Beteiligung an Herstellungskosten für eigenes Arbeitszimmer im Haus des Ehegatten

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Vorlagebeschluss


Datum

23. 08. 1999


Aktenzeichen

GrS 1/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Beteiligt sich der Steuerpflichtige an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes, das seinem Ehepartner gehört und in dem der Steuerpflichtige einen Raum (Arbeitszimmer) für seine beruflichen Zwecke (§ 19 EStG) nutzt, kann er die auf diesen Raum entfallenden eigenen Aufwendungen grundsätzlich als Werbungskosten (AfA) geltend machen.

  2. Bemessungsgrundlage der AfA sind die auf das Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie der Kostenbeteiligung des Steuerpflichtigen entsprechen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der VI. Senat hat durch Beschluß vom 22. 11. 1996 (BFHE 181, 362 = BStBl II 1997, 208 = NJW 1997, 1092) dem Großen Senat des BFH gem. § 11 IV FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

1. Sind die in dem Beschluß des Großen Senats vom 30. 1. 1995 (BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311) aufgestellten Grundsätze zur AfA-Befugnis eines Miteigentümers auf den Fall übertragbar, daß der eine Ehegatte ein häusliches Arbeitszimmer in einem Zweifamilienhaus nutzt, das im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht und bei dem der Nichteigentümer-Ehegatte nicht die gesamten, sondern nur einen Teil der Anschaffungs- und Herstellungskosten getragen hat?

2. Falls die Rechtsfrage zu 1 bejaht wird: Ist bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) davon auszugehen, daß ungeachtet des zivilrechtlichen Alleineigentums des einen Ehegatten sämtliche auf das Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten als von demjenigen Ehegatten getragen gelten, der das Arbeitszimmer für seine beruflichen Zwecke nutzt?

3. Falls die Rechtsfrage zu 1 bejaht und diejenige zu 2 verneint wird: Wie ist die Bemessungsgrundlage für die AfA zu ermitteln?

4. Falls die Antwort auf die Rechtsfragen zu 1 bis 3 ergibt, daß der Nichteigentümer-Ehegatte entweder bereits dem Grunde nach keinen - tatsächlichen oder fingierten - Eigenaufwand von AfA abziehen darf oder die Höhe des abziehbaren - tatsächlichen oder fingierten - Eigenaufwands niedriger ist als der insgesamt auf das häusliche Arbeitszimmer entfallende Anteil der gesamten Herstellungs- und Anschaffungskosten: Kann im Falle der (teilweise) unentgeltlichen Nutzungsüberlassung eines häuslichen Arbeitszimmers durch den Alleineigentümer-Ehegatten der diesem entstandene Aufwand in Form der AfA von dem nutzenden Nichteigentümer-Ehegatten als sog. Drittaufwand abgezogen werden?

Die Vorlage beruht auf folgendem Sachverhalt: Der Kl. ist Alleineigentümer eines Zweifamilienhauses, das er mit seiner Ehefrau (Kl.) bewohnt. Einen Raum des Hauses (10,78% der gesamten Wohnfläche) nutzt die Kl. aus beruflichen Gründen (§ 19 EStG) als häusliches Arbeitszimmer. Die Kl. nahm zur Finanzierung von Anschaffungskosten des Gebäudes Bauspardarlehen auf, für die sie auch (durch Gehaltsabzug) die laufenden Verpflichtungen trug. Ihr finanzieller Beitrag zum Erwerb des Hauses deckte mehr als die anteiligen Anschaffungskosten des Arbeitszimmers (10,78%). Der Kl. machte bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und die AfA nach § 7 IV EStG für den 200 000 DM übersteigenden Teil der Herstellungskosten als Werbungskosten geltend. Das bekl. Finanzamt kürzte AfA und erhöhte Absetzungen um den auf das Arbeitszimmer entfallenden Anteil und lehnte die Berücksichtigung von auf das Arbeitszimmer entfallenden AfA als Werbungskosten der Kl. ab.

