Schutzdauer einer Titelschutzanzeige für ein Rätselheft weniger als 5 1/2 Monate

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

07. 05. 2004


Aktenzeichen

312 O 360/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Die zwischen Veröffentlichung einer Titelschutzanzeige und Ingebrauchnahme des angekündigten Titels zur Erhaltung des Zeitrangs allgemein genannte Frist von „ 6 Monaten“ stellt keine „starre“ Frist dar. Sie ist lediglich ein erster Anhaltspunkt im Bereich der Druckschriften. Der Umfang der angemessenen Frist richtet sich vielmehr nach der konkreten Art des Werkes und der hierfür üblichen Vorbereitungsdauer.

  2. Im Interesse der Mitbewerber und aufgrund der mit einer Titelschutzanzeige verbundenen „Sperrwirkung“ ist die Angemessenheit dieser Frist hierbei nach einer objektivierenden Betrachtung zu bestimmen, die von Besonderheiten auf Seiten des Anzeigenden absieht.

  3. Für eine Rätsel-Zeitschrift ist ein zwischen Ankündigung und Benutzung liegender Zeitraum von 5 ½ Monaten – insbesondere wenn es sich um eine der Aufmachung nach eher schlichte Publikation handelt – nicht mehr angemessen. Der im Verhältnis zu redaktionellen Zeitschriften wesentlich geringere Vorbereitungsaufwand und das Entfallen der üblichen Anzeigenakquisition gebietet es, eine weitaus kürzere Frist anzuwenden.

  4. Auch das behauptete Bedürfnis zur Durchführung von Marktforschungsmaßnahmen und Kundenakzeptanztests rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Gesamtentwicklungsdauer einer Rätsel-Zeitschrift notwendigerweise einen Zeitraum von 5 ½ Monaten übersteigen müsste; dies gilt insbesondere dann, wenn keine objektive Notwendigkeit zur solcher Maßnahmen gegeben ist.

  5. An der ernsthaften Benutzungsabsicht für den angekündigten Titel fehlt es, wenn das mit diesem angekündigte Werk im Rahmen vorgeschalteter Markttests unter anderem Titel „erprobt“ wird und das Gebrauchmachen von dem ursprünglichen Titel in erster Linie zum Zwecke erfolgt, die gleichlautende Publikation eines Mitbewerbers zu unterbinden.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 22. April 2004 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 22. April 2004, mit der ihr verboten wurde, für eine Zeitschrift den Titel "Freizeit Spass" zu verwenden.

Die Parteien sind konkurrierende Zeitschriftverlage. Die Antragstellerin gehört zur Bauer Verlagsgruppe. Sie veröffentlicht unter anderem Rätselhefte.

Bei der Antragsgegnerin erscheint unter anderem seit vielen Jahren die Zeitschrift Freizeit Revue. Nachdem die vom Heinrich Bauer Verlag und dem Klambt Verlag zu diesem Zweck gegründete Freizeit Woche GmbH & Co. KG mit Ersterscheinungstermin vom 21. April 2004 die Frauen- und Unterhaltungszeitschrift "Freizeit Woche" auf den Markt brachte, veröffentlichte die Antragsgegnerin am gleichen Tag erstmals die Illustrierte "Freizeit Spass".

Die Antragstellerin beantragte am folgenden Tag bei der Kammer eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin die Benutzung dieses Zeitschriften-Titels untersagt werden sollte. Zur Begründung trug sie vor, sie habe bereits im Titelschutzanzeiger vom 10. November 2003 eine Titelschutzanzeige unter anderem für "Freizeit Spass" schalten lassen (Anl. Ast 1). Sie beabsichtige, eine Rätselzeitung mit diesem Titel erstmals am 30. April 2004 herauszubringen. Wegen der schon im November 2003 veröffentlichten Titelschutzanzeige stünden ihr die besseren Rechte an dieser Bezeichnung zu.

