rechtskraftwirkung kommt der Einstellungsverfügung der StA nach § 170 II StPO nicht zu. Geht die StA bei einem bestimmten Verfahrensstand davon aus, die Straftat sei dem verdächtigten Arbeitnehmer jedenfalls nicht beweisbar, so hindert dies den Arbeitgeber nicht, im Arbeitsgerichtsverfahren den Beweis für eine vollendete Straftat oder zumindest einen entsprechenden Tatverdacht zu führen. Dies gilt erst recht, wenn durch die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Straftat ein Dritter geschädigt worden ist und es sich um die Einstellung eines auf Anzeige eines Dritten eingeleiteten Ermittlungsverfahrens handelt, an dem der Arbeitgeber nicht unmittelbar beteiligt war.
Daß die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 II StPO auch nicht annähernd, wie das BerGer. meint, mit einem „Freispruch wegen erwiesener Unschuld“ vergleichbar und geeignet ist, den Verdacht einer strafbaren Handlung auszuräumen, zeigt exemplarisch der Gang des Ermittlungsverfahrens gegen die Kl.:
Als die anwaltliche Einlassung der Kl. einging, stellte die StA ohne weitere Ermittlungen das Verfahren ein im wesentlichen mit der Begründung, es bestünden zwar erhebliche Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt der Einlassung der Kl., diese Bedenken reichten jedoch nicht aus, die Täterschaft der Kl. nachzuweisen. Nachdem sich die Prozeßbevollmächtigten der Bekl. in dem Ermittlungsverfahren gemeldet und das im vorliegenden Verfahren ergangene Urteil des ArbG vorgelegt hatten, nahm die StA die Ermittlungen wieder auf, sah die Kl. als hinreichend tatverdächtig an und bat das zuständige AG erfolglos um Zustimmung zur Verfahrenseinstellung gem. § 153 StPO wegen Geringfügigkeit. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Kl. dann das Urteil des LAG im vorliegenden Verfahren vorgelegt hatte, stellte die StA das Ermittlungsverfahren nunmehr gem. § 154 d StPO mit Rücksicht auf das vorliegende Revisionsverfahren vorläufig ein.
d) Die von der Bekl. ausgesprochene Verdachtskündigung ist nach § 626 BGB wirksam. Dies kann der Senat abschließend entscheiden. Das BerGer. hat im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils erkannt, es seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alle Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung gegeben gewesen. Da der in § 626 I BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das BerGer. den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. vgl. u. a. BAGE 80, 185 = NZA 1995, 1157 = AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969 [zu II 1] m. w. Nachw.).
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist die Annahme des BerGer., der gegen die Kl. bestehende Verdacht, sie habe einen Karton Pampers aus dem Lager des Krankenhauses entwendet, rechtfertige eine fristlose Verdachtskündigung, rechtlich nicht zu beanstanden. Erhebliche Gegenrügen bringt die Kl. insoweit auch nicht vor. Das ArbG, dessen Ausführungen sich das LAG zu eigen gemacht hat, hat die Einlassung der Kl. in allen Einzelheiten geprüft und ist dabei allen von der Kl. aufgezeigten Möglichkeiten nachgegangen, die die Aufzeichnung auf dem Videoband ohne einen erheblichen Diebstahlsverdacht gegen die Kl. hätten erklären können. Wenn das ArbG nach einer eingehenden Würdigung des beiderseitigen Parteivorbringens zu dem Ergebnis gelangt ist, die Einlassungen der Kl. seien teils widersprüchlich, teils so unglaubhaft, daß ein hinreichend dringender Tatverdacht bestehen bleibe, so ist diese Würdigung nachvollziehbar, widerspruchsfrei und letztlich überzeugend. Daß die Kl. den Pamperskarton aus dem Lager, in dem sie nichts zu suchen hatte, entnommen hat, ist unstreitig. Die Versuche der Kl., ihr Verhalten zu erklären, sind insgesamt nicht geeignet, den Verdacht zu zerstreuen, daß die Wegnahme in rechtswidriger Zueignungsabsicht geschah. Schon ihre Anwesenheit im Krankenhaus an einer Stelle weit entfernt von ihrer Arbeitsstelle konnte die Kl. letztlich nicht schlüssig erklären. Die Behauptung, sie habe im Auftrag einer „Frau im weißen Kittel“ gehandelt, weist so viele von der Kl. nicht erklärte Widersprüche auf, daß die Annahme der Vorinstanzen, der auf der Kl. lastende Diebstahlsverdacht sei dadurch nicht erschüttert, rechtlich nicht zu bestanden ist.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der gegen die Kl. bestehende Diebstahlsverdacht von erheblichem Gewicht und geeignet war, das Vertrauen der Bekl. in die Redlichkeit der Kl. zu zerstören. Erschwerend ist dabei zu Recht berücksichtigt worden, daß sich die Tat, deren die Kl. verdächtig ist, gegen eine größere Kundin der Bekl. richtete, so daß eine nachhaltige Schädigung des Rufs und der Geschäftsinteressen der Bekl. zu befürchten war, wenn diese nicht sofort reagierte. Wenn das ArbG und ihm folgend das LAG bei der Interessenabwägung den Vertrauensverlust der Bekl. höher bewertet haben als die zu Gunsten der Kl. sprechenden sozialen Gesichtspunkte, insbesondere die lange Beschäftigungszeit, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Auf die Literaturmeinung, die bei der Entwendung geringwertiger Sachen im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG (NJW 1985, 284 = NZA 1985, 91 = AP Nr. 14 zu § 626 BGB - Verdacht strafbarer Handlung) insbesondere bei längerer Beschäftigungszeit kleinere Verfehlungen nicht als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung ausreichen lassen will (vgl. Stahlhacke-Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rdnr. 563 m. w. Nachw.), braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden. Weder ist der Karton mit Pampers (Wert über 60 DM) geringwertig, noch kann man die Tat, derer die Kl. verdächtig ist, angesichts der Gesamtumstände als „kleinere Verfehlung“ einordnen.
2. Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob der vom LAG festgestellte Sachverhalt nach § 626 I BGB auch eine Tatkündigung rechtfertigen würde, wofür vieles spricht. Soweit jedenfalls das BerGer. auch eine Tatkündigung allein deshalb als unwirksam ansieht, weil die StA das Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt hat, ist auch dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Auch wenn das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - vorläufig - mit einer Einstellung endet, hindert dies den Arbeitgeber nicht, der wegen eines Diebstahls der Arbeitnehmerin gekündigt hat, das Arbeitsgerichtsverfahren fortzubetreiben, wenn er meint, in diesem Verfahren den Diebstahl beweisen zu können (vgl. BAGE 47, 307 = NJW 1985, 3094 = NZA 1985, 623 = AP Nr. 19 zu § 626 BGB - Ausschlußfrist).
3. Auf die Wirksamkeit der vom LAG angenommenen ordentlichen Kündigung kommt es damit ebenfalls nicht mehr an.
4. Auch einen Anspruch auf Wiedereinstellung mit Wirkung zum 15. 9. 1995 hat die Kl. nicht.
a) Im Revisionsverfahren ist auch über den Hilfsantrag auf Wiedereinstellung zu entscheiden. Ist in der Vorinstanz dem Hauptantrag einer Partei stattgegeben worden, so fällt der Hilfsantrag auch ohne Anschlußrechtsmittel ohne weiteres in der Rechtsmittelinstanz an. Dies gilt zumindest dann, wenn zwischen dem Haupt- und dem Hilfsantrag ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, wie dies zwischen der Kündigungsschutzklage und dem Wiedereinstellungsanspruch anzunehmen ist (Senat, NJW 1981, 2316 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972 m. w. Nachw.; Germelmann-Matthes-Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 74 Rdnr. 26).
b) Zwar kann ein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Wiedereinstellung in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmerin wegen Verdachts einer strafbaren Handlung gekündigt worden ist und sich später ihre Unschuld herausstellt oder zumindest nachträglich Umstände bekannt werden, die den bestehenden Verdacht beseitigen (so schon BAGE 3, 332 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB - Fürsorgepflicht; zuletzt Belling, RdA 1996, 223, 238 m. w. Nachw.; vgl. allgemein zum Wiedereinstellungsanspruch Senat, NZA 1997, 757). Die bloße Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 II StPO begründet jedoch noch keinen Wiedereinstellungsanspruch. Wie bereits dargelegt, stellt die Einstellungsverfügung lediglich eine vorläufige Beurteilung durch die staatlichen Ermittlungsbehörden dar, der keinerlei Bindungswirkung für ein Arbeitsgerichtsverfahren zukommt. Gelingt dem Arbeitgeber in dem bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens noch nicht abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Verfahren der Nachweis, daß alle Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung vorliegen, so ist kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitnehmerin verletzt, wenn der Arbeitgeber trotz der formellen Einstellung des Ermittlungsverfahrens auf dem Ergebnis der wirksam ausgesprochenen Verdachtskündigung beharrt und die Arbeitnehmerin nicht mit Wirkung zum Zeitpunkt der Einstellungsverfügung der StA wieder einstellt.
5. Ein Weiterbeschäftigungsantrag war nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Über ihn war deshalb nicht mehr zu entscheiden.
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