Das FG gab der Klage statt (EFG 1996, 537). Der Große Senat hat die zu 1 gestellte Rechtsfrage in Einzelfragen untergliedert und sämtlich bejaht, ebenso wie die Frage zu 2.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

C. I. Erste Rechtsfrage

Der Große Senat untergliedert die Vorlagefrage in folgende Unterfragen:

(1) Gelten die vom Großen Senat in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 für die Berücksichtigung der AfA im Rahmen der Gewinnermittlung (§ 2 II Nr. 1 EStG) aufgestellten Grundsätze auch für die Überschußermittlung (§ 2 II Nr. 2 EStG)?

(2) Gelten sie auch dann, wenn das Haus, in dem der Steuerpflichtige einen Raum als Arbeitszimmer nutzt, allein seinem Ehegatten gehört?

(3) Gelten sie ferner dann, wenn der Nichteigentümer-Ehegatte, statt alle Anschaffungs- und Herstellungskosten zu tragen, sich nur mit einem finanziellen Beitrag daran betei-ligt?

(4) Ist in diesem Fall davon auszugehen, daß er seinen finanziellen Beitrag, soweit er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers deckt, im eigenen beruflichen Interesse getragen hat?

1. Der Große Senat bejaht die Unterfrage zu 1. In dem vom Großen Senat (BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311) entschiedenen Fall machte der Steuerpflichtige erhöhte Absetzungen gem. § 82i EStDV im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus selbständiger Arbeit (§ 18 I Nr. 1 EStG) geltend. Im Vorlagefall geht es um die Berücksichtigung von AfA gem. § 9 I Nr. 7i.V. mit § 7 IV EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 I EStG). Aus der Begründung des Großen Senats folgt (vgl. zu C III 2), daß die Voraussetzungen des Abzugs von AfA bei der Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten die gleichen wie bei der Gewinnermittlung sind. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH. Danach sind Betriebsausgaben und Werbungskosten unter den gleichen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Wie Betriebsausgaben durch den Betrieb (§ 4 IV EStG), so müssen Werbungskosten durch die Tätigkeit im Rahmen einer Einkunftsart veranlaßt sein (z.B. BFHE 124, 43 [GS] = BStBl II 1978, 105 [zu B II 1] = NJW 1978, 1804 L m.w. Nachw.). AfA gehören zu den Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben (§§ 2 II Nr. 2, 9 I Nr. 7 EStG (BFHE 160, 466 [GS] = BStBl II 1990, 830 = NJW 1990, 2776 L [zu C III 1] betr. Werbungskosten; BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 [zu C] betr. Betriebsausgaben; BFHE 160, 466, 476 [GS] = BStBl II 1990, 830 = NJW 1990, 2776 L).

2. Der Große Senat bejaht die Unterfrage zu 2. Der Große Senat (BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311) hat entschieden, daß Herstellungskosten, die der Miteigentümer-Ehegatte aufwendet, bei dessen Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) im Wege der AfA auch insoweit als eigener Aufwand zu berücksichtigen sind, als sie auf den Anteil des anderen Miteigentümer-Ehegatten am Gebäude entfallen. Danach kommt es im Vorlagefall weder darauf an, (a) ob die Kl. Miteigentümerin des Gebäudes war, in dem sie ein Arbeitszimmer nutzte, noch darauf, (b) ob sie mit ihren Aufwendungen ein ihr zuzurechnendes Wirtschaftsgut erlangte, auf das AfA vorzunehmen wären.

a) Für den Miteigentümer eines Grundstücks sind die Anteile der übrigen Miteigentümer im steuerrechtlichen Sinne ebenso fremde Wirtschaftsgüter, wie es das Alleineigentum eines anderen an einem Grundstück für den Nichteigentümer ist. Ein betrieblich genutztes Grundstück ist u.a. in so viele selbständige Wirtschaftsgüter aufzuteilen, wie Miteigentümer vorhanden sind (z.B. BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 m.w. Nachw.); das gilt auch für den Bereich der Überschußermittlung gem. § 2 II Nr. 2 EStG (z.B. BFHE 166, 42). In dem vom Großen Senat entschiedenen Fall waren die Miteigentumsanteile an den Praxisräumen zwei Wirtschaftsgüter. Soweit der Steuerpflichtige Herstellungskosten auf den Anteil der Ehefrau aufwandte, entfielen sie auf ein für ihn fremdes Wirtschaftsgut. Waren sie dort als Aufwendungen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, schließt auch das Alleineigentum des Kl. im Vorlagefall die Berücksichtigung der Aufwendungen der Kl. nicht aus (vgl. auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 21 Rdnr. B 440; Weber-Grellet, DB 1995, 2550 [zu II 2a]).

