Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
10. 02. 1999
Aktenzeichen
2 ABR 31/98
Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (st. Rspr. z.B. BAGE 73, 42 = NZA 1994, 409 = AP Nr. 32 zu § 626 BGB Ausschlußfrist und BAGE74, 127 = NZA 1994, 63 = AP Nr. 112 zu § 626 BGB). Dies gilt auch bei Störungen im sog. Vertrauensbereich.
Zur Berücksichtigung der „fiktiven„ Kündigungsfrist bei der außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. streiten über einen Antrag der Arbeitgeberin auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrats zur fristlosen Kündigung desBetriebsratsvorsitzenden, hilfsweise dessen Ausschluß aus dem Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt eine Maschinenfabrik mit knapp 40 Mitarbeitern. Der Arbeitnehmer Z (1946 geboren, verheiratet und vier Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet) ist seit 18. 1. 1988 bei der Arbeitgeberin als Schlosser gegen einBruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 3950 DM tätig. Er ist Vorsitzender des im Betrieb gebildeten Betriebsrats. Am 29. 1. 1997 verkaufte der Betriebsratsvorsitzende gegen Zahlung von 200 DM während der Schichtzeit Schrott, der der Arbeitgeberin gehörte, an einen Schrotthändler, der zu dessen Ankauf mit seinem Fahrzeugauf das Betriebsgelände gefahren war. Dem Betriebsratsvorsitzenden war seitens der Arbeitgeberin keinerlei Befugnis zu einem solchen Verkauf eingeräumt worden. Der Vorgang wurde von dem Verkaufsleiter O, der neben dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin noch einem weiteren Angestellten untergeordnet ist, bemerkt. ZurRede gestellt erklärte der Kl., die 200 DM, die er von dem Schrotthändler erhalten habe, wolle er der Sozialkasse zuführen. Bei dieser Sozialkasse handelt es sich um ein auf die Namen des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters ausgestelltes Sparbuch, auf das ausweislich der Eintragung der kontoführenden Sparkasse am29. 1. 1997 190 DM in bar eingezahlt worden sind. Weitere 10 DM sind nach Darstellung des Betriebsratsvorsitzenden von ihm für Betriebsratszwecke verauslagt worden. Aus der Sozialkasse bestreitet der Betriebsrat Ausgaben für Geschenke an die Mitarbeiterbei Jubiläen, Hochzeiten etc. Die Sozialkasse wird durch Provisionen finanziert, die ein Automatenaufsteller für im Betrieb aufgestellte Zigaretten- und Getränkeautomaten zahlt. Mit Schreiben vom 10. 2. 1997 beantragte die Arbeitgeberin wegen des Vorfalls vom 29. 1. 1997 beim Betriebsrat die Erteilung der Zustimmungzur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden im wesentlichen mit der Begründung, sie sei nicht gewillt, einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der ihr Eigentum widerrechtlich an Dritte veräußere und hierdurch das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig verletze. Der Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht und machte geltend, aus seiner Sicht hätte eine Abmahnung des Betriebsratsvorsitzenden eine ausreichende Reaktion auf dessen Verhalten dargestellt. Die Arbeitgeberin meint, der demBetriebsrat mitgeteilte Kündigungssachverhalt rechtfertige die fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden, jedenfalls liege ein ausreichender Grund für dessen Ausschluß aus dem Betriebsratvor. Es stelle eine reine Schutzbehauptung dar, wenn der Betriebsratsvorsitzende geltend mache, er habe von vornherein vorgehabt, die 200 DM für die Sozialkasse zu erwerben. Die Arbeitgeberin hat behauptet, der Wert des verkauften Schrotts habe ca. 1000 DM betragen. Zwei Drahtwickelständer, die der Betriebsratsvorsitzendenach seiner eigenen Einlassung dem Schrotthändler für 50 DM verkauft habe, hätten außerdem im Betrieb wiederverwendet werden sollen. Zu rechtsgeschäftlichen Erklärungen für den Betrieb sei der Betriebsratsvorsitzende überhaupt nicht befugt gewesen, er habesich vielmehr die Abwesenheit des für die üblichen Schrottverkäufe an einen bestimmten Schrotthändler zuständigen Meisters zunutze gemacht. Der Verkaufsleiter O habe weder den Verkauf genehmigt,noch sei er kündigungsbefugt gewesen. Er habe den am 29. 1. 1997 urlaubsabwesenden Geschäftsführer sofort nach dessen Rückkehr am 1. 2. 1997 von dem Vorfall unterrichtet. Die Arbeitgeberin hatbeantragt, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsvorsitzenden zu ersetzen, hilfsweise den Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat auszuschließen. Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben Abweisung des Antrags beantragt undbehauptet, Herr O sei in Abwesenheit des Geschäftsführers für die kaufmännischen und personellen Angelegenheiten des Betriebes zuständig. Der Schrott sei keinesfalls 1000 DM wert gewesen. HerrO habe, als der Betriebsratsvorsitzende am 29. 1. 1997 ihm den genauen Hergang des Schrottverkaufs geschildert habe, nicht etwa auf der Rückgängigmachung des Verkaufs bestanden, obwohl der Schrott noch nicht vollständig aufgeladen gewesen sei, sondern nurerklärt, der Betriebsratsvorsitzende solle aufpassen, daß nicht noch mehr Schrott aufgeladen werde.
Das ArbG hat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsvorsitzenden ersetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das LAG den Antrag auf Zustimmungsersetzung und den Hilfsantrag auf Ausschluß des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsratzurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom LAG zugelassene Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin mit Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
I. Das LAG hat angenommen, der Betriebsratsvorsitzende habe zwar einen Diebstahl zu Lasten der Arbeitgeberin begangen, der an sich geeignet sei, einen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergebe jedoch, daß der Arbeitgeberin seine Weiterbeschäftigung wenigstens für den Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar sei. Dem Betriebsratsvorsitzenden könne nicht widerlegt werden, daß er die200 DM nicht für sich selbst, sondern für die vom Betriebsrat bei besonderen Anlässen mit Gaben bedachten Beschäftigten erstrebt habe. Der Betriebsratsvorsitzende habe damit aus altruistischen Motiven gehandelt und es sei ihm auch bewußt geworden, daß er durch seine Handlungsweise leichtsinnig das Arbeitsverhältnis und damit die Ernährungsgrundlage für seine große Familie aufs Spiel gesetzt habe. Angesichts dieser Umstände sei vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Rechtsbeschwerde rügtzu Recht, das LAG habe § 103 II 1 BetrVG, § 15 I 1 KSchG und § 626 I BGB falsch angewendet, indem es die beabsichtigte außerordentliche Kündigung mangels vorheriger Abmahnung nicht für gerechtfertigt angesehen habe.
1. Nach § 103 I BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 II 1 BetrVG i.V. mit § 15 I KSchG hat die Arbeitgeberin dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund i.S. von § 626 I BGB voraus, es müssen also Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigungaller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (BAGE 26, 219 = AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG1972).
Der in § 626 I BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff; seine Anwendung durch die Tatsachengerichte kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob dasBeschwGer. den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter diese Rechtsnorm Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hatund ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr., vgl. u.a. BAGE 80, 185 = NZA 1995, 1157 = AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969; Senat, NZA 1996, 873 = AP Nr. 26 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält der angefochtene Beschluß den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
2. Zutreffend geht das BeschwGer. zunächst davon aus,daß das Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 I BGB darzustellen.
a) Vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte wie etwa der Diebstahl oder dieUnterschlagung von Firmeneigentum rechtfertigen in der Regel eine außerordentliche Kündigung (Senat, NZA 1985, 91 = AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; NZA 1985, 286 = AP Nr. 80 zu § 626 BGB; NZA1985, 288; Urt. v. 16. 10. 1986 - 2 AZR 695/85 = RzK I 6d Nr. 5 und v. 2. 4. 1987 - 2 AZR 204/86 = RzK I 6d Nr. 7; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutzim Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rdnr. 563; Fischermeier, in: KR, 5. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 445). Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit im Eigentum des Arbeitgebers stehende Sachen an einem Dritten verkauft, begeht eine schwerwiegende Verletzung seiner arbeitsvertraglichenPflichten und mißbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in gravierender Weise.
