Kündigung wegen Beleidigung des Vorgesetzten mit „Arschloch„

Gericht

ArbG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 08. 1998


Aktenzeichen

15 C a 9661/97


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung. Der ledige Kl. ist seit 1. 4. 1986 bei der Bekl. als Verwaltungsangestellter mit einer zuletzt erzielten Bruttomonatsvergütung von 5600 DM (so die Angaben des Kl.) bzw. 5229,39 DM (so die Angaben der Bekl.) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Am 21. 7. 1993 erteilte die Bekl. dem Kl. die hiermit in Bezug genommene Abmahnung wegen einer Auseinandersetzung mit Mitarbeitern. Am 16. 8. 1996 erteilte die Bekl. dem Kl. die hiermit in Bezug genommene weitere Abmahnung wegen ungehöriger Äußerungen im Rahmen eines Erfahrungsberichts. Mit Schreiben vom 27. 10. 1997 gab der Kl. eine Stellungnahme ab, in der er unter anderem ausführte, geglaubt zu haben, seinen Vorgesetzten V in einer kompromittierenden Weise bei der Mitarbeitern Frau F ertappt zu haben. Am 6. 11. 1997 ereigneten sich Vorgänge, die die Bekl. als kündigungsrelevant bezeichnet und die die Parteien unterschiedlich darstellen. Mit Schreiben vom 11. 11. 1997 nahm der Kl. zu dem Vorgang vom 6. 11. 1997 sowie zu dem Inhalt seines Schreibens vom 27. 10. 1997 Stellung. Mit Schreiben vom 17. 11. 1997 unterrichtete die Bekl. den Personalrat über eine beabsichtigte ordentliche Kündigung des Kl. Mit Schreiben vom 2. 12. 1997, dem Kl. am selben Tag zugegangen, erklärte die Bekl. die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 6. 1998. Der Kl. bestreitet Kündigungsgründe und ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats. Er beanstandet, der Personalrat sei nicht um die erforderliche Mitwirkung und Erörterung gebeten worden, außerdem enthalte das Schreiben vom 17. 11. 1997 lediglich die Aneinanderreihung von Anschuldigungen, wogegen entlastende Stellungnahmen des Kl., insbesondere die vom 11. 11. 1997, nur auszugsweise zitiert seien. Die Bekl. behauptet, der Kl. habe am 6. 11. 1997 unaufgefordert das Dienstzimmer seines Vorgesetzten V betreten, während dieser gerade telefonierte, und vor dessen Augen mit einem Schriftstück herumgewedelt. Auf die Aufforderung seines Vorgesetzten, den Raum zu verlassen, habe der Kl. zum Treten ausgeholt, diese Bewegung jedoch ohne körperlichen Kontakt wieder abgebrochen. Anschließend habe der Kl. das Dienstzimmer seines Vorgesetzten verlassen und nach Verschließen der Tür und Betreten des Vorzimmers dort in Anwesenheit von drei Mitarbeitern deutlich vernehmbar „Arschloch„ gesagt. Die Bekl. vertritt die Auffassung, den Kl. in der Vergangenheit bereits einschlägig und berechtigt abgemahnt zu haben. Der Kl. erwidert, am 6. 11. 1997 weder gegenüber seinem Vorgesetzten V zum Treten ausgeholt noch das Wort „Arschloch„ benutzt zu haben. Sollte er dieses Wort benutzt haben, so habe er es in bezug auf sich selbst gemeint. Jedenfalls sei die Äußerung nicht in bezug auf eine konkrete Person ausgesprochen.

Die Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die ordentliche Kündigung der Bekl. vom 2. 12. 1997 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres (§ 53 II BAT) zum 30. 6. 1998 beendet. Die Kündigung vom 2. 12. 1997 ist als sogenannte verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt, durch Gründe in dem Verhalten des Kl. bedingt i.S. des § 1 II 1 KSchG. Der Kl. hat am 6. 11. 1997 seinen Vorgesetzten V mit dem Wort „Arschloch„ beleidigt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest und folgt aus den glaubhaften Angaben der Zeuginnen Z und X, an denen zu zweifeln kein Anlaß besteht. Hiernach steht folgendes fest:

Der Kl. hat nach Verlassen des Dienstzimmers seines Vorgesetzten im Vorzimmer und in Anwesenheit der dort befindlichen drei Mitarbeiter das Wort „Arschloch„ benutzt. Er hat dieses Wort nicht vor sich hin gemurmelt, sondern deutlich vernehmbar gesagt. Damit war ihm klar, daß ihn die Anwesenden akustisch verstehen würden. Er wollte dies.