b) Voraussetzung für den Abzug als Werbungskosten (AfA) ist nicht, daß dem Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut, an dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten er sich beteiligt, als Eigentümer zuzurechnen ist. Ausschlaggebend ist vielmehr letztlich, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen im beruflichen Interesse trägt.

Der Große Senat (BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 [zu III]) hat die Rechtsprechung zum Bau auf fremdem Grund und Boden sowie zum Abzug von (früherem) eigenem Aufwand des dinglich und obligatorisch Nutzungsberechtigten (insbesondere des Vorbehaltsnießbrauchers) sowie die Aussagen im Beschluß vom 26. 10. 1987 (BFHE 151, 523 [GS] = BStBl II 1988, 348) dahin gewürdigt und bestätigt, daß es nicht um die Nutzung eigenen oder fremden Vermögens, sondern um die Abziehbarkeit von eigenem Aufwand geht, der durch die Einkunftserzielung veranlaßt ist. Dieser Aufwand muß, so der Große Senat, zur Wahrung des Nettoprinzips abziehbar sein. In der Regel schlägt sich dieser Aufwand in einem dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgut nieder, auf das AfA vorzunehmen sind. Aus Gründen des steuerrechtlichen Nettoprinzips muß der Aufwand des Steuerpflichtigen indessen auch dann abziehbar sein, wenn die Voraussetzungen eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts nicht vorliegen. In diesen Fällen wird der Aufwand bilanztechnisch „wie ein materielles Wirtschaftsgut„ behandelt. Das bedeutet, daß die Aufwendungen zwar nicht sofort als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind, wohl aber, da sie ihrer Natur nach Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines Gebäudes sind, nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abgeschrieben werden können.

Auch im Vorlagefall erwarb die Kl. durch ihren finanziellen Beitrag nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien kein ihr zuzurechnendes Wirtschaftsgut (dazu BFHE 111, 242 [GS] = BStBl II 1974, 132; Vorlage zu GrS 1/97, BFHE 181, 362 = BStBl II 1997, 208 = NJW 1997, 1092 = NJWE-MietR 1997, 120 L zu III 1; insoweit a.A. BFHE 188, 304). Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 schließt dies jedoch die Berücksichtigung ihrer Aufwendungen als Werbungskosten nicht aus, sofern diese durch ihre berufliche Tätigkeit veranlaßt sind. Im Hinblick auf das Nettoprinzip darf die Berücksichtigung beruflich veranlaßter Aufwendungen nicht daran scheitern, daß sie im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts stehen, das dem Steuerpflichtigen nicht gehört.

3. Der Große Senat bejaht die Unterfrage zu 3. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311 kann es für die AfA-Befugnis nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige nur einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines fremden Wirtschaftsguts trägt. Das Nettoprinzip fordert, daß die Berücksichtigung betrieblich/beruflich veranlaßter Aufwendungen nicht daran scheitert, daß sie nicht den gesamten Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand ausmachen.

a) Die Kl. ist steuerrechtlich so zu behandeln, als habe sie selbst Anschaffungskosten aufgewendet. Sie finanzierte mit dem Einsatz ihrer bei der Bausparkasse aufgenommenen Darlehen einen Teil der Anschaffungskosten des Gebäudes. Damit wendete sie zwar keine Anschaffungskosten im engeren Sinne auf, denn sie tätigte die Aufwendungen nicht, um ein Wirtschaftsgut (Gebäude/Arbeitszimmer) von einem anderen zu erwerben (vgl. § 255 I HGB; ferner BFHE [GS] 86, 792 [794] = BStBl III 1966, 672 = NJW 1967, 367). Die Aufwendungen der Kl. sind aber mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten vergleichbar. Sie sind deshalb nicht sofort abziehbar, sondern wie Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu behandeln. Dabei orientiert sich der Große Senat daran, wofür die Darlehensvaluta eingesetzt wurde (vgl. BFHE [GS] 184, 7 [15] = BStBl II 1998, 193 = NJW 1998, 1174 L). Das Darlehen wurde nicht eingesetzt, um laufende Aufwendungen, sondern um Anschaffungskosten des Gebäudes zu finanzieren.

