Kein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis bei Arbeitsleistungen für das eigene Kind
Gericht
BFH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
19. 05. 1999
Aktenzeichen
XI R 120/96
Ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis mit der nichtehelichen Lebensgefährtin kann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn diese zugleich Mutter des gemeinsamen Kindes ist.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
I. Der unverheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kl.) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er führt mit der leiblichen Mutterseines minderjährigen behinderten Kindes einen gemeinsamen Haushalt. Das Kind besucht eine auswärtige Bildungseinrichtung und verbringt nur die Wochenenden und die Ferien bei den Eltern. In seiner Steuererklärung machte der Kl. Aufwendungen für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis mit seiner nichtehelichen Lebensgefährtin i. H. von 11456 DM geltend. Der Betrag setzt sich aus dem Bruttogehalt, dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, der AOK-Umlage und Beiträgen für eine Unfallversicherung zusammen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) zog diesen Betrag nicht als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 ab. Das FG gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft schließe ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis aus. Der andere Lebenspartnerkomme durch die gemeinsame Haushaltsführung seiner Verpflichtungnach, zum gemeinsamen Unterhalt beizutragen. Diese Betrachtung gelte um so mehr, weil die Lebenspartnerin gleichzeitig Mutter des gemeinsamen Kindes sei.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kl. beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung des FG decke sich mit dem Urteil des BFH vom 27. 10. 1989, III R 205/82 (BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, DStR 1990, 36).
Das BFH-Urteil vom 30. 1. 1996, IX R 100/93 (BFHE 180, 74, BStBl II 1996, 359) beziehe sich auf die Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung“. Der BFH führe darin aus, daß der wesentliche Bestandteil einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft das gemeinsame Wohnen sei und daher Mietzahlungen des einen an den anderen nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führten. Im Streitfall gehe es jedoch um den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990; der Gesetzgeber habe eindeutig und bewußt die Voraussetzungen dieses Tatbestandes geschaffen.
Das gemeinsame Kind verpflichte die Mutter nicht dazu, auch für ihren nichtehelichen Lebensgefährten den Haushalt führen zu müssen. Diese Verpflichtung bestehe nur für die Ehefrau.
Nach § 1356 BGB sei die Ehefrau darüber hinaus verpflichtet, im Rahmen der Üblichkeit im Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten. Trotz dieser Verpflichtung könne mit der Ehefrau ein steuerlichanerkannter Anstellungsvertrag geschlossen werden. Daneben hätten die Ehegatten den Vorteil des Splitting-Tarifs. Es sei deshalb nicht als Gestaltungsmißbrauch zu werten, wenn zwei nichtverheiratete Personen einen Arbeitsvertrag für solche Arbeiten abschlössen, zu denen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in keiner Weise verpflichtet sei.
Unter dem 5. 9. 1996 hat das FA wegen eines anderen Punktes einen Änderungsbescheid erlassen; der Kl. hat diesen Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Revision des FA ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 sindnicht gegeben.
a) Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 können Aufwendungen des Steuerpflichtigen bis zu 12000 DM im Kalenderjahr für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn auf Grund der Beschäftigungsverhältnisse Pflichtbeiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden. Weitere Voraussetzung ist nachSatz 2, daß zwei Kinder bzw. bei Alleinstehenden ein Kind, die das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder eine hilflosePerson i. S. des § 33b Abs. 6 EStG 1990 zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören.
b) Im Grundsatz kann die beschäftigte Person auch der Partnereiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft sein (vgl. BFH v. 14. 4. 1988, R 225/85, BFHE 153, 224, BStBl II 1988, 670, DStR 1988, 513 m. Anm.; Blümich/Hutter, EStG, § 10 Rz. 538; Schmidt/Heinicke, EStG, 17. Aufl. 1998, § 10 Rz. 148; Nolde, in: H/H/R, EStG, 21. Aufl., § 10 Anm. 332 f.).