b) Genau dies hat der Betriebsratsvorsitzende nach den Feststellungen des BeschwGer. am 29. 1. 1997 getan. Ohneals Schlosser irgendwelche rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht für die Arbeitgeberin zu besitzen, hat er Schrott, der erkennbar im Eigentum der Arbeitgeberin stand, während seiner Schichtzeit ohne Einschaltung eines zu derartigenSchrottverkäufen befugten Mitarbeiters an einen Schrotthändler verkauft; er hat sogar noch gegen entsprechende Erhöhung des Kaufpreises dem Schrotthändler zwei Wickelständer mitgegeben, die die Arbeitgeberin nach einer im Prozeß vorgelegten Rechnung vor nicht allzu langer Zeit gekauft hatte und von denen für den mit Schrottverkäufennie befaßten Betriebsratsvorsitzenden nach den Gesamtumständen eher zweifelhaft sein mußte, ob sie wirklich nur noch Schrottwert hatten oder ob ihr Wert den erzielten Erlös nicht doch erheblich überschritt.
c) Wenn der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz geltend macht, der Arbeitgeberin sei kein Schaden entstanden, weil der auf das Sonderkonto des Betriebsrats eingezahlte Kaufpreis letztlich der Arbeitgeberin zugestanden habe, so trifft dies nicht zu. Die schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Betriebsratsvorsitzendenbleibt bestehen, selbst wenn man die „Sozialkasse„ des Betriebsrats steuerlich dem Arbeitgeber zurechnet. Verletzt hat der Betriebsratsvorsitzende hier das Eigentum der Arbeitgeberin an den verkauften Sachen. Es ist nur Sache der Arbeitgeberin als Eigentümerin zu entscheiden, ob, an wen und zu welchem Preis Metallschrott verkauft wird. Abgesehen davon war selbst der Kaufpreis, wenn die Tat nicht zufällig entdeckt wurde, der Arbeitgeberin auch dann endgültig entzogen, wenn das Geld auf ein formell der Arbeitgeberin zustehendes, allein vom Betriebsrat verwaltetes Sparkonto eingezahlt wurde. Da die Arbeitgeberin von dem Geld dannnichts wußte, konnte sie über den von dem Schrotthändler gezahlten Betrag nicht wie eine Eigentümerin verfügen. Nach dem Akteninhalt steht nicht einmal fest, daß die Arbeitgeberin durch die Einzahlung der 190 DM auf das Sparbuch eigene Aufwendungen erspart hätte, denn eine Pflichtzur Auffüllung der „Sozialkasse„ durch die Arbeitgeberin wird selbst vom Betriebsrat und dessen Vorsitzenden nicht behauptet, außerdem war nach dem in den Tatsacheninstanzen vorgelegten Beleg der Sparkasse auf dem Sparkontonoch einiges Geld vorhanden.
3. Es ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß das BeschwGer. bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Betriebsratsvorsitzenden nicht -wie an sich geboten - auf die weitere absehbare Vertragsdauer (also z.B. auf den frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsratsvorsitzenden, § 15 I 2 KSchG), sondern mit der bisherigen Senatsrechtsprechung (BAG, AP Nr. 57 zu § 626 BGB; BAGE 51, 200 = NZA 1987, 102 = AP Nr. 19 zu § 15 KSchG1969; BAG, NZA 1994, 74; für die betriebsbedingte Änderungskündigung einschränkend Beschluß BAGE 80, 185 = NZA 1995, 1157) auf die mangels ordentlicher Kündbarkeit des Betriebsratsvorsitzenden konkret nicht einschlägige und daher„fiktive„ Kündigungsfrist (hier Regelfrist: drei Monate zum Monatsende) abgestellt hat.