4. Der Große Senat bejaht die Unterfrage zu 4. Voraussetzung für die Geltendmachung von Aufwendungen als Betriebsausgaben (AfA) ist nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 176, 267 = BStBl II 1995, 281 = NJW 1995, 1311, daß der Steuerpflichtige sie „im eigenen betrieblichen Interesse„ trägt (zu C I, II a.E.). Davon ist auch im Falle der Beteiligung eines Ehegatten an der Finanzierung eines Gebäudes des anderen Ehegatten insoweit auszugehen, als er Räume dieses Gebäudes alleine betrieblich oder beruflich nutzt.

a) Beteiligt sich ein Ehegatte finanziell an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Hauses, das dem anderen Ehegatten gehört, ist der Eigentümer-Ehegatte grundsätzlich so zu behandeln, als habe er selbst die Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet (vgl. BFHE 152, 491 = BStBl II 1988, 764 = NJW 1988, 1687 betr. Miteigentum; m.w. Nachw. im Beschl. des GS vom heutigen Tage GrS 2/97, NJW 1999, 3577 [3578 zu C I 1] [in diesem Heft]). Das trifft im Vorlagefall insoweit zu, als der Beitrag der Kl. die Anschaffungskosten des Arbeitszimmers übersteigt (vgl. unten zu C II 2 c).

b) Dies gilt jedoch insoweit nicht, als der Beitrag des Nichteigentümer-Ehegatten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Raums deckt, den er zu beruflichen Zwecken nutzt. Bereits zivilrechtlich charakterisiert eine Zuwendung, die ein Ehegatte ohne besondere Vereinbarung dem anderen Ehegatten macht, daß sie ein Beitrag zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I BGB; BGHZ 116, 167 [170] = NJW 1992, 564 = LM H. 5/1992 § 2287 BGB Nr. 20), also eines gemeinsamen Ziels ist. Dieses Ziel wird u.a. durch die jeweilige berufliche Tätigkeit der Ehegatten verwirklicht. Aufwendungen für den beruflich genutzten Teil der gemeinsamen Wohnung wären beim Eigentümer-Ehegatten als allein durch seine berufliche Betätigung veranlaßt anzusehen (vgl. Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 9 EStG Rdnr. 246), und zwar selbst dann, wenn sich der Nichteigentümer-Ehegatte maßgeblich an den Anschaffungskosten dieses Gebäudeteils beteiligt hätte. Entsprechendes muß für den Beitrag des Nichteigentümer-Ehegatten zu den Anschaffungskosten des Hauses gelten; auch dieser Beitrag wird im eigenen beruflichen Interesse aufgewendet, soweit er auf den vom Nichteigentümer-Ehegatten allein genutzten Teil des Gebäudes entfällt.

II. Zweite Rechtsfrage

Der Große Senat bejaht die Rechtsfrage.

1. Eine Minderheit des vorlegenden Senats geht von der tatsächlichen Vermutung aus (Vorlage zu II 2a aa), Eheleute errichteten ihr Familienheim in Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Deshalb würden Herstellungskosten jeweils von demjenigen getragen, der das Wirtschaftsgut für seine betrieblichen oder beruflichen Zwecke nutze.

