Aufwendungen für häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig bei Bereitschaftsdienst

Gericht

FG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 12. 1997


Aktenzeichen

8 K 5063/97


Leitsatz des Gerichts

Aufwendungen für ein Arbeitszimmer sind als Werbungskosten bis zu einem Betrag von DM 2 400 abziehbar, wenn dem Arbeitnehmer für den nach Schließung des Betriebsgebäudes erbrachten häuslichen Bereitschaftsdienst kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Strittig ist, ob der Kläger (Kl.) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann.

Der (ledige) Kl. ist als EDV-Organisator bei der Zentralverwaltung einer Warenhauskette angestellt. Im Streitjahr 1996 war er an 224 Tagen dort tätig. Nach einer Bescheinigung seines Arbeitgebers aus dem Jahr 1997 führte er außerhalb seiner normalen Arbeitszeit von zu Hause aus einen telefonischen Bereitschaftsdienst durch. Ihm oblag die telefonische Betreuung der Filialrechner und Kassensysteme bei Soft- und Hardwarestörungen in 74 Filialen. Der Bereitschaftsdienst erfolgte Samstags und Wochentags außerhalb der normalen Bürozeiten ab 17 Uhr. Der Zeitaufwand betrug im Streitjahr 1996 im Durchschnitt 30 - 34 Stunden im Monat. Der Arbeitgeber übernahm die Anschluß- und laufenden Telefongebühren für einen Telefonanschluß und stellte dem Kl. für die Unterstützung der Filialen per Teleservice einen PC mit Modem-Anschluß zur Verfügung.

Telefonanlage und PC befanden sich in einem vom Kl. in seinem Einfamilienhaus eingerichteten, ausschließlich beruflich genutzten Arbeitszimmer. Es weist eine Wohnfläche von 162 qm auf, davon entfallen auf das Arbeitszimmer 19 qm.

Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kl. die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten des Hauses (AfA, Schuldzinsen, Strom, Wasser, Heizöl, Schornsteinfeger und Grundbesitzabgaben) mit … DM geltend, sowie die Anschaffungskosten für einen Schreibtischstuhl mit … DM. Er trug vor, er habe außer dem Bereitschaftsdienst in diesem Arbeitszimmer auch Dispositionen und auftragsbezogene Verwaltungsarbeiten vorgenommen.

Der Beklagte (Bekl.) versagte den Abzug der Aufwendungen, weil die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers nicht mehr als 50 % der gesamten beruflichen Tätigkeit beanspruche und der Arbeitgeber für die gesamte Tätigkeit einen Arbeitsplatz zur Verfügung stelle.

Der Kl. erhob Einspruch und verwies darauf, daß der Arbeitgeber für den Bereitschaftsdienst keinen Arbeitsplatz zur Verfügung stelle. Außerdem sei der Schreibtischstuhl als Arbeitsmittel anzusehen.

Der Bekl. wies den Einspruch zurück. Es sei nicht ausschlaggebend, daß speziell für den Bereitschaftsdienst kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde. Es sei vielmehr darauf abzustellen, daß überhaupt ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 komme es nicht darauf an, ob für einzelne, wenn auch zeitlich erhebliche Tätigkeiten, sondern ob für „die“, also für die gesamte Tätigkeit kein Arbeitsplatz vorhanden sei. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 schließe neben den Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auch ausdrücklich die Kosten der Ausstattung mit ein. Dazu gehöre auch der Schreibtischstuhl.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kl. ergänzend vorträgt, in seiner normalen Arbeitszeit von 8 bis 16.50 Uhr bestehe sein Aufgabengebiet in der Projektplanung, Organisation und Koordination von Erneuerung vorhandener Kassensysteme. Für den außerhalb dieser normalen Arbeitszeit durchgeführten EDV-Bereitschaftsdienst werde ihm vom Arbeitgeber kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, weil das Verwaltungsgebäude des Arbeitgebers, in dem er tätig ist, in dieser Zeit geschlossen sei.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist begründet. Der Bekl. hat zu Unrecht den Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer und den Schreibtischstuhl versagt.

1. Nach § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 1 EStG in der Fassung des JStG 1996 (BGBl I 1995, 1250; BStBl I 1995, 438) dürfen zwar die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, wenn entweder

a) die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt (Alternative 1), oder

b) wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (Alternative 2).

In diesen beiden Fällen ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt.

Bildet das Arbeitszimmer sogar den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit, sind die Aufwendungen unbegrenzt abzugsfähig (Satz 3 der Vorschrift).

Im Streitfall sind die Aufwendungen nach Satz 2, Alternative 2, der obigen Vorschrift abzuziehen, weil der Arbeitgeber des Kl. für den Bereitschaftsdienst keinen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat. Entgegen der Auffassung des Bekl. ist nicht darauf abzustellen, ob dem Kl. überhaupt ein Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers zur Verfügung stand. Denn wäre dies zu verneinen, käme ein Abzug nach Satz 3 der o. a. Vorschrift in Betracht, der sogar einen der Höhe nach unbeschränkten Abzug der Aufwendungen zuließe. Denn dann wäre zwangsläufig das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit.

Soll die zweite Alternative des Satzes 2 der Vorschrift überhaupt einen Sinn enthalten, dann kann er nur so ausgelegt werden, daß er auch die Fälle erfaßt, in denen für bestimmte, abgrenzbare Aufgaben des Arbeitnehmers aus objektiv nachvollziehbaren zwingenden Gründen kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dies verdeutlicht selbst der Richtliniengeber in Abschn. 45 Abs. 3 Nr. 2 LStR 1996. Dort ist ausgeführt, die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 2 EStG seien regelmäßig bei Lehrern erfüllt, die für ihre Unterrichtsvorbereitungen keinen Schreibtisch in der Schule haben. Auch hier wird also darauf abgestellt, daß für bestimmte, abgrenzbare Teilbereiche der beruflichen Tätigkeit (Unterrichtsvorbereitungen) kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Würde man, wie der Bekl., fordern, daß überhaupt kein arbeitgeberseitig bereitgestellter Arbeitsplatz vorhanden sein darf, so wäre auch bei Lehrern ein Werbungskostenabzug zu versagen. Denn zweifellos haben diese in der Schule ihren Arbeitsplatz, und es stehen zumindest in den Klassenräumen und in den Lehrerzimmern Schreib- oder Arbeitstische zur Verfügung.

Auch aus der vom Bekl. herangezogenen Entscheidung des BFH vom 27. 9. 1996, VI R 47/96, BStBl II 1997, 68 ergibt sich nichts anders. Dort war zu entscheiden über die Aufwendungen eines Rechtsanwalts, der Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit bezog. Der Abzug wurde abgelehnt, weil dem Kl. im Büro des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zur Verfügung stand und die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers weniger als 50 % seiner Gesamttätigkeit ausmachte. Es war dagegen nicht über den Fall zu entscheiden, daß für bestimmte Tätigkeiten ein Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stand.

Zu den grundsätzlichen Ausführungen des BFH in jenem Urteil VI R 47/96, a. a. O., sieht sich der Senat nicht in Widerspruch. Auch der Senat erkennt die Notwendigkeit, wegen der Möglichkeiten des Mißbrauchs und der schwer nachprüfbaren Verlagerung von Kosten der Lebensführung in den betrieblichen oder beruflichen Bereich, die steuerliche Anerkennung des häuslichen Arbeitszimmers entgegen den sonstigen Grundsätzen des Werbungskostenabzugs von der objektiv erkennbaren Erforderlichkeit der Aufwendungen abhängig zu machen. Aber auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kl. hat nachvollziehbar dargelegt, daß in den Zeiten seines Bereitschaftsdienstes sein normaler Arbeitsplatz ihm nicht zur Verfügung stehen kann, weil das Verwaltungsgebäude, in welchem er seinen normalen Dienst verrichtet, dann geschlossen ist. Die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers für Zwecke des Bereitschaftsdienstes ist also aus objektiv erkennbaren und nachvollziehbaren Gründen erforderlich. Dies verdeutlicht auch die Tatsache, daß der Arbeitgeber dem Kl. die dazu notwendigen Arbeitsmittel, wie dem PC mit Modem-Anschluß, zur Verfügung stellt und die Anschluß- und laufenden Telefongebühren für die Durchführung des Bereitschaftsdienstes per Teleservice übernimmt.

