Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte - Feststellungsinteresse

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

15. 04. 1999


Aktenzeichen

7 AZR 716/97


Leitsatz des Gerichts

Auch nach der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, einen Anspruch auf Widerruf der in der Abmahnung abgegebenen Erklärungen gerichtlich geltend zu machen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über den Widerruf einer Abmahnung, die infolge Zeitablaufs aus der Personalakte entfernt worden ist. Die Bekl. ist ein international tätiges Luftfahrtunternehmen, in deren Frankfurter Betrieb die Kl. beschäftigt ist. Die Kl. gehört dem für diesen Betrieb gewählten Betriebsrat an; sie ist außerdem Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Zur Abmeldung für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben wird in dem Betrieb der Bekl. das Formular „Mitteilung über Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeiten„ verwendet. Am 26. 9. 1994 war die Kl. nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Daraufhin erteilte ihr die Bekl. mit Schreiben vom 27. 9. 1994 eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fernbleibens. Nachdem die Kl. die Bekl. auf Widerruf und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte vor dem ArbG in Anspruch genommen hatte, entfernte die Bekl. wegen Zeitablaufs die Abmahnung aus der Personalakte. Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt. Die Kl. hat behauptet, sie habe sich am 23. 9. 1994 ordnungsgemäß für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten am 26. 9. 1994 abgemeldet. Der Vorwurf einer Arbeitszeitversäumnis bestehe zu Unrecht. Das wirke sich auch nach Entfernung der Abmahnung auf ihr berufliches Fortkommen aus. Es sei ungeklärt geblieben, ob der gegen sie gerichtete Vorwurf zutreffe. Das sei für sie als Mitglied des Betriebsrats und Gesamtbetriebsrats klärungsbedürftig. Das gelte auch für die übrigen Betriebsratsmitglieder.

Das ArbG hat die Klage als unzulässig abgewiesen und der Kl. die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des erledigten Teils auferlegt. Die dagegen gerichtete Berufung der Kl. hat das LAG zurückgewiesen. Auch die Revision der Kl. hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Klage auf Widerruf der Abmahnung vom 27. 9. 1994 ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag der Kl. auf Widerruf dieser Abmahnung ist hinreichend bestimmt. Sie verlangt von der Bekl. eine schriftliche Erklärung, in der die Arbeitgeberin ihre Behauptung widerruft, die Kl. habe sich für den 26. 9. 1994 nicht für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben abgemeldet und sei deshalb unentschuldigt ihrer Arbeit ferngeblieben. Diese Erklärung soll gegenüber der Kl. abgegeben werden.

2. Dieser Leistungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das hat das LAG verkannt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ergibt sich das Rechtsschutzbe-dürfnis für eine Leistungsklage aus der Nichterfüllung des materiellrechtlichen Anspruchs (BAGE 77, 378 = NZA 1995, 220 = NJW 1995, 1236 = AP Nr. 13 zu § 611 BGB - Abmahnung m.w. Nachw.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 46 Rdnr. 42; Hauck, ArbGG, § 46 Rdnr. 22). Dafür genügt regelmäßig die Behauptung des Klägers, daß der von ihm begehrte Anspruch besteht. Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, ist eine Frage seiner materiellrechtlichen Begründetheit. Zwar kann ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände das Verlangen des Kl., in die materiellrechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, nicht schutzwürdig sein, wie das etwa der Fall ist bei einem Widerrufsbegehren gegenüber Sachvorbringen, das der Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung in einem laufenden gerichtlichen Verfahren dient (vgl. BGH, NJW 1987, 3138 m.w. Nachw.). Solche Umstände hat das LAG nicht festgestellt.

