Ausschluß des Zugewinnausgleichs bei schuldhafter Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinschaftlichen Kindern

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

21. 01. 1987


Aktenzeichen

5 UF 101/86


Leitsatz des Gerichts

  1. § 1381 II BGB betrifft nicht nur wirtschaftliche Verpflichtungen während des Zusammenlebens der Familie.

  2. Die Unterhaltspflicht gegenüber gemeinschaftlichen Kindern gehört zu den wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem "ehelichen Verhältnis" i. S. des § 1381 II BGB ergeben.

  3. Ein geschiedener Ehegatte, der über Jahre hinweg seine Pflicht zur Leistung von Barunterhalt für seine minderjährigen ehelichen Kinder schuldhaft verletzt hat und erkennen läßt, daß er diese Pflicht auch in Zukunft nicht erfüllen will, kann von dem anderen Ehegatten, dem allein er die Unterhaltung der Kinder überlassen hat, jedenfalls dann keinen Ausgleich des Zugewinns verlangen, wenn der Zugewinn nur in der Wertsteigerung eines Grundstücks besteht, das dem Ehegatten von seinen Eltern geschenkt und dessen Erlös für den Kauf einer Familienwohnung verbraucht worden ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der vom Kl. geltend gemachte Zugewinnausgleich gemäß § 1381 BGB grob unbillig ist.

Die i. J. 1973 geschlossene Ehe der Parteien wurde, nachdem diese sich im Januar 1982 getrennt hatten, durch Urteil des AmtsG V. v. 13. 10. 1983 geschieden. Aus der Ehe stammen zwei in den Jahren 1977 und 1980 geborene Kinder, die bei der Bekl., der Inhaberin der elterl. Sorge, leben. Der Kl., gelernter Einzelhandelskaufmann, ist seit Anfang 1983 arbeitslos. Die Bekl. arbeitete bis einschließlich Dezember 1983 ganztags bei der Firma R. Durch Prozeßvergleich v. 22. 6. 1983 verpflichtete sich der Kl., an die Bekl. für die Kinder für die Zeit vom 1. 4. bis 18. 7. 1983 unter Zugrundelegung des Arbeitslosengeldes geringfügige monatl. Unterhaltsbeträge zu zahlen. Für die Zeit nach dem 18. 7. 1983 (Übergang vom Arbeitslosengeld zu Arbeitslosenhilfe) verpflichtete sich der Kl., für die Kinder den Betrag auszukehren, der monatlich 825 DM übersteige. Der Kl. zahlte in der Folgezeit keinen Kindesunterhalt. Für sich hatte die Bekl. Unterhalt nicht verlangt.

Nachdem die Bekl. Ende 1983 arbeitslos geworden war, veräußerte sie das Grundstück in V., das ihr ihre Eltern i. J. 1976 geschenkt und in dem die Parteien ihre ehel. Wohnung gehabt hatten. Den Erlös setzte sie für den Erwerb einer Eigentumswohnung ein, in der sie jetzt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und den Kindern wohnt.

Der Kl., der i. J. 1983 zum Fachverkäufer für Heimwerkerbedarf umgeschult wurde, wohnt auf dem elterlichen Bauernhof.

Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend gemacht, der allein auf der Wertsteigerung des der Bekl. geschenkten Hausgrundstücks beruht.

Das AmtsG hat die Bekl. nach Beweisaufnahme unter Klageabweisung im übrigen verurteilt, an den Kl. die Hälfte der vorgenannten Wertsteigerung - bereinigt um den Inflationsausgleich - i. H. von 20.010,43 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. 12. 1985 zu zahlen.

Die Bekl. hat Berufung eingelegt. Sie greift die Höhe der vom AmtsG zugesprochenen Forderung nicht an, sondern beruft sich allein darauf, der Zugewinnausgleich sei nach § 1381 BGB grob unbillig. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß der Kl. - insbesondere für die Kinder - keinen Unterhalt leiste, daß die Wertsteigerung des Hauses nicht auf seiner Leistung beruhe und daß sie - die Bekl. -, um den Zugewinnausgleichsbetrag aufbringen zu können, Kredit aufnehmen müsse, die hierfür erforderlichen Raten aber nicht zahlen könne.

Die Bekl. beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise die Ausgleichsforderung zu stunden.

Der Kl. beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, er habe keine Unterhaltspflichtverletzung begangen, jedenfalls insoweit nicht schuldhaft gehandelt. Er habe sich immer wieder vergeblich um Arbeit bemüht. Abgesehen davon habe sich die Bekl. mit dem Vergleich v. 22. 6. 1983 zufrieden gegeben. Schließlich seien auch etwaige Unterhaltspflichtverletzungen gegenüber Kindern, um die es hier nur gehen könne, keine Verpflichtungen, die sich aus dem "ehelichen Verhältnis" i. S. des § 1381 II BGB ergäben.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung hat Erfolg. Die Bekl. kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, weil der Ausgleich des Zugewinns gemäß § 1381 BGB grob unbillig wäre.