Die einstweilige Verfügung wurde antragsgemäß am 22. April 2004 erlassen. Diesen Beschluss greift die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch an. Sie ist der Auffassung, dass eine Vorverlagerung des Titelschutzes auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Titelschutzanzeige hier nicht möglich sei, weil die Antragstellerin ihr Werk nicht binnen eines angemessen Folgezeitraums in den Verkehr gebracht habe. Die häufig genannte Frist von sechs Monaten bei Druckwerken sei keine starre Frist und sei bei einem simplen Rätselheft deutlich zu lang. Sie behauptet, die Produktionszeit eines solchen Rätselhefts betrage drei bis vier Tage, die benötigte Zeitspanne zwischen Ursprungsidee und Erstverkaufstag liege bei maximal sechs Wochen.

Die Antragsgegnerin macht ferner geltend, dass sich die Antragstellerin nicht auf ein prioritätsälteres Titelschutzrecht berufen könne, weil sie bei Veröffentlichung der Titelschutzanzeige vom 10. November 2003 gar nicht vorgehabt habe, ein Rätselheft zu veröffentlichen. Vielmehr sei es mit der über einen Rechtsanwalt geschalteten Sammelanzeige um den Schutz von Titeln für eine Frauen- und Unterhaltungszeitschrift gegangen, die später unter dem gleichfalls angemeldeten Titel "Freizeit Woche" herausgebracht worden sei. Die "Einrahmung" dieses Titels und des Titels "Freizeit Spass" durch die weiteren mit der Anzeige Anl. Ast 1 angemeldeten Titel "Rätsel-Illustrierte", "Rätsel-Magazin", "Rätsel-Vergnügen", "Rätsel-Erlebnis", "Rätsel für die Freizeit", "Freizeit-Rätsel" und "Rätsel-Rallye" sei nur erfolgt, um dieses Vorhaben zu verschleiern. Eine innere Verbindung zwischen der Titelschutzanzeige und dem angekündigten Rätselheft "Freizeit Spass" gebe es daher nicht. Das Heft sei erst eiligst über Nacht produziert worden, nachdem die Antragstellerin Kenntnis vom Erscheinen der Zeitschrift der Antragsgegnerin erhalten habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragstellerin behauptet, die Titelschutzanzeige vom 10. November 2003 sei für ihre auf den Markt gekommene Rätselzeitschrift geschaltet worden; für das neue Objekt der Freizeitwoche Verlag GmbH &Co. KG habe diese hingegen eine eigene Titelschutzanzeige geschaltet gehabt (Anl. Ast 5).

Die Antragstellerin ist ferner der Auffassung, dass ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen Ankündigung im Titelschutzanzeiger und Inverkehrbringen des Werks bei Druckwerken als Untergrenze für einen noch angemessenen Zeitabstand anzusehen sei. An einer solchen festen Grundregel hätten die Branchenkreise ein erhebliches Interesse. Die Antragstellerin behauptet unter Bezugnahme auf die eidesstattlichen Versicherungen ihrer Verlagsleiterin Cornelia Schulze (Anl. Ast 9, 14), dass sie hier eine solche Vorbereitungszeit benötigt habe, weil es sich um ein völlig neues Konzept eines Rätsel-Hefts gehandelt habe. Dieses werde nämlich ohne separaten Umschlag im vierfarbigen Zeitungsdruck im Tabloid-Format hergestellt, was wegen der damit verbundenen drucktechnischen, redaktionellen, gestalterischen und vertrieblichen Voraussetzungen einen Vorlauf erfordere, der mit sechs Monaten eher kurz bemessen sei. Nach Erarbeitung eines ersten Dummy Ende 2003 sei das Objekt mit einer Auflage von 200 Exemplaren in der Marktforschung getestet worden. Nach Änderungen und redaktionellen Überarbeitungen sei das Heft im Februar 2004 regionalen Markttests am Point of Sale unterzogen worden. Nachdem die Ergebnisse dieser Untersuchungen am 29. März 2004 vorgelegen hätten, habe sich die Antragstellerin für die Realisierung entschieden und das Heft am 28. April 2004 mit einer Auflage von 150.000 Exemplaren ausgeliefert.