3. Die Widerrufsklage ist jedoch unbegründet. Der Kl. steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Nach den Feststellungen des LAG fehlt es an einer fortdauernden Beeinträchtigung von Rechten der Kl., die durch den verlangten Widerruf beseitigt werden könnten.

a) Ein Widerrufsanspruch dient dem Schutz des Betroffenen vor einer anhaltenden Beeinträchtigung seiner Rechte. Er setzt neben dem Vorliegen entsprechender Rechtsverletzungen voraus, daß diese Rechtsbeeinträchtigungen andauern und durch den begehrten Widerruf auch beseitigt werden können.

b) Vorliegend kann dahinstehen, ob die Kl. durch die Behauptung der Bekl. in ihrem beruflichen Fortkommen oder ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist und ihr deswegen ein schuldrechtlicher (§ 611 BGB i.V. mit § 242 BGB) oder ein quasinegatorischer Anspruch aus § 1004 BGB analog zusteht. Denn in beiden Fällen fehlt es an einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung. Nach den bindenden Feststellungen des LAG liegt eine anhaltende Beeinträchtigung im beruflichen Fortkommen nicht vor, nachdem die Bekl. die Erklärung abgegeben hat, die Abmahnung vom 27. 9. 1994 nicht zur Begründung späterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen heranzuziehen. Auch im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit ist eine fortdauernde Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens oder von Persönlichkeitsrechten nicht erkennbar. Zwischen den Parteien besteht kein genereller Streit über arbeitsvertragliche Abmeldepflichten für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben, sondern nur darüber, ob sich die Kl. in einem Einzelfall tatsächlich abgemeldet hat. Soweit sich die Kl. in diesem Zusammenhang darauf beruft, auch die übrigen Betriebsratsmitglieder seien durch die Abmahnung verunsichert und in ihren betriebsverfassungsrechtlichen Rechten betroffen, beruft sie sich auf Rechtsbeeinträchtigungen Dritter. Darauf kann sie ihr Widerrufsbegehren nicht stützen. Die Kl. hat erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht, sie sei durch das betriebsinterne Bekanntwerden der gegen sie erhobenen Vorwürfe in ihrem Ansehen innerhalb der Belegschaft beeinträchtigt. Dabei handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren grundsätzlich unbeachtlich ist. Darüber hinaus ist das Vorbringen auch unschlüssig. Es läßt weder erkennen, daß die Arbeitgeberin ein betriebsinternes Bekanntwerden des Vorwurfs zu verantworten hätte, noch wird deutlich, wie der im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander begehrte Widerruf einem möglichen Ansehensverlust bei Dritten entgegenwirken könnte.

II. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist unzulässig. Ihr fehlt das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinterese. Nach § 256 I ZPO kann eine Klage auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Diese besondere Sachurteilsvoraussetzung einer Feststellungsklage liegt nicht vor. Ob der Antrag überhaupt auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet war, kann offenbleiben. Zutreffend hat das LAG erkannt, daß die Kl. eine Unsicherheit hinsichtlich ihres künftigen arbeitsvertraglichen Verhaltens bei der Abmeldung für Betriebsratstätigkeiten nicht vorgetragen hat. Zwischen den Parteien bestehen keine Unklarheiten darüber, ob und wie sich die Kl. für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben abzumelden hat. Der Antrag der Kl. hat vielmehr zum Ziel, ein Rechtsgutachten über einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Vorgang erstellen zu lassen. Das ist nicht Aufgabe des Gerichts.

III. Unzulässig ist die Revision, soweit sie sich gegen den auf § 91a ZPO beruhenden Teil der Kostenentscheidung wendet. Bei einer Teilerledigung des Rechtsstreits endet der Instanzenzug hinsichtlich der Kosten, die sich auf den erledigten Teil beziehen, nach dem Grundgedanken des § 78 II ArbGG beim LAG. Das gilt auch, soweit das Berufungsurteil eine einheitliche Kostenentscheidung enthält und gegen das Urteil die Revision uneingeschränkt zugelassen wird. Eine uneingeschränkte Revisionszulassung auch hinsichtlich der Kostenentscheidung für den erledigten Teil des Rechtsstreits ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung (vgl. BGHZ 107, 315 = NJW 1989, 2053).

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 242, 611, 1004; ZPO §§ 91a, 256