Kein Zugewinnausgleich wegen grober Unbilligkeit
Gericht
OLG Celle
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
07. 04. 1992
Aktenzeichen
18 UF 245/91
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien haben am 11. 6. 1959 miteinander die Ehe geschlossen. Sie haben zwei volljährige Söhne. Im Dezember 1986 kam es zur Trennung. Der Scheidungsantrag der Kl. wurde dem Bekl. am 8. 7. 1987 zugestellt. Die Ehe ist seit Mai 1988 rechtskräftig geschieden. Die Parteien haben sich über die Auseinandersetzung hinsichtlich ihres während der Ehe erworbenen Vermögens und über die Tilgung von Verbindlichkeiten weitgehend außergerichtlich geeinigt. Im Streit blieb vor allem die Frage, ob und wieweit der Wert eines von dem Bekl. und seiner jetzigen Ehefrau aufgrund eines notariellen Vertrages vom 30. 4. 1987 erworbenen Grundbesitzes in W., bestehend aus einem Hausgrundstück und weiteren unbebauten Grundstücken, in einen Zugewinnausgleich einzubeziehen ist. Diesen Grundbesitz hatte die Sparkasse im Wege der Zwangsversteigerung für 260000 DM erworben, nachdem ein im Zwangsversteigerungsverfahren eingeholtes Gutachten vom 8. 7. 1985 für das Hausgrundstück einen geschätzten Verkehrswert von 430000 DM ergeben hatte. Die Sparkasse hat den Grundbesitz nach vergeblichen anderweitigen Bemühungen schließlich am 30. 4. 1987 für 227000 DM (Hausgrundstück: 210000 DM; weitere Grundstücke: 17000 DM) an den Bekl. und seine jetzige Ehefrau verkauft. Die Übergabe erfolgte am 15. 5. 1987. Der Kaufpreis wurde in vollem Umfang durch ein Darlehen finanziert. Die Kl. hat vorgetragen, der Verkehrswert des Hausgrundstücks habe am 8. 7. 1987 mindestens 430000 DM betragen. Hinzu komme der Verkehrswert der weiteren Grundstücke. Dem stehe der erheblich niedrigere Kaufpreis gegenüber. Die Wertdifferenz sei dem Bekl. zur Hälfte zuzurechnen und stelle einen ausgleichspflichtigen Zugewinn dar. Die Kl. hat einen Teilbetrag von 13000 DM geltend gemacht. Der Bekl. hat den von der Kl. behaupteten Verkehrswert des Grundbesitzes bestritten und behauptet, der Verkehrswert sei mit dem im Vertrag vom 30. 4. 1987 vereinbarten Kaufpreis identisch gewesen. Er hat die Einrede des § 1381 BGB erhoben.
Das AG - FamG - hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
1. Der Bekl. hat zwar einen höheren Zugewinn als die Kl. erzielt, so daß er grundsätzlich gem. § 1378 I BGB zur Zahlung der Hälfte des Überschusses verpflichtet ist. Dabei errechnet sich der Zugewinn der Parteien aus der Differenz ihres Anfangsvermögens, bezogen auf den Zeitpunkt der Eheschließung (11. 6. 1959), und des im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (8. 7. 1987; § 1384 BGB) vorhandenen Endvermögens. Der Bekl. ist jedoch berechtigt, die Zahlung des Zugewinnausgleichs zu verweigern (§ 1381 BGB).
... 2. a) ... Im Ergebnis zutreffend hat das AG den Wert des aufgrund des Vertrages vom 30. 4. 1987 von dem Bekl. gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau erworbenen Grundbesitzes aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen W mit einem Anteil von (348000 DM : 2 =) 174000 DM in Ansatz gebracht.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten für das Hausgrundstück einen Sachwert von 362000 DM und einen Ertragswert von 304000 DM ermittelt. Mit Rücksicht auf den Grundstücksmarkt und wegen der ungünstigen Konzeption des angebauten Schwimmbadgebäudes hat der Sachverständige vom Sachwert einen Abzug von 10 % vorgenommen und auf dieser Basis den Verkehrswert auf 362000 DM geschätzt. Den Verkehrswert der unbebauten Grundstücke (Fischteiche) hat er bei einem Grundstückspreis von 2,50 DM/qm auf 22000 DM geschätzt. Der Senat hält das Gutachten für überzeugend. Gegen die konkreten Berechnungsansätze sind von den Parteien auch keine Einwendungen erhoben worden. Der Bekl. verweist demgegenüber nur auf den im Vertrag vom 30. 4. 1987 vereinbarten Kaufpreis von insgesamt 227000 DM und die vorherigen vergeblichen Bemühungen der Sparkasse, einen höheren Erlös zu erzielen. Darauf kann es jedoch nicht ankommen.