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie auf die Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 21. April 2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung vom 22. April 2004 ist aufzuheben, weil ihre Überprüfung im Widerspruchsverfahren ergibt, dass der auf ihren Erlass gerichtete Antrag unbegründet ist. Der Antragstellerin steht der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Werktitels "Freizeit Spass" nicht zu.

Ein solcher Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich insbesondere nicht aus § 15 Abs. 5 MarkenG. Die Antragsgegnerin genießt nach dem Prioritätsgrundsatz (§ 6 MarkenG) mit dem von ihr in Benutzung genommenen Werktitel "Freizeit Spass" Vorrang gegenüber dem identischen Titel der Antragstellerin. Denn die Antragsgegnerin hat ihre Zeitschrift mit diesem Titel vor der Antragstellerin veröffentlicht, und es findet keine Vorverlegung des Titelschutzes zugunsten der Antragstellerin wegen der im November 2003 veröffentlichten Titelschutzanzeige statt.

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass namentlich bei Druckschriften eine Vorverlegung des Titelschutzes in Betracht kommt, wenn der Titel in branchenüblicher Weise öffentlich angekündigt wird; erscheint das Werk sodann in angemessener Frist, wird der Titelschutz auf den Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung zurückbezogen (vgl. BGH GRUR 1989, 760, 761 - Titelschutzanzeige).

Hier kann sich jedoch die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf diese Grundsätze berufen. Denn die Frist von mehr als fünf Monaten zwischen der öffentlichen Ankündigung im Titelschutzanzeiger vom 10. November 2003 und dem Erscheinen des ersten Rätsel-Hefts mit dem Titel "Freizeit Spass" am 28. April 2004 ist nicht mehr angemessen.

Das Erfordernis, die mit einer Titelschutzanzeige verbundene Sperrwirkung zeitlich zu begrenzen, ergibt sich daraus, dass eine unzumutbare Behinderung der Wettbewerber vermieden werden muss. In ihrem Interesse und zur Verhinderung einer "Titelhamsterei" sind dabei strenge Anforderungen zu stellen (BGH, a.a.O.). Es muss daher eine Interessenabwägung stattfinden, bei der insbesondere die Art des Werks und die hierfür übliche Vorbereitungsdauer zu berücksichtigen sind (vgl. HansOLG Hamburg, AfP 2002, 59,60 und AfP 1997, 815, 816; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 5 Rn. 84; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 15 Rn. 167i). Die Dauer der angessenen Frist muss dabei in objektivierender Betrachtung bestimmt werden, die von Besonderheiten auf Seiten des Anzeigenden absieht (vgl. HansOLG WRP 1996, 322,323).

Diese Grundsätze verdeutlichen, dass die im Bereich von Druckschriften immer wieder genannte Frist von sechs Monaten keine starre Frist ist, sondern je nach der Art der Druckschrift längere, aber auch kürze Zeitspannen angemessen sind. Denn es wäre nicht einzusehen, warum bei einfachen und schnell zu realisierenden Werken eine Sperrwirkung für einen Zeitraum beansprucht werden können soll, der über die übliche Vorbereitungsdauer hinausgeht, bloß weil es sich um ein Druckwerk handelt. Auch wenn ein verständliches Interesse in der Branche daran bestehen mag, durch bestimmte Richtwerte rechtliche (Planungs-)Sicherheit zu haben, so lässt sich eine feste Frist nicht allgemein für alle Druckschriften festlegen, sondern es sind die jeweiligen Besonderheiten des Werks einzubeziehen (vgl. HansOLG, AfP 2002, 59, 60).

