Telefonwerbung für Blindenwaren
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
13. 11. 2001
Aktenzeichen
20 U 36/98
Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin das am 16. Januar 1999 verkündete Urteil der 42. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte verurteilt worden ist, 315,55 DM nebst 4 % Zinsen seit dem August 1997 an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Anschlussberufung hat dagegen Erfolg. Der Klägerin steht in Bezug auf die telefonische Werbung für Blindenware bei Gewerbetreibenden weder ein Unterlassungsanspruch noch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zu.
In Bezug auf die entscheidende Frage, ob die Beklagte Blindenwaren und Zusatzwaren gegenüber geschäftlichen Neukunden telefonisch bewerben darf, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass bei der nach § 1 UWG gebotenen Interessenabwägung die Belange des Werbenden und das Interesse des gewerblichen Adressaten zu berücksichtigen seien. Von Bedeutung sei, dass durch die Erleichterung des Absatzes der von Blinden hergestellten Erzeugnisse deren Situation verbessert werde. Nach der Lebenserfahrung sei der allgemeine Verkehr bereit, eine Werbung für Blindenwaren eher entgegenzunehmen als sonstige Werbung; dies gelte auch für Gewerbetreibende, die der Werbung für Blindenwaren im allgemeinen aufgeschlossener gegenüberstünden als sonstiger Werbung. Allerdings sei insoweit die Branchenüblichkeit der angegriffenen Werbeart von Bedeutung, weil es entscheidend auf die Auffassung der angesprochen Verkehrskreise ankomme, die ihrerseits in erster Linie davon beeinflusst sei, ob entsprechende Werbemethoden in der in Frage stehenden Branche üblich sind. Dies habe der Senat zwar nicht verkannt, jedoch das Bestreiten der von der Beklagten behaupteten Branchenüblichkeit durch die Klägerin nicht zugelassen.
Demgemäss hat der Senat nach Zurückverweisung der Sache die Beweisaufnahme über die Branchenüblichkeit der telefonischen Werbeansprache durchgeführt und die Zeugen L... und S... zu der Frage vernommen, ob die Blindenwerkstätten in Deutschland seit Jahrzehnten unbeanstandet über die Handelsvertreter durch unaufgeforderte Telefonanrufe bei Gewerbetreibenden für den Absatz ihrer Waren werben. Der Zeuge L... hat hierzu ausgesagt, dass der Verkauf und der Absatz von Blindenware an gewerbliche Abnehmer und Einrichtungen der öffentlichen Hand im Wege des Telefonverkaufs schon seit vielen Jahren praktiziert werde. Die telefonische Ansprache sei in den siebziger Jahren eingeführt worden. Er, der Zeuge, sei mit der Bearbeitung von Beschwerden seit 1995 Im Rahmen seiner ehrenamtlichen Verbandstätigkeit befasst. Beschwerden der angerufenen Gewerbetreibenden richteten sich so gut wie nie gegen die Erstansprache von Kunden sondern nur auf die konkrete Form im Einzelfall. Danach ist die Branchenüblichkeit der angegriffenen Werbung zur Überzeugung des Senats zu bejahen und mithin nach Abwägung der schon genannten Umstände ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 1 UWG nicht gegeben. Die Angaben des Zeugen L... sind hinreichend aussagekräftig, so dass es das von der Beklagten hilfsweise beantragten Sachverständigengutachtens nicht bedarf. Als Vorsitzender des Verbandes für das Blindenhandwerk und Blindenwerkstätten und Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Niedersachsen und seiner Gesellschaften sowie aufgrund seiner langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit verfügt der Zeuge über gute Kenntnisse der BranchengepfIogenheiten. Er hat glaubhaft und sicher bekundet. Seine Angaben werden durch die Bekundungen des Zeugen S... gestützt. Herr S... hat ausgesagt, er wisse aus seiner Vertriebstätigkeit und aus Gesprächen mit Unternehmern von Blindenwerkstätten, dass die Blindenware im Wege des telefonischen Kontakts über Handelsvertreter und Call-Center abgesetzt werde. Beschwerden seien ihm, dem Zeugen, vereinzelt nur insoweit bekannt geworden, als sich Unternehmer über die Art der telefonischen Ansprache beklagt hätten und darüber, dass es innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums mehrere Anrufe von Blindenwerkstätten gegeben habe; Klage sei aber nicht über die telefonische Ansprache schlechthin geführt worden. Soweit die Klägerin auf einzelne Beschwerdefälle verweist, bleibt dies schon deshalb ohne Erfolg, weil es sich um vereinzelte Fälle aus den Jahren 1995 (H... & P... GmbH), 1998 Firma R...), 1999 (Schlosserei P...) und 2000 (Naturheilpraxis B...) handelt. Ebenso wenig aussagekräftig ist das Schreiben der V... H... e.V. vom 21.9.2001, aus dem sich lediglich ergibt, dass es "bereits Beschwerden von Firmen" gegeben habe. Der Vorgang einer angeblichen Abmahnung der Blindenwerkstätte D... "wegen unzulässiqer Telefonwerbung" durch die Verbraucherzentrale NRW im Jahre 1997 ist nicht näher erläutert.
Damit steht auch fest, dass der Klägerin, die sich mit der Abmahnung der Beklagten im wesentlichen gegen die hier erörterte telefonische Ansprache wandte, auch kein Aufwendungsersatzanspruch zustehen kann und die Anschlussberufung der Beklagten Erfolg hat. Insoweit bleibt es bei den Ausführungen des Senatsurteils vom 12.1.1999.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Der Berufungsstreitwert und die Beschwer der Klägerin betragen 15.315,65 DM.
Für die Zulassung der Revision besteht kein rechtlich begründeter Anlass (§ 546 Abs. 1 ZPO).
B... S... W...
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