Bei der im Rahmen des Zugewinnausgleichs vorzunehmenden Bewertung von Grundstücken ist grundsätzlich der „wirkliche Wert“ zu ermitteln. Dieser kann zwar gleichbedeutend sein mit dem objektiven Verkehrswert, also dem Erlös, der bei einer Veräußerung oder sonstigen Verwertung des Grundstücks erzielt werden könnte. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige die allgemeine Marktsituation bereits in seine Überlegungen mit einbezogen und vom Sachwert einen gewissen Abschlag vorgenommen, so daß sich ein Wert ergab, der zwischen Sachwert und Ertragswert lag. Das wird den tatsächlichen Gegebenheiten durchaus gerecht. Der mit der Sparkasse vereinbarte Kaufpreis kann kein Anhaltspunkt für den „wirklichen Wert“ der Grundstücke sein. Er kann durch momentane besondere Umstände beeinflußt worden sein, wie z. B. geringes Kaufinteresse, zuvor durchgeführtes Zwangsversteigerungsverfahren und das Interesse der Sparkasse, den Grundbesitz möglichst schnell wieder zu verwerten. Solche und ähnliche Umstände können auf die Bewertung nach § 1376 I BGB nur dann Einfluß haben, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist oder als Folge des Zugewinnausgleichs veräußert werden muß. Bei Immobilien, die nicht verkauft, sondern vom Eigentümer weiter genutzt werden sollen, geht es dagegen nicht an, sie nur mit einem momentanen Veräußerungswert anzusetzen (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 226 = FamRZ 1986, 37 (40) m. w. Nachw.). So ist die Situation aber hier. Da der Bekl. und seine jetzige Ehefrau vor allem das Hausgrundstück erworben haben, um es auf Dauer zu nutzen, muß hier der vom Sachverständigen ermittelte Wert maßgebend sein. Somit errechnet sich ein Aktivvermögen des Bekl. von 304682,83 DM.
Davon abzuziehen sind die zum Stichtag belegten und unstreitigen Verbindlichkeiten auf dem Girokonto mit (anteilig) 7137,64 DM, die Verbindlichkeiten für das neu erworbene Haus mit (anteilig) 119542 DM, das kurz vor dem Stichtag aufgenommene Darlehen bei der Schwester des Bekl. in Höhe von 10000 DM und die Restvaluta aus den ehelichen Grundstücksbelastungen in Höhe von 8106,26 DM, so daß sich das Endvermögen des Bekl. mit 159896,93 DM darstellt. Nach Abzug des Anfangsvermögens von 21907,89 DM verbleibt ein Zugewinn von 137989,04 DM.
... c) Der Zugewinn des Bekl. übersteigt damit den der Kl. um (137898,04 DM ./. 88271,27 DM = ) 49717,77 DM. Der Ausgleichsanspruch der Kl. beliefe sich damit gem. § 1378 I BGB auf 24858,89 DM. Hierauf hat der Bekl. an die Kl. unstreitig Zahlungen von 2500 DM und 3000 DM (Wohnmobil und Bausparverträge) geleistet. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß der Bekl. den Debetsaldo auf dem gemeinsamen Girokonto (zum Teil durch den Erlös aus dem Verkauf des Wohnwagens) allein getilgt hat und daß daher zu seinen Gunsten ein weiterer Betrag von 7137,64 DM zu verrechnen ist. Danach verbleibt - rein rechnerisch - ein restlicher Ausgleichsanspruch der Kl. von 12221,25 DM.