Nach Absatz II der genannten Vorschrift liegt grobe Unbilligkeit insbesondere dann vor, wenn der Ehegatte, der den geringeren oder keinen Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehel. Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Kl. an seine Kinder keinen Unterhalt gezahlt, sondern die sich daraus ergebende wirtschaftliche Last der Bekl. überlassen hat.

1. § 1381 II BGB betrifft nicht nur wirtschaftliche Verpflichtungen während des Zusammenlebens der Familie. Die Vorschrift ist eine Ausformung des Rechtsgedankens von Treu und Glauben, die nicht speziell an Verhaltensweisen während des ehelichen Zusammenlebens und damit an Vorgänge, die für die Entstehung des Zugewinns bedeutsam sein können, anknüpft. Sie kann vielmehr auch dann eingreifen, wenn wirtschaftliche Verhaltensweisen oder die objektive Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nach Trennung oder Scheidung den Ausgleich als grob unbillig erscheinen lassen (BGH, NJW 1973, 749; Soergel/Lange, BGB, 11. Aufl. 1981, § 1381 Rz. 19; Staudinger/Thiele, BGB, 2. Aufl. 1985, § 1381 Rz. 29).

2. Die Unterhaltspflicht gegenüber gemeinschaftlichen Kindern gehört zu den wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem "ehelichen Verhältnis" i. S. des § 1381 II BGB ergeben. Das ist für die Zeit des Zusammenlebens der Familie nicht zweifelhaft, weil nach § 1360 a BGB der angemessene Unterhalt alles umfaßt, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um ihren eigenen und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Nach dem oben aufgezeigten Rechtsgedanken des § 1381 BGB kann die Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber gemeinschaftlichen Kindern nach der Trennung nicht anders beurteilt werden. Dies gilt um so mehr, wenn - wie hier - der an sich nicht barunterhaltspflichtige Ehegatte die wirtschaftliche Last des Unterhalts für die Kinder tragen muß. Auch nach der Trennung bleibt der barunterhaltspflichtige Elternteil dem anderen Ehegatten im Innenverhältnis verpflichtet, ihn von der Unterhaltslast gegenüber den Kindern zu befreien. Dies ist eine Verpflichtung, die nicht nur das Verhältnis Eltern-Kind betrifft, sondern auch im ehel. Verhältnis wurzelt.

3. Der Kl. hat diese Pflicht schuldhaft verletzt.

a) Er hat unstreitig bis auf die im Prozeßvergleich vereinbarten geringfügigen Unterhaltsbeträge seit 1983 keinen Kindesunterhalt mehr geleistet. Soweit es die Erfüllung des Mindestunterhalts gemäß Düsseldorfer Tabelle angeht, ist der Kl. in vollem Umfang darlegungs- und ggf. beweisbelastet dafür, daß er trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 II BGB keine Unterhaltszahlungen leisten konnte und kann. Dieser Darlegungslast ist der Kl. trotz einer entsprechenden Auflage des Senats nicht nachgekommen. Er hat lediglich drei Belege über Arbeitsbemühungen vorgelegt. Seine Behauptung, er sei wegen einer Zuckerkrankheit nur eingeschränkt erwerbsfähig, ist nicht hinreichend konkretisiert. Abgesehen davon muß nach den Erklärungen des Kl. im Senatstermin davon ausgegangen werden, daß er über die von ihm bezogene Arbeitslosenhilfe von ca. 820 DM hinaus weitere Einkünfte hatte und noch hat. Er wohnt nämlich auf dem elterlichen Bauernhof, ohne daß er für Unterkunft und Verpflegung regelmäßig Beträge abführt. Dies beruht nicht - jedenfalls nicht in vollem Umfang - auf freiwilligen Leistungen Dritter, die für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Kl. unerheblich wären. Der Kl. hat nämlich im Senatstermin auch erklärt, er helfe gelegentlich mit in der Landwirtschaft. Unterkunft und Verpflegung sind daher - jedenfalls teilweise - als Gegenleistungen für Arbeiten des Kl. unterhaltsrechtlich als Einkommen anzusehen.

