Krankheitsbedingte Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs

Gericht

ArbG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

01. 10. 1999


Aktenzeichen

7 Ca 3937/99


Leitsatz des Gerichts

Wird eine alkoholkranke Arbeitnehmerin nach einer Langzeittherapie rückfällig und weist erneut erhebliche Fehlzeiten auf, ist eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die nicht verheiratet ist und keinerlei Unterhaltspflichten gegenüber Kindern hat, ist seit dem 15. 5. 1995 im Betrieb der Bekl. als Sachbearbeiterin der Kreditversicherung in Frankfurt a.M. zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 5400 DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 12. 5. 1999 hat die Bekl. das Arbeitsverhältnis mit der Kl. zum 30. 6. 1999 gekündigt. Vor Ausspruch der Kündigung ist der im Betrieb der Bekl. bestehende Betriebsrat angehört worden und hat unter dem Datum des 10. 5. 1999 seine Stellungnahme abgegeben. Im Betrieb der Bekl. sind in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Mit ihrer Klage vom 28. 5. 1999, bei Gericht am 31. 5. 1999 eingegangen, wendet sich die Kl. gegen die ausgesprochene Kündigung. Die Bekl. trägt zunächst vor, dass Arbeitgeberin der Kl. durch Verschmelzungsvertrag die B sei. Die A sei berechtigt gewesen, die Kündigung gegenüber der Kl. auszusprechen. Mit Vollmacht vom 22. 9. 1998 sei die A von der B ermächtigt worden, alle Rechtshandlungen betreffend die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der B vorzunehmen. Diese Bevollmächtigung sei auch der B bekannt. Die Kl. sei in der Zeit vom 1. 8. 1995, nachdem sie am 15. 5. 1995 ihre Arbeit der Bekl. aufgenommen habe, bis zum 16. 4. 1999 an insgesamt 307 Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Von diesen 307 krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstagen sei sie an 269 Tagen durch Alkoholmissbrauch arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Am 8. 11. 1997 habe ein Therapeut der Kl. Kontakt mit einer Kollegin der Kl. aufgenommen. Gegenstand dieses Kontaktgesprächs sei der ausdrückliche Hinweis des Therapeuten gewesen, dass die Kl. ihre Alkoholerkrankung aus eigener Kraft nicht überwinden könne. Ein Einschreiten des Arbeitgebers, der Bekl., sei deshalb unabdingbar. In diesem Sinne sei die Kl. sodann bereits mit Schreiben vom 24. 11. 1997 darüber informiert worden, dass die erheblichen Fehlzeiten auf Grund Alkoholmissbrauchs zukünftig nicht mehr geduldet würden. Gleichzeitig sei die Kl. aufgefordert worden, sich endgültig einer erfolgreichen Therapie zu unterziehen, und darauf hingewiesen worden, dass weitere durch Alkoholismus bedingte Fehlzeiten den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden könnten. Die Ärztin der Kl. habe nach Entbindung von ihrer Schweigepflicht das Bestehen einer Alkoholerkrankung auf das Erfordernis einer Langzeittherapie bestätigt. Nunmehr habe sich die Kl. in der Zeit vom 30. 4. 1998 bis zum 8. 7. 1998 einer Langzeittherapie unterworfen. In einem während dieser Therapie geführten Gespräch sei den Vertretern des Personalreferats der Bekl. mitgeteilt worden, dass die Kl. ab dem 9. 7. 1998 wieder vollschichtig tätig sein könne. Spätestens Mitte Februar 1999 hätten sich die durch die Alkoholerkrankung bedingten Fehlzeiten wieder eingestellt. Durch Schreiben der zuständigen Krankenkasse der Kl. sei bestätigt worden, dass die Erkrankungen in dem Zeitraum vom 13. 2. 1999 bis 15. 2. 1999, vom 1. 3. 1999 bis 6. 3. 1999 und vom 12. 4. 1999 bis 16. 4. 1999 auf derselben Krankheit beruht hätten wie die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zeitraum vom 12. 1. 1998 bis 8. 7. 1998. Damit stehe fest, dass auch die neuen Fehlzeiten im Jahr 1999 auf der Alkoholerkrankung der Kl. beruhten. Auf Grund dieses Sachverhalts könne kein Zweifel daran bestehen, dass auch für die Zukunft mit erheblichen, durch die Alkoholkrankheit der Kl. verursachten Fehlzeiten gerechnet werden müsse. Sie, die Bekl., müsse noch darauf hinweisen, dass die Kl. vor Durchführung der Langzeittherapie im Jahr 1998 zwei stationäre Entziehungskuren durchgeführt habe, die ebenfalls wirkungslos geblieben seien. Es liege auf der Hand, dass bei dieser Sachlage dringende betriebliche Interessen der Arbeitgeberin berührt würden. Dies gelte zum einen für die erheblichen Fehlzeiten, in denen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten sei, darüber hinaus habe zur Vertretung der alkoholkranken Kl. eine Aushilfskraft eingestellt werden müssen, deren Zeitvertrag mehrfach habe verlängert werden müssen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die sozial gerechtfertigte ordentliche krankheitsbedingte Kündigung der Bekl. vom 12. 5. 1999 am 30. 6. 1999 beendet worden. Vor Ausspruch der Kündigung ist der im Betrieb der Bekl. bestehende Betriebsrat mit Anhörungsschreiben der Bekl. vom 5. 5. 1999 ordnungsgemäß i.S. des § 103 BetrVG gehört worden. Dem Betriebsrat sind in diesem Schreiben alle kündigungsrelevanten Tatsachen mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 10. 5. 1999 hat der Betriebsrat seine Stellungnahme gegenüber der beabsichtigten Kündigung abgegeben. Die Kündigung ist auch von einer ordnungsgemäß bevollmächtigten juristischen Person ausgesprochen worden, denn die Bekl. hat nachgewiesen, dass sie die A bevollmächtigt habe, die Kündigung auszusprechen. Weiterhin hat die Bekl. nachgewiesen, dass auch die Kl. von dieser Bevollmächtigung Kenntnis haben musste. Die Kündigung der Bekl. ist auch i.S. des § 1 II KSchG sozial gerechtfertigt. Auch ein anderer vernünftig und verständig denkender Arbeitgeber hätte sich unter Berücksichtigung der alkoholkrankheitsbedingten Fehlzeiten der Kl. und der nachgewiesenen negativen Prognose für die Zukunft durch die erfolglose Langzeitentziehungstherapie und die Störung des Betriebsablaufs durch hohe Krankenlohnzahlungen durch eine ordentliche, Personenbedingte Kündigung getrennt.

