Rettungskosten bei Ausweichen eines Kraftfahrers vor sprungbereitem Fuchs

Gericht

LG Passau


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

30. 07. 1996


Aktenzeichen

3 S 48/96


Leitsatz des Gerichts

Wer mit seinem Auto infolge eines Ausweichmanövers gegenüber einem Tier von der Straße abkommt, muss nicht zwangsläufig den entstandenen Schaden selbst tragen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am Morgen des 4. 2. 1995 kam der Sohn des Kl. mit dem beim Bekl. teilkaskoversicherten Pkw des Kl., einem Renault 5, auf der Fahrt von G. in Richtung N. in einem Waldstück im Ausgang einer Rechtskurve nach rechts von der Fahrbahn ab. Am Pkw entstand Totalschaden, der Schaden des Kl. beläuft sich insoweit auf 2400 DM. Der Kl. behauptet, der Fahrer seines Pkw sei deshalb von der Fahrbahn abgekommen, weil er versucht habe, einem auf der Straße befindlichen Fuchs auszuweichen, um einen Unfall und damit einen Schaden am Pkw des Kl. zu vermeiden. Es handele sich daher um einen sog. Rettungsschaden gem. § 63 VVG.

Das AG hat der Klage auf Ersatz des Fahrzeugwerts stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

a) Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Zeuge D die Wahrheit gesagt hat. Das Gericht geht daher davon aus, daß tatsächlich der Zeuge D einem Fuchs, der von der Böschung herab in Richtung Straße laufen wollte, auswich und dabei die Straße über die in seine Fahrtrichtung rechts liegende Böschung verlassen hat. ... Wie sich im Termin vom 18. 6. 1996 herausgestellt hat, geschah der Unfall nicht, wie zunächst vom Gericht angenommen, unmittelbar im Anschluß an eine in Fahrtrichtung des kl. Fahrzeugs folgende Rechtskurve, sondern in einer im Anschluß an eine kurze Gerade auf diese Rechtskurve folgende Linkskurve (in Fahrtrichtung des kl. Fahrzeugs). Damit scheidet eine überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache für das Abkommen nach rechts in die Böschung mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Die Kurvengrenzgeschwindigkeit in der zuvor liegenden Rechtskurve betrug lediglich 50 km/h und lag damit nur um 10 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dieser Kurve. Da der Sohn des Kl., der Zeuge D, diese schwierige Kurve problemlos passiert hat, kann er die zulässige Grenzgeschwindigkeit nicht überschritten haben. Dies bedeutet, daß er in das Geradeausstück mit geringer Geschwindigkeit einfuhr. Es bestehen damit keine Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge D aufgrund überhöhter Geschwindigkeit die technisch nicht so schwierige folgende Linkskurve nicht befahren konnte, weil er auf dem relativ geringen Geradeausstück sehr stark hätte beschleunigen müssen, und für dieses Fahrverhalten keine objektiven Anhaltspunkte vorhanden sind. Darüber hinaus spricht der Umstand, daß der Sohn des Kl. die technisch schwierige Rechtskurve problemlos durchfahren hat, dafür, daß er zum Unfallzeitpunkt sich in einem physisch und psychisch alerten Zustand befand. (Wird ausgeführt.)

b) Entgegen dem AG Koblenz (NJW-RR 1993, 164) geht das Gericht von einer objektiven Rettungssituation aus. Zwar ist richtig, daß ein Fuchs ein relativ kleines Tier ist. Wie alle Wildtiere ist er jedoch völlig unberechenbar. Der Sachverständige K hat im Termin vom 18. 6. 1996 ausgeführt, daß nur dann mit einer relativ geringen Beschädigung zu rechnen ist, wenn ein Fuchs unmittelbar unter das Fahrzeug gezogen wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einen unmittelbar auf der Fahrbahn stehenden Fuchs auffährt, ihn so überfährt. Befindet sich jedoch ein Fuchs in einer Sprungphase oder zeigt er sonst ein dynamisches Verhalten, so ist auch bei einem Fuchs mit erheblichen Schäden zu rechnen, so der Sachverständige. Diesen Ausführungen folgt das Gericht. Auf die konkrete Situation übertragen, wie sie sich aus der Zeugenaussage D ergibt, heißt dies, daß der Zeuge zum Zeitpunkt seines Ausweichmanövers mit dynamischem Verhalten des Fuchses rechnete, rechnen mußte und rechnen durfte. Im Zeitpunkt des Ausweichmanövers war der Fuchs auf einer Böschung sichtbar, und zwar in Bewegung. Für einen vernünftigen Kraftfahrer konnte es deshalb keinen Zweifel geben, daß der Fuchs - aufgrund der Hanglage springend - die Straße überqueren würde, so daß eine Kollision und damit der Eintritt eines Versicherungsfalls unmittelbar bevorstand. Damit waren zum Zeitpunkt des Ausweichmanövers für den Fahrer des kl. Fahrzeugs die Auswirkungen einer eventuellen Kollision unkalkulierbar, zumal er sich in kurvenreicher Waldstrecke, einem schwierigen Straßenstück, befand. Im Hinblick darauf ist ein kontrolliert eingeleitetes Ausweichmanöver eine adäquate Reaktion. Daß diese adäquate Reaktion nicht zu einem Erfolg geführt hat, ist ohne Belang.

Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Normen

VVG §§ 62, 63