a) Für eine sog. tatsächliche Vermutung dieser Art ist jedoch kein Raum. Eine tatsächliche Vermutung kommt für die Feststellung von Tatsachen in Betracht (vgl. BFHE 156, 339 [347] = BStBl II 1989, 585 = NVwZ-RR 1990, 119; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rdnrn. 48ff.; Baumgärtel, in: Festschr. f. K. H. Schwab, 1990, S. 43 [44]; Lange, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO Rdnr. 120). Sowohl die Frage, ob Aufwendungen des Kl. als von der Kl. aufgewendet zu werten sind (vgl. dazu Beschl. des GS in der Sache GrS 2/97, NJW 1999, 3577 [zu C IV] [in diesem Heft]), als auch die Frage, ob Aufwendungen der Kl. als vorrangig auf das Arbeitszimmer getätigt anzusehen sind (dazu unten zu C II 2), betreffen nicht die Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts.

b) Was für die tatsächliche Vermutung gilt, gilt auch für die unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion (Unterstellung), die der vorlegende Senat ebenfalls für möglich hält (vgl. Vorlagefragen 2 und 4). Auch sie betrifft den Sachverhalt. Die unwiderlegliche Vermutung und die Unterstellung können nur durch Gesetz begründet werden (vgl. BFHE 151, 523 [537] = BStBl II 1988, 348; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 292 Rdnrn. 1ff.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 292 Rdnr. 5; Meßmer, StBJb 1977/1978, 65, 115, 126; vgl. auch Vorlage zu GrS 1/97, BFHE 181, 362 = BStBl II 1997, 208 = NJW 1997, 1092 = NJWE-MietR 1997, 207 L [zu II 2baa]). Eine entsprechende gesetzliche Vorschrift gibt es jedoch nicht.

c) Auch aus der ehelichen Lebensgemeinschaft der Kl. (§ 1353 I 2 BGB) kann sich keine tatsächliche Vermutung oder gar Fiktion (vgl. Obermeier, DStR 1998, 913 [915]) dieser Art ergeben. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB), in dem die Kl. leben, bleiben die Vermögen der Ehegatten und deren Verwaltung getrennt (§§ 1363 II , 1364 BGB). Grundsätzlich ist jeder einzelne Vermögensgegenstand oder dessen Erwerb einem der Ehegatten gesondert zuzurechnen (vgl. § 1363 BGB, Gernhuber, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 1363 Rdnrn. 6ff.). Auch das EStG geht seit der Abschaffung der Haushaltsbesteuerung nicht (mehr) von den Ehegatten als einer Einheit und deren Leistungsfähigkeit aus (BVerfGE 9, 237, 243 = NJW 1959, 979). Einkommensteuerrechtlich ist jeder der Ehegatten Steuerpflichtiger i.S. des § 1 I EStG (vgl. § 26 I 1 EStG). Seine individuelle Leistungsfähigkeit soll erfaßt werden (BVerfGE 6, 55 [67, 69] = NJW 1957, 417; BVerfGE 61, 319 = NJW 1983, 271 = BStBl II 1982, 717 [725]).

Der Grundsatz der Individualbesteuerung der Eheleute wird durch die Möglichkeit der Zusammenveranlagung (§§ 26 , 26b EStG) nicht aufgehoben (BVerfG, HFR 1990, 43; BFHE 139, 69 = BStBl II 1983, 674). Dementsprechend sind die Einkünfte jedes Ehegatten getrennt zu ermitteln (BFHE 179, 303 = BStBl II 1996, 193 = NJW 1996, 1918 [zu 4]; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 624 m.w. Nachw.). In diesem Bereich stehen sich die Eheleute wie Fremde gegenüber (BFHE 139, 69 = BStBl II 1983, 674). Darauf beruht z.B. die Möglichkeit des vertraglichen Leistungsaustauschs zwischen den Ehegatten und seine steuerrechtliche Anerkennung (vgl. auch Groh, DB 1988, 514 [518]). Nur „außerhalb der Einkünfteermittlung sind zusammen zu veranlagende Eheleute . . . als ein Steuerpflichtiger zu behandeln„ (BFHE 139, 69 [71] = BStBl II 1983, 674; z.B. beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, BFHE 89, 69 = BStBl III 1967, 596 = NJW 1968, 78; ferner BT-Dr 7/1470, S. 299).

