Aufklärungspflichten bei Wertpapierkäufen in einer Direktbank
Gericht
OLG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
28. 10. 2003
Aktenzeichen
17 U 124/02
Ziffer 7 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte dient dem Sicherungsinteresse der kreditgebenden Bank, schützt jedoch nicht den Bankkunden vor risikoreichen Geschäften.
Ein Bankkunde, der über langjährige und umfangreiche Erfahrungen mit Wertpapieren aller Art verfügt, bedarf beim Direktbankgeschäft keiner gesonderten Aufklärung über das Risiko kreditfinanzierter Wertpapierkäufe.
Gründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
I. Die Klägerin, eine Direktbank, verlangt von dem Beklagten Ausgleich eines Sollsaldos auf einem Kontokorrentkonto. Hiergegen rechnet der Beklagte mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch auf und verlangt weitere Zahlung im Wege der Widerklage.
Der Beklagte eröffnete bei der Klägerin im Juni 1997 ein Kontokorrent- und ein Kreditkonto. Vertragsbestandteil wurden die allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen der Klägerin. Über das Kontokorrentkonto wurden sowohl Wertpapiergeschäfte, welche die Klägerin nach ihren Geschäftsbedingungen als Kommissionärin ausführte, als auch sonstige Überweisungen abgewickelt. In einem persönlichen Analysebogen vom Juni 1997 gab der Beklagte an, dass er hohe Erfahrungen bei Aktien, Renten, Investmentfonds, Optionsscheinen und sonstigen Wertpapieren besitze. Die Frage, ob er bislang Wertpapiergeschäfte durch Aufnahme von Krediten finanziert habe, beantwortete er mit "ja, aber wenig". Am 27.09.2000 befanden sich im Depot des Beklagten 1500 Softmatic-Aktien und 200 Baader-Aktien mit einem Gesamtwert von knapp 60.000 DM. Das Kreditkonto wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo von 27.232,41 DM und das Girokonto ein Guthaben von 4.047,96 DM auf. Durch den weiteren Zukauf von Softmatic-Aktien bis Anfang November 2000 erhöhte sich der Sollsaldo und das Gesamtvermögen reduzierte sich wegen fallender Aktienkurse auf 7.467,30 DM. Am 19.03.2001 kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten zum 18.04.2001. Der Kontokorrent-abschluss zum 07.05.2001 ergab eine unstreitige Forderung der Klägerin von 31.185,93 DM. Hiergegen rechnet der Beklagte mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch auf. Die Klägerin hätte am 27.09.2000 einen Kaufstop verhängen müssen. Dadurch hätte er sein damals noch vorhandenes Kapital von über 36.000 DM nicht verloren, wobei er sich ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lasse. Zudem habe die Klägerin die Zwangsverkäufe der Aktien zu verantworten, weshalb ihr nur 30 % der von ihr geltend gemachten Forderung - also 9.355,77 DM - zustehe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Der Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb die Klägerin nur 30 % ihrer Forderung verlangen könne, da über das Girokonto nicht nur Wertpapiergeschäfte getätigt worden seien und nicht ersichtlich sei, dass die Kreditinanspruchnahme geringer ausgefallen wäre, wenn die Aktien nicht verkauft worden wären. Eine Pflichtverletzung der Klägerin läge nicht vor, da sie nach Ziff. 7 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte lediglich berechtigt gewesen sei, Kaufaufträge abzulehnen, wenn das Guthaben nicht ausreiche. Eine Pflicht zur Zurückweisung eines Kaufauftrags ergebe sich hieraus aber nicht. Über die Beleihungsrichtlinien oder die Risiken der Kreditaufnahme bei Wertpapiergeschäften habe die Beklagte nicht weitergehend aufklären müssen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Zur Begründung führt er aus, dass er die Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren nicht erhalten habe. Nach Ziff. 7 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte sowie gemäß § 31 WpHG sei die Klägerin verpflichtet gewesen, ihre Dienstleistungen mit der erforderlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse des Kunden zu erbringen. Daraus folge, dass eine tägliche Unterrichtung über die Beleihungswerte der im Depot befindlichen Wertpapiere hätte erfolgen müssen. Zudem hätte er über die Risiken des Wertpapierkredits aufgeklärt werden müssen. Vor jedem einzelnen Geschäft hätte eine Beratung stattfinden müssen, inwieweit das Wertpapier geeignet sei, den Kredit künftig zurückzuführen. Schließlich seien die auf Kredit getätigten Wertpapiergeschäfte gemäß § 53 BörsG a.F. analog unverbindlich. Wertpapiergeschäfte auf Kredit seien ähnlich riskant wie Warentermingeschäfte im Sinne von § 53 BörsG a.F..
