Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist

Gericht

ArbG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 04. 1999


Aktenzeichen

4 Ca 8495/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Arbeitsverhältnis kann durch den Arbeitnehmer nicht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers außerordentlich gekündigt werden.

  2. Eine Vertragsstrafe, die die Einhaltung tariflicher Kündigungsfristen sichern soll, ist wirksam.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob der Bekl. der Kl. die Zahlung einer Vertragsstrafe schuldet. Der Bekl. war bei der Kl., einem Luftverkehrsunternehmen, seit April 1992 zunächst als Copilot in Teilzeit und seit dem 1. 4. 1995 in Vollzeit beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der Arbeitsvertrag vom 5. 4. 1995, der Änderungsvertrag vom 15. 8. 1995 sowie die allgemeinen Regelungen zum Arbeitsvertrag Anwendung. Zudem nahmen die Parteien vertraglich den bei der Kl. geltenden Manteltarifvertrag und den Vergütungstarifvertrag in Bezug. In § 5 III des Arbeitsvertrags vom 5. 4. 1995 vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit den im Manteltarifvertrag Bord festgeschriebenen Fristen gekündigt werden kann. Gem. § 23 III MTV-Bord beträgt die Kündigungsfrist für das Cockpitpersonal bei einer Betriebszugehörigkeit von weniger als 8 Jahren 6 Monate zum Monatsende. Gem. § 24 MTV-Bord sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits binnen einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. In § 10 der allgemeinen Regelungen zum Arbeitsvertrag ist Folgendes vereinbart:

§ 10. Vertragsstrafe. Bei Nichtantritt der Arbeit zum vereinbarten Termin oder bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist erhebt A eine Konventionalstrafe von 2 Bruttogesamtmonatsgehältern. Das Gesamtmonatseinkommen wird nach dem Durchschnitt der Bezüge der letzten 12 Monate oder, im Falle einer kürzeren Beschäftigungsdauer, nach dem Durchschnittsverdienst während der Beschäftigungszeit oder, sofern die Tätigkeit nicht aufgenommen wurde, der vereinbarten Vergütung errechnet. A ist berechtigt, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen.

Der Kl. verdiente im Monat Mai 1996 3914,67 DM brutto, in der Zeit von Juni 1996 bis Dezember 1996 insgesamt 67873,26 DM brutto und in der Zeit von Januar 1997 bis April 1997 monatlich 7672,18 DM brutto (= 30688,72 DM brutto). Für den Monat Mai 1997 rechnete die Kl. in einer korrigierten Vergütungsabrechnung einen Nettobetrag in Höhe von 2157,41 DM ab. Im Februar 1997 bewarb sich der Bekl. um eine Weiterschulung von Copiloten zum Kapitän. Diese Bewerbung wurde von der Kl. im Rahmen eines offiziellen Auswahlverfahrens nicht berücksichtigt, was dem Bekl. mit Schreiben vom 24. 3. 1997 mitgeteilt wurde. Mit Schreiben vom 7. 5. 1997 kündigte der Bekl. das mit der Kl. bestehende Arbeitsverhältnis zum 10. 5. 1997. Mit Schreiben vom 16. 5. 1997 bestätigte die Kl. den Eingang dieser Kündigung und teilte dem Bekl. mit, dass die Kl. mit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. 12. 1997 einverstanden sei; eine vorzeitige Auflösung komme nur zu den von der Kl. vorgeschlagenen Bedingungen in Betracht. Mit Schreiben vom 4. 7. 1997 machte die Kl. gegenüber dem Bekl. ihre Vertragsstrafenforderung geltend und setzte mit Schreiben vom 28. 8. 1997 eine Zahlungsfrist bis zum 4. 9. 1997.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. steht gegen den Bekl. grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe zu. Gem. § 10 der Allgemeinen Regelungen zum Arbeitsvertrag kann die Kl. bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist eine Konventionalstrafe in Höhe von 2 Bruttogesamtmonatsgehältern verlangen. Der Bekl. hat die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist ersichtlich nicht eingehalten, da er das Arbeitsverhältnis mit einer 3-tägigen Frist gekündigt hat. Der Bekl. hat damit schuldhaft seine Vertragspflicht verletzt (vgl. zum Verschulden Schaub, ArbeitsR-Hdb., 8. Aufl., § 60 III 3) und die Vertragsstrafe gem. § 339 BGB verwirkt. Der Bekl. durfte das Arbeitsverhältnis auch nicht etwa außerordentlich kündigen. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei dem Kündigungsschreiben des Bekl. vom 7. 5. 1997, welches nicht zur Gerichtsakte gelangt ist, nicht nur um eine ordentliche Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist, sondern um eine außerordentliche Kündigung handelt. Der Bekl. hat jedoch keine Gründe vorgetragen, die eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch ihn rechtfertigen könnten. Abgesehen davon, dass die diesbezügliche Behauptung des Bekl., insbesondere seine Behauptung, der Kl. habe seinerzeit der Konkurs gedroht, unsubstantiiert sind, rechtfertigen sie keine außerordentliche Kündigung. Die Ansicht des Bekl., er dürfe sein Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen, wenn der Arbeitgeber sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, ist unzutreffend. Auch in einer solchen Situation - diese als gegeben unterstellt - müssen von beiden Seiten die Vertragspflichten erfüllt und die Kündigungsfristen eingehalten werden. Der Bekl. kann sich nicht auf § 22 I 2 KO berufen. Diese Norm findet außerhalb des Konkurses keine analoge Anwendung. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Bekl. auch die in § 22 I 2 KO angesprochene gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten hat und auch bei entsprechender Anwendung dieser Norm eine schuldhafte Vertragsverletzung des Bekl. vorläge.