2. Vorrangige Zuordnung der Aufwendungen. Der Große Senat ist aber der Auffassung, daß der Beitrag der Ehefrau zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes als für die Kosten des Arbeitszimmers aufgewendet anzusehen ist. Solange die Ehefrau einen Raum für ihre berufliche Tätigkeit alleine nutzt, sind dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie nicht über den Beitrag der Ehefrau hinausgehen, einkommensteuerrechtlich als von ihr (und zugleich in ihrem beruflichen Interesse) aufgewendet zu behandeln.

a) Die Kl. muß die Aufwendungen allerdings tatsächlich tragen. Das ist auch dann der Fall, wenn sie (Mit-)Schuldnerin (§ 421 BGB) eines Darlehens ist, mit dem die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes finanziert wird, und bei dem sie die Tilgungen mitträgt. Ihr Tilgungsbeitrag muß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers decken. Im Vorlagefall trug die Kl. die laufenden Verpflichtungen aus den Bauspardarlehen selbst. Auch wenn sie unter diesen Umständen im Streitjahr das Darlehen noch nicht soweit zurückgezahlt haben sollte, daß der zurückgezahlte Betrag bereits den anteiligen Kosten des Arbeitszimmers entsprach, hindert das die Inanspruchnahme der AfA nicht (BFH, BFH/NV 1996, 600 m.w. Nachw.).

b) Für die Zuordnung des Beitrags der Kl. geht der Große Senat von der Rechtsprechung des BFH zur AfA-Berechtigung des Miteigentümers im gemeinsamen und gemeinsam bewohnten Haus aus, der die auf sein Arbeitszimmer entfallende AfA (§§ 7b , 7 I , IV EStG) auch insoweit geltend machen kann, als sie auf den Anteil des Miteigentümers entfällt (BFH, BFH/NV 1995, 879). Der BFH sieht das Nettoprinzip und den Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen als ausschlaggebend an und nicht, ob der Steuerpflichtige eigenes oder fremdes Eigentum zur Erzielung seiner Einkünfte nutzt (vgl. auch Beschluß vom heutigen Tage zur Vorlage GrS 5/97, NJW 1999, 3584 [zu C 2] [in diesem Heft]). Es ist deshalb auch im Fall des Alleineigentums nicht entscheidend, ob es sich bei dem Arbeitszimmer um ein Wirtschaftsgut im fremden Eigentum handelt (s.o. zu C I 2 a). Maßgeblich ist, daß der das Arbeitszimmer nutzende Steuerpflichtige Aufwendungen im beruflichen Interesse trägt; das ist im Vorlagefall zu bejahen (s. dazu o. zu C I 4 b).

c) Im Vorlagefall hat das FG festgestellt, daß der Beitrag der Ehefrau höher ist als die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten. In diesem Fall sind ihre Aufwendungen auf das Arbeitszimmer „wie ein materielles Wirtschaftsgut„ (s.o. zu C I 2b) für die Dauer der beruflichen Nutzung im Wege der AfA als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen (§ 9 I Nr. 7i.V.mit § 7 IV EStG; BFHE 176, 267 [GS] = BStBl II 1995, 281 = NJW 1997, 1092 [zu C V]). Soweit ihr Beitrag über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers hinausgeht, ist er dem Eigentümer als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen (s.o. zu C I 4 b). Das gilt auch für ihren auf das Arbeitszimmer entfallenden und steuerlich noch nicht verbrauchten Beitrag, wenn die berufliche Nutzung endet.

III. Dritte Rechtsfrage Der vorlegende Senat hat sie unter der Voraussetzung gestellt, daß die erste Rechtsfrage bejaht und die zweite verneint wird. Da der Große Senat beide Fragen bejaht hat, ist über die Frage nicht mehr zu entscheiden.

IV. Vierte Rechtsfrage

Sie ist unter der Voraussetzung gestellt, daß der Nichteigentümer-Ehegatte nicht berechtigt ist, AfA auf die anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers als Werbungskosten geltend zu machen. Da der Große Senat dies nach den Ausführungen zu den Rechtsfragen 1 und 2 bejaht, ist die Frage nicht mehr zu entscheiden.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG §§ 2 II Nr. 2, 7 IV, 9 I Nr. 7, 19