Privattelefonate auf Kosten des Arbeitgebers - außerordentliche Kündigung

Gericht

ArbG Würzburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 12. 1997


Aktenzeichen

1 Ca 1326/97


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Auflösung des zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnisses sowie über die Zahlung von Verzugslohn für die Monate Mai und Juni 1997. Der Kl. war seit 1. 9. 1978 bei der Bekl. beschäftigt. Als Exportsachbearbeiter bezog er zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 5862 DM. Mit Schreiben vom 30. 4. 1997, dem Kl. am selben Tag übergeben, kündigte die Bekl. das Arbeitsverhältnis außerordentlich und vorsorglich ordentlich zum nächstmöglichen Kündigungstermin. Hiergegen wendet sich der Kl. mit seiner beim ArbG Würzburg eingegangenen Klage. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen und trägt vor, sie habe im Januar 1996 eine neue ISDN-Telefonanlage in Betrieb genommen. Der Kl. habe in seinem Arbeitszimmer den Apparat 252 zur alleinigen Benutzung erhalten. Er sei bei der Einführung der neuen Anlage darauf hingewiesen worden, daß diese grundsätzlich dem geschäftlichen Telefonverkehr diene und nur ausnahmsweise für Privatgespräche benutzt werden dürfe. Für Dienstgespräche müsse die „0“, für Privatgespräche die „6“ vorgewählt werden. Auch sei am 26. 3. 1996 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Benutzung der neuen Anlage geschlossen worden, die im Betrieb an allen hierfür vorgesehenen Stellen wochenlang aushing. Hiernach dürften in dringenden Fällen Privatgespräche geführt werden, die durch Vorwahl einer „6“ zu kennzeichnen seien, damit nach Auswertung am Monatsende die privaten Gespräche dem Arbeitgeber erstattet werden können. Am 16. 4. 1997 habe sich der Exportleiter F die Telefon-Einzelauswertungslisten für den Apparat des Kl. für die Monate Januar bis Dezember 1997 besorgt und in der Folgezeit ermittelt, daß der Kl. im Januar 51, im Februar 69 und im März 43 privat veranlaßte Gespräche auf Kosten der Bekl. geführt habe, ohne vorher die Zahl „6“ vorzuwählen. Eine Auswertung habe ergeben, daß rund 22% aller vom Kl. geführten Gespräche privater Natur gewesen seien. Es seien zu Lasten der Bekl. Gesprächskosten von insgesamt 227,40 DM anhand der aufgezeichneten Einheiten verursacht worden. Die Gesprächsdauer habe insgesamt mehr als zehn Stunden betragen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die außerordentliche Kündigung vom 30. 4. 1997 rechtswirksam beendet. Nach § 626 I BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der von der Bekl. vorgetragene Kündigungssachverhalt ist objektiv geeignet, einen wichtigen Grund nach § 626 I BGB zur außerordentlichen Kündigung zu geben. Unbestritten hat der Kl. in den Monaten Januar bis März 1997 in einer großen Anzahl von Privatgesprächen trotz Verpflichtung hierzu nicht die vorgeschriebene Kennzahl „6“ vorgewählt und so bei der Bekl. den Anschein erweckt, es handle sich hierbei um dienstliche Gespräche, was zur Folge hatte, daß die Bekl. die entsprechenden Beträge nicht vom Gehalt bei dessen Auszahlung abzog. Dies ist zur Überzeugung der Kammer in Übereinstimmung mit der Bekl. als vollendeter Betrug i. S. des § 263 StGB zu werten. Der Kl. handelte insoweit auch vorsätzlich. Seine Einlassung, er habe die richtige Kennung schlichtweg vergessen, ist als Schutzbehauptung nicht zu berücksichtigen, zumal der Kl. genau wußte, daß er die entsprechende Kennung vorzunehmen hat. Bei etlichen Gesprächen, die privat veranlaßt waren, tat er dies nämlich, so, daß die Kammer insoweit von einem bewußten Handeln in Schädigungsabsicht des Kl. auszugehen hat. Derartige Eigentumsdelikte gegen den Arbeitgeber, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses begangen werden, rechtfertigen in aller Regel eine ausgesprochene außerordentliche Kündigung, denn es liegen Tatsachen vor, die das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belasten.

Hiervon ist im vorliegenden Rechtsstreit im Rahmen der Interessenabwägung auszugehen. Das Fehlverhalten des Kl. erweist sich als Straftat gegen den Arbeitgeber und beinhaltet gleichzeitig einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Treuepflicht, wonach der Arbeitnehmer grundsätzlich gehalten ist, seinen Arbeitgeber vor finanziellen Schäden zu bewahren. Zu berücksichtigen ist insbesondere eine nicht geringe kriminelle Energie beim Kl., da es sich unstreitig um eine große Anzahl von Gesprächen handelt und allein die verursachten Telefonkosten nicht als geringfügig bezeichnet werden können. Bei einem derartigen Verhalten ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kl. noch länger fortzusetzen, insbesondere nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, da bei einem derartigen gravierenden Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis des Arbeitgebers zu seinem Arbeitnehmer unzerrüttbar erschüttert ist. Dies gilt auch bei einer langen, bisher beanstandungsfrei gebliebenen Betriebszugehörigkeit, da es sich - wie ausgeführt - nicht um eine Lappalie, ein Kavaliersdelikt handelt, sondern der Arbeitgeber zu Recht jegliches Vertrauen in die Redlichkeit seines Arbeitnehmers für die Zukunft verloren hat. Deshalb ist zur Überzeugung der Kammer im vorliegenden Rechtsstreit auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vor Ausspruch einer Kündigung auch keine Abmahnung als milderes Mittel erforderlich, da ein gravierender Verstoß im Vertrauensbereich vorliegt und nicht erwartet werden kann, daß hierdurch das unwiderruflich geschwundene Vertrauen des Arbeitgebers wieder hergestellt werden kann, zumal der Kl. als Exportsachbearbeiter unstreitig einen relativ selbständigen Arbeitsplatz innehatte.

Da somit eine dem Arbeitgeber unzumutbare Belastung vorliegt, hat die Bekl. zu Recht das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt. Die Frist des § 626 II BGB wurde eingehalten, da die Bekl. unstreitig erst am 16. 4. 1997 von den ersten Betrugsfällen durch Überprüfung der Monatslisten Kenntnis erlangte und somit die Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprach. Im Ergebnis endete das Arbeitsverhältnis mit Zugang der außerordentlichen Kündigung (30. 4. 1997). Folglich war die Klage hinsichtlich der vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung ebenfalls als unbegründet abzuweisen, da das Arbeitsverhältnis über den 30. 4. 1997 nicht fortbestand. Aus gleichen Gründen hat der Kl. für die Monate Mai und Juni 1997 keine Gehaltsansprüche, so daß auch insoweit die Klage abzuweisen war.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 626 I