c) Eine Einschränkung ist allerdings für den Fall geboten, daß die in Betracht kommende Regelung personenbezogen (kinderbezogen) ist und die betreute Person das Kind der beschäftigtenPerson ist. In dem Urteil vom 6. 11. 1997, III R 27/91 (BFHE 184, 493, BStBl II 1998, 187, DStRE 1998, 222) hat der III. Senat seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH in BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294), auf die sich der Kl. ausdrücklich beruft, insoweit eingeschränkt, als sie sich auf den kinderbezogenenHausgehilfinnen-Freibetrag nach § 53a EStG 1979 bezieht. Nach dieser Regelung konnten durch die Beschäftigung einerHausgehilfin entstandene Kosten in bestimmtem Umfang abgezogen werden, wenn zum Haushalt des Steuerpflichtigen mindestens ein Kind gehörte, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 enthält einen vergleichbaren Kindesbezug; der Sonderausgabenabzug für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse kommt nach der Regelung des EStG 1990 nur in Betracht, wenn ein oder mehrere Kinder vorhanden sind und dadurch hauswirtschaftliche Arbeit in einem höheren Maße anfällt.
Das FG hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, daß nach der Entstehungsgeschichte dieser Regelung (vgl. BT-Drs. 11/4688, 12; 11/4712, 1) das Zusammenleben in einem Haushalt für die Erfüllung des Tatbestandes ohne Bedeutung sein sollte. Allerdings berücksichtigt das FG nicht den Kindesbezug des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990. Unter Berücksichtigung dieses Bezugs können Arbeitsleistungen für das eigene Kind nicht Gegenstandeines hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisses sein (dazu im einzelnen BFH in BFHE 184, 493, BStBl II 1998, 187, unter II. 2. b aa).
d) Diese Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 4 des GG. Aus diesen Verfassungsnormen ergibt sicheine (staatliche) Pflicht zum Schutz und zur Förderung von Ehe und Familie. Auch nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern bilden eine Familie (vgl. Schmitt-Kammler, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 6 Rz. 15, 30). Familienangehörige dürfen gegenüber anderen Personen nicht diskriminiert werden; so wäre beispielsweise eine generelle Nichtanerkennung von Arbeitsverträgen zwischen Familienangehörigen verfassungswidrig. Im Streitfall geht es aber nicht um eine generelle Nichtberücksichtigung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen nichtehelichen Lebenspartnern, sondern das Beschäftigungsverhältniskann deshalb steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil die Lebensgefährtin des Kl. in ihrer Eigenschaft als Mutter ohnehin zur Versorgung des Kindes verpflichtet ist (vgl. §§ 1705 , 1631 Abs. 1 BGB). In vergleichbarer Weise kann auch zwischen Ehegattenkein Beschäftigungsverhältnis i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 begründet werden (vgl. Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 10 Rz. 148). Letztlich scheitert die Anerkennung des Beschäftigungsverhältnisses daran, daß es unter Fremden nicht denkbar ist; bei bereits bestehender Verpflichtung besteht keine Veranlassung, noch zusätzlich ein weiteres Rechtsverhältnis mit eben auch dieser Verpflichtung zu begründen.
Auch im Gesetzgebungsverfahren sind verfassungsrechtlicheRisiken nur insoweit gesehen worden, als in einer intakten Ehe ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis nicht begründet werden kann (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates vom 2. 6. 1989, BT-Drs. 11/4712).
e) Ob sich das FA des weiteren mit Erfolg auf die Entscheidung des IX. Senats in BFHE 180, 74, BStBl II 1996, 359 berufenkann, kann dahinstehen. Ebenso kann offenbleiben, welche Auswirkungen sich daraus ergeben, daß es nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i. d. F. des JStG 1997 auf das Vorhandensein von Kindernnicht mehr ankommt und ein Kindesbezug insoweit nicht mehrgegeben ist.
2. Im Hinblick auf die Beschlüsse des BVerfG vom 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, 2 BvR 1220/93, 2 BvR 1852, 1853/97 (BStBl II 1999, 174 ff., DStRE 1999, 90) weist der Senat darauf hin, daß der angefochtene Steuerbescheid hinsichtlich der Kinderfreibeträge vorläufig ergangen ist (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO 1977).
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