a) Fristlos kann einem Betriebsratsmitglied nach § 15 KSchG, § 626 BGB nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre.Nur so kann der Schutzbestimmung des § 78 S. 2 BetrVG angemessen Rechnung getragen werden, wonach Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen (vgl. Preis, Anm. zu AP Nr. 36 zu § 15 KSchG1969; Etzel, in: KR, 5. Aufl., § 15 KSchGRdnr. 22; Fischermeier, in: KR, § 626 BGB Rdnr. 133). Das macht folgendes Beispiel deutlich: Würde etwa bei einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wegen einer gemeinschaftlich begangenen Pflichtverletzung eines Betriebsratsmitglieds und eines sonstigen Arbeitnehmers beiim übrigen vergleichbaren Tatumständen und gleich gelagerten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen die fristlose Kündigung gegenüber dem Betriebsratsmitglied allein wegen der absehbar langen Bindungsdauer (zumindest ein Jahr nach Ende des Betriebsratsamts) für wirksam, die fristlose Kündigung gegenüber dem anderen Arbeitnehmer jedoch mit der Begründung für unwirksam erachtet, dessenWeiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber zumutbar, so würde das Betriebsratsmitglied offensichtlich allein wegen seines Betriebsratsamtes einen gravierenden Rechtsnachteil erleiden.
b) Ob in den Fällen, in denen danach eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung gegenüber dem Betriebsratsmitglied ausgeschlossen ist, mit Rücksicht auf die lange Bindungsdauer - etwa in Anlehnung an die Senatsrechtsprechung zu tariflich unkündbaren Arbeitnehmern - eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist in Betracht zu ziehen ist (vgl. dazu Etzel, in: KR, 5. Aufl., § 15 KSchG Rdnr. 22), um das Betriebsratsmitglied gegenüber einem vergleichbaren tariflich unkündbaren Arbeitnehmer auch nicht zu bevorzugen (§ 78 S. 2 BetrVG), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Nach der zutreffenden Interessenabwägung des ArbG, die sich der Senat zu eigen macht (s.u. B II 7), war das Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden so gravierend, daß derArbeitgeberin seine Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf einer „fiktiven„ ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar war.
4. Die Rechtsbeschwerde rügt zutreffend als rechtsfehlerhaft, daß das LAG bei der Interessenabwägung nicht entscheidend zugunsten des Betriebsratsvorsitzenden berücksichtigen durfte, dieser habe aus „altruistischen Motiven„ heraus gehandelt.
Begeht ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit zuLasten des Arbeitgebers Vermögensdelikte, so macht es aus der Sicht des Arbeitgebers keinen wesentlichen Unterschied, ob der unrechtmäßig erworbene Geldbetrag dem Arbeitnehmer selbst oder einem Dritten zufließ, dem etwaszu spenden der Arbeitgeber keinen Anlaß sieht. Entwendet etwa ein Bankkassierer aus der Kasse 200 DM, so sind die Interessen des Arbeitgebers in gleicher Weise beeinträchtigt,gleichgültig ob der Kassierer das Geld für sich verwendet oder es zu mildtätigen Zwecken spendet.
Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem das Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden in erster Liniein einer Eigentumsverletzung an den Metallteilen besteht. Nur die Arbeitgeberin als Eigentümerin hatte zu entscheiden, was mit den in ihrem Eigentum stehenden Metallteilen zu geschehen hatte. Daß der - nach Ansicht der Arbeitgeberin zu geringe - Erlös von Anfang an einer „Kaffeekasse„ oder „Sozialkasse„ zufließen sollte, wie der Betriebsratsvorsitzende im vorliegenden Verfahren behauptet hat, war als Umstand nicht geeignet, die Eigentumsverletzung in einem erheblich günstigeren Licht erscheinen zulassen. Dies muß um so mehr deshalb gelten, weil nach den in der Tatsacheninstanz vorgelegten Bankbelegen für den Betriebsratsvorsitzenden kein hinreichender Anlaß bestand, die „Sozialkasse„, noch dazu ohne Wissen der Arbeitgeberin und unter Verletzung von deren Eigentum,wieder aufzufüllen. Das Vertrauen der Arbeitgeberin in die Redlichkeit des Betriebsratsvorsitzenden muß durch ein derartiges Fehlverhalten als nachhaltig gestört oder gar zerstört angesehen werden, auch wenn man zugunsten desBetriebsratsvorsitzenden von dessen „altruistischen„ Motiven ausgeht.