Nach dem, dem BFH-Urteil VI R 47/96, a. a. O., zugrundeliegenden Sachverhalt hätte allerdings die Frage diskutiert werden können, ob für die Einkünfte des Rechtsanwalts aus selbständiger Arbeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand oder ob das häusliche Arbeitszimmer insoweit, bezogen auf diese Einkunftsquelle, einziger Arbeitsplatz war. Sollte das Nichteingehen des BFH auf diese Frage so verstanden werden müssen, daß es darauf nicht ankommt, daß also bei Unterschreiten der 50 %-Grenze bezogen auf die gesamte berufliche Tätigkeit die Arbeitszimmeraufwendungen stets vom Abzug ausgeschlossen sind, wenn überhaupt irgendwo sonst ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, so könnte der Senat dem nicht folgen. Denn dann liefe die 2. Alternative des Satz 2 der hier maßgebenden Vorschrift (s. o.) ins Leere. Es wäre kein Fall denkbar, in dem die 50 %-Grenze unterschritten wird, und gleichwohl die Aufwendungen (begrenzt auf 2 400 DM) abzugsfähig wären. Satz 2 des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG läßt aber gerade beide Möglichkeiten zu, entweder überschreiten der 50 %-Grenze oder Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes. Daraus folgt, daß das Erfordernis „Fehlen eines Arbeitsplatzes“ sich nicht auf die gesamte betriebliche und berufliche Tätigkeit beziehen kann, sondern nur auf die konkret im Arbeitszimmer verrichtete Tätigkeit (so auch Urban, DStZ 1996, 229, 232; Karrenbrock, DStZ 1996, 727, 729; Giloy, BB 1995, 2454, 2456; Mainzer/Strohner, FR 1996, 91, 95). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige Einkünfte aus mehreren unterschiedlichen Einkunftsquellen bezieht und nur für eine dieser Tätigkeiten das Arbeitszimmer nutzt, oder ob er - wie im Streitfall - nur eine einzige Einkunftsart verwirklicht, seine diesbezügliche Tätigkeit aber teilweise aus zwingenden Gründen im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift wird nicht zwischen Einkunftsarten unterschieden, sondern auf Tätigkeiten abgestellt. Unterschiedliche Tätigkeiten können aber auch innerhalb ein und derselben Einkunftsart unterschiedlichen zu beurteilen sein.

Da für den im Streitfall von dem Kl. in seinem Arbeitszimmer durchgeführten Bereitschaftsdienst kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, sind die Aufwendungen bis zur Höchstgrenze von 2 400 DM als Werbungskosten abzuziehen.

2. Der Schreibtischstuhl ist entgegen der Auffassung des Bekl. ein Arbeitsmittel, so daß die Aufwendungen hierfür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG abziehbar der Erledigung der beruflichen Arbeiten dienen und deren Einsatz eine sinnvolle und effektive Erledigung der berufsbedingten Arbeiten ermöglicht oder fördert (vgl. zuletzt BFH v. 8. 11. 1996, VI R 22/96, BFH/NV 1997, 341, DStR 1997, 408). Dazu gehören nicht nur Werkzeuge - zu denen der Senat z. B. auch Schreibmaschinen und Computer zählen würde - und typische Berufskleidung, sondern auch Schreibtische, Schreibtischstuhl, Bücherregale etc. Die Aufwendungen für Anschaffung dieser zuletzt genannten Wirtschaftsgüter wären auch dann abzugsfähig, wenn sie nicht in einem steuerlich anerkannten Arbeitszimmer stünden (vgl. BFH v. 18. 2. 1977, VI R 182/75, BStBl II 1977, 464). Selbst wenn sie begrifflich auch der Ausstattung des Arbeitszimmers dienen, ist doch der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG der Vorrang einzuräumen gegenüber dem § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG (so auch BFH v. 21. 11. 1997, VI R 4/97, NV, DStR 1998, 287).

Letztlich kann dies im Streitfall jedoch dahin stehen, weil selbst bei Berücksichtigung der Kosten für den Schreibtischstuhl als Ausstattungsstück des Arbeitszimmers der Höchstbetrag von 2 400 DM nicht überschritten wäre.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6 b