b) Durch den Vergleich v. 22. 6. 1983 ist die gesetzliche Unterhaltspflicht des Kl. weder eingeschränkt noch aufgehoben worden; eine derartige Regelung wäre nach § 1614 BGB auch unwirksam gewesen. Ohne Erfolg beruft sich der Kl. darauf, er habe nach dem Inhalt des Vergleichs und nach dem darauffolgenden Verhalten der Bekl. der Ansicht sein können, er brauche keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen. Die Regelung des Vergleichs, daß der Kl. den Betrag der Arbeitslosenhilfe für die Kinder auszukehren habe, der monatlich 825 DM (damals Notbedarf) übersteige, hatte zur Grundlage, daß der Kl. auch nach dem 18. 7. 1983 noch arbeitslos sein werde. Dadurch sollte aber nicht in das Belieben des Kl. gestellt werden, wann und in welchem Umfang er sich in Zukunft um Arbeit zu bemühen habe. Die auf der Grundlage der Arbeitslosenhilfe getroffene vergleichsweise Regelung stellte insoweit nur eine Mindestsicherung der Kinder dar. Mit dieser Regelung wurde zwar der damals anhängige Unterhaltsrechtsstreit prozessual erledigt. Die sich aus der Arbeitspflicht des Kl. ergebende materiell-rechtliche Lage, die zu einer höheren Unterhaltspflicht führen konnte, sollte durch die vergleichsweise Regelung aber nicht verändert werden. Insoweit blieben auch die - spätestens durch die Erhebung der damaligen Unterhaltsklage bewirkten - unterhaltsrechtlichen Folgen der Mahnung der Bekl. erhalten, so daß es für die Zeit nach dem Vergleich nicht einer neuen konkreten Zahlungsaufforderung i. S. des § 1613 BGB bedurfte, um eine Unterhaltspflicht des Kl. entstehen zu lassen.

c) Dem Kl. war auch bewußt, daß er durch die vergleichsweise Regelung nicht seiner Arbeitspflicht zur Erfüllung des Kindesunterhalts enthoben und daß insoweit keine erneute Mahnung nach Vergleichsschluß erforderlich war. Er hat nämlich in erster Linie immer nur geltend gemacht, er könne keinen Kindesunterhalt zahlen, weil seine tatsächlichen Einkommensverhältnisse dies nicht zuließen. Abgesehen vom Fehlen hinreichender Arbeitsbemühungen traf diese Erklärung aber auch deshalb nicht zu, weil sich der Kl., wie bereits dargelegt, wegen seiner Mithilfe in der Landwirtschaft seiner Eltern und seines Bruders ein zusätzliches Einkommen zurechnen lassen muß. Der Kl. hat dementsprechend seine Unterhaltspflicht schuldhaft verletzt.

4. Diese Pflichtverletzung muß nach § 1381 II BGB über einen längeren Zeitraum geschehen sein. Auch diese Voraussetzung liegt hier vor. Die Arbeitsbemühungen des Kl. hätten in der 2. Jahreshälfte 1983 beginnen müssen. Seitdem sind über 3 Jahre vergangen. Hätte der Kl. in diesem Zeitraum für die Kinder wenigstens den Mindestunterhalt gemäß der Düsseldorfer Tabelle, abzüglich des auf ihn entfallenden Kindergeldanteils, zur Verfügung gestellt, ergäbe sich ein Betrag, der nur unwesentlich unter seiner Zugewinnausgleichsforderung liegt.

Zu berücksichtigen ist weiter, daß der Kl. offenbar auch in Zukunft nicht gewillt ist, seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern nachzukommen. Wie bereits dargelegt, hat ihn die dementsprechende schriftliche Anfrage des Senats nicht veranlaßt, wenigstens jetzt seine Arbeitsbemühungen zu intensivieren. Sein Vortrag im Prozeß sowie sein Verhalten im Senatstermin können nur dahin gedeutet werden, daß er sich mit seiner jetzigen Lebenssituation zufrieden gibt und keine Anstrengungen unternehmen will, ein höheres Einkommen zu erzielen, von dem er wenigstens den Mindestunterhalt für die Kinder zahlen könnte. Die Bekl. wird daher auch in Zukunft die Last des Kindesunterhalts zu tragen haben.

Selbst wenn man zugunsten des Kl. davon ausginge, er habe in der Vergangenheit seine Unterhaltspflicht nicht schuldhaft verletzt, handelt er doch jetzt treuwidrig, wenn er einerseits die Bekl. auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs in Anspruch nimmt, andererseits aber nicht erkennen läßt, daß er in Zukunft seine Pflicht zur Zahlung des Kindesunterhalts, die ihm jetzt deutlich gemacht worden ist, erfüllen wird.

5. Ferner ist zu Lasten des Kl. zu berücksichtigen, daß der Zugewinn der Bekl. nicht auf einer Leistung des Kl. beruht. Dieser Umstand könnte zwar für sich allein die Unbilligkeit des Zugewinnausgleichs nicht begründen. In Verbindung mit den übrigen Umständen kann er jedoch zur Begründung der groben Unbilligkeit unterstützend herangezogen werden.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB §§ 1381 II 1603 II S. 1