Fehlende Einkünfteerzielungsabsicht bei fremdfinanziertem Aktienkauf

Gericht

FG München


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 01. 1998


Aktenzeichen

1 K 2280/95


Leitsatz des Gerichts

Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Aktienpaket, das er weitgehend fremdfinanziert, sind die Einnahmen und Ausgaben aus dieser Kapitalanlage mangels Einkünfteerzielungsabsicht steuerlich außer Betracht zu lassen, wenn sich aufgrund des Verhältnisses von Fremdkapitalzins zu voraussichtlicher Dividende aus dem Aktienpaket auf absehbare Zeit kein Überschuß der Dividendeneinnahmen über die Fremdkapitalzinsen erzielen läßt. Eine Einkünfteerzielungsabsicht kann unter diesen Umständen nicht dadurch belegt werden, daß der Steuerpflichtige in naher Zukunft möglicherweise mit einem erheblichen Vermögenszufluß aus einem Vermächtnis rechnen kann, den er zur Tilgung des aufgenommenen Kredits zu verwenden beabsichtigt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Streitig ist der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen, und, damit zusammenhängend, der Abzug von Schuldzinsen sowie die Anrechnung von Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer.

Die Kläger (Kl.), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, erzielten in den Streitjahren (1991 und 1992) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am 27. 5. 1991 erwarb der Kl. 1 000 Stück Aktien der C-AG zum Preis von 277 DM je Aktie sowie 500 solche Aktien zum Preis von 276,50 DM. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf insgesamt 416 541,27 DM. Am 30. 9. 1991 erwarb der Kl. außerdem Optionsgenußscheine für 25 000 DM. Zur Finanzierung der Wertpapierkäufe erhielt der Kl. einen Effekten-Lombard-Kredit bis zum Maximalbetrag von 500 000 DM. Der damalige anfängliche effektive Jahreszins betrug 10,93 v. H. Die Schuldzinsen und Bankgebühren beliefen sich im Jahre 1991 auf 27 690,21 DM und im Jahre 1992 auf 55 614 DM. Die C-AG schüttete in den Streitjahren eine Dividende von 10 DM aus. Die Einnahmen aus den Optionsgenußscheinen beliefen sich im Jahre 1992 auf 593,75 DM. Ende 1993 verkaufte der Kl. 1 064 Aktien mit einem Kursgewinn (Kurs am 31. 12. 1993: 386 DM). Den Erlös verwendete er zur Tilgung des Kredits bei der Bank, so daß nur noch eine geringe Restschuld verblieb.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben die Kl. die Kapitaleinkünfte aus den Aktien sowie den Genußscheinen (1992) an. Die Schuldzinsen für das Darlehen zur Finanzierung der Vermögensanlage hatten die Kl. in der Einkommensteuererklärung 1991 ursprünglich noch nicht geltend gemacht. Im Einspruchsverfahren trugen sie vor, sie hätten dies vergessen. Der Bekl. (FA) berücksichtigte die Kapitaleinnahmen und die Schuldzinsen zunächst nur insoweit, als sie auf die nicht im Dezember 1993 veräußerten Aktien entfielen (29 v. H.). Im übrigen überstieg nach Ansicht des FA die Zinsbelastung die Kapitaleinkünfte, so daß der Kl. die Wertpapiere nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht erworben habe.

Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens trugen die Kl. vor, sie hätten mit steigenden Dividenden und einer sinkenden Zinsbelastung gerechnet. Außerdem habe eine Tante des Kl., deren Lebenserwartung gering gewesen sei, diesem ein Vermächtnis i. H. von ca. 500 000 DM in Aussicht gestellt. Mit Hilfe des Vermächtnisses hätte der Kl. die Darlehensverbindlichkeit ablösen wollen, so daß sich alsbald positive Kapitaleinkünfte ergeben hätten. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens erließ das FA unter dem Datum des 6. 7. 1995 nach § 165 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992. Es ließ nunmehr die Einkünfte aus den Aktien und den Genußscheinen völlig unberücksichtigt, ebensowenig rechnete es insoweit Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer an.

Das Rechtsbehelfsverfahren hatte keinen Erfolg. Das FA war der Ansicht, auch bei einer Verdoppelung der Dividende und Halbierung der Zinsbelastung hätten die Zinsaufwendungen immer noch die Kapitaleinnahmen überstiegen. Die Erwartung eines Vermächtnisses habe keine Rolle gespielt. Die hohen Finanzierungsaufwendungen sprächen vielmehr dafür, daß für den Kl. eine Kurssteigerung der Aktien ausschlaggebend gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat in den Streitjahren zu Recht die Einnahmen und Ausgaben, die mit dem Kauf der Aktien und der Genußscheine zusammenhingen, in steuerlicher Hinsicht außer Betracht gelassen.

