Abschreibung von Herstellungsaufwand bei betrieblicher Nutzung des Ehegattengrundstücks

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Vorlagebeschluss


Datum

23. 08. 1999


Aktenzeichen

GrS 5/97


Leitsatz des Gerichts

Ehegatten, die gemeinsam die Herstellungskosten des von ihnen bewohnten Hauses getragen haben und die darin jeweils einen Raum für eigenbetriebliche Zwecke nutzen, können jeweils die auf diesen Raum entfallenden Herstellungskosten für die Dauer der betrieblichen Nutzung als Betriebsausgaben (AfA) geltend machen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der XI. Senat hat durch Beschluß vom 27. 8. 1997 (BFHE 183, 570 = BStBl I 1998, 784 = NZM 1998, 84) dem Großen Senat des BFH gem. § 11 IV FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Können Ehegatten, die die Herstellungskosten ihres im Miteigentum stehenden Einfamilienhauses gemeinsam getragen haben und die jeder einen Raum des Hauses für eigenbetriebliche Zwecke nutzen, jeweils die auf diesen Raum entfallende Absetzung für Abnutzung (AfA) in voller Höhe als eigenen Aufwand abziehen (Fortführung der in dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 aufgestellten Grundsätze)?„

Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kl. sind Eheleute, die im Streitjahr 1985 gewerbliche Einkünfte durch das Betreiben einer Handelsvertretung (Kl.) und die Tätigkeit als Verlegerin (Kl.) erzielten. Ihre Gewinne ermittelten sie jeweils durch Bestandsvergleich. Im Streitjahr erstellten sie auf einem ihnen je zur Hälfte gehörenden Grundstück ein Einfamilienhaus. Darin nutzten der Kl. und die Kl. jeweils einen Raum (15,64m² und 14,16m²) zu betrieblichen Zwecken. Das bekl. Finanzamt ließ bei der Einkommensteuerveranlagung 1985 lediglich von der Hälfte der Herstellungskosten, die auf den vom Kl. betrieblich genutzten Raum entfielen, den Abzug der AfA gem. § 7 IV EStG als Betriebsausgaben zu. Die übrigen Herstellungskosten blieben ohne steuerliche Auswirkung.

Das FG (EFG 1992, 10) hat der Klage teilweise stattgegeben. Der Große Senat hat die ihm gestellte Rechtsfrage bejaht.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

C. 1. Hinsichtlich des jeweiligen Miteigentumsanteils an ihren Arbeitszimmern ergibt sich die Berechtigung der Kl. zum Abzug der AfA bereits aus der betrieblichen Nutzung ihres Eigentums (BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 [zu II]).

Der Große Senat geht im übrigen mit der Vorlage und der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 m.w. Nachw.; BFHE 186, 371 = BStBl II 1998, 625 = NZM 1998, 1029 = NJW 1998, 448 L; BFHE [GS] 111, 242 = BStBl II 1974, 132 [zu C II 3]) davon aus, daß Teile eines Gebäudes, die in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen, selbständige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 I EStG sind. Im Vorlagefall sind die Arbeitszimmer jeweils selbständige Wirtschaftsgüter, weil sie gegenüber dem restlichen Gebäude eine besondere Funktion haben. Nach dieser Rechtsprechung ist ein solcher Gebäudeteil weiter in so viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen, wie Gebäudeeigentümer vorhanden sind, hier also jedes der Arbeitszimmer in zwei Wirtschaftsgüter.

2. Die Kl. sind darüber hinaus nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311, zu AfA auf die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ihrer Arbeitszimmer berechtigt. Darin hat der Große Senat entschieden (unter C II und III 2 d), das Nettoprinzip gebiete, die Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die er im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen hat, bei der Ermittlung seiner Einkünfte zu berücksichtigen (vgl. auch Vorlage zu B 2b bb).

Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige Eigentümer des Wirtschaftsguts ist, für das er Aufwendungen getätigt hat. Auch die Kl. haben sämtliche auf ihre Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen.

