Überhängende Äste und herüberfallendes Laub
Gericht
AG Bad Schwartau
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
20. 01. 2004
Aktenzeichen
2 C 625/03
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, es zu verhindern, dass Äste von auf ihrem Grundstück stehenden Bäumen und Sträuchern in den Luftraum des klägerischen Grundstückes hineinwachsen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Abfassung eines Tatbestandes wurde gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig. Der Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Bei einer auf die Abwehr von Störungen gerichteten Klage ist es ausreichend, die zu beseitigende bzw. zu unterlassende Beeinträchtigung so genau zu bezeichnen, dass eine Vollstreckung aus einem stattgebenden Titel möglich ist. Diesen Anforderungen genügt der gestellte Klagantrag hier. Durch welche Maßnahmen die Störung zu beseitigen ist, muss der Kläger nicht angeben, denn hierüber entscheidet nicht er, sondern - gegebenenfalls - die beklagte Partei als Störer (vgl. Palandt/Bassenge, zu § 1004 BGB Rn. 51; OLG Düsseldorf, NJW 86, 2648 ff.).
II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB, wonach der Eigentümer, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch die Entziehung oder die Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und dann, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, auf Unterlassung klagen kann.
1 . Der Antrag des Klägers erfasst nach seinem Inhalt sowohl die Beseitigung aktuellen als auch die Verhinderung zukünftigen Überwuchses über die gemeinsame Grundstücksgrenze der Parteien. Soweit der Antrag die Beseitigung aktuellen Überwuchses erfasst, folgte der Beseitigungsanspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass - wenn auch in Höhe von mehreren Metern - Äste und Zweige von auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Bäumen und Pflanzen auf das klägerische Grundstück ragen. Hierin liegt eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn gemäß § 905 Satz 1 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers an seinem Grundstück auch auf den Raum über der Grundstücksoberfläche.
Soweit der Antrag des Klägers die Beseitigung künftigen Überwuchses erfasst, folgt sein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die für einen solchen Anspruch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben, denn zwischen den Parteien ist gleichfalls unstreitig, dass es entsprechend dem natürlichen Pflanzenwuchs auch nach einem Rückschnitt durch die Beklagten immer wieder dazu kommt, dass die oben genannten Bäume bzw. Sträucher mit ihren Zweigen und Ästen auf das klägerische Grundstück hinüberragen.
2. Dem Anspruch des Klägers gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB steht § 1004 Abs. 2 BGB, wonach der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist, nicht entgegen.
a) Ein Anspruchsausschluss folgt nicht aus § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 40 Nachbarrechtsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (NachbG Schl.-H.), denn diese Norm gilt nur für Ansprüche aus den §§ 37 ff. NachbG Schl.-H., nicht auch für einen Anspruch gemäß § 1004 BGB (vgl. Bassenge/Olivet, Nachbarrecht in Schleswig-Holstein, zu § 40 NachbG, Rn. 2 m.w.N.).
b) Ein Anspruchsausschluss folgt auch nicht aus § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 905 Satz 2 BGB, wonach der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an einer Ausschließung kein Interesse hat. Die Vorschrift des § 905 Satz 1 BGB schützt jedes schützenswerte materielle oder immaterielle Interesse des Eigentümers an der ungestörten Nutzung des Grundstückes (BGH WM 81, 129). Als solches Interesse ist hier, vor allem in Anbetracht der relativ geringen Größe des klägerischen Grundstückes Mit 500 m2, das Interesse des Klägers anzuerkennen, jedwede ästhetische Beeinträchtigung seines Grundstückes durch den Überwuchs als solchen bzw. durch herabfallendes Laub und/oder herabfallende Zweige und Äste zu vermeiden. Diese vom hier streitgegenständlichen Überwuchs ausgehenden Beeinträchtigungen sind aber von dessen Höhe unabhängig und werden deshalb von § 905 Satz 2 BGB nicht erfasst.
c) Ein Anspruchsausschluss folgt auch nicht aus der im Rahmen des § 1004 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 910 Abs. 2 BGB, wonach dem Eigentümer das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB nicht zusteht, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung seines Grundstückes nicht beeinträchtigen.
Ein Anspruch auf Beseitigung von Überwuchs wird nach den §§ 1004, 910 Abs. 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn die Grundstücksbenutzung im Vergleich zum Zustand ohne Überwuchs nach objektivem Maßstab nicht oder nur ganz unerheblich beeinträchtigt wird (vgl. OLG Köln, NJW RR 89, 1177). Ein solcher Fall liegt hier bereits nach den oben unter 2 b) dargelegten Erwägungen nicht vor, so dass es nicht darauf ankam, ob zusätzlich der unstreitig mangelhafte Rasenwuchs auf dem klägerischen Grundstück an der Grenze zum Grundstück der Beklagten ursächlich auf den Überwuchs zurückzuführen ist, wofür allerdings einiges spricht. Zwar mag eine Einwirkung auf ein Grundstück durch Überwuchs wie hier vorliegend grundsätzlich unterschiedlich stark - negativ - empfunden werden. Vieles ist hier "Geschmackssache". Es ist jedoch grundsätzlich dem Kläger als Eigentümer überlassen zu entscheiden, wie er sein Grundstück - wozu nach § 905 Satz 1 BGB auch der Raum oberhalb der Grundstücksoberfläche gehört - gestalten möchte. Hierzu gehört auch die Befugnis, weitestgehend selbst zu beurteilen, welche Beeinträchtigungen durch einen Überwuchs von nachbarlichen Grundstücken er hinzunehmen gedenkt und welche nicht.
3. Die Verpflichtung zur Beseitigung des Überwuchses trifft die Beklagten als sogenannte Zustandsstörer als Gesamtschuldner.
III. Die Verhängung eines Zwangsgeldes war nicht anzudrohen, denn aus diesem Urteil ist nicht nach § 888 ZPO, sondern nach § 887 ZPO zu vollstrecken. Bei der Verpflichtung der Beklagten handelt es sich um eine vertretbare Handlung im Sinne der letztgenannten Norm (vgl. Zöller/Stöber, zu § 887 ZPO, Rn. 3).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Die Abweisung des Antrages auf Androhung eines Ordnungsgeldes ist als verhältnismäßig geringfügig im Sinne der genannten Norm einzustufen und wirkte sich, da der Antrag streitwertneutral ist, nicht kostenerhöhend aus.
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.
Hasselder
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