Mitführen eines Tonbandgerätes bei Gespräch mit Arbeitgeber

Gericht

LAG Rheinland-Pfalz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 09. 1996


Aktenzeichen

2 Sa 253/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Einem Arbeitnehmer ist es grundsätzlich verwehrt, zu einem Gespräch mit seinem Arbeitgeber ein aufnahmebereites Tonbandgerät heimlich mit sich zu führen.

  2. Die sich hier dokumentierende Bekundung des Mißtrauens gegenüber dem Arbeitgeber schließt eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit eigentlich aus und kann auch eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen.

  3. Die Sicherung dessen, was tatsächlich besprochen wurde, kann der Arbeitnehmer dadurch erreichen, daß er eine Person seiner Wahl hinzuzieht (Betriebsratsmitglied, Anwalt etc.). Hierauf muß sich der Arbeitgeber auch bei innerbetrieblichen Gesprächen einlassen, wenn er selbst eine dritte Person zum Gespräch heranzieht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit der Klage wendet sich der Kl. gegen eine ihm am 25. 9. 1995 ausgesprochene außerordentliche Kündigung. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bekl. - K W und W H - betreiben gemeinsam den Kinderhof R. Dort sind Kinder untergebracht, deren Problematik in einer defizitären Familiensituation begründet ist. Die Betreuung der Kinder erfolgt zum einen im Kinderhof von dort angestellten Erziehern. Die Kinder sind in einzelnen Gruppen zusammengefaßt. Zum anderen wurden auch Kinder in Familien untergebracht, die sich zu deren Aufnahme bereitfanden. Mit diesen Familien wurde alsdann ein Arbeitsvertrag und zugleich ein Mietvertrag geschlossen. So wurde der Kl. aufgrund Vertrages vom 15. 11. 1993 mit Wirkung ab 1. 1. 1994 als Hausvater zur Betreuung von 2 Kindern eingestellt. Bei den Vertragsverhandlungen wurde auch darüber gesprochen, daß später 2 weitere Kinder in die Familie des Kl. aufgenommen werden sollten. Bis zum 30. 9. 1994 versorgte der Kl. in seinem Haushalt nur 2 Kinder. Zur Aufnahme von 2 weiteren Kindern ist es nicht mehr gekommen. Neben dem Arbeitsvertrag mit dem Kl. wurde der Mietvertrag mit dem Kl. und seiner Ehefrau geschlossen. Finanzieller Träger dieser Maßnahme sind die städtischen Jugendämter oder die Kreisjugendämter, die sich nach Aufnahme der Kinder gegenüber den Bekl. bereit erklärten, die empfohlenen Pflegesätze zu zahlen. Mit Schreiben vom 10. 10. 1994 kündigten die Bekl. dem Kl. zum 31. 12. 1995 unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von 52 Wochen zum Quartalsende. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kl. mit der Kündigungsschutzklage. In diesem Verfahren waren die Bekl. in 2 Instanzen unterlegen. Am 25. 9. 1995 baten die Bekl. den Kl. zu einem Gespräch. Zu diesem erschien der Kl. mit einem auf Aufnahme eingeschalteten Tonbandgerät. H war nicht bereit, unter diesen Bedingungen mit dem Kl. zu reden. Er vertagte daraufhin das Gespräch um 2 Stunden. Auch zu diesem Gespräch erschien der Kl. mit dem eingeschalteten Tonbandgerät. H legte dem Kl. eine schriftlich vorgefertigte Erklärung vor, die er unterschreiben sollte. Der Kl. lehnte dies zunächst ab und bat um Bedenkzeit, um die Angelegenheit mit seiner Frau zu besprechen.

Der Bekl. lehnte dieses Ansinnen ab und sprach nach Verweigerung der Unterschrift dem Kl. gegenüber die fristlose Kündigung mit Schreiben vom gleichen Tage aus.

Das ArbG hat der Kündigungsschutzklage des Kl. stattgegeben. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Was die fristlose Kündigung angeht, so hat das ArbG diese zu Recht als unwirksam erachtet.

Nach § 626 BGB kommt eine fristlose Kündigung nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer sich ein Fehlverhalten hat zuschulden kommen lassen, das es den Bekl. unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist fortzusetzen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Wie bereits in dem Verfahren 2 Sa 1059/95 festgestellt, ist zwar die Verhaltensweise des Kl. am 25. 9. 1995 nicht zu akzeptieren; sie ist aber dennoch nicht derart, als daß eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Belange beider Parteien als unzumutbar erscheint. Bis zum 31. 8. 1995 ist das Arbeitsverhältnis unbeanstandet abgelaufen. In dem Kündigungsschreiben vom 10. 10. 1994 betonen die Bekl. ausdrücklich das besondere Engagement des Kl. Im Hinblick darauf boten sie ihm auch die Weiterbeschäftigung an. Unstreitig hat dann noch der Kl. im Gruppendienst bei den Bekl. weitergearbeitet bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung. Bereits in dem vorgenannten Verfahren 2 Sa 1059/95 wurde deutlich, daß sich bereits mit der Einleitung dieses Kündigungsschutzverfahrens gewisse Spannungen ergeben hatten, die aber noch nicht offen zu Tage getreten waren. Zu Recht weist der Kl. in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Bekl. seinerzeit dem Kl. die Hausvaterstelle aufkündigten und ihm die Weiterbeschäftigung im Gruppendienst anboten bei Neubegründung des inhaltlich geänderten Arbeitsverhältnisses unter Vorschaltung einer Probezeit. Bei dieser Situation war für den Kl. höchste Vorsicht geboten, um Mißverständnissen in dem Gespräch vom 25. 9. 1995 vorzubeugen, die als Annahme des Weiterbeschäftigungsangebotes zu den geänderten Arbeitsbedingungen hätten ausgelegt werden können. Damit wäre zugleich das Kündigungsschutzverfahren in der Sache 2 Sa 1059/95 gegenstandslos geworden. Deshalb ist es in der Sache verständlich, daß der Kl. bemüht war, den beiderseitigen Wortlaut der Erklärungen im Gespräch vom 25. 9. 1995 festhalten zu wollen.

Jedoch hat sich der Kl. insoweit in der Wahl des Beweissicherungsmittels vergriffen. Es wäre dem Kl. nicht verwehrt gewesen, einen Anwalt oder eine sonstige Person seines Vertrauens zu dem Gespräch hinzuzuziehen. Dagegen hätten die Bekl. durchgreifende Einwendungen nicht bringen können, zumal auch sie ihre Sekretärin darum gebeten hatten, das Gespräch mitzuhören.

Im Ergebnis hat sich H zu Recht dagegen verwahrt, daß der Kl. das Gespräch mit einem Radiorecorder aufzeichnete. Der Grund für die Unzulässigkeit der mechanischen Aufzeichnung als Beweissicherungsmittel von Gesprächen liegt nämlich darin, daß Tonbandaufzeichnungen im nachhinein verändert werden können und dann den tatsächlichen Inhalt des Gesprächs nicht mehr wiedergeben. Es mag den Bekl. auch zugestanden werden, daß der Kl. mit dem Versuch der mechanischen Gesprächsaufzeichnung ein Mißtrauen gegenüber dem Bekl. bekundet hat, das im allgemeinen einer gedeihlichen Zusammenarbeit hinderlich ist.

Jedoch darf dabei die oben erwähnte besondere Situation des Kl. nicht unberücksichtigt bleiben, weil er seinerseits nicht Gefahr laufen wollte, in Beweisnotstand zu geraten, wenn es in der Folgezeit auf den tatsächlichen Gesprächsinhalt ankommen sollte. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände war daher das Gericht der Überzeugung, daß alleine das Vergreifen in der Wahl der Beweissicherungsmittel seitens des Kl. an sich noch keinen wichtigen Grund darstellt, um das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Jedenfalls wäre es den Bekl. zumutbar gewesen, mit dem Kl. weiterhin im Gespräch zu bleiben, um die beiderseits mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung des Kl. begonnenen Gespräche zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Auch die von den Bekl. erklärte Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, die ohnehin nur für die Zukunft Wirkungen entfalten könnte, führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage.

Unberührt durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag unter den Voraussetzungen der §§ 119 , 123 BGB wegen Irrtums oder Täuschung anzufechten. In einem solchen Fall steht es dem Anfechtungsberechtigten und Kündigungsberechtigten frei, welche rechtliche Gestaltungsmöglichkeit er ausüben will. Von der Gestaltungsmöglichkeit der Anfechtung haben die Bekl. mit Schreiben vom 19. 4. 1996 Gebrauch gemacht. Unstr. ist auch insoweit ein arbeitsgerichtliches Verfahren anhängig, worauf der Kl. in der Berufungserwiderung vom 21. 6. 1996 hinweist. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aber nur die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 25. 9. 1995. Die Bekl. sind daher im vorliegenden Verfahren gehindert, zur Stützung der außerordentlichen Kündigung auf die später - nämlich am 19. 4. 1996 - erfolgte Anfechtung Bezug zu nehmen. Der in diesem Schreiben zur Anfechtung herangezogene Tatbestand kann nicht gleichzeitig zur Stützung der fristlosen Kündigung herangezogen werden, weil insoweit die Bekl. ihr Wahlrecht zwischen Anfechtung und Kündigung ausgeübt haben. Ob das Arbeitsverhältnis durch eine wirksame Anfechtung für die Zukunft beendet worden ist, kann daher nur in dem diesbezüglich eingeleiteten Verfahren geprüft werden.

Davon abgesehen ist von den Bekl. nicht dargetan, daß die Anfechtung innerhalb der Fristen der §§ 121 bzw. 124 I BGB erfolgt ist. Darüber hinaus sind die Bekl. eine Erklärung darüber schuldig geblieben, ob die Mittlere Reife gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Tätigkeit im Erziehungsdienst ist und warum die Bekl. vor Abschluß des Arbeitsvertrages den Nachweis der Mittleren Reife nicht verlangt haben. Hinzu kommt noch, daß die Bekl. mit Schreiben vom 10. 10. 1994 dem Kl. eine Weiterbeschäftigung im Erziehungsdienst angeboten haben, ohne den Nachweis der Mittleren Reife zu verlangen.

Vorinstanzen

ArbG Kaiserslautern, 7 Ca 1759/95, 14.12.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 626