Prozeßkostenvorschußpflicht des Scheinvaters im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

10. 10. 1996


Aktenzeichen

15 W 569/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Ungeachtet der Klageart ist die staatliche Fürsorgeleistung der Prozeßkostenhilfe als besondere Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege nachrangig gegenüber einem durchsetzbaren Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß (gegen OLG Hamburg, FamRZ 1996, 224).

  2. Im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren ist der Beklagte (Scheinvater) gegenüber dem klagenden Kind grundsätzlich prozeßkostenvorschußpflichtig.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der minderjährige Kl. hat seine Ehelichkeit angefochten. Das AG hat ihm hier für ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors, der die Auffassung vertritt, der Kl. habe gegen den bekl. Scheinvater einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Senat teilt die Auffassung, daß die Beschwerde der Landeskasse nach § 127 III ZPO auch - wie hier - darauf gestützt werden kann, daß das Gericht eine Prozeßkostenvorschußpflicht zu Unrecht verneint habe (Kalthoener/Büttner,Prozeßkostenhilfe, Rdnr. 880). Zum einsetzbaren Vermögen und somit zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einer um Prozeßkostenhilfe nachsuchenden Partei gehört auch ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß. Einer Prozeßkostenvorschußpflicht des Bekl. steht die vorliegende Prozeßart der Anfechtung der Ehelichkeit nicht entgegen (vgl. Senat, Beschl. v. 25. 4. 1995 - 15 W 294/95; Beschl. v. 2. 5. 1995 - 15 W 239/95). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Die anderslautende Entscheidung des OLG Hamburg (NJW-RR 1996, 1 = FamRZ 1996, 224) sowie die in der Zuleitungsverfügung des AG wiedergegebene Rechtsauffassung, Entscheidungen, die die Prozeßkostenvorschußpflicht des Scheinvaters bejahen, stießen in der rechtsuchenden Bevölkerung auf völliges Unverständnis, geben dem Senat zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung. Es mag sein, daß der auf einen Prozeßkostenvorschuß für das Ehelichkeitsanfechtungsverfahren in Anspruch genommene Scheinvater, d.h. der Mann, der bis zur rechtskräftigen anderslautenden Feststellung als ehelicher Vater des Kindes gilt (§ 1593 BGB) und deshalb auch dem Kind gem. § 1610 BGB zum Unterhalt - der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß ist unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf - verpflichtet ist, mit Unverständnis auf eine entsprechende Anordnung reagiert. Prozeßkostenhilfe ist eine staatliche Fürsorgeleistung, eine besondere Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (BVerfGE 9, 256 (258) = NJW 1959, 1028; BVerfGE 35, 348 (355) = NJW 1974, 229; Zöller/Philippi, ZPO, 19. Aufl., Vorb. § 114 Rdnr. 1). Dem Nachrang staatlicher Fürsorgeleistungen wäre nicht entsprochen, wenn ein durchsetzbarer Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß nur im Hinblick auf die Besonderheit der Klageart nicht vorrangig in Anspruch genommen werden müßte. Es stieße vielmehr auf Unverständnis des übrigen Teils der Bevölkerung, wenn unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel Rechtsstreite geführt werden, obwohl die rechtsuchende Partei - hier das kl. Kind - die zur Rechtsverfolgung erforderlichen Prozeßkosten aus seinem Vermögen, d. h. einem Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß, aufbringen könnte.

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand durfte dem Kl. für die Ehelichkeitsanfechtungsklage ohne weitere Ermittlungen Prozeßkostenhilfe nicht uneingeschränkt bewilligt werden. Es ist nicht festgestellt worden, ob der Bekl. zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses in der Lage ist; gegenüber einem solchen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß ist, wie bereits ausgeführt, die Prozeßkostenhilfe subsidiär. Der Kl. hat dargelegt, daß seine Mutter und der Zeuge Z ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, und dies durch die Vorlage des Sozialhilfebescheids glaubhaft gemacht. Hieraus ergibt sich mit dem AG, daß die Mutter des Kl. aufgrund ihrer Einkünfte zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses nicht in der Lage ist.

Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Bekl. fehlt jedoch jeglicher Vortrag. Der Umstand allein, daß er sich als Hausmann betätigt, besagt nichts über seine Vermögensverhältnisse. Daher kann ein Anspruch des Kl. auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Bekl. zur Zeit nicht ausgeschlossen werden. Entsprechende Angaben in einer vereinfachten Erklärung des Kl. über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 2 PKH-VV fehlen. Da der betreffende Vermögenswert des Prozeßkostenvorschusses im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung bislang vom AG nicht berücksichtigt worden ist, kann die angefochtene Entscheidung, soweit Prozeßkostenhilfe uneingeschränkt gewährt worden ist, keinen Bestand haben. Zunächst sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kl., insbesondere ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Bekl. zu ermitteln. Das AG wird sodann unter Beachtung eines möglichen Anspruchs des Kl. auf Prozeßkostenvorschuß gegenüber dem Bekl. erneut darüber zu befinden haben, mit welchen Zahlungsanordnungen Prozeßkostenhilfe nach § 120 I 1 ZPO zu verbinden ist. Daß der Rechtsstreit zwischenzeitlich abgeschlossen ist, steht dem nicht entgegen. Das AG hätte noch vor Abschluß der Instanz über eine Zahlungsanordnung befinden können; dies ergibt sich aus der Verfügung vom 25. 6. 1996.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht; Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht

Normen

BGB §§ 1360a IV, 1593, 1610 II