Die Vertragsstrafenvereinbarung ist auch wirksam. Es entspricht allgemeiner Meinung (vgl. zum Meinungsstand Heinze, NZA 1994, 244), dass eine Vertragsstrafe grundsätzlich im Arbeitsvertrag vereinbart werden kann, wie hier geschehen. Zweck der Vertragsstrafe ist es, die Erfüllung einer Hauptverbindlichkeit zu sichern. Auch soweit mit einer Vertragsstrafenvereinbarung allein die Einhaltung der Pflichten des Arbeitnehmers abgesichert werden soll, ist sie grundsätzlich wirksam (BAG, NZA 1984, 255 = NJW 1985, 91 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB; BAG, NZA 1992, 215 = NJW 1992, 1646 = AP Nr. 14 zu § 339 BGB), sofern nicht die Strafabrede als solche und die zu sichernde Hauptverbindlichkeit ihrerseits unwirksam sind (vgl. Schaub, ArbeitsR-Hdb., § 60 III 1). Eine Vertragsstrafe, die die Einhaltung von tariflichen Kündigungsfristen sichern soll, ist wirksam. Auch gegen die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe von 2 Monatsgehältern bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsstrafenvereinbarung im vorliegenden Fall gegen Art. 12 GG oder gegen §§ 138 , 242 BGB verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich.

Die Vertragsstrafenvereinbarung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil ihr etwa ein kollektiver Charakter zukommt und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht gewahrt ist. Zutreffend ist, dass die Betriebsparteien eine Betriebsbußenordnung unter Wahrung des Mitarbeiterbestimmungsrechts des Betriebsrats vereinbaren können (vgl. dazu Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 129). Die von den Parteien vereinbarten Allgemeinen Regelungen zum Arbeitsvertrag stellen keine Betriebsbußenordnung dar. Sie sind nicht mitbestimmungspflichtig. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die Kl. rein rechnerisch auf der Basis nicht etwa nur - wie der Bekl. meint - des Monatsgrundgehalts, sondern des Gesamtmonatseinkommens von Mai 1996 bis April 1997 eine Vertragsstrafe in Höhe von 17079,44 DM zustünde. Von diesem Betrag hat die Kl. 16427 DM rechtzeitig im Rahmen der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrags geltend gemacht. Die Höhe dieser Vertragsstrafe ist auch im vorliegenden Einzelfall angemessen. Die Tarifparteien haben eine lange Kündigungsfrist von 6 Monaten für das Cockpitpersonal vereinbart. Auch wenn diese tarifliche Kündigungsfrist nicht normativ, sondern einzelvertraglich gilt, nimmt sie an der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrags teil. Da der Tarifvertrag insgesamt einzelvertraglich in Bezug genommen wurde und die einzelvertragliche in Bezugnahme die fehlende Tarifbindung des Bekl. ersetzt (BAG, EzA Nr. 5 zu § 3 TVG Bezugnahme auf TV). Der Bekl. hat diese Kündigungsfrist so deutlich unterschritten, dass eine erhebliche Vertragsstrafe angemessen ist. Soweit der Bekl. meint, ihm sei ein Festhalten am Arbeitsvertrag nicht zuzumuten gewesen, da das Angebot des neuen Arbeitgebers nur bis zum 11. 5. 1997 gegolten habe, ist ihm nicht zu folgen. Gerade um solche kurzfristigen Abwerbungen mit den entsprechenden organisatorischen Problemen für die Kl. zu unterbinden, ist die Vertragsstrafe vereinbart worden. Der Bekl. kann sich auch nicht darauf berufen, im Interesse der Kl. gehandelt zu haben. Welche Interessen die Kl. verfolgt, ist allein ihr überlassen. Aus dem vom Bekl. behaupteten Umstand, dass die Kl. mit einem anderen Piloten, der ebenfalls fristlos gekündigt habe, einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat, kann der Bekl. nichts herleiten. Welche Verträge Arbeitnehmer und Arbeitgeber abschließen, ist dem einzelnen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen. Der Bekl. behauptet nicht, dass es etwa bei der Kl. eine betriebliche Ordnung des Inhalts gibt, dass generell bei fristlosen Kündigungen durch einen Piloten einvernehmliche Aufhebungsverträge geschlossen werden. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

Der Bekl. hat gegenüber dem von der Kl. geltend gemachten Betrag mit dem Vergütungsanspruch für den Monat Mai 1998 die Aufrechnung erklärt, so dass von dem eingeklagten Betrag die Nettovergütung für Mai 1998 in Höhe von 2157,41 DM in Abzug zu bringen ist. Der Bekl. fiel mit dieser zur Aufrechnung gestellten Forderung auch nicht unter die Ausschlussfrist des Tarifvertrags, da die Kl. die Vergütung für Mai 1998 entsprechend abgerechnet hat und von daher die Verfallfrist nicht eingreift (BAG, DB 1993, 1930; BAG, NJW 1980, 359 = AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG, NJW 1983, 839 = AP Nr. 76 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG,AP Nr. 92 zu § 4 4 TVG Ausschlußfristen).

Da die Kl. dem Bekl. eine Zahlungsfrist bis zum 4. 9. 1997 gesetzt hatte, befand sich der Bekl. ab dem 5. 9. 1997 in Verzug, § 284 I BGB. Die zugesprochene Zinshöhe beruht auf § 288 I BGB.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB § 339