1. Eine wirtschaftliche Betätigung, die zum Zufluß von Einnahmen oder Abfluß von Aufwendungen führt, ist steuerrechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen wird (allgemein hierzu BFH v. 25. 6. 1984, GrS 4/82, BStBl II, 751, 766 f., DStR 1984, 669). Eine derartige Absicht ist auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erforderlich (BFH v. 5. 3. 1991, VIII R 6/88, BStBl II, 744, DStR 1991, 1181). Grundsätzlich muß auf die Gesamtdauer der Kapitalanlage gesehen mit einem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu rechnen sein (BFH in BStBl II 1991, 744, DStR 1991, 1181). Einem Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen einerseits und der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen andererseits steht nicht entgegen, daß beim Erwerb der Kapitalanlage auch die Hoffnung auf Wertsteigerung eine Rolle spielt, solange die Erwartung eines Vermögenszuwachses nur mitursächlich ist (BFH v. 4. 5. 1993, VIII R 7/91, BStBl II, 832, DStR 1993, 1696).

Die Frage, ob eine Kapitalanlage mit Überschußerzielungsabsicht angeschafft und gehalten wird, braucht während der gesamten Dauer der Anlage nicht einheitlich zu beurteilen zu sein. So kann eine Vermögensverwaltung in Form der Kapitalanlage zur Überschußerzielung im Laufe der Zeit umschlagen in eine Vermögensverwaltung, bei der die Absicht der Substanzverwertung im Vordergrund steht (BFH v. 23. 3. 1982, VIII R 132/80, BStBl II, 463, DStR 1982, 420). Auch ist denkbar, daß zu Beginn einer Kapitalanlage für einen gewissen Zeitraum noch nicht die Absicht besteht, einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, sondern daß ein Wertpapier-Engagement zunächst im Hinblick auf eine erwartete Wertsteigerung eingegangen wird und daß die Einkünfteerzielungsabsicht erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzukommt.

2. Im vorliegenden Fall wollte der Kl. nach Überzeugung des Senats in den Streitjahren 1991 und 1992 mit den Aktien und den Genußscheinen noch keine Überschüsse erzielen. Die C-AG schüttete in diesen beiden Jahren eine Dividende von 10 DM pro Aktie aus. Unter Berücksichtigung des finanziellen Vorteils aus der Körperschaftsteuer-Anrechnung (9/16 aus 10 DM = 5,625 DM) ergibt sich bei einem Einstandspreis von 277 DM je Aktie eine Rendite von 5,64 v. H. (= 15,625 : 277 ( 100). Angesichts der beträchtlichen Differenz zur damaligen effektiven Zinsbelastung von 10,93 v. H. konnte der Kl. nicht ernstlich damit rechnen, daß er bis zu dem - nach eigenem Bekunden in absehbarer Zeit zu erwartenden - Tod der Tante und der anschließenden Tilgung des Finanzierungsdarlehens einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben erzielen würde. Dies gilt auch dann, wenn aus damaliger Sicht tendenziell eine Erhöhung der Dividende und ein Sinken der Zinsen zu erwarten gewesen sein sollte - tatsächlich waren die Dividenden bis Ende 1992 unverändert geblieben, die Sollzinsen zunächst noch auf 12 bzw. 11,5 v. H. gestiegen. Wenn es dem Kl. in erster Linie auf Überschußerzielung angekommen wäre, dann hätte er bis zum Tod der Tante gewartet, um danach die Wertpapiere mit Eigenkapital kaufen zu können. Der Kl. wollte jedoch nach eigenen Angaben vom damaligen günstigen Kurs der C-Aktien profitieren. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als daß der Kl. den Kredit in Erwartung einer Steigerung des Aktienkurses und des Kurses der Optionsgenußscheine aufnahm. Erst nach der Tilgung des Darlehens sollten nach den Vorstellungen des Kl. Überschüsse erzielt werden, unabhängig davon, daß der Kl. die Aktien kurz vor dem Ausschüttungstag erworben hatte.

3. Diejenigen Aktien, die der Kl. im Dezember 1993 nicht verkaufte, sind steuerlich nicht unterschiedlich zu behandeln. Der Verkauf eines Teils der Aktien nach Ablauf der Streitjahre hat nach den vorstehenden Ausführungen keinen Einfluß auf die Beurteilung der Frage, ob der Kl. in den Jahren 1991 und 1992 Einkünfteerzielungsabsicht hatte. Die zunächst fehlende Absicht erstreckt sich auf die gesamte Anlage der im Jahre 1991 angeschafften Aktien (vgl. dazu BFH v. 24. 3. 1992, VIII R 12/89, BStBl II 1993, 18).

4. Die Anrechnung von Kapitalertragsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und Körperschaftsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG) scheidet aus, weil die Einnahmen des Kl. aus den Aktien und den Genußscheinen in den Streitjahren außer Betracht bleiben (BFH v. 31. 7. 1991, I R 4/89, BStBl II 1992, 98, DStR 1992, 25; v. 27. 3. 1996, I R 87/95, BStBl II, 473, DStR 1996, 1281). Ob die Kapitalertragsteuer zu erstatten ist, kann im vorliegenden Klageverfahren nicht geprüft werden.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 20, § 2 Abs. 1