3. Der Bekl. hat zu Recht die Einrede des § 1381 BGB erhoben. Nach den Umständen des Falles würde es zu einem grob unbilligen Ergebnis führen, wenn der Bekl. an die Kl. weitere Ausgleichsleistungen erbringen müßte. Die Vorschrift des § 1381 BGB gibt in gewissem Maße Billigkeitsgesichtspunkten Raum, um der Einzelfallgerechtigkeit zu dienen (vgl. BGH, NJW 1973, 749 = FamRZ 1973, 254 (256); NJW 1974, 137 = FamRZ 1974, 83 (84)). Es ist zwar nicht der Zweck des § 1381 BGB, Unbilligkeiten zu beseitigen, die allein durch die Entscheidung des Gesetzgebers für eine schematische Durchführung des Zugewinnausgleichs hervorgerufen werden (vgl. Johannsen-Henrich-Jaeger, EheR, § 1381 EheRRdnr. 2). Erst wenn, wie es im Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Dr II 309, S. 12) heißt, die gesetzliche Regelung im Einzelfall dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde, ist eine grobe Unbilligkeit anzunehmen. Das ist hier der Fall.
Durch den Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns soll sichergestellt werden, daß beide Ehegatten an dem, was während der Ehe erworben wurde, gerecht beteiligt werden. Dabei macht das Gesetz den Ausgleichsanspruch nicht von einer im Einzelfall festzustellenden Mitwirkung oder Mitarbeit des Ehegatten, der keinen oder den geringeren Zugewinn erzielt hat, abhängig. Deswegen ist es im allgemeinen ohne Bedeutung, aus welchen Gründen und auf welche Weise ein Ehegatte den höheren Zugewinn erzielt hat. Der Ausgleichsanspruch bezieht seine Rechtfertigung aus der ehelichen Lebensgemeinschaft und dem Grundsatz der Gleichberechtigung (vgl. BGH, NJW 1980, 1462 = FamRZ 1980, 768; FamRZ 1980, 877). Da der Gesetzgeber hinsichtlich des Endes der Ehezeit auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages abgestellt hat, sind grundsätzlich auch Vermögensänderungen, die in der Zeit zwischen der Trennung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages erfolgt sind, in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen.
Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die hinsichtlich des jetzt noch streitigen Zugewinnausgleichs die grobe Unbilligkeit begründen. Die sich rechnerisch ergebende Ausgleichsforderung der Kl. beruht allein darauf, daß der Bekl. gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin den Grundbesitz in W. erworben hat. Ohne diesen Grundstückserwerb und die darauf beruhende Kreditbelastung hätte der Bekl. nur einen Zugewinn von (130682,83 DM ./. Passiva von 25243,90 DM ./. Anfangsvermögen von 21907,89 DM =) 83531,04 DM erworben, die Kl. hingegen einen Zugewinn von 88271,27 DM, so daß sie an sich ausgleichspflichtig gewesen wäre. Tatsächlich hat aber der Bekl. zugunsten der Kl. Leistungen in Höhe von 12637,64 DM erbracht. Das beruht darauf, daß die Parteien - unabhängig vom Anfangsvermögen des Bekl. - die bei Ende ihrer Lebensgemeinschaft vorhandenen Werte einverständlich geteilt haben und daß der Bekl. die Tilgung des Sollsaldos auf dem Girokonto übernommen hat. Demgegenüber hat der Erwerb des Grundbesitzes in W. keinerlei Bezug zu der Ehe der Parteien. Der Kaufvertrag wurde nur wenige Wochen vor Ende der Ehezeit abgeschlossen. Der Kaufpreis wurde in vollem Umfang finanziert. Zu seinem Erwerb wurden also keine während der Ehe erwirtschafteten Mittel eingesetzt, so daß das erworbene Grundvermögen nicht als Surrogat für bereits vorher erwirtschaftetes Vermögen angesehen werden kann. Bei einem solchen Vermögenswert, dem jegliche innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt, sind nach Ansicht des Senats an die Voraussetzungen der groben Unbilligkeit i. S. von § 1381 BGB keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. auch Schwab, Hdb. des ScheidungsR, 2. Aufl., Teil VII, Rdnrn. 172 ff. (175)). Auch unter Berücksichtigung der sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien erscheint daher im vorliegenden Fall ein weiterer Zugewinnausgleich zugunsten der Kl. als grob unbillig. Die Parteien sind wirtschaftlich unabhängig voneinander. Die Kl. hat den Miteigentumsanteil des Bekl. an dem während der Ehe angeschafften Reihenhausgrundstück gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages erworben. Es widerspräche dem Gerechtigkeitsempfinden, wenn sie über die bereits erhaltenenen Leistungen hinaus in weitergehendem Maße davon profitieren würde, daß der Bekl. kurz vor Ende der Ehezeit begonnen hat, zusammen mit seiner jetzigen Ehefrau eine neue Vermögensbasis zu schaffen. Demgemäß war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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