Die Bemerkung war nicht auf sich selbst bezogen. Seine Einlassung, allenfalls die Formulierung „Ich Arschloch„ - aus welchen Gründen auch immer - verwendet zu haben, ist widerlegt. Die Erklärung war nicht einfach so in den Raum gestellt, sie bezog sich auf eine bestimmte Person, nämlich den Vorgesetzten V, mit dem zuvor eine Auseinandersetzung jedenfalls dergestalt stattfand, daß dieser den Kl. seines Dienstzimmers verwies. Damit war dem Kl. auch klar, daß die anwesenden Personen seine Äußerung auf den Vorgesetzten V beziehen mußten, was sie auch taten.

Die Beleidigung eines Vorgesetzten mit dem Wort „Arschloch„ ist ein Umstand, der an sich geeignet ist, auch einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu bilden. Zutreffend ist zwar, daß anfechtbare und ehrenrührige Erklärungen über Vorgesetzte dann keinen Kündigungsgrund darstellen, wenn diese Äußerungen in einem Gespräch im Kollegenkreis geschehen. In dieser Situation besteht der Erfahrungssatz, daß die Äußerungen in der sicheren Erwartung erfolgen, daß sie nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausgetragen werden (so schon BAG, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung; BAG, RdA 1973, 135 = AP Nr. 66 zu § 626 BGB). Eine derartige Situation bestand aber am 6. 11. 1997 nicht. Der Kl. hat mit den im Vorzimmer anwesenden Personen kein kollegiales Gespräch geführt, von dessen Vertraulichkeit er ausgehen konnte. Er hat mit diesen überhaupt kein Gespräch geführt, sondern ausschließlich in deren Anwesenheit und damit ihnen gegenüber den Vorgesetzten V als „Arschloch„ bezeichnet und danach den Raum verlassen. Eine besondere Gesprächssituation unter Kollegen, in der gegebenenfalls auch einmal wegen des Vertrauens auf Stillschweigen anfechtbare Erklärungen über Vorgesetzte fallen, lag überhaupt nicht vor. Der Kl. hat vielmehr die anwesenden Mitarbeiter als Empfänger seiner Beleidigung eines Vorgesetzten genutzt.

Im Rahmen der Interessenabwägung waren zwar zugunsten des Kl. seine lange Beschäftigungszeit und sein Lebensalter, damit einhergehend die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Diese Umstände hat aber auch die Bekl. angemessen berücksichtigt, indem sie nicht eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern eine ordentliche Beendigungskündigung aussprach. Auf die vom Kl. in Abrede gestellte Wirksamkeit der Abmahnungen vom 21. 7. 1993 und 16. 8. 1996 kommt es nicht an. Auch ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung wäre die Bekl. aufgrund des Vorfalls vom 6. 11. 1997 zur Kündigung berechtigt. Das Verhalten des Kl. betrifft nicht den eigentlichen Leistungsbereich, sondern den Vertrauensbereich und ist auch derart störend und schwerwiegend, daß nicht etwa nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst mit einer Abmahnung zu reagieren wäre.

Dem Kl. hatte klar zu sein und war auch klar, daß die Bekl. die Beleidigungen von Vorgesetzten mit der Bezeichnung „Arschloch„ nicht dulden würde. Die Bekl. war auch nicht gehalten, den Kl. zur Vermeidung einer Kündigung in eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Eine ausschließlich durch die Zusammenarbeit des Kl. mit dem Vorgesetzten hervorgerufene Konfliktsituation ist nicht erkennbar. Die Bekl. muß vielmehr damit rechnen, daß der Kl. auch künftig, sollte er sich - zu Recht oder zu Unrecht - ungerecht behandelt oder unberechtigt kritisiert fühlen, erneut die Selbstkontrolle verlieren, in Wut geraten, Vorgesetzte beleidigen und damit den Betriebsfrieden stören würde.

Die Kündigung ist auch nicht gem. § 79 IV BPersVG unwirksam. Die Bekl. hat den Personalrat ordnungsgemäß an der Kündigung bet.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 1 II