Rechtsnachfolger eines jüdischen Berechtigten

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsbeschluss


Datum

10. 06. 1998


Aktenzeichen

7 C 5/97


Leitsatz des Gerichts

Zur Stellung der Conference on Jewish Material Claims against Germany als Rechtsnachfolgerin eines jüdischen Berechtigten, wenn der in der NS-Zeit entzogene Vermögenswert aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 82 vom 29. 4. 1948 in das Eigentum einer israelitischen Religionsgemeinde gelangt war.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die Conference on Jewish Material Claims against Germany, macht vermögensrechtliche Ansprüche für ein Grundstück in Leipzig geltend, auf dem früher die „Höhere Israelitische Schule" betrieben wurde. Das Grundstück wurde der damaligen Eigentümerin, einer „Schulhaus-GmbH“, in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen. Im Jahr 1948 erhielt die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig auf Grund des Befehls Nr. 82 des obersten Chefs der Militärverwaltung vom 29. 4. 1948 (Regierungsblatt für Mecklenburg, S. 76) das Eigentum an dem Grundstück. Im Jahr 1953 veräußerte die Israelitische Religionsgemeinde das Grundstück zum Preis von 115419 DDR-M an das Ministerium für Volksbildung der DDR zur Einrichtung der - bis heute dort betriebenen - Deutschen Zentralbücherei für Blinde. Die von der Israelitischen Religionsgemeinde und der Kl. angemeldeten vermögensrechtlichen Ansprüche wurden vom Bekl. abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage war erfolglos (VG Leipzig, ZOV 1997, 131). Mit der allein von der Kl. eingelegten Revision verfolgte diese zunächst ihr auf Rückübertragung des Eigentums gerichtetes Klagebegehren weiter. Mit Blick auf das Vorliegen von Restitutionsausschlußgründen beschränkte sie ihren Antrag unter teilweiser Rücknahme der Klage auf die Feststellung der Entschädigungsberechtigung. Insoweit erklärten die Bet. das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, nachdem der Bekl. den Erlaß eines entsprechenden Bescheides zugunsten der Kl. in Aussicht gestellt hatte.

Nachdem die Kl. die Klage mit Einwilligung des Bekl. teilweise zurückgenommen hatte und die Bet. im übrigen den Rechtssstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, wurde das Verfahren eingestellt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... Soweit die Klage zurückgenommen wurde, hat die Kl. die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 155 II VwGO). Hinsichtlich des für erledigt erklärten Begehrens ist über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 II VwGO). Insoweit sind die Kosten dem Bekl. aufzuerlegen. Der Revisionsantrag der Kl., den Bekl. zur Feststellung der Entschädigungsberechtigung zu verpflichten, hätte nicht nur nach der im Lauf des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen und vom RevGer. anzuwendenden Fassung des § 2 I 2 und 3 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom 17. 7. 1997 (BGBl I, 1823), sondern voraussichtlich auch nach der alten Rechtslage Erfolg gehabt.

Nach § 2 I 3 VermG n.F. gelten dann, wenn Ansprüche auf der Grundlage des § 1 VI VermG weder von den jüdischen Berechtigten noch von deren Rechtsnachfolgern geltend gemacht werden, die Nachfolgeorganisationen des Rückerstattungsrechts und, soweit diese keine Ansprüche anmelden, die Kl. als Rechtsnachfolger der Berechtigten. Weder die Gesellschafter der früheren Eigentümerin, also der in der NS-Zeit aufgelösten Schulhaus-GmbH, noch etwaige Rechtsnachfolger der Gesellschafter haben vermögensrechtliche Ansprüche angemeldet. Die Israelitische Religionsgemeinschaft zu Leipzig ist keine Rechtsnachfolgerin der früheren Eigentümerin, sondern war und ist eine von der Schulhaus-GmbH rechtlich zu trennende religiöse Vereinigung. Sie ist auch nicht kraft Gesetzes als Rechtsnachfolgerin der geschädigten Eigentümerin anzusehen. Das wäre nach § 2 I 2 VermG nur der Fall, wenn sie das auf Grund des Befehls Nr. 82 erlangte Eigentum an dem streitigen Grundstück bis zum 2. 10. 1990 innegehabt hätte. Schließlich ist die Israelitische Religionsgemeinde als eine ausschließliche religiöse Vereinigung auch keine „Nachfolgeorganisation des Rückerstattungsrechts“, deren Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche die Stellung der Kl. als Rechtsnachfolgerin des Geschädigten nach § 2 I 3 VermG ausgeschlossen hätte. Somit ist die Kl. Berechtigte i.S. des § 2 I 1 VermG. Sie war dies nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber auch schon vor Inkrafttreten der durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz herbeigeführten Änderungen, die sich als bloße „Klarstellung“ der geltenden Rechtslage verstehen (vgl. BT-Dr 13/7275, S. 42f.). Angesichts dessen ist es gerechtfertigt, den Bekl. für den die Entschädigungsberechtigung betreffenden Teil des Klagebegehrens mit den Kosten zu belasten.

Der beschließende Senat hält es für angemessen, die Verfahrenskosten den Bet. je zur Hälfte aufzuerlegen. Der von der Kl. überschlägig mit rund 800000 DM errechnete Entschädigungsbetrag dürfte etwa die Hälfte des Verkehrswertes des in der Innenstand von Leipzig gelegenen, 1524 qm großen bebauten Grundstücks betragen.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

VermG §§ 1 VI , 2 I