5. Ebenfalls zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde als rechtsfehlerhaft die Annahme des BeschwGer., die Arbeitgeberin müsse auf das Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden statt durch eine Kündigung durch eine Abmahnung reagieren. Nach der neueren Senatsrechtsprechung, von derauch das LAG ausgeht (BAGE 86, 95 = NZA 1997, 1281 = AP Nr. 137 zu § 626 BGB), ist zwar auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Abmahnungserfordernis stets zu prüfen, und eine Abmahnung ist jedenfalls dann vor Ausspruchder Kündigung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Der Senat hat damit jedoch nur klargestellt, daß die von der früheren Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung nach verschiedenen Störbereichen nur von eingeschränktem Wert war und hat damit die Prüfung des Abmahnungserfordernissesbei Störungen im Vertrauensbereich den Grundsätzen unterworfen, die in ständiger Rechtsprechung zur Kündigung wegen Störungen im Leistungsbereich aufgestellt worden sind. Dies bedeutet, daß bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung jedenfalls dannentbehrlich ist, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAGE 31, 153 = AP Nr. 1 zu § 64 SeemG; BAGE 73,42 = NZA 1994, 409 = AP Nr. 32 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; BAGE 74, 127 = NZA 1994, 63 = AP Nr. 112 zu § 626 BGB; BAG, NZA 1985, 96 = AP Nr. 32 zu § 102 BetrVG1972). Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf abgestellt, in derartigen Fällen müsse esdem Arbeitnehmer bewußt sein, daß er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze (Senat, NZA 1994, 63 [zu B I 3a]).
Die Prüfung, ob nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, ist zwar weitgehend Aufgabe der Tatsacheninstanzen und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. oben B II 1). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält der angefochteneBeschluß jedoch nicht stand. Die Argumentation des LAG ist widersprüchlich. Wenn in den Gründen das Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden zusammenfassend dahingehend bewertet wird, der Betriebsratsvorsitzende habe durch seine Handlungsweise leichtsinnig sein Arbeitsverhältnis und damit die Ernährungsgrundlage für seine große Familieaufs Spiel gesetzt (und habe dies später auch eingesehen), so geht das LAG damit genau von dem Sachverhalt aus, bei dem nach der Senatsrechtsprechung eine Abmahnung vorAusspruch der Kündigung nicht erforderlich ist.
Diese Annahme des LAG trifft auch zu: Einem Arbeitnehmer, der sich verhält wie der Betriebsratsvorsitzende bei den Schrottverkäufen, muß die Rechtswidrigkeit seines Tuns und die Schwere seiner Pflichtverletzung klar sein undes muß ihm ohne weiteres erkennbar sein, daß eine Hinnahme seines Fehlverhaltens durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen ist. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Kündigung zukunftsbezogen ist, kann ein solcher Arbeitnehmer ersichtlich nicht davon ausgehen, daß sein Fehlverhalten sich nicht auch in Zukunft auf das Arbeitsverhältnis erheblich belastend auswirken muß. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenndas LAG trotz seiner Annahme, der Betriebsratsvorsitzende habe durch seine Handlungsweise leichtsinnig sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel gesetzt, von der Erforderlichkeit einer Abmahnung ausgegangen ist.
6. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde schließlich, dasLAG habe nicht seine Prognose, eine Wiederherstellung des Vertrauens in den Betriebsratsvorsitzenden sei zu erwarten gewesen, entscheidungserheblich vor allem an dessen Erklärungen im Anhörungstermin vor dem BeschwGer. anknüpfen dürfen.