Der Beklagte beantragt:
Das am 08.05.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Mannheim wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin wird zur Zahlung von 8.142,72 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 28.09.2000 an den Beklagten verurteilt.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führt sie aus, Ziff. 7 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte diene ausschließlich dem Sicherungsinteresse der kreditgebenden Bank. Sie arbeite als Discount-Broker im "execution-only" Geschäftsverkehr schon im Interesse der Kunden mit einem sehr eingeschränkten Dienstleistungsangebot. Die Basisinformation über Vermögensanlagen in Wertpapieren müsse der Beklagte schon deshalb erhalten haben, weil sie diese Informationsschrift stets zusammen mit den Kontounterlagen sowie der PIN-Nummer und den TAN-Listen versende, ohne die der Zugriff auf ihr Computersystem nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahrens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten im Parallelrechtsstreit der C-Broker AG gegen den Beklagten (17 U 88/02) lagen zu Informationszwecken vor.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Soweit der Beklagte von der Forderung der Klägerin nur einen Teilbetrag von 30 % (9.355,77 DM) seiner Berechnung zugrunde legt, hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, welcher der Senat folgt, angenommen, dass die Ausführungen unsubstantiiert sind. Über das Konto sind auch sonstige Zahlungen abgewickelt worden und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Kreditinanspruchnahme geringer ausgefallen wäre, wenn die Wertpapiere nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt verkauft worden wären. Hierauf geht der Beklagte mit seiner Berufung auch nicht weiter ein.
2. Der Beklagte kann einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nicht darauf stützen, dass am 27.09.2000 kein Kaufstopp wegen der behaupteten Überschreitung der Beleihungsgrenze für das Depotvermögen verhängt wurde oder er über die Risiken des kreditfinanzierten Wertpapierkaufs unzureichend informiert wurde.
a) Aus Ziff. 7 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte kann keine Pflichtverletzung der Klägerin hergeleitet werden. Diese Vorschrift bestimmt lediglich, dass die Bank zur Ausführung von Aufträgen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Ausübung von Bezugsrechten nur insoweit verpflichtet ist, als das Guthaben des Kunden, ein für Wertpapiergeschäfte nutzbarer Kredit oder Depotbestand des Kunden zur Ausführung ausreicht. Die Regelung bezweckt damit den Schutz der Banken und enthält keine Verpflichtung, einen Kaufauftrag abzulehnen, wenn eine bestimmte Beleihungsgrenze des Depotguthabens überschritten wird (ebenso OLG München, Urt. v. 07.01.2002, 17 U 4466/01). Die Forderung von Sicherheiten und damit das Recht, bei fehlenden Sicherheiten einen Auftrag nicht auszuführen, hat nicht den Sinn, Bankkunden von risikoreichen, sie möglicherweise überfordernden Geschäften abzuhalten und dadurch vor sich selbst zu schützen, sondern dient dem Interesse der Bank sowie der Funktionsfähigkeit des Banken- und Börsensystems und des Kapitalmarkts als Institution (vgl. BGH NJW 2002, 62, 63).
b) Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten ergibt sich weiterhin nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. Die Klägerin hat den Beklagten ausweislich des persönlichen Analysebogens vom 24.06.1997 über seine Erfahrungen in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierdienstleistungen sein sollen, über seine mit den Geschäften verfolgten Ziele und über seine finanziellen Verhältnisse befragt und damit die Verpflichtungen aus dieser Vorschrift erfüllt.
c) Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten lässt sich ferner nicht auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG stützen. Nach dieser Regelung hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen. Die notwendige Aufklärung über Risiken bei Wertpapiergeschäften kann ein Wertpapierhandelsunternehmen, welches - wie die Klägerin - Kundenaufträge nur ausführt, dabei durch standardisierte Informationsbroschüren erteilen (vgl. BGH NJW 2000, 359, 361 sowie Ziff. 3.6 und Ziff. 3.2 der Richtlinie gemäß § 35 Abs. 2 WpHG). Damit kann der Auffassung des Beklagten nicht gefolgt werden, dass sich die Klägerin pflichtwidrig verhalten habe, weil sie ihn nicht zusätzlich und fortlaufend über ihre Beleihungsgrenzen und damit über das besondere Risiko eines Wertpapiergeschäfts auf Kredit informiert habe.