Die Abwägung im vorliegenden Fall ergibt, dass die hier verwirklichte Dauer von mehr als fünf Monaten zwischen öffentlicher Ankündigung und Erscheinen für ein Rätsel-Heft zu lang ist, um eine Vorverlegung des Titelschutzes zu rechtfertigen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin, wonach es sich bei ihrem Rätsel-Heft wegen der besonderen äußeren zeitungsähnlichen Gestaltung um ein neuartiges und einzigartiges Produkt handelt, bei dem die Entwicklung aufwändiger sein soll, als bei einem üblichen Rätsel-Heft. Denn selbst wenn dies unterstellt wird, ist nicht ersichtlich, dass bei Anlegung der gebotenen strengen Anforderungen deswegen eine Vorbereitungszeit von mehr als fünf Monaten erforderlich ist. Denn wenn auch unter den Parteien im Einzelnen streitig ist, welchen zeitlichen Aufwand die Realisierung einer Rätsel-Zeitschrift üblicherweise in Anspruch nimmt, so ist doch jedenfalls klar, dass der redaktionelle Aufwand bei einer solchen Publikation deutlich geringer ist als bei anderen Zeitschriften. Da derartige Rätsel-Hefte üblicherweise und so auch im Falle der Publikation "Freizeit Spass" der Antragstellerin - allenfalls in ganz geringem Umfang Werbeanzeigen enthalten, entfällt auch die sonst vor der Einführung eines neuen Verlagsobjekts viel Zeit erfordernde Anzeigenakquisition, die im Einzelfall dazu führen kann, dass auch bei einem redaktionell einfachen, aber sich nur durch Anzeigen finanzierenden Objekt wie einem Branchentelefonbuch eine Frist bis zu einem Jahr als angemessen angesehen werden muss (HansOLG Hamburg, AfP 2002, 59,60).

Eine Frist von mehr als fünf Monaten kann für ein Rätsel-Heft jedoch weder wegen der Besonderheit eines zeitungsähnlichen Drucks in einem größeren Format noch unter dem von der Antragstellerin vornehmlich ins Feld geführten Aspekt der Notwendigkeit von Markttests gerechtfertigt erscheinen. Denn - wie ausgeführt - ist die Angemessenheit der Frist objektiv zu bestimmen und nicht nach den Besonderheiten desjenigen, der die Vorverlegung des Titelschutzes auf den Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung im Titelschutzanzeiger erreichen möchte. Es ist nämlich davon auszugehen, dass bei einem Projekt wie einem Rätsel-Heft gegebenenfalls für angebracht gehaltene Markttests nicht dazu führen, dass die Gesamtentwicklungsdauer deswegen fünf Monate übersteigen müsste. Ein besonderes Bedürfnis gerade der Antragstellerin, ihr Produkt besonders gründlich auf Kundenakzeptanz zu testen, bevor sie es auf den Markt bringt, kann nicht dazu führen, dass ihr eine über die üblicherweise erforderliche Vorbereitungszeit andauernde Sperrwirkung zuzuerkennen ist.

Schließlich ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung auch Folgendes zu bedenken:

Wie die Verlagsleiterin Schulze der Antragstellerin im Termin einräumen musste, erfolgten die regionalen Markttests im Februar 2004 nicht mit dem Werktitel "Freizeit Spass", sondern mit anderen Titeln. Da derartige Tests dazu dienen, die Akzeptanz des neuen Objekts zu erproben, leuchtet es nicht ein, warum die Antragstellerin dabei ausgerechnet nicht den Titel getestet hat, für den sie sich später entschieden hat. Dies spricht dafür, dass die Verwendung des für ein Rätsel-Heft eher unspezifischen Titels "Freizeit Spass" jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ernsthaft von der Antragstellerin ins Auge gefasst war, sondern vielmehr erst aus Anlass der gleichlautenden Veröffentlichung der Antragsgegnerin ausgewählt wurde, die wiederum als "Konterblatt" zu der neuen Zeitschrift des mit der Antragstellerin verbundenen Bauer Verlags zu verstehen war. Die sich vor diesem Hintergrund aufdrängende Motivation der Antragstellerin, den mit der Titelanzeige angemeldeten Titel "Freizeit Spass" zu verwenden, um zugleich das Erscheinen der gleichnamigen Zeitschrift der Antragsgegnerin zu unterbinden, könnte im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung keinen Schutz beanspruchen. Vielmehr konnte der Antragstellerin angesichts der ohnehin schon für ein Rätsel-Heft unüblich langen Vorbereitungsdauer angesonnen werden, nicht ausgerechnet auf den angekündigten Werktitel umzuschwenken, der inzwischen von einem Dritten in Gebrauch genommen worden war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Sievers Böttcher Blömer

Rechtsgebiete

Markenrecht