Zwar ist in einem Zustimmungsersetzungsverfahren maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit derauszusprechenden Kündigung die letzte mündliche Tatsachenverhandlung (Fischermeier, ZTR 1998, 433 [436]; vgl. zum Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Kündigungsgründe BAG, AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG1972). Da die Kündigung noch nicht ausgesprochen ist, durfte grundsätzlich auch ein späterer Sinneswandel des Betriebsratsvorsitzenden, der die Rechtswidrigkeit und Leichtsinnigkeitseines Fehlverhaltens nunmehr einsah, berücksichtigt werden.
Das BeschwGer. läßt jedoch rechtsfehlerhaft unberücksichtigt, daß durch ein derart schwerwiegendes Vermögensdelikt, wie es der Betriebsratsvorsitzende zu Lasten der Arbeitgeberin begangen hat, das Vertrauen in dessen Redlichkeit so nachhaltig gestört ist, daß - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - der Vertrauensverlust nicht allein dadurch beseitigt werden kann, daß der Betriebsratsvorsitzende im Anhörungstermin erklärt hat, solche Pflichtverstöße würden in Zukunft bei ihm nicht mehr vorkommen. Kein Arbeitnehmer wird nach der Lebenserfahrung, wenn es eineihm gegenüber ausgesprochene Kündigung wegen Diebstahls etc. geht, vor Gericht erklären, eine Wiederholungsgefahr sei bei ihm durchaus gegeben.
Eine solche Wohlverhaltenserklärung hat deshalb nur einen verhältnismäßig eingeschränkten Erkenntniswert. Zu berücksichtigen ist das Interesse des Arbeitgebers, der aus derSchwere der Pflichtverletzung vernünftigerweise die Schlußfolgerung ziehen muß, ein Arbeitnehmer, der sich einmal vorsätzlich in einer derartigen Weise am Betriebseigentum vergriffen und seinen Arbeitsplatz leichtfertig aufsSpiel gesetzt habe, biete vernünftigerweise Anlaß zu der Befürchtung, daß ähnliche Pflichtverletzungen auch in Zukunft vorkämen.
7. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt der angefochtene Beschluß der Aufhebung (§ 565 I ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 565 III Nr. 1ZPO). Der der auszusprechenden Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt ist durch das LAG festgestellt, im wesentlichen darüber hinaus unstreitig und eine weitere Sachaufklärung nach einer Zurückverweisung ist nicht mehr zu erwarten. Was die abschließende Interessenabwägung anbelangt, die grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehalten bleiben muß, so schließt sich der Senat der durch das ArbG vorgenommenen Interessenabwägung an. Dieses hat in seinem Beschluß u.a. ausgeführt, der dem Betriebsratsvorsitzenden gegenüber erhobene Vorwurf einer strafbaren Handlung sei so schwerwiegend, das Vertrauensverhältnis sonachhaltig gestört, daß auch die Dauer der Beschäftigung von neun Jahren, das Alter des Betriebsratsvorsitzenden sowie seine Unterhaltspflichten das Interesse der Arbeitgeberin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht überwiegen könnten, denn die Ast. müsse befürchten, daß ihre Vermögensinteressen durch den Betriebsratsvorsitzendenauch in Zukunft nicht gewahrt würden. Da, wie bereits dargelegt, für die Interessenabwägung die Behauptung des Betriebsratsvorsitzenden nicht erheblich ist, der Erlös des Schrottverkaufs sei von Anfang an für die Sozialkasse bestimmt gewesen, kommt es nicht darauf an, daß das ArbG bei der Interessenabwägung im Gegensatz zu dem LAG demBetriebsratsvorsitzenden seine entsprechende Behauptung nicht geglaubt, sondern sie als Schutzbehauptung gewertet hat.
Auch die Frist des § 626 II BGB ist nach den Feststellungen des LAG gewahrt, da der Zustimmungsersetzungsantraginnerhalb der Zwei-Wochen-Frist seit dem 29. 1. 1997 beim ArbG eingegangen ist.
II. Auf den von der Arbeitgeberin hilfsweise gestellten Antrag, den Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsratauszuschließen, kommt es danach nicht mehr an.
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