Die Kl. hat am 5. 5. 1995 ihre Tätigkeit im Betrieb der Bekl. aufgenommen. Schon ab dem 1. 8. 1995 begannen die Fehlzeiten der Kl., die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Verdacht zulassen, dass sie auf Alkoholmissbrauch beruhten. Während die Kl. noch im Jahr 1995 an nur acht Arbeitstagen fehlte, waren diese im Jahr 1996 schon 75, im Jahr 1997 91 Tage und im Jahr 1998 122 Tage. Schließlich fehlte die Kl. bis zum 4. 5. 1999 an elf Tagen alkoholbedingt. Diese Erkrankungszeiten der Kl. sind so erheblich, dass sie keinesfalls vernachlässigt werden können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis ein so genanntes „Austauschverhältnis“ ist. Dies bedeutet, dass die eine Vertragspartei Arbeit leistet und die andere Vertragspartei dafür Geld zahlt. Bei diesen erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Kl. ist dieses Austauschverhältnis massiv gestört. Man möge sich mal vor Augen halten, dass die Kl. im Jahr 1996 an 75 Arbeitstagen fehlte, im Jahr 1997 an 91 Arbeitstagen fehlte und im Jahr 1998 schließlich an 122 Arbeitstagen nicht im Betrieb anwesend war unter Berücksichtigung von ca. 220 möglichen Arbeitstagen. Nachdem die Kl. im Jahre 1998 in F. eine Langzeitentziehungstherapie durchgeführt hat, ist sie schließlich mit Beginn des Jahres 1999 wieder als alkoholbedingt arbeitsunfähig krank geworden.

Daraus wird klar, dass die Bekl. eine negative Prognose bezüglich der gesundheitlichen Entwicklung der Kl. für die Zukunft aufstellen durfte. Es war damit zu rechnen, dass die Kl. auch weiterhin auf Grund ihrer Alkoholkrankheit erhebliche Fehlzeiten im Betrieb der Bekl. aufweisen würde. Auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am 6. 10. 1999 hatte das Gericht den Eindruck, dass die Kl. ihre Alkoholkrankheit nicht „im Griff“ hat. Die erforderliche erhebliche Störung des Betriebsablaufs ergibt sich einmal daraus, dass die Bekl. gezwungen war, erhebliche Krankenlohnfortzahlungen an die Kl. zu leisten, ohne als Gegenwert eine Arbeitsleistung der Kl. zu bekommen, und daraus, dass die Kl. durch eine Aushilfskraft wegen ihrer krankheitsbedingten Fehlzeiten vertreten werden musste und diese Aushilfskraft wiederholt eingesetzt werden musste.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

KSchG § 1 II; BGB § 622