Ob der Beklagte die üblicherweise von der Klägerin zu Beginn der Geschäftsbeziehung übersandte standardisierte Basisinformation über Vermögensanlagen in Wertpapieren erhalten hat, in welcher in allgemeiner Form auf das Risiko bei kreditfinanzierten Wertpapierkäufen hingewiesen wird, kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben. Ebenso muss nicht entschieden werden, ob grundsätzlich überhaupt eine Aufklärung über das Risiko bei kreditfinanzierten Wertpapiergeschäften erfolgen muss, da es selbstverständlich ist, dass mit der Spekulation auf Kredit erhebliche Gefahren verbunden sind (so OLG Frankfurt, WM 1995, 245, 248). § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG verlangt nämlich nur, dass der Kunde alle zweckdienlichen Informationen erhält. Zweckdienlich können aber lediglich solche Informationen sein, bei denen ein Aufklärungsbedarf besteht. Deshalb wird eine Aufklärungs- und Beratungspflicht verneint, wenn ein Kunde mit einem gezielten Auftrag zum Erwerb eines bestimmten Wertpapiers an das Kreditinstitut herantritt oder sich als erfahren geriert (vgl. BGH NJW 1998, 2673; NJW 2000, 359, 361). Ob ein Kunde aufklärungsbedürftig ist, hängt insbesondere von seinem Wissensstand hinsichtlich Anlagegeschäften der vorgesehenen Art und von seiner Risikobereitschaft ab. Danach bedurfte der Beklagte keiner Aufklärung über das Risiko des kreditfinanzierten Wertpapierkaufs. Ausweislich seiner Angaben bei der Eröffnung der Konten bei der Klägerin sowie der C-Broker AG verfügte er über langjährige und umfassende Kenntnisse bei Wertpapieren aller Risikoklassen und bezweckte mit der Geldanlage unter anderem eine kurzfristige Gewinnerzielung. Zudem besaß er - wenn auch in geringem Umfang - Erfahrungen bei Wertpapiergeschäften auf Kredit. Diese urkundlich belegten Kenntnisse und Erfahrungen des Beklagten mit Wertpapiergeschäften wurden durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Beklagte gab an, dass er anhand der erhaltenen Rechnungen nachvollzogen habe, in welchem Umfang Wertpapierkäufe auf Kredit erfolgt seien und die Klägerin bereit gewesen sei, über die angenommene Beleihungsgrenze von 30% hinaus ihm einen höheren Kredit einzuräumen. Damit hat der Beklagte aber in Kenntnis des Risikos eines kreditfinanzierten Wertpapierkaufs weitere Aufträge zum Erwerb von Aktien erteilt, wohl in der Hoffnung, durch Kurssteigerungen der Papiere den Kredit zurückführen zu können.
Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG scheidet ferner auch deshalb aus, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass sich der Beklagte bei Zusendung der Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren anders verhalten hätte. Er behauptet selbst nicht, dass er bei Erhalt der Informationsbroschüre ab einem bestimmten Zeitpunkt von kreditfinanzierten Wertpapierkäufen Abstand genommen hätte. Vielmehr hat der Beklagte nach seinen eigenen Angaben darauf vertraut, dass die Klägerin eine bestimmte Beleihungsgrenze einhält, obwohl er selbst erkannt hat, dass dies nicht der Fall war.
Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten lässt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG herleiten. Nach dieser Vorschrift muss die Bank Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse ihrer Kunden erbringen. Diese Interessenwahrungspflicht hat aber nicht die Funktion, nicht aufklärungsbedürftige Kunden durch Begrenzung ihrer Entscheidungsfreiheit vor sich selbst zu schützen. Die Entscheidung und Verantwortung, ob risikoreiche Geschäfte trotz unzureichender Eigenkapitalausstattung abgeschlossen werden sollen, obliegt vielmehr allein dem Kunden (vgl. BGH NJW 2002, 62, 63). Hier war der Kläger nicht aufklärungsbedürftig, da er über umfassende Erfahrungen mit Wertpapiergeschäften aller Art verfügte und auch zuvor bereits Wertpapiergeschäfte durch Aufnahme von Krediten finanziert hatte.
d) Auch aus positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Giro- und Depotvertrags oder des bei der Ausführung des einzelnen Wertpapiergeschäfts zustande gekommenen Geschäftbesorgungsvertrags steht dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu. Es fehlt an einer Pflichtverletzung durch die Klägerin. Sie hat die Verpflichtungen aus § 31 WpHG eingehalten und es ist nicht ersichtlich, dass vertraglich eine weitergehende Aufklärung hätte erfolgen müssen.
e) Schließlich kommt auch ein Rückzahlungsanspruch des Beklagten aus § 812 BGB in Verbindung mit § 53 BörsG a.F. analog nicht in Betracht. Die Wertpapiergeschäfte sind verbindlich, da es sich beim Aktienkauf um kein Börsentermingeschäft handelt und es an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Vorschrift mangelt. Zudem ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beklagten im Formular über die Konto- und Depoteröffnung bei der C-Broker AG, dass er das Formblatt "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" bei einer Bank unterschrieben hat und damit von seiner Börsentermingeschäftsfähigkeit auszugehen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen