Wirksamkeit einer einzelvertraglich vereinbarten Schiedsklausel beim Bühnenpersonal - Befristung eines Arbeitsverhältnisses

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 08. 1997


Aktenzeichen

7 AZR 156/96


Leitsatz des Gerichts

Die in § 101 II 3 ArbGG eröffnete Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung einer Schiedsklausel ist nur für solche Arbeitsverhältnisse zulässig, die nach dem konkreten Inhalt der ausgeübten Tätigkeit einer Berufsgruppe zuzuordnen sind, für die nach § 101 II 1 ArbGG bei Tarifbindung der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit wirksam geregelt werden kann.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die wirksame Befristung ihres Arbeitsverhältnisses. Der Kl. war seit dem 5. 8. 1991 als Ton-Assistent bei den Bühnen der bekl. Stadt beschäftigt. Das zunächst bis zum 15. 8. 1992 befristete Arbeitsverhältnis wurde anschließend bis zum 15. 8. 1994 verlängert. Mit Schreiben vom 8. 9. 1993 erhielt der Kl. die Mitteilung, daß sein Vertragsverhältnis nicht über das vereinbarte Vertragsende hinaus fortgesetzt werde. Der Kl. ist Mitglied der ÖTV. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag war unter anderem vereinbart, daß der Kl. eine überwiegend künstlerische Tätigkeit ausübe. Darüberhinaus sollte sich das Dienstverhältnis unter anderem nach dem Bühnentechniker-Tarifvertrag (BTT) vom 25. 5. 1991 und den nach § 4 BTT anzuwendenden Vorschriften des Normalvertrages Solo in den jeweils geltenden Fassungen und den den BTT ändernden oder ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen bestimmen. Zudem hatten die Parteien in § 13 des Arbeitsvertrags eine Schiedsvereinbarung über alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 2 ArbGG nach Maßgabe der zwischen dem Deutschen Bühnenverein "Bundesverband deutscher Theater" und der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnung getroffen. Der Kl. hat die Befristung seines Arbeitsverhältnisses wegen Fehlens eines sachlichen Grundes und der unterbliebenen Anhörung des Personalrats nach § 72 I 1 Nr. 1 NWPersVG für unwirksam gehalten. Die Bekl. habe ihn ausschließlich mit den Aufgaben eines Tontechnikers beschäftigt; eine überwiegend künstlerische Tätigkeit habe er nicht ausgeübt. Der Kl. hat beantragt,

(1) festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 15. 8. 1994 hinaus ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis besteht;

(2) die Bekl. zu verurteilen, den Kl. über den 15. 8. 1994 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Tontechniker weiterhin zu beschäftigen.

Die Bekl. hat die Klage wegen der Schiedsgerichtsvereinbarung für unzulässig gehalten.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LAG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die Revision der Bekl. blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Zwischen den Parteien besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

I. Die Klage ist zulässig. Ihr steht die Einrede des Schiedsvertrages gem. § 102 I ArbGG nicht entgegen. Der zwischen den Parteien in § 13 ihres Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit ist rechtlich auch nicht nach § 101 II 3 ArbGG möglich.

1. Die Parteien des BTT haben gem. § 101 II 1 ArbGG in § 12 BTT für alle Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis der in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallenden technischen Angestellten mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ausgeschlossen und die Zuständigkeit der nach dem Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit - Bühnenschiedsgerichtsordnung - vom 1. 10. 1948 vom Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger eingerichteten Bühnenschiedsgerichte vereinbart. Diese Regelung ist für den Kl. nicht nach § 101 II 2 ArbGG verbindlich. Er gehört als Mitglied der ÖTV nicht einer den BTT abschließenden Arbeitnehmerorganisation an. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich daher nicht unmittelbar und zwingend nach dem Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit, § 4 I 1 TVG.

2. Die Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit und den damit verbundenen Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit konnten die Parteien auch nicht einzelvertraglich vereinbaren. Der Kl. gehört nach dem konkreten Inhalt seiner Tätigkeit keiner Berufsgruppe an, für die § 101 II 3 ArbGG eine einzelvertragliche Vereinbarung einer Schiedsklausel gestattet.

a) Nach § 101 II 3 ArbGG kann sich eine in einem Tarifvertrag nach § 101 II 1 ArbGG ausdrücklich vereinbarte Schiedsklausel auch durch eine einzelvertragliche schriftliche Vereinbarung auf andere als tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien erstrecken. Dazu muß sich das jeweilige Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als denen der Tarifbindung nach diesem Tarifvertrag richten (BAGE 15, 87 (92ff.) = AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG1953 (zu I 3); BAG, Urt. v. 10. 12. 1992 - 2 AZR 340/92 unveröff.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl. (1995), § 101 Rdnr. 26). Das erfordert es, daß wesentliche Teile des Tarifvertrags oder der Tarifvertrag selbst durch eine einzelvertragliche Bezugnahme das Arbeitsverhältnis gestalten. Diese Voraussetzung ist durch die von den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Geltung sämtlicher Regelungen des BTT erfüllt.

b) Eine einzelvertragliche Bezugnahme einer tariflichen Schiedsvereinbarung ist jedoch nur bei solchen Arbeitsverhältnissen möglich, für die § 101 II 1 ArbGG die tarifvertragliche Vereinbarung einer Schiedsklausel erlaubt. Das folgt aus der Systematik des ArbGG. Das ArbGG geht grundsätzlich von der Unzulässigkeit von Schiedsverträgen aus (§ 4 ArbGG). Ausnahmen davon läßt § 101 ArbGG nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien nach Maßgabe des § 101 I ArbGG und für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen bestimmter Berufsgruppen zu, § 101 II 1 ArbGG. Dazu zählen auch die Bühnenkünstler. Mit der Herausnahme bestimmter Berufsgruppen aus dem generellen Verbot von Schiedsabreden soll den jeweiligen Besonderheiten dieser Gruppen Rechnung getragen werden. Diese Regelung ist abschließend. Für andere Berufsgruppen können auch Tarifvertragsparteien keine tarifvertraglichen Schiedsabreden treffen (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG; § 101 Rdnr. 20; Hauck, ArbGG, § 101 Rdnr. 7).

c) Die in § 101 II 3 ArbGG eröffnete Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung einer Schiedsklausel geht nicht weiter als die entsprechende Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Sie ist demnach nur für solche Arbeitsverhältnisse statthaft, bei denen nach § 101 II 1 ArbGG auch bei Tarifbindung der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit hätte vereinbart werden können. Das ist nur bei den von § 101 II 1 ArbGG erfaßten Berufsgruppen möglich. § 101 II 3 ArbGG ermöglicht nur, die fehlende Tarifbindung durch einzelvertragliche Bezugnahme zu ersetzen (im Ergebnis ebenso Ascheid, in: GK-ArbGG, § 101 Rdnr. 27; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 101 Rdnr. 27). Für Mitglieder anderer Berufsgruppen ist die einzelvertragliche Vereinbarung nicht möglich; insoweit gilt zwingend das Recht über den staatlichen Rechtsschutz nach dem ArbGG.

d) Der Kl. gehört keiner Berufsgruppe an, für die eine einzelvertragliche Schiedsvereinbarung zulässig ist. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LAG war der Kl. nach dem maßgebenden Inhalt seiner tatsächlichen Beschäftigung ausschließlich als Tontechniker eingesetzt, der keinerlei künstlerische Aufgaben zu erfüllen hatte. Als einfacher Tontechniker ist der Kl. keiner Berufsgruppe zuzuordnen, für die der BTT wegen künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit den Vorrang der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit wirksam regeln könnte.

II. Die Klage ist auch begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist weder durch Befristung noch infolge der Nichtverlängerungsmitteilung vom 8. 9. 1993 zum 15. 8. 1994 beendet worden.

1. Die im letzten Arbeitsvertrag der Parteien vereinbarte Befristung ist schon wegen Verletzung der Beteiligungsrechte des zuständigen Personalrats unwirksam. Nach § 72 I 1 Nr. 1 und S. 2 des NWPersVG hat der Personalrat unter anderem bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht oder nicht überwiegend künstlerisch tätiger Mitarbeiter mitzubestimmen. Zu diesem Personenkreis gehört der Kl. Eine Beteiligung des zuständigen Personalrats ist vor Abschluß des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses unterblieben. Die Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts führt nach der st. Rspr. des Senats (BAGE 76, 234 (243) = NZA 1994, 1099 = AP Nr. 9 zu § 72 NWPersVG mit zust. Anm. Plander) stets zur Unwirksamkeit der Befristung. Auf das Fehlen eines sachlichen Grundes kommt es nicht an.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch eine in der Nichtverlängerungsmitteilung vom 8. 9. 1993 enthaltene Kündigung beendet worden. Unabhängig davon, ob sich die Bekl. im Revisionsverfahren erstmals auf diesen Beendigungstatbestand zulässigerweise berufen kann, ist eine Nichtverlängerungsmitteilung nach der st. Rspr. des BAG keine Kündigung. Sie kann ihr wegen des unterschiedlichen Erklärungsinhalts auch nicht gleichgestellt werden (BAGE 69, 1 = NZA 1992, 925 = AP Nr. 50 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag (zu II 4a); BAGE 53, 237 = NZA 1987, 531 = NJW 1987, 2540 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG1972 (zu B II 2)).

Vorinstanzen

LAG Köln, 9 Sa 436/95, 14.11.1995

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

ArbGG § 4 , § 101 I und II; NWPersVG § 72 I 1 Nr. 1; Bühnentechniker-Tarifvertrag v. 25. 5. 1991 § 12