Nutzen Miteigentümer ein Wirtschaftsgut (Gebäude) gemeinsam zur Erzielung von Einkünften, dann kann jeder die seinem Anteil entsprechenden AfA in Anspruch nehmen, denn jeder setzt die gesamten auf seinen Anteil entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten zur Einkünfteerzielung ein. Nutzt ein Miteigentümer im Rahmen seines Miteigentumsanteils einen Teil des Wirtschaftsguts (Arbeitszimmer) zur Einkünfteerzielung allein, dann ist davon auszugehen, daß er Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. In diesem Fall wird der den anderen Miteigentümern gehörende Anteil grundsätzlich nicht wechselseitig gemietet und vermietet (vgl. BGH, NJW 1964, 648 [zu III]; dazu ferner Karsten Schmidt, in: MünchKomm, § 743 Rdnrn. 15f.), d.h. der Miteigentümer nutzt den Raum zivilrechtlich nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt ihn insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (§ 743 II BGB). Das gilt auch einkommensteuerrechtlich (vgl. BFHE 173, 131 = BStBl II 1994, 325 [zu I 1 b]; EStH, H 164; Trzaskalik, in: Festschr. f. L. Schmidt, 1993, S. 51 [72]). Anders als sein Miteigentumsrecht bezieht sich sein Nutzungsrecht auf den ganzen Raum (vgl. BFHE 152, 491 = BStBl II 1988, 764 = NJW 1988, 1687 [zu I 3], und Vorlage zu GrS 5/97, BFHE 183, 570 = BStBl II 1998, 784 = NZM 1998, 84 [zu B 2 a]). Nutzen die Kl. aber die Arbeitszimmer in vollem Umfang aus eigenem Recht, sind auch ihre eigenen anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als im Interesse dieser Nutzung aufgewendet anzusehen und damit als betrieblicher Aufwand bei den Kl. zu berücksichtigen (vgl. BFHE 152, 491 = BStBl II 1988, 764 = NJW 1988, 1687; BFH, BFH/NV 1995, 879 [zum Arbeitszimmer in der Regel § 19 EStG]; zu § 21 II EStG BFHE 168, 248 = BStBl II 1992, 891 [zu 2 c]; im Erg. auch Kempermann, DStR 1996, 132; a.A., BFHE 179, 103 = BStBl II 1996, 192 = NJW 1996, 1302). Davon ist im Falle der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines Gebäudes auch dann auszugehen, wenn es im übrigen vom Steuerpflichtigen und seinem Ehegatten gemeinsam bewohnt wird (§ 1353 BGB).

3. Soweit sich die den Kl. jeweils zuzurechnenden Herstellungskosten auf den Miteigentumsanteil des anderen an dem Arbeitszimmer beziehen, sind sie „wie ein materielles Wirtschaftsgut„ zu behandeln (BFHE 176, 267 [275] = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 [zu V]). Die Kl. können sie nach den Grundsätzen, die für die Herstellungskosten des Gebäudes im übrigen gelten, in der Form von AfA als betrieblichen Aufwand geltend machen.

Die Bemessungsgrundlage (d.h. die anteiligen Herstellungskosten) für die auf das jeweilige Arbeitszimmer entfallende AfA ist zu schätzen (§ 162 I AO 1977), soweit die Herstellungskosten nicht eindeutig einem Arbeitszimmer zugeordnet werden können (BFHE 187, 276). Maßstab ist das Verhältnis der Nutzflächen der Arbeitszimmer zur gesamten Wohn-/Nutzfläche der Wohnung (BFHE 187, 276; 149, 476 = BStBl II 1987, 500 = NJW 1987, 2544; BFHE 161, 549 = BStBl II 1991, 389 = NJW 1991, 319; R 13 VI EStR).

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG §§ 2 II Nr. 1, 4 I, 7 IV, 15